Spirit of Styria

Sitzen ist das neue Rauchen

Sie wissen es gewiss: Pausenloses Sitzen ohne Bewegung zwischendurch hat dramatische Auswirkungen für den Körper. Handeln Sie also dagegen!

Christof Pabinger ist Spezialist für Fußchirurgie, Stammzelltherapie, Arthrose und Knieoperationen sowie ärztlicher Direktor des Orthopädiezentrums Graz (OPZ). Er erklärt, warum Bewegungsmangel unseren Bewegungsapparat krank macht.

Herr Pabinger, in Ihrer Praxis behandeln Sie viele Patienten mit Arthrose, Fußfehlstellungen und Knieproblemen. Wie passt da der Satz „Sitzen ist das neue Rauchen“ hinein?
Er passt leider sehr gut. Unsere moderne Lebensweise fördert Bewegungsmangel – und der hat dramatische Folgen für den Bewegungsapparat. Wer täglich acht bis zehn Stunden sitzt, ohne sich zwischendurch ausreichend zu bewegen, riskiert strukturelle Schäden an Gelenken, Knorpel und Muskeln – ganz ähnlich wie Rauchen das Herz-Kreislauf-System belastet. Besonders betroffen: die Knie, die Hüften und die Füße.

Was passiert im Körper, wenn wir zu viel sitzen?
Die natürliche Durchblutung in Gelenken – besonders im Knorpel – hängt von Bewegung ab. Ohne regelmäßige Belastung kommt es zu einer Art „Verhungern“ des Gelenkknorpels. Zudem wird die Tiefenmuskulatur – etwa im Fuß oder rund ums Knie – bei Inaktivität abgebaut. Wir sehen das täglich bei Patienten mit beginnender Arthrose oder nach Knieoperationen: Die Rehabilitation ist deutlich schwieriger, wenn davor lange Phasen von Inaktivität bestanden.

Sie haben sogar eine Diplomarbeit zu diesem Thema betreut?
Ja, die Arbeit trägt den Titel „Sitting Disease“ und untersucht sehr schön die Wechselwirkungen zwischen Lebensstil und Gesundheit, besonders bei Büroarbeitern. Viele Menschen unterschätzen, dass Sitzen eben keine „neutrale“ Position ist – sondern ein aktiver Risikofaktor. Auch Rückenschmerzen, Bandscheibenprobleme oder Fehlstellungen des Fußes können so entstehen oder sich verschärfen.

Christof Pabinger,
Orthopäde

Was empfehlen Sie als Prävention?
Erstens: Bewegung in den Alltag einbauen. Jede Stunde einmal Aufstehen, fünf Minuten gehen oder ein paar einfache Übungen machen – das kann jeder umsetzen. Zweitens: Die richtigen Schuhe! Besonders bei Knick-Senk-Fuß oder Hallux valgus verschärft sich durch falsches Schuhwerk und langes Sitzen die Fehlbelastung. Drittens: Frühzeitige medizinische Beratung. Wir im OPZ setzen auf eine gelenkerhaltende Therapie – von Fußchirurgie über moderne Arthrosetherapien bis zur gezielten Stammzellbehandlung, um Operationen möglichst lange zu vermeiden.

Stammzellbehandlung – auch das klingt nach Zukunft.
Ja, aber sie ist längst Realität. Gerade bei Arthrosepatienten, die noch nicht reif für ein künstliches Kniegelenk sind, erzielen wir mit aufbereitetem Knochenmark hervorragende Ergebnisse. Natürlich gehört dazu ein aktiver Patient – ohne Bewegung kann auch die beste Therapie nicht wirken.

Zum Schluss: Ihr wichtigster Rat an unsere Leserinnen und Leser?
Bleiben Sie in Bewegung. Es muss kein Marathon sein – aber jeden Tag zehn Minuten mehr gehen, öfter die Treppe nehmen oder den Spaziergang als Pflichtprogramm sehen. Das ist keine Kleinigkeit – es ist aktive Gesundheitsvorsorge. Denn Sitzen ist leider tatsächlich das neue Rauchen.

Wenn vom Arbeiten der Kopf raucht, kann es durchaus sein,
dass auch der Körper Schaden nimmt. Pausen sind wichtig!

5 Möglichkeiten, die körperliche Fitness zu testen

1.

Mit gekreuzten Beinen auf den Boden setzen und versuchen, ohne Zuhilfenahme der Hände oder anderer Körperteile aufzustehen.

2.

Aufrecht hinstellen, einen Arm heben, hinter den Kopf geben, den anderen Arm hinter den Rücken führen und versuchen, die Finger beider Hände zusammenzuführen.

3.

Mit beiden Beinen auf den Boden stellen, ein Bein anheben, beide Hände unter den Oberschenkel geben. Versuchen, den Oberschenkel so weit wie möglich nach oben zu heben, ohne den Rücken zu beugen.

4.

Mit gestreckten Beinen auf den Boden setzen und versuchen, mit geradem Rücken so weit wie nur möglich zu den Zehen vorzugreifen.

5.

Die Füße schulterbreit aufstellen, mit aufrechtem Rücken in die Hocke gehen. Eine tiefe und wackelfreie Kniebeuge zeigt die Beweglichkeit in den Knien und Hüften.

AUSWERTUNG

Jede Übung fehlerfrei, elastisch und ohne Wackeln ausgeführt?
Gratuliere! Sie haben nicht nur Ihren Job im Griff, sondern offenbar auch den Körper. Weiter so! Sollten Sie dennoch einen Bandscheibenvorfall erleiden, können Sie sich zumindest nicht vorwerfen, nicht genügend vorgebeugt zu haben.

Es ging gerade so?
Diese Übungen sind genau das, was Sie brauchen: Ein Fingerzeig darauf, was besser klappen könnte. Versuchen Sie dennoch, diese Bewegungen in Ihren Alltag zu integrieren. Am besten morgens, dann haben Sie es hinter sich. Trotzdem auf die Schreibtisch-Pausen nicht vergessen.

Sie wollen nicht darüber reden?
Gehen Sie doch kurz in sich und überlegen, welcher Trainingsplan Ihnen zusagen könnte! Sie haben keine Zeit für und Lust aufs Fitnessstudio? Dann beginnen Sie klein, mit Treppensteigen statt Liftfahren, zu Fuß einkaufen gehen statt mit dem Auto zum Geschäft fahren. Vielleicht ist ja ein Hund das Passende für Sie oder zumindest ein E-Bike?

Fotos: Adobe Stock(Bassmallah), beigestellt

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