Als „letzten Wahnsinnigen“ titulierte ihn jüngst ein Branchenmagazin. Robert Buchberger, Fleischermeister aus Pöllau, positioniert sich seit Jahren höchst erfolgreich als Galionsfigur eines modernen regionalen Genussunternehmertums.
O
.k., der Wahnsinnige kann als Ehrentitel durchgehen und erinnert ein wenig an die großen literarischen Lichtgestalten beharrlicher Widerspenstigkeit, den letzten Mohikaner von James Fenimore Cooper bzw. die Unbeugsamen in dem berühmten gallischen Dorf, das sich als einziges und letztes der römischen Besatzung widersetzt. Buchberger ist natürlich weder ein mit übermenschlichen Kräften ausgestatteter, Wildschweine verschlingender Comic-Gallier noch der Letzte seines Stammes. Und doch gehört der Fleischermeister aus Pöllau einer tendenziell aussterbenden Spezies an, nimmt man den viel zitierten Begriff des „Fleischersterbens“ beim Wort. Logischerweise widersetzt sich Buchberger auf allen Kanälen und mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln dem unternehmerischen Hinschied und das ausgesprochen erfolgreich.
Seit ihm in seinen späten Zwanzigern von seinen Eltern die Führung des 1946 von seinem Großvater gegründeten Traditionsbetriebs überantwortet wurde, präsentiert sich Buchberger in der Rolle der Galionsfigur eines modernen regionalen Unternehmertums, womit er sich in eine Phalanx markanter oststeirischer Unternehmerpersönlichkeiten einreiht. Von Anfang an ist seine öffentliche Präsenz beeindruckend. Buchberger kennt keine Scheu, auf Menschen und Medien zuzugehen. Er erweist sich jederzeit als eloquenter Gesprächspartner und versteht es, seiner unternehmerischen Agenda und seinen Überzeugungen authentisch Ausdruck zu verleihen.
„Bei uns gibt es keine
zwischengeschaltete
Organisationsstruktur.
Da bin ich höchstpersönlich
für alles zuständig.“
ROBERT BUCHBERGER
FLEISCHHACKER, PÖLLAU
Robert Buchberger, Pöllauer Fleischermeister aus Leidenschaft: auf dem Weg zum nachhaltig lebenswerten Unternehmertum zwischen hyperdynamischem Engagement und unternehmerischer Reduktion.
Und macht sich damit selbst zur Marke. Mittlerweile zählt Buchberger mit seinen Social-Media-Profilen auf Facebook, Instagram und LinkedIn sowie Podcasts, Youtube- und TikTok-Kanälen, die unter Bezeichnungen wie „Wurstgeflüster“ und „Beef TV“ auf Sendung gehen, zu den erfolgreichsten Ernährungsinfluencern Österreichs. Wie er das geschafft hat? „Learning by doing – einfach verschiedene Dinge ausprobiert und geschaut, wie es ankommt.“ Ein eigenes Podcast-Studio habe er sich auch eingerichtet.
Robert Buchberger (44) führt die von seinem Großvater 1946 in Pöllau gegründete Fleischerei, unterstützt von seinen Eltern, in dritter Generation. Aus eigener Schlachtung, Produktion und Küche werden das Stammgeschäft in Pöllau sowie Filialen in Friedberg, Grafendorf, Hartberg, Weiz, Wenigzell, Kapfenberg und Leoben, darüber hinaus regionale Handelspartner und ausgesuchte Gastronomiebetriebe beliefert. Frischfleisch, Wurst- und Schinkenprodukte sowie Fertiggerichte im Glas sind auch über den eigenen Webshop zu beziehen. Insgesamt beschäftigt Buchberger rund 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In seinem Podcast „Wurstgeflüster“ ist Robert Buchberger „Fleischhacker aus Leidenschaft“ auf einschlägigen Plattformen von Apple bis Spotify vertreten. In den einzelnen Episoden unterhält er sich unter anderem mit Topkulinarikern wie Steirereck-Starkoch Heinz Reitbauer oder dem 5-Hauben-Koch undAlpine-Cuisine-Erfinder Andreas Döllerer, lässt aber auch gemeinsam mit seinem Vater die Geschichte des Familienunternehmens Revue passieren, diskutiert mit dem veganen Sojahaus-Gründer Kevin Wagner oder unterhält sich mit Chianina-Hof-Betreiber Nino Sifkovits und dessen Vater Gerald über Viehzucht, Tierwohl, Fleischqualität und das Leben insgesamt. Als Fleischsommelier und Grillmeister ist Robert Buchberger für seine Präsenz auf Veranstaltungen vom Bauernbundball über den Steiermark-Frühling am Wiener Rathausplatz bis hin zu den unterschiedlichsten Events bekannt. www.buchberger.co.at
AUS EIGENER HERSTELLUNG
Wir haben uns mit dem hochdynamischen 44-Jährigen im Stammbetrieb und Headquarter, dem Geschäft in der Pöllauer Mittelgasse, verabredet. Der Fleischermeister zeigt auch hier Flagge: Vor dem Geschäft begrüßt ein lächelnder Buchberger-Pappkamerad die Kunden. Die drücken sich heute, an einem Freitagvormittag, die Klinke gegenseitig in die Hand. Drinnen schupft Buchbergers Mutter Maria, formell seit geraumer Zeit im Ruhestand, sonnigen Gemütes allein den Laden. Ein Leben ohne Arbeit sei für sie sowieso nicht vorstellbar, erwähnt sie. Vielleicht mit 90, so Gott will. Die Ware, Frischfleisch, Würste, Schinkenspezialitäten, bis auf ein paar Salami- und Rohschinkenspezialiäten, alles aus eigener Herstellung, lacht uns aus den Vitrinen verlockend an. Ihr Sohn habe überraschend nach Weiz fahren müssen, um etwas zu liefern. Doch da kommt er eh schon um die Ecke. Pünktlich.
„Klar, wenn einer unserer Fahrer ausfällt, bin ich an der Reihe“, erläutert Buchberger, „das ist halt mal so bei unserer Größe. Da gibt es keine zwischengeschaltete Organisationsstruktur. Da bin ich höchstpersönlich für alles zuständig und verantwortlich.“ Als ob es eines Nachweises dafür bedurft hätte, muss er sich gleich mal absentieren: „Bin gleich wieder da.“ Maria Buchberger hatte ihren Sohn auf etwas aufmerksam gemacht. „Ein Thema mit einer Mitarbeiterin, wegen der Arbeitseinteilung“, erklärt er, als er nach fünf Minuten zurückkommt. „Ich habe mich zu einem echten Problemlöser entwickelt. So etwas musst du sofort lösen, das darfst du nicht verschleppen. Und es erfordert oft auch viel Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl.“ Dabei habe er gar keine Schwierigkeiten, Mitarbeiter bzw. Lehrlinge zu finden. „Weil wir cool sind.“ Rund 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind bei Buchberger beschäftigt: In den insgesamt acht Geschäften zwischen Kapfenberg und Friedberg, in Produktion und Küche sowie im eigenen Schlachthof in Pöllau. Von hier kommen die Rinder, seit jeher das Spezialgebiet des Familienunternehmens, während die Schweine von einem befreundeten Schlachthof in Ilz bezogen werden. Jedenfalls eine durch und durch regionale Lieferkette. Nach wie vor pflegt Robert Buchberger senior die Kontakte zu den Rinderbauern in der unmittelbaren Umgebung – die Tiere kommen handverlesen von der Weide.
WIE EIN LÖWE
„Das ist es auch, was uns als regionalen Fleischereibetrieb von der großen Fleischindustrie abhebt. Dort werden die Tiere teils durch halb Europa gekarrt, um geschlachtet zu werden, und das Fleisch wird dann wieder zurücktransportiert – hin und her und kreuz und quer.“ Entziehen könne man sich dem Preisdruck dieser globalen Lebensmittelindustrie allerdings als kleiner regionaler Betrieb kaum, gesteht Buchberger. Es würden nicht von ungefähr nach wie vor viele Fleischereien zusperren, gibt er zu bedenken. Regionale Qualität zu bieten und dabei nach allen Seiten fair zu bleiben – sprich, das Tierwohl im Auge zu behalten, den Erzeugern faire Erlöse zu garantieren und den Kunden regionale Qualität zu bieten –, das sei unter diesen Vorzeichen eine stetige unternehmerische Herausforderung. „Ich kämpfe wie ein Löwe, um einen guten Job zu machen und unsere Produkte trotz dieses Extraaufwands leistbar zu halten.“ Gerade war er mit seiner Frau und den beiden Kindern eine Woche auf Skiurlaub. „In dieser Zeit hat das Handy Pause, das bin ich meiner Familie schuldig.“ Seine Arbeitstage seien hochgradig durchgetaktet, schildert Buchberger. Viel Zeit bleibe da nicht. Eine Runde am Hometrainer, um sich fit zu halten, ein bisschen Quality Time mit der Familie, die eigene Selbstversorger-Landwirtschaft zu Hause am Pöllauberg – der (überwiegende) Rest geht in die Arbeit. In der Früh gebe es regelmäßig ein Frühstück mit seiner Mutter: zur strategischen Einsatzplanung. Da werde alles besprochen, was etwa für anstehende Events noch vorbereitet werden müsse, die er als mittlerweile höchst gefragter Fleischsommelier und Grill-Performer bespielt. Immer öfter komme auch die Familie auf Events mit, das bringe mehr gemeinsame Zeit. „Morgen bin ich allerdings wieder einmal allein unterwegs“, schränkt er ein. Da gehe es nach Obertauern auf die Hochalm, wo er im Zuge eines Events seine Grillshow darbiete. „Erstens“, rechtfertigt er den Wochenendeinsatz, „ist es meine Leidenschaft und macht Spaß, zweitens verkaufe ich unsere Produkte und drittens trägt es zur Markenbildung bei und bedeutet Werbung für unser Unternehmen.“
Denn der potenzielle Markt für Frischfleisch, Würste und das derzeit rund 25 Gläser umfassende Fertiggerichtsortiment erstrecke sich zunehmend über das unmittelbare regionale Einzugsgebiet hinaus. Einerseits via eigenem Webshop – gerade realisiere er aber auch eine Vertriebskooperation mit der in und rund um Wien tätigen Onlinehandelsplattform „Gurkerl.at“. Es sei ein steter Balanceakt, deutet Buchberger an: zwischen seiner Ambition, das Unternehmen weiterzuentwickeln, Möglichkeiten zu nutzen, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen, und seinem Bestreben, durch Reduktion einen Zustand zu erreichen, der auch ihm selbst auf lange Sicht ein „lebenswertes Unternehmertum“ ermögliche.
KUNST DER REDUKTION
Denn jedes neue Projekt bedeute auch wieder zusätzliche Arbeit und höheren zeitlichen Aufwand. So habe er beschlossen, das bestehende Filialnetz in Zukunft nicht mehr zu erweitern. Bei zwei Filialen – Weiz und Grafendorf – wurden die Öffnungszeiten sogar reduziert, dafür unter dem Label „hin und weg“ ein Hybridmodell mit einer 24-Stunden-Selbstbedienungsschiene eingeführt. Die Verantwortung für das Geschäft im LCS Leoben hat er überhaupt an einen Geschäftspartner abgegeben, der allerdings weiterhin das Buchberger-Sortiment vertreibt. Dass Buchbergers unternehmerischer Flow in der Reduktion abreißt, damit ist aber wohl nicht zu rechnen. Viel zu leidenschaftlich spricht er über seine laufenden Projekte. So wird am Pöllauer Hauptplatz von einer Gemeinschaft regionaler Produzenten, unter ihnen Buchberger, ein 24-Stunden-Selbstbedienungsladen entstehen. Weiters hat er mit „Buchberger Pflanzlich“ eine nicht fleischliche Produktlinie entwickelt, die gut ankomme und erweitert werden soll. Neben dem konventionellen und dem pflanzlichen Angebot setze er zudem verstärkt auf ein Biosortiment, das rund um die ehemals als „Sonnenschweine“ vermarkteten Freilandschweine des in die Insolvenz geschlitterten Burgauer Labonca-Biohofs bzw. verschiedene seltene Nutztierrassen angesiedelt ist. Der leidenschaftliche Netzwerker engagiert sich zudem als Testimonial beim jährlichen „Burning Hen“-Festival der Landkultur-Plattform „hektar.com“, bei der auch die ehemalige Ministerin Elisabeth Köstinger eingestiegen ist. Darüber hinaus hat sich Buchberger neben weiteren Compagnons am Großhöfleiner Weingut „Leithakalk Wine Estate“ beteiligt. Und – last, but not least – setzt die Familie des thailändischen Red-Bull-Mehrheitseigners Chalerm Yoovidhya für die geplante Errichtung einer Wurstmanufaktur in ihrer Heimat auf den Rat des oststeirischen Fleischermeisters. Zurücklehnen gilt also nur bedingt, denn es geht um die Wurst.
FOTOS: BEIGESTELLT/RENE STRASSER MEISTERFOTOGRAF/WWW.RENESTRASSER.AT