Spirit of Styria

Welt in Schieflage, GELD UND ZINSFRAGE

Kapitalanlage in Zeiten von Inflation und Zinswende: Rechtzeitig vor dem Weltspartag fragte „SPIRIT of Styria“ Kapitalmarktexperten steirischer Banken nach optimalen Anlagestrategien im Zeichen von Preisauftrieb und Zinsanstieg.

Kompliziert ist nicht nur der aktuelle Beziehungsstatus zwischen den Weltmächten, sondern auch jener zwischen Welt und Geld. Historische einmalige, sich verstärkende Phänomene schaffen Unsicherheit und erschweren Prognosen. Rekordinflation auf der einen Seite, Straffung der Geldpolitik mit der eingeläuteten Zinswende auf der anderen Seite. Steigende Zinsen drücken zwar den Kapitalmarkt, gleichzeitig sorgt die anhaltend hohe Inflation immer noch für eine negative Realverzinsung bei Sparprodukten. Also doch weiter in Aktien veranlagt bleiben? „Ja“, meint Philipp Boruta, Direktor der Schoellerbank Graz. „In der Schoellerbank Vermögensverwaltung reagieren wir mit einer Anpassung unserer Aktienquoten und erhöhen diese in dynamischen Mandaten auf 50 Prozent.“ Helmut Birringer, Regionalleiter Private Banking der UniCredit Bank Austria AG, bestätigt: „Mittelfristig bleibt der Aktienmarkt das beste und aus meiner Sicht einzig vielversprechende Instrument, um das Kapital zu erhalten und zu vermehren. Aktien sind immer noch wesentlich attraktiver als Zinsprodukte, daher sollten sich Anleger von schlechten Nachrichten nicht verunsichern lassen.“ Auch Gerhard Vollmann, Leiter Privatkunden und Private Banking der Hypo Vorarlberg, sieht es ähnlich: „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass in Zeiten hoher Inflation Aktien und Rohstoffe den besten Inflationsschutz bieten.“ Schließlich sieht auch Gerhard Fabisch, Vorstandsvorsitzender der Steiermärkischen Sparkasse, derzeit viele Chancen am Kapitalmarkt und rät: „Für Anleger ist es wichtig, in der jetzigen Phase möglichst antizyklisch zu handeln und die billigeren Einstiegskurse in den kommenden Wochen zu nutzen, um schrittweise in den Markt einzusteigen oder Positionen weiter auszubauen.“ Auch was die Einschätzung der Inflationserwartung betrifft, zeigen sich die Banker einheitlich realistisch. „Die Inflation ist gekommen, um zu bleiben“, konstatiert Rainer Stelzer, Vorstandsdirektor der RLB Steiermark. „Sie wird sich aber im Laufe der nächsten Monate wieder reduzieren, nachdem sie ihren Höhepunkt – aufgrund der Gas- und Strompreiserhöhungen – erreicht hat.“ Ähnlich Hannes Zwanzger, Vorstandsdirektor der Volksbank Steiermark: „Die Inflation wird kurzfristig auf diesem hohen Niveau bleiben. In den nächsten ein, zwei, eventuell sogar drei Jahren wird sie sich vermutlich im mittleren einstelligen Bereich einfinden.“

FOLGENDE ZWEI FRAGEN RICHTETEN WIR AN SPITZENVERTRETER STEIRISCHER BANKEN:

1.

Die Inflation erreicht den zweistelligen Bereich. Von welcher Teuerungsrate gehen Sie in den kommenden Monaten aus? Inwieweit beeinflusst die Inflationserwartung das Anlegerverhalten?

2.

Der Leitzins wurde zuletzt um historische 0,75 Prozentpunkte angehoben. Welche Auswirkungen ergeben sich daraus für den Kapitalmarkt? Wie würden Sie die Aktienquote im Depot (Annahme: mittlere Risikoneigung) derzeit gewichten?

„Klarer Fokus auf
Qualität“

PHILIPP BORUTA
DIREKTOR SCHOELLERBANK GRAZ

1In den USA ist die Inflation nach mehreren Zinserhöhungen der amerikanischen Notenbank bereits seit Juli wieder leicht rückläufig. Viele Marktteilnehmer erwarten eine ähnliche Entwicklung auch für Europa. Die aktuell gehandelten Marktpreise zeigen in einem Jahr sogar nur mehr eine Inflationserwartung von etwa 2 Prozent an. Diese Annahme erscheint uns deutlich zu niedrig: Aktuell deutet vieles auf weitere Preiserhöhungen und auf eine längerfristig angespannte Energiesituation hin. In einem Umfeld steigender Preise sollten Anlegerinnen und Anleger bei ihren Veranlagungsentscheidungen einerseits einen klaren Qualitätsfokus haben und andererseits auf Realwerte setzen. Dazu zählen neben Aktien und Immobilien auch rohstoffabhängige Fremdwährungen oder inflationsgeschützte Anleihen.

2 Die kräftigen Zinserhöhungen der Notenbanken sollen der galoppierenden Inflation entgegenwirken. Es bleibt abzuwarten, ob das entschlossene Vorgehen seine Wirkung entfalten und damit die Inflationserwartungen wieder auf niedrigeren Niveaus „verankern“ kann. Wir sehen inzwischen im aktuell überverkauften Börsenumfeld und angesichts der sehr pessimistischen Stimmung immer günstigere Signale für Aktieninvestments. Anlegerinnen und Anleger sollten zwar kurzfristig nicht mit geradliniger Entspannung rechnen, doch vor allem auf längere Sicht bieten sich bereits interessante Kaufniveaus. In der Schoellerbank Vermögensverwaltung reagieren wir darauf mit einer Anpassung unserer Aktienquoten und erhöhen diese beispielsweise in dynamischen Mandaten um etwa 5 Prozentpunkte auf 50 Prozent.

„Breite Streuung
am Aktienmarkt“

HANNES ZWANZGER
VORSTANDSDIREKTOR VOLKSBANK STEIERMARK

1 Die Inflation wird kurzfristig auf diesem hohen Niveau bleiben. Auch in den nächsten ein oder zwei, eventuell sogar drei Jahren ist ein Rückgang auf die von der EZB vorgesehene Inflation von 2 % nicht realistisch. Sie wird sich vermutlich im mittleren einstelligen Bereich einfinden. Die Zinsen für klassische Sparformen (Sparbuch, Sparkonto, Festgeld) bleiben selbst nach den jüngsten Zinsanpassungen weit unter der Inflationsrate, was bedeutet, dass für die klassischen Sparer der reale Wert der Geldanlage sinkt. Im Moment ist keine wesentliche Änderung des Anlegerverhaltens erkennbar.

2 Die negative Realverzinsung – Kaufkraftverlust durch höhere Inflation als Nettoverzinsung – bei klassischen Sparformen bleibt aus aktueller Sicht weiterhin bestehen. Beim Einstieg in den Aktienmarkt ist sicher eine breite Streuung sinnvoll, etwa in Form von Investmentfonds als Einmalerlag, aber auch durch Investitionspläne – Aufteilung des Anlagebetrages auf 12 bzw. 24 Monate – oder langfristige Fondssparpläne. Eine vordefinierte Aktienquote bei mittlerer Risikoneigung lässt sich generell nicht festlegen. Neben der Risikoneigung sind auch weitere individuelle Faktoren – unter anderem Anlagehorizont, frei verfügbares Vermögen oder frei verfügbares monatliches Einkommen – zu berücksichtigen. Unter sorgfältiger Bedachtnahme all dieser Faktoren ergeben sich individuelle Aktienquoten je Kunde. Zur Erstellung eines individuellen Veranlagungsvorschlages stehen unsere Anlageberater in allen Filialen der Volksbank Steiermark gerne zur Verfügung.

„Trend zu Anleihen und
gemischten Fonds“

RAINER STELZER
VORSTANDSDIREKTOR RAIFFEISENLANDESBANK
STEIERMARK

1 Die Inflation ist gekommen, um zu bleiben. Die Teuerung ist kein vorübergehendes Phänomen. Sie wird sich aber im Laufe der nächsten Monate wieder reduzieren, nachdem sie ihren Höhepunkt – aufgrund der Gas- und Strompreiserhöhungen im zweistelligen Bereich – erreicht hat. Die Prognosen für das nächste Jahr belaufen sich auf eine knapp dreiprozentige Inflationsrate bis zum Jahresende. Daher sind Anleger derzeit aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten eher zurückhaltend und vergrößern ihr kurzfristiges Liquiditätspolster. Mittel- bis langfristig veranlagen unsere Kunden jetzt in Anleihen und gemischte – vor allem nachhaltige – Fonds und nutzen die Kursrückgänge.

2 Derzeit ist die Stimmung auf den Kapitalmärkten schlechter als während der Finanzkrise oder des Lockdowns im Frühjahr 2020. Der marktnahe MSCI World hat im heurigen Jahr knapp 20 Prozent verloren. In der Vergangenheit haben Investoren, wenn sie nach diesen Rückgängen eingestiegen sind, meist sehr gute Gewinne erzielen können. Fakt ist, dass die Kurse derzeit historisch gesehen sehr niedrig sind. Ob es einen weiteren Rückgang gibt, kann keiner vorhersagen. Geduld ist eine der wichtigsten Eigenschaften eines erfolgreichen Investors. Die optimale Aktienquote richtet sich immer nach dem persönlichen Anlagehorizont, der Risikoneigung und den vorhandenen Investitionsmöglichkeiten – also dem verfügbaren liquiden Einkommen. Jedenfalls empfehlen wir, Investments in nachhaltige Veranlagungen in die Überlegungen miteinzubeziehen.

„Aktienmarkt das Beste,
um Kapital zu erhalten“

HELMUT BIRRINGER
REGIONALLEITER PRIVATE BANKING BUNDESLÄNDER ÖSTERREICH, UNICREDIT BANKAUSTRIA

1 Die hohe Unsicherheit bezüglich der Versorgungssicherheit beschert den Energiepreisen weiterhin Auftrieb und führt zu einer Fortsetzung des Aufwärtstrends bei der Inflation. Nach einer durchschnittlichen Teuerung in den ersten acht Monaten von 7,5 Prozent und über 9 Prozent im Juli und August sehen wir nun sogar zweistellige Inflationswerte in Österreich, die auch in den kommenden Monaten realistisch sind. Im Jahresdurchschnitt 2022 gehen wir mittlerweile von einer Teuerung von 8,3 Prozent aus. Erst über den Winter sollte sich der Inflationsauftrieb verlangsamen. Bei der Aktienauswahl ist es besonders wichtig, auf die Preisfestsetzungsmacht des Unternehmens zu achten. Sprich: Kann das Unternehmen die gestiegenen Inputkosten in gestiegenen Produktpreisen abbilden oder muss es starke Verluste in den Gewinnmargen hinnehmen. Mit einem diversifizierten Portfolio aus solchen Branchen fährt man gut durch die inflationäre Krise.

2 Natürlich gibt es aktuell dramatische Bewegungen auf den Märkten. Von der Asset Allocation her legen wir allerdings aufgrund der günstigen Einstiegsbedingungen bereits wieder ein klares Augenmerk auf die Aktienmärkte. Wir beginnen daher schon wieder, Aktien – allerdings sehr selektiv – aufzustocken. Von den Branchen präferieren wir die Konsumgüterindustrie, den Energiesektor sowie auch den Technologiebereich und die Finanzwirtschaft. Auch mittelfristig ist der Aktienmarkt weiterhin das beste und aus meiner Sicht auch das einzig vielversprechende Instrument, um das Kapital zu erhalten und zu vermehren. Vor dem Hintergrund, dass Aktien noch immer wesentlich attraktiver sind als Zinsprodukte sollten Anleger sich von den schlechten Nachrichten nicht verunsichern lassen. Zudem sehen wir die Chancen und Risiken an den Aktienmärkten ziemlich ausbalanciert und halten an unserer neutralen Position bei Aktien fest.

„Aktien und Rohstoffe
bieten besten
Inflationsschutz“

GERHARD VOLLMANN
LEITER PRIVATKUNDEN UND PRIVATE BANKING,
HYPO VORARLBERG

1 Verantwortlich für die hohe Inflation sind weiterhin die hohen Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln. Die jüngste Sabotage an den Nord-Stream-Leitungen bewirkt erneut eine angespannte Lage an den Energiemärkten, was weiterhin hohe Energiepreise rechtfertigt. Bei Lebensmitteln sehen wir die Tendenz, die Mehrkosten der Herstellung auch an Endkunden weiterzugeben. Eine erste Entspannung der inflationären Lage erwarten wir voraussichtlich erst im Februar/ März 2023. Anleger reagieren auf diesen Ausblick verschreckt und halten sich vom Aktienmarkt fern. Das neue Zinsumfeld gestaltet zudem den Anleihemarkt neu. Aus unserer Sicht dennoch keine echte Alternative, bedenkt man die Realverzinsung im Kontext der hohen Inflation. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass in Zeiten hoher Inflation Aktien und Rohstoffe den besten Inflationsschutz bieten.

2 Das Anheben der Leitzinsen durch die Notenbanken beeinflusst die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und den Aktienmarkt gleichermaßen, weil dadurch der Zugang zu Fremdkapital für Unternehmen und private Haushalte teurer wird. Dieser Effekt wird von den Aktienmärkten sehr schnell eingepreist, die wirtschaftlichen Auswirkungen sind jedoch erst Monate später erkennbar. Am stärksten von diesen Preiskorrekturen sind Wachstumsaktien betroffen, weil diese in der Regel eine stärkere Abhängigkeit von Fremdkapital aufweisen. Neben dem Aktienmarkt ist aber auch beim Rentenmarkt ein inverser Zusammenhang durch das Zinsniveau feststellbar. Steigen die Zinsen, fällt in der Regel der Kurs von festverzinslichen Anleihen und vice versa. Die Unsicherheit bezüglich der weiteren Inflationsentwicklung könnte auch weiterhin zu einer erhöhten Volatilität führen. Mit Blick auf unsere strategische Ausrichtung halten wir an unserer neutralen Aktienquote von 45 % fest.

„Anleger sollten
antizyklisch handeln“

GERHARD FABISCH
VORSTANDSVORSITZENDER
STEIERMÄRKISCHE SPARKASSE

1 Die EZB hat nun zwar begonnen die Zinsen kräftig zu erhöhen, jedoch ist die Inflation schon weit fortgeschritten. Wir gehen daher von weiteren EZB-Zinserhöhungen im heurigen Jahr aus. Trotzdem kann die Inflation über die Wintermonate noch im zweistelligen Bereich bleiben, da einige Maßnahmen der Politik zur Inflationsbekämpfung nur zeitlich befristet waren und die Erzeugerpreise als Vorlaufindikator der Inflation noch immer keine Inflationsentspannung anzeigen. Eine Abschwächung der Inflation erwarten wir dann schrittweise im Jahr 2023. Die hohe Inflation schwächt einerseits die Kaufkraft, womit den Menschen weniger zum Anlegen übrigbleibt, andererseits erzeugt die unsichere wirtschaftliche Lage bei höheren Einkommen eine erhöhte Zurückhaltung im Konsum und die Sparneigung nimmt zu.

2 Steigende Zinsen bedeuten für den Aktienmarkt meist unruhige Zeiten und die Schwankungsbreiten nehmen zu. Historisch ist ein Ende dieser belastenden Faktoren dann zu erwarten, wenn der Markt erkennt, dass die Inflationsraten wieder nachhaltig sinken und damit die Zinsen wieder fallen werden. Für Anleger ist es nun wichtig, in der jetzigen Phase möglichst antizyklisch zu handeln und die billigeren Einstiegskurse in den kommenden Wochen zu nutzen, um schrittweise in den Markt einzusteigen oder Positionen weiter auszubauen. Generell raten wir bei mittlerer Risikoneigung mit Investmentfonds weltweit breit diversifiziert eine Aktienquote von rund 30% aufzubauen. Eine entsprechende Beratung ist gerade jetzt besonders zu empfehlen.

Foto Fischer, Christa Strobl, RLB Steiermark/Kanizaj

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