Alle Zeichen auf Wachstum: Bereits 10.000 Einheiten verkauft und jetzt die Expansion in neue Märkte in Europa. EET, Preisträger bei unserem SPIRIT Start-up-Award in der Kategorie Scale-ups, setzt auf Skalierung in allen Bereichen – von Organisationsentwicklung bis zur Internationalisierungsoffensive – und steht unmittelbar vor Abschluss einer großen Finanzierungsrunde.
Diese Art Mitarbeiterfluktuation würden sich viele Unternehmen wünschen. Junge Menschen „fluktuieren“ auf einem Scooter in der Grazer Herrgottwiesgasse zwischen zwei Standorten hin und her und machen damit den vorherrschenden Mix aus Vorstadtflair und Gewerbeflächen zur Trendzone. Die Verkehrsteilnehmer sind Mitarbeiter des Start-ups EET. Ein Unternehmen mit einem Problem, das sich ebenso viele Betriebe wünschen würden: rasantes Wachstum. Dieses ließ den 2020 bezogenen Standort, einen ehemaligen Schlossereibetrieb in der Herrgottwiesgasse, bereits nach zwei Jahren aus allen Nähten platzen. Daher entschied man, einen zweiten Standort in unmittelbarer Nähe anzumieten – das Erdgeschoß einer Gewerbeimmobilie mit rund 1.700 m2. Zwischen Headquarter und der Halle liegen knapp 150 Meter. „Wir betrachten beide Standorte als einen großen gemeinsamen, entsprechend intensiv ist der Austausch der Mitarbeiter, die häufig zwischen den Standorten pendeln“, erklärt CEO Christoph Grimmer den steigenden Scooter-Bedarf.
PER PLUG&PLAY ZUM SONNENSTROM
Soeben kommt der 35-Jährige von einem Führungskräfteseminar retour, das ebenso das Thema Wachstum zum Inhalt hatte. „Wie passen wir die Strukturen des Unternehmens in der Scale-up-Phase an? Ein absolut notwendiger Schritt“, betont Grimmer. Zur Erinnerung: EET startete – gegründet von drei TU-Graz-Absolventen – im Jahr 2017 im Science Park Graz. Die revolutionäre Idee: Entwicklung und Vertrieb eines solaren Balkonkraftwerks mit der neuartigen Speicherlösung SolMate, die jeden Balkonnutzer per Plug&Play zum Stromproduzenten macht. Eine Steckdose reicht, weder Installateur noch ein Vertrag mit dem Stromversorger sind dafür nötig. Nach der Firmengründung folgt 2020 die Übersiedlung ins heutige Headquarter, die Corona-Lockdowns befeuern den Wunsch nach Energieunabhängigkeit und bescheren dem Unternehmen einen Höhenflug. Rasch wächst man auf 20 Mitarbeiter. Allein die brüchigen Supply Chains erwiesen sich als Wachstumsbremse – kurzfristig. Denn die anhaltende Energiekrise sorgt für eine ungebrochen hohe Nachfrage – ebenso die Blackoutvorsorge, da das System im Inselmodus auch bei einem Stromausfall Energie in den Haushalt liefert. Heute zählt EET 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die Nachfrage ist höher als unsere derzeitigen Kapazitäten.
CHRISTOPH GRIMMER, CEO VON EET
Die Energiekrise, der Wunsch nach Autarkie und Blackoutsorgen
sind die großen Treiber.“
Der Plan für Jahresende: 100 Beschäftigte. „Es ist unglaublich. Die Nachfrage galoppiert davon, die größte Herausforderung derzeit ist die Produktionsplanung“, so Grimmer. „Im Moment können wir nur Vorbestellungen für das dritte Quartal entgegennehmen.“ 3.000 Stück des Stromspeichers können vor Ort am Standort in der „Solarschmiede“ produziert werden. Größere Stückzahlen werden künftig von einem spezialisierten Lohnfertiger in Niederösterreich übernommen. „Treiber der hohen Nachfrage sind sicher die hohen Energiepreise, dazu kommt die Verärgerung vieler Stromkunden über heimische Energieanbieter, die trotz günstiger Produktion aus Wasserkraft die Preise angehoben haben – viele wehren sich nun dagegen, ein bisschen nach dem Motto David gegen Goliath. Wir haben das perfekte Produkt dafür.“
EET EFFICIENT ENERGY TECHNOLOGY Gegründet 2017 im Science Park Graz von den drei TU-Graz-Absolventen Stephan Weinberger, Christoph Grimmer und Florian Gebetsroither 2020 Erwerb einer Immobilie in der Herrgottwiesgasse, dem heutigen Firmensitz Das Start-up entwickelte ein Balkonkraftwerk inklusive Speicher (SolMate), das ohne Hilfe eines Technikers per Plug&Play installiert werden kann. Kern der Innovation ist eine integrierte und patentierte Messtechnik, die den Energiebedarf eines Haushalts über einen Steckdosenanschluss erfassen kann. Bisher rund 10.000 Systeme verkauft, davon ein Drittel mit der Speicherlösung SolMate Zwei Investoren: Klaus Fronius und Michael Koncar mit je 10 % Beteiligung Kennzahlen SolMate (neueste Generation): Leistung Photovoltaik (Balkonvariante): bis zu 1200 Wpeak Leistung des Speichers: Einspeiseleistung ins Hausnetz 800 W, autarke Leistung im Inselbetrieb 1000 W Kapazität des Speichers: 1,5 KWh Für Furore sorgte das Unternehmen zuletzt auch mit Bekanntwerden eines gemeinsamen Forschungsprojekts mit dem schwedischen Unternehmen Enerpoly. Für die Entwicklung der kostengünstigen Zink-Ionen-Batterienlösung „ZincMate“ wird rund eine Million Euro an EU-Fördermitteln bereitgestellt. https://www.eet.energy
DIE NEUE PRODUKTGENERATION
„Unsere wichtigsten Assets sind unsere hohe Glaubwürdigkeit am Markt und unser Technologievorsprung“, ergänzt Jan Senn, Head of Growth bei EET. „Denn Anbieter von Balkonkraftwerken gibt es mittlerweile viele, aber wir sind nicht nur die Ersten, sondern auch die bislang Einzigen, die eine Plug&Play-Speicherlösung anbieten. Abgesehen von anderen Features wie Benutzerfreundlichkeit, hohem Designanspruch und einem Rundum-Sorglos-Paket.“ Dazu zählen etwa auch eigens entwickelte, zertifizierte Haken für die Anbringung der bis zu 20 Kilogramm schweren PV-Module am Balkon. Was macht die Technologie so einzigartig? „Der Clou besteht in unserer patentierten Messtechnologie, die es dem Speicher ermöglicht zu erkennen, ob im Haushalt gerade Strom verbraucht wird oder nicht. SolMate liefert nur dann Energie in den Haushalt, wenn in der Wohnung auch wirklich Strom benötigt wird, andernfalls wird er im Akku gespeichert. Diese Technologie sichert uns eine Alleinstellung am Markt.“ Mit dem Heimkraftwerk – neben der Balkonlösung gibt es auch eine Gartenvariante – ist es möglich, einen nennenswerten Anteil am Gesamtstromverbrauch des Haushalts selbst zu produzieren. „Bislang waren es – je nach Haushaltsgröße – bis zu 25 %. Mit der neuen Generation von SolMate sind es sogar 50 %“, erklärt Christoph Grimmer.
Italien, Frankreich, Spanien und Portugal – wir expandieren in immer neue Märkte und wollen uns personell bis Jahresende verdoppeln. Unsere Assets: der Technologievorsprung und unsere hohe Glaubwürdigkeit am Markt.“
JAN SENN, HEAD OF GROWTH BEI EET
Statt 525 Wpeak Leistung können künftig 800 Watt ins Haushaltsnetz eingespeist werden – und damit das Maximum der EU-weit erlaubten Obergrenze für Balkonkraftwerke. Zudem verdoppelt sich die Off-Grid-Leistung des Speichers von 500 auf 1.000 Watt – damit können künftig im Inselbetrieb deutlich energieintensivere Geräte betrieben werden. Und schließlich erhöht sich die Kapazität des Speichers von 1 KWh auf nunmehr 1,5 KWh. „Ein weiterer großer Schritt Richtung Energieunabhängigkeit“, sind sich Grimmer und Senn einig. Wann amortisiert sich eine Anlage bei Kosten von 2.900 Euro für ein System mit Speicher? „Das hängt ganz von den individuellen Umständen und vor allem vom aktuellen Strompreis ab – aber im Schnitt kann man derzeit von sieben bis zehn Jahren ausgehen“, rechnet Jan Senn vor. „Bei Systemen ohne Speicher – bei unseren LightMate-Modulen – ist die Amortisationszeit ca. bei der Hälfte.“
Derzeit ausverkauft, Vorbestellungen für das dritte Quartal sind möglich: Das Balkonkraftwerk SolMate inklusive Speicher. SolMate ist in der Energiekrise das Produkt der Stunde.
FRANKREICH ALS NEUER ZIELMARKT
Bislang wurden rund 10.000 Systeme verkauft, darunter rund 3.500 Speicher. Die Zahl der aktuellen Vorbestellungen gehe in die Tausende. Die wichtigsten Märkte sind Österreich, Deutschland und Italien. Vertrieben wird über den eigenen Webshop sowie über Baumärkte, aber auch über EVUs. „Noch ist Österreich der wichtigste Markt, aber Deutschland und Italien wachsen extrem stark“, so Grimmer. Internationalisierung ist derzeit das große Thema. Derzeit steht Frankreich auf dem Programm. „Der französischsprachige Webshop ist bereits eingerichtet, zwei Mitarbeiterinnen mit französischer Muttersprache sind an Bord“, erklärt Senn. Spanien und Portugal sollen im Frühsommer folgen, Tschechien und Polen im Herbst. „Das Kriterium für die Auswahl eines neuen Zielmarkts ist seine Bereitschaft für solare Balkonkraftwerke. Insgesamt steigt das Interesse an dem Thema aber in ganz Europa rasant. Daher ist das Potenzial gewaltig“, so Grimmer. Balkonkraftwerke ohne Speicher – also PV-Module mit Wechselrichter – sehen die beiden nicht als Konkurrenz, sondern als Wegbereiter. „Das ist unser Markt von morgen. Denn viele, die mit PV-Modulen am Balkon beginnen, rüsten später einen Speicher nach – und unser SolMate eignet sich ideal als Nachrüstlösung“, so Senn, der sich auch zuversichtlich zeigt, das angestrebte Mitarbeiterwachstum in Zeiten von Personalknappheit realisieren zu können. „Unser außergewöhnlicher Teamspirit hilft uns dabei. Wir sind ein cooles Team mit einem genialen Produkt und einer lässigen Firmenkultur – darum hatten wir bislang nie ein Problem, gute Leute anzusprechen.“ Nicht nur quantitatives Wachstum ist angesagt, auch in die Produktqualität wird weiter investiert. „Neben der permanenten Weiterentwicklung arbeiten wir auch an einer neuen Variante des SolMate mit weiteren Features“, erklärt Senn. „Zudem haben wir eine weitere echte Innovation in petto, die ebenso riesen Marktpotenzial hätte, aber derzeit nicht forciert wird, da wir unsere Kräfte bündeln. Aber wer weiß – vielleicht entsteht daraus noch ein zweites Start-up“, gibt er sich bedeckt.
Unternehmensentwicklung, Organisationsaufbau, Marktbearbeitung und Expansion sowie technische Weiterentwicklung – alle Zeichen stehen auf Wachstum und damit auf erhöhten Finanzierungsbedarf. Bislang finanzierte sich das Unternehmen, das mit Klaus Fronius und Michael Koncar zwei Investoren mit jeweils 10 % Beteiligung zählt, zum größten Teil aus dem Cashflow. „Der Bedarf an Working Capital in der Scale-up-Phase steigt. Daher haben wir entschieden, neue Investoren an Bord zu holen“, so Grimmer. „Wir stehen knapp vor Abschluss einer großen Finanzierungsrunde, die in den nächsten Wochen über die Bühne gehen wird. Wir haben das Glück, aus mehreren Angeboten wählen zu können.“ Die Aussichten für das Scale-up bleiben also sonnig. Die Scooter-Dichte in der Herrgottwiesgasse steigt.
Fotos: Oliver Wolf