Warum Diversität in der Wissenschaft Trumpf ist: Christina Hirschl, Geschäftsführerin der Silicon Austria Labs (SAL), über den Mehrwert gemischter Teams, eine MINT-Offensive für die Gesellschaft und die Notwendigkeit, den Impact von F&E auf unser Leben sichtbar zu machen.
Bei uns zählt allein die Leistung, nicht das Geschlecht“, betont Christina Hirschl bereits zu Beginn des Gesprächs. „Gleichstellung ist für uns eine Selbstverständlichkeit und gelebter Alltag“, so die Geschäftsführerin der Silicon Austria Labs (SAL), Österreichs wichtigstem Forschungszentrum für elektronikbasierte Systeme (EBS). „Bei uns wird niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt. Am ehesten kann es noch passieren, dass ich bei gleicher Qualifikation einer Frau den Vorzug gebe“, erklärt die studierte Physikerin. „Aber keine Sorge – die Einrichtung eines Gleichstellungsbeauftragten für Männer ist noch nicht nötig“, lacht die Forschungsmanagerin. 320 Beschäftigte zählt das Forschungszentrum an seinen drei Standorten Graz, Villach und Linz derzeit – knapp über 100 sind es am Grazer Headquarter.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stammen dabei aus 40 Nationen. „Diversität in jeder Hinsicht ist in der Forschung das Um und Auf. Je gemischter, desto besser. Wir wollen mit den größten Forschungszentren Europas in einem Atemzug genannt werden, das erreichen wir nur mit den besten Köpfen“, so Hirschl. „Ein Knackpunkt ist – leider – nach wie vor die oft fehlende Kinderbetreuung. Hier ist der Staat gefordert, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Denn ein Betriebskindergarten ist für viele Unternehmen nicht finanzierbar – auch bei uns geht sich das nicht aus“, so die zweifache Mutter. „Organisatorisch achten wir sehr darauf, dass Frauen mit Kinderbetreuungspflichten keine Nachteile entstehen. Konkret: Das, was es in Meetings zu besprechen gibt, soll auch dort besprechen werden – und nicht danach beim After-Work-Bier.“ Weitere weibliche Karrierebremsen? „Mir fällt auf, dass Männer immer wieder wegen Beförderungen bei mir anklopfen, bei Frauen kommt das eher selten vor. Ich gebe zu, hier können wir Frauen an Selbstbewusstsein zulegen“, betont Hirschl. 28 Prozent beträgt der Frauenanteil bei den Silicon Austria Labs. „Ein guter Wert, wenn man bedenkt, dass Mikroelektronik bzw. EBS durchaus noch männerdominierte Branchen sind. In für uns wichtigen Fächern wie Elektrotechnik oder Physik sind Frauen in der Minderzahl. Das liegt an einer generell zu geringen MINT-Orientierung der Gesellschaft. Hier haben wir großen Aufholbedarf“, mahnt Hirschl. „Je mehr Interesse in Schulen und Kindergärten für diese Themen geweckt wird, desto mehr sind auch Mädchen – bei entsprechender Neigung – bereit, technische Karrieren einzuschlagen. Daher würde ich mir für die gesamte Gesellschaft eine MINT-Offensive wünschen.“ Grundvoraussetzung dafür aus ihrer Sicht: eine frische, moderne Form des Mathematikunterrichts sowie technikbegeisterte Lehrerinnen und Lehrer, die ihre Inhalte leidenschaftlich vermitteln. „Und wir müssen viel stärker kommunizieren, welchen Impact wir mit Technik und Forschung für die Gesellschaft erzielen. Denn wer wenn nicht wir kann einen Beitrag für die großen Challenges unsere Zeit – Stichwort Klimaschutz – leisten? Mit unseren Lösungen können wir die Gesellschaft sicherer, gesünder und nachhaltiger machen“, so Hirschl, die die SAL als Bindeglied zwischen universitärer Grundlagenforschung und Industrie sieht. „Damit helfen wir den Unternehmen, technologisch führend und wettbewerbsfähig zu bleiben.“
Silicon Austria Labs (SAL) Europäisches Spitzenforschungszentrum im Bereich Elektronikbasierte Systeme (EBS) Standorte in Graz (Headquarter), Villach und Linz Derzeit 320 MitarbeiterInnen, davon 102 in Graz. Die Frauenquote liegt aktuell bei rund 28 % Schwerpunkte: Microsystems, Sensor Systems, Intelligent Wireless Systems, Power Electronics und Embedded Systems Forschungskooperationen mit namhaften Industrieplayern sowie KMU Aktuelles Erfolgsbeispiel aus Graz: die Entwicklung der „Tiny Power Box“, hocheffi-zientes Ladegerät für E-Autos (Onboard-Charger) gemeinsam mit Partnern aus der Industrie, darunter Infineon, TDK Electronics und AVL List https://silicon-austrialabs.com
Fotos: helgebauer, Dobernig