Gerald Gollenz, Obmann der Fachgruppe der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer, über hausgemachte Probleme am Immobilienmarkt, dringenden Handlungsbedarf bei Baukosten und Finanzierung sowie sein Plädoyer fürs Nachverdichten und Sanieren.
Der Immobilienmarkt liegt nicht darnieder, aber er hinkt“, stellt Gerald Gollenz, Obmann der Fachgruppe der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der WKO Steiermark, klar. Die Ursachen macht der Branchenexperte an drei Faktoren fest. „Zum einen hat die allgemeine Unsicherheit in der Welt auch die Konsumenten hierzulande erfasst – das muss man leider akzeptieren.“ Nicht einfach hinnehmen will er aber die beiden anderen Faktoren, die dem Immobilienmarkt schwer zusetzen: die strengen Kreditvergaberegeln und die hohen Baukosten. „Die KIM-Verordnung ist ein riesen Hemmschuh in der Finanzierung von Immobilienkäufen. Wenn hier nicht bald ein Umdenken passiert, wird sich die Bevölkerung Wohnraum schlicht nicht mehr leisten können“, mahnt Gollenz ein vorzeitiges Aussetzen der Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM) ein. Ihr zufolge müssen Kreditnehmer bekanntlich strenge Auflagen erfüllen, die vielen – zusätzlich zu den hohen Finanzierungskosten durch den Zinsanstieg – eine Kreditaufnahme verunmöglichen. „Deutsche Banken beginnen bereits auf dem österreichischen Markt zu ,wildern‘, da diese strengen Regeln in Deutschland so nicht gelten.“ Und auch bei den Baukosten sieht Gollenz buchstäblich hausgemachte Probleme. „Diese sind stark von den immer noch zu hohen Energiekosten getrieben, die wir endlich in den Griff bekommen müssen. Aber auch die Überregulierung schlägt mit hohen Baukosten zu Buche – hier fordern wir schon lange eine überfällige Entlastung“, so Gollenz, der die Baukostenexplosion mit einer Zahl untermauert. „Bei den aktuellen Kosten müsste ein Bauträger bereits einen Verkaufspreis von 6.000 Euro pro Quadratmeter veranschlagen, damit sich ein Neubauprojekt noch rechnet – das kann sich nicht mehr ausgehen.“ Ein bedrohliches Bild zeige die jüngste Prognose über Neubauprojekte am Beispiel von Graz. „Während wir für 2023 und 2024 noch ausreichend Projekte haben, droht das böse Erwachen für das Jahr 2025 – es droht ein Abfall auf nur noch 40 % des aktuellen Niveaus, also rund 2.500 Einheiten statt knapp 7.000 wie zuletzt.“ Mit dramatischen Auswirkungen auf das verfügbare Wohnangebot – und auf die Preise. „Wir sehen, dass die Nachfrage da ist. Und wenn uns diese Wohnungen in Zukunft fehlen, wird das Wohnen noch teurer und für viele gänzlich unleistbar. Die beste Vorsorge für leistbares Wohnen ist und bleibt, ausreichend Wohnraum zu Verfügung zu stellen.“ Quasi: Wer baut, baut vor!
Was man dabei nicht vergessen dürfe: „Nicht weniger als 75 % der Neubauten werden von den gewerblichen Bauträgern realisiert – der kleinere Teil entfällt auf den gemeinnützigen Wohnbau, der aber ebenso einen wichtigen Beitrag für die Wohnraumbeschaffung leistet“, betont der Branchenkenner.
Gerald Gollenz
Bauträger sowie Obmann der Fachgruppe Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der WKO Steiermark sowie Obmann des Fachverbands in der WKÖ.
Damit vertritt Gollenz 11.200 Immobilientreuhänder (gewerbliche Bauträger, Immobilienmakler, Immobilienverwalter) und Inkassoinstitute mit insgesamt rund 25.000 Beschäftigten.
Freilich müsse ein Bauprojekt nicht immer auf der grünen Wiese entstehen – Stichwort Bodenversiegelung. „Die großen Themen in Zukunft sind Nachverdichtung, Sanierung und Aufstocken in den Städten. Wir wollen Wohnraum dort schaffen, wo schon Infrastruktur vorhanden ist. Leider hapert es auch hier an den rechtlichen Rahmenbedingungen sowie am Fehlen steuerlicher Anreize“, so Gollenz, der die Wertbeständigkeit einer Immobilie auch in Hochzinsphasen als unschlagbares Asset gegenüber Finanzprodukten sieht. „Auch wenn die Renditen für Immobilienbesitzer derzeit vielleicht geringer ausfallen, Immobilien sind und bleiben attraktiv“, betont Gollenz, der gemeinsam mit der Notariatskammer und der Fachgruppe der Finanzdienstleister gerade an einem neuen Modell zur langfristigen Finanzierung von Immobilienkäufen arbeitet: dem Generationenkredit. „Dieses Modell würde aufgrund seiner längeren Laufzeit von 60 oder 70 Jahren eine Alternative zu herkömmlichen Hypothekarkrediten darstellen und wieder Schwung in den Markt bringen.“
In Kooperation mit der FG der Immobilien- und Vermögenstreuhänder WKO
Foto: Oliver Wolf