Talente- und Technologieschmiede im Wandel: Horst Bischof, Rektor der TU Graz, im großen Cover-Interview mit „SPIRIT of Styria“ über das neue Narrativ der Technik, europäische Leuchttürme, den Ausbau des Campus Inffeldgasse zum Innovationsdistrikt, die Vision einer klimaneutralen Universität, die Einführung eines digitalen Study-Buddys und das ersehnte Ende des KI-Hypes.
Alt ist hier nur der Name. Die „Alte Technik“ in der Rechbauerstraße in Graz. Im Inneren brodelt’s vor Vitalität – am Tag unseres Besuchs sogar über das ortsübliche Maß hinaus. „Teconomy 24“, die größte Karrieremesse an der TU Graz, füllt die altehrwürdigen Gänge an diesem Vormittag mit Scharen Studierender, die sich um die Roll-ups ausstellender Firmen drängen. Offiziell eröffnet wird das Event von Rektor Horst Bischof persönlich. Ein Format ganz nach seinem Geschmack – junge, motivierte Nachwuchskräfte, hochkarätige Unternehmen und die Technische Universität als Begegnungszone für Lehre, Wissenschaft und Wirtschaft. Die Vernetzung von Universität und Unternehmen war Bischof schon in den zwölf vergangenen Jahren als Vizerektor für Forschung ein Anliegen. „Daher empfinde ich meine neue Funktion gar nicht als große Zäsur – ich konnte ja schon davor die Geschicke der TU Graz in wesentlichen Fragen mitbestimmen“, so Bischof, seit Herbst des Vorjahres an der Spitze des Rektorats. Auch sein wichtigstes Dienstfahrzeug – ein E-Bike – blieb dasselbe. Regelmäßig absolviert er damit die 18 Kilometer von seiner Heimatgemeinde Eggersdorf. Auch für Termine in Graz schwingt er sich am liebsten aufs Fahrrad. „Ökologisch und zeitsparend. Leider haben wir den Avatar, der mich bei Repräsentationsterminen vertritt, noch nicht erfunden“, lacht Bischof. An der Digitalisierung der universitären Verwaltung werde hingegen mit Nachdruck gearbeitet, ebenso wie an KI-gesteuerten Buddys für Studierende, wie uns der 57-Jährige im ausführlichen Cover-Interview erklärt. Darin spricht er auch über weitere Herzensprojekte – die Weiterentwicklung des Campus Inffeldgasse und das Projekt „Klimaneutrale TU Graz 2030“.
TU Graz-Rektor Horst Bischof in seinem Büro in der Grazer Rechbauerstraße
Was wäre die steirische Wirtschaft ohne die TU Graz?
BISCHOF: Das will ich mir gar nicht vorstellen. Ohne uns bzw. ohne technische Universitäten gäbe es keine Ingenieure in diesem Lande. Ich sage immer: Wir liefern den Treibstoff für den wirtschaftlichen Motor, indem wir den akademischen Nachwuchs ausbilden. Die Lehre ist eine Hauptaufgabe, die zweite betrifft die Forschung – sie liefert die Fundamente der Innovation und trägt wesentlich dazu bei, dass neue Technologien und Produkte am Standort entstehen. Als TU Graz sind wir Katalysator zwischen Grundlagenforschung und Anwendungen. Eine wichtige Übersetzungsfunktion, die wir beherrschen. Die Grundlagenforschung wird daher immer wichtiges Fundament bleiben. Grundlage und Anwendung bedingen einander – wie bei einer Spirale, die sich stets höher schraubt.
Die TU Graz ist wichtiger Player im steirischen Innovations-Ökosystem. Sehen Sie hier noch Potenziale?
BISCHOF: Tatsächlich ist uns schon viel gelungen, wir sehen aber noch viele Chancen, uns weiterzuentwickeln. Die TU Graz hat es früh verstanden, COMET-Kompetenzzentren als wichtige Brücke für den Technologietransfer zu nutzen. In Summe sind wir derzeit an 25 COMET-Zentren bzw. Projekten beteiligt, das entspricht rund 70 % aller Zentren und Projekte – damit sind wir mit Riesenabstand österreichweit die Nummer eins. Ich bin sicher, dieses Programm hat auch zum überaus kooperativen Innovationsklima in der Steiermark beigetragen – die Firmen haben gelernt, ohne Scheu mit Universitäten in Kontakt zu treten. COMET-Zentren sind eine tolle Möglichkeit des Technologietransfers – ebenso wie andere Einrichtungen, an denen wir beteiligt sind, vielfach am Campus Inffeldgasse angesiedelt, wie das neue Data House mit Fokus auf Data Science oder das Electronic Based Systems-Gebäude. Überall dort sind auch Firmen eingemietet, Industriebetriebe ebenso wie Start-ups. Das Inffeld beherbergt etwa auch das Headquarter der Silicon Austria Labs, eines europäischen Spitzenforschungszentrums für elektronikbasierte Systeme.
„Wir können nicht überall führend sein, aber in ausgewählten Schwerpunktfeldern wollen wir europäische Spitze sein. Diese Leuchttürme brauchen wir!“
HORST BISCHOF
REKTOR DER TU GRAZ
Der Campus Inffeldgasse ist zu einem potenten Forschungs-Cluster herangewachsen. Ihre Vision?
BISCHOF: Wir nennen das Areal mittlerweile „Innovation District Inffeld“. Es beherbergt ein vitales Forschungs- und Innovations-Ökosystem, in dem sich Forschung und Wirtschaft optimal vernetzen können. Hier können wir auch Ressourcen teilen und Infrastruktur gemeinsam betreiben. Zuletzt haben wir etwa mit der AVL einen hochmodernen Antriebsprüfstand in Betrieb genommen, den Forschende der TU Graz und Entwicklerinnen und Entwickler der AVL gemeinsam nutzen. Auch eine Anlage, an der wir Crashtests mit E-Auto-Batterien durchführen, ist nach diesem Modell entstanden. Ebenso konnten wir in Kooperation mit Siemens Mobility einen der weltweit innovativsten Bremsprüfstände für Schienenfahrzeuge in Betrieb nehmen. Vom Ministerium haben wir auch schon die Freigabe für das nächste Gebäude erhalten: den Cyber Security Campus. Auch dort werden wir Firmenflächen zur Verfügung stellen. Und die Reise geht weiter. Die Stadt Graz hat zusätzliche Flächen rund um die Bruckner Schule für die universitäre Nutzung gewidmet. Ein wichtiger Meilenstein. Damit haben wir den nötigen Raum für die weitere Expansion und können die Campusentwicklung Inffeld mit voller Kraft vorantreiben. Damit ist es uns erstmals möglich, das Areal als Gesamtes strategisch weiterzuentwickeln und ein echtes Campus-Feeling zu erzeugen, inklusive Sportflächen und Freizeiteinrichtungen – ein Campus nach internationalem Vorbild.
Horst Bischof Geboren 1967 in Saanen in der Schweiz, aufgewachsen in der Obersteiermark, Absolvent des Gymnasiums in Murau, Studium der Informatik an der TU Wien, anschließend als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der BOKU Wien tätig, kehrte als Universitätsassistent an die TU Wien zurück, wo er 1993 promovierte und sich 1995 habilitierte, ab 2001 Gastprofessor an der TU Graz, seit 2004 hier als Universitätsprofessor für „Computer Vision“ am Institut für Maschinelles Sehen und Darstellen tätig Ab 2011 Vizerektor für Forschung an der TU Graz, verantwortlich für die strategische Forschungsausrichtung sowie Forschungs- und Wirtschaftskooperationen und Technologietransfer Seit Oktober 2023 Rektor der TU Graz An seiner Seite die Vizerektorinnen und -rektoren Andrea Höglinger (Forschung), Andrea Hoffmann (Personal und Finanzen), Michael Monsberger (Infrastruktur und Nachhaltigkeit), Stefan Vorbach (Lehre) Horst Bischof veröffentlichte knapp 800 wissenschaftliche Publikationen und erhielt dafür mehr als 20 nationale und internationale Preise. Laut Forschungsportal Research.com österreichweit der dritthäufigst zitierte Informatiker Horst Bischof ist auch Vorsitzender des KI-Beirats, der die österreichische Bundesregierung in allen Fragen zur Künstlichen Intelligenz berät. Verheiratet, zwei erwachsene Söhne sowie eine Stieftochter
Welche weitere Infrastruktur ist dort geplant?
BISCHOF: Wir arbeiten an einem innovativen Gebäudekonzept, in dem man zukunftsweisende Bau- und Gebäudetechnologien demonstrieren kann. Wiederum eine perfekte Gelegenheit für Synergien mit Partnern aus der Industrie. Idealerweise sollte dieses Gebäude kein reines Forschungs- und Versuchsgebäude sein, sondern tatsächlich genutzt werden – ein Living Lab. Darüber hinaus wollen wir beweisen, dass wir den Campus komplett energieneutral betreiben können. Schließlich haben wir exzellente Forschungskompetenz im Energiebereich vor Ort, etwa das Wasserstoffzentrum HyCentA. Weiters sollen auch neue Hörsaalgebäude entstehen und Infrastruktur für einen steirischen Forschungscluster im Bereich Akustik. Auf diesem Gebiet arbeiten wir eng mit der Kunst Uni Graz zusammen und wären künftig noch besser als Leuchtturm europaweit sichtbar.
Apropos Leuchtturm: Wie international sichtbar ist die TU Graz?
BISCHOF: Die TU Graz ist international sehr gut positioniert. Mein Ziel ist es, das Profil noch weiter zu schärfen – das gelingt am besten durch Schwerpunktsetzungen, durch Leuchttürme in ausgewählten Bereichen, die internationale Aufmerksamkeit bringen und auf die gesamte Universität ausstrahlen. Das gelingt schon heute etwa in den Bereichen Railways, Wasserstoff oder Cyber Security. Bei der Cybersicherheit sind unsere Leistungen im Bereich Kryptographie weltweit anerkannt. Wir können natürlich nicht überall weltweit führend sein. Dafür haben wir nicht die Mittel – das Budget der ETH Zürich ist pro Studierendem etwa um den Faktor acht höher. Deswegen kann unsere Strategie nur sein, in ausgewählten Bereichen spitze zu sein, aber dort ist der Zug zur Spitze wichtig. Dennoch bekennen wir uns zur Breite, denn sie ist eine wichtige Grundlage, um Spitzenleistungen zu erbringen.
Wie zufrieden sind Sie mit Entwicklung der Drittmittel?
BISCHOF: Wir sind österreichweit die erfolgreichste Universität, was Drittmitteleinwerbung in Relation zu den Globalmitteln betrifft. Der Drittmittelanteil von knapp 100 Millionen macht etwa ein Drittel des Gesamtbudgets von 300 Millionen Euro aus. Allerdings ist dieser Beitrag nicht beliebig vermehrbar. Für die Verteilung dieser Drittmittel lautet unser Schlüssel: Drittel, Drittel, Drittel – etwa ein Drittel entfällt auf klassische Auftragsforschung aus der Industrie, die durch die Betriebe finanziert wird. Ein Drittel macht die Grundlagenforschung aus, finanziert durch Fonds wie den FWF, ERC und andere. Und das dritte Drittel ist für anwendungsorientierte Forschung bestimmt – typischerweise sind das FFGProgramme. Unsere Verantwortung im Rektorat ist es, die Balance zwischen diesen drei Bereichen zu wahren.
Durch die Ausbildung des akademischen Nachwuchses liefert die TU Graz den Treibstoff für den wirtschaftlichen Motor der Steiermark.
HORST BISCHOF, REKTOR DER TU GRAZ
Stichwort Finanzierung: Ist die Leistungsvereinbarung für die nächste Periode gesichert?
BISCHOF: Die Verhandlungen mit dem Ministerium haben gerade begonnen. Wir rechnen mit einer angemessenen Erhöhung unserer Mittel, schließlich hat die Bundesregierung 16 Milliarden Euro für die Universitäten angekündigt. Die Inflation hat auch uns stark gefordert bzw. ist ja weiter mit gewissen Teuerungsraten zu rechnen. Etwas gelindert wird die Lage durch unsere eigene Stromproduktion aus Photovoltaik, die wir ausgebaut haben. Zudem haben wir mit der BIG einen tollen Partner, der in die Gebäudesanierung investiert. Ein Bündel an Maß-nahmen wird uns künftig erhebliche Einsparungen sichern. Das kommt auch unserer Klimabilanz zugute. Schließlich haben wir ein ambitioniertes Ziel: die „Klimaneutrale TU Graz 2030“.
Klimaneutralität bis 2030 – die wichtigsten Maßnahmen dafür?
BISCHOF: Großes Potenzial sehen wir vor allem bei Flugreisen. Wir haben soeben ein neues Reisemodell in Kraft gesetzt, das Anreize für klimaschonendes Reisen setzt – eine Art Bonus-Malus-System. Darüber hinaus gibt es – wie genannt – viele thermische Maßnahmen sowie einen weiteren Ausbau der Photovoltaik. Schon heute liegen wir bei rund zwei Megawatt Peak. Mit unserem Vorhaben sind wir Vorreiter – wir sind die erste Uni in Österreich, die eine Roadmap dieser Art präsentiert hat. Die TU Graz nimmt ihre gesellschaftliche Verantwortung im Klimaschutz in vielen Bereichen wahr – natürlich auch in der Forschung. Neue Technologien, die bei uns ihren Ursprung haben, leisten einen enormen Beitrag für die Dekarbonisierung.
Welche Schwerpunkte setzen Sie darüber hinaus in Ihrem Rektorat?
BISCHOF: So wie jede große Organisation wollen wir in der Verwaltung schlanker werden. Wir sind immerhin ein Betrieb mit 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In Zukunft werden uns neue Technologien bzw. der Einsatz von KI helfen. Wir sind gerade dabei, GPTs für unsere internen Richtlinien zu entwickeln. Und wir wollen unseren Studierenden künftig Unterstützung ermöglichen. Konkret planen wir einen Study-Buddy, also einen digitalen Assistenten für Studierende. Denn wir sehen immer öfter, dass sich junge Menschen schwer tun, den Studienalltag selbst zu organisieren – Stichwort Helikopter-Eltern. Zusätzlich zu unseren Tutoring-Systemen wollen wir damit die Onboarding-Phase unterstützen und möglichen Drop-outs vorbeugen. Dabei können wir bereits auf Fundamente aufbauen – vor allem auf unser Campus-Management-System, eine Eigenentwicklung, die bereits von 38 Hochschuleinrichtungen in Österreich und Deutschland genutzt wird. Damit sind sämtliche Abläufe rund um den Student-Lifecycle digitalisiert – von der Prüfungsverwaltung bis zur Hörsaalreservierung. Federführend sind wir aber auch beim Thema Cyber Security für Universitäten – ein Riesenthema, das an Brisanz weiter zunimmt. Rund 12.000 Cyber-Angriffe muss allein die TU Graz jeden Tag abwehren. Umso wichtiger sind Schutzmaßnahmen, vor allem auch im organisatorischen Bereich, Stichwort Awareness. Und noch ein Thema, das in die Wirtschaft reinspielt, liegt mir am Herzen: die Weiterbildung im Bereich Lifelong Learning. Wir sind dabei, unser Weiterbildungsangebot massiv umzubauen – dabei gehen wir weg von großen Kursen hin zu sogenannten Micro-Credentials, also kleineren Einheiten, die man flexibel stapeln und kombinieren kann. Damit kommen wir den Bedürfnissen der Wirtschaft entgegen.
Campus Inffeldgasse goes „Innovation District Inffeldgasse“: Der steirische Forschungs-Hotspot wird von aktuell 124.000 m² Nettogeschoßfläche bis zum Jahr 2030 auf 185.000 m² anwachsen.
Das neue Data House in der Sandgasse.
Wie werden sich die Studierendenzahlen in den nächsten Jahren entwickeln?
BISCHOF: Angesichts der demographischen Entwicklung werden wir uns um jeden einzelnen Studierenden bemühen müssen. Eine wichtige Maßnahme ist, wie erwähnt, die relativ hohe Dropout-Rate in den ersten Semestern zu senken, indem wir den Nachwuchs in der Onboarding-Phase besser begleiten. Eine immer wichtigere Zielgruppe sind natürlich Frauen – hier konnten wir bereits gute Fortschritte erzielen. So stieg der Anteil der Beginnerinnen im vergangenen Semester auf 38 % – vor einigen Jahren lagen wir noch unter 30 %. Wenn man die gesamte TU Graz betrachtet, liegen wir derzeit bei 28 % Frauenanteil unter den Studierenden. MINT-Orientierung bei jungen Menschen, speziell Mädchen, ist natürlich ein gesamtgesellschaftliches Thema, aber auch hier setzen wir gezielt Maß-nahmen, etwa mit unserem MINKT-Labor, in dem Kinder und Jugendliche die Welt der Naturwissenschaften auf spielerische Art kennenlernen können. Dritter Punkt: die weitere Internationalisierung unseres Studienangebots. Schon heute sind 60 Prozent unserer Master-Studien in Englisch, Tendenz steigend. Wir wollen künftig noch attraktiver für ausländische Studierende werden. Zielgebiet ist vor allem Südosteuropa. Hier haben wir gemeinsam mit Unternehmen Stipendienprogramme aufgelegt – eine Win-win-Situation für alle.
Die Welt ist im Wandel – wie verändert sich die Wahrnehmung von Technik? Wie sexy ist ein technisches Studium heute?
BISCHOF: Ich bin der Meinung, technische Universitäten sind gefordert, das Narrativ der Technik zu ändern. Ich bin überzeugt, ein technisches Studium war noch nie so sexy wie heute. Denn, wenn jemand aktiv Zukunft gestalten und wirklich etwas bewirken will, geht das am besten über Technik. Ob die Entwicklung neuer Formen von Energiespeicherung oder neuer Antriebstechnologien, das alles hat einen riesen Impact – jedenfalls ungleich mehr, als wenn man sich irgendwo auf die Straße klebt. Früher standen bei der Entscheidung für ein technisches Studium ein sicherer Job und gute Verdienstmöglichkeiten im Vordergrund. Das gilt freilich immer noch, aber jetzt kommt noch das Sinn-Argument dazu. Mit Technik kann man gestalten und die Schalthebel der Zukunft in die Hand nehmen. Und täglich etwas dazu beitragen, dass die Welt besser wird.
TU Graz in Zahlen (Stand Ende 2022) 3.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon 1.900 wissenschaftliches Personal 13.700 ordentliche Studierende 7 Fakultäten 96 Institute 3 Campus-Standorte (Campus Alte Technik, Campus Neue Technik, Campus Inffeldgasse) 192 Millionen Euro Bundesbudget 86 Mio. Euro eingeworbene Drittmittel 19 Bachelor und 35 Masterstudien Die TU Graz verfügt über zahlreiche Beteiligungen an Forschungs- und Service-Einrichtungen, darunter 25 COMET-Kompetenzzentren wie Virtual Vehicle, Know-Center, HyCentA oder acib sowie Data House und Science Park Graz, einem der größ-ten Start-up-Inkubatoren Österreichs Rund 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten in diesen Beteiligungen. www.tugraz.at
In welchen Bereichen erwarten Sie noch die größten technologischen Durchbrüche?
BISCHOF: Es gibt viele Bereiche, in denen noch großes Potenzial steckt. Wir sehen ja, was sich in der IT gerade abspielt. Da ist der Plafond noch lange nicht erreicht. Ebenso in den Bereichen Energie- und Materialforschung – siehe das Beispiel Batterietechnologieentwicklung. Unglaublich, wie sich in den letzten Jahren die Energiedichten erhöht haben. Dazu der gesamte Bereich der Sensorik, wo wir immer noch kleiner, genauer und effizienter werden. Gerade in dieser Kombination Material, Elektronik und Sensorik sehe ich noch sehr viel Potenzial. Genau hier könnte künftig auch die Chance für Europa liegen. In der Fertigungskompetenz und dem Zusammenspiel von Hardware und Software waren wir schon immer stark. Denn klar ist: Als Europa brauchen wir einen USP – und sollten ihn tunlichst nicht gleich wieder anderen überlassen, so wie wir das mit Photovoltaik oder der Batterietechnologie gemacht haben. In beiden Bereichen war Europa einst führend – das haben wir aus der Hand gegeben. Manchmal kann es klug sein, protektionistisch zu agieren.
Was bleibt von KI, wenn der Hype vorbei ist? Wo sehen Sie den langfristigen Nutzen?
BISCHOF: Tatsächlich ist rund um die KI ein Hype entstanden und ich bin froh, wenn dieser wieder vorbei ist, damit wir uns auf den echten Nutzen konzentrieren können. Meine Prognose ist, dass AI-Systeme künftig vor allem ein tolles Interface in die digitale Welt darstellen werden. Ich verwende gerne den Begriff AI-Assistance. Denn in unserer digitalen Welt haben wir viele spannende Systeme geschaffen, die aber oft mühsam zu bedienen sind. Daher werden wir künftig alle einen AI-Assistenten haben, der uns viele Dinge erleichtern wird und benutzerfreundlichere Zugänge eröffnet. Damit sind auch wieder Produktivitätssteigerungen möglich.
AI-Systeme werden uns künftig als tolles Interface in die digitale Welt dienen und uns als AI-Assistance die Arbeit erleichtern.
HORST BISCHOF, REKTOR DER TU GRAZ
Wo liegen die Chancen für heimische Unternehmen?
BISCHOF: In Europa jetzt noch in große Foundation-Modelle zu investieren, so wie es die USA macht, wäre sinnlos – dieser Zug ist abgefahren. Aber für uns stellt sich die Frage, wie wir diese großen Modelle sinnvoll nutzen können. Wo sind die Anwendungsgebiete der Zukunft? Laut aktueller Studien sind bis zu 80 Prozent aller Arbeitsplätze in irgendeiner Weise von KISystemen betroffen. Ich bin sicher, die Anwendungen werden so breit und vielfältig sein, dass für die Mehrheit der Unternehmen große Chancen bestehen – oft sind das Nischenthemen, wo die Großen gar nicht reingehen, weil sie keinen Massenmarkt darstellen. Für die industrielastige heimische Wirtschaft sehe ich beispielsweise vielfältige Anwendungsmöglichkeiten im Bereich autonomer Fabriken.
Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit anderen steirischen Universitäten?
BISCHOF: Das Tolle an der Steiermark ist ja dieser gemeinsame Spirit, der Geist der Zusammenarbeit, den wir pflegen. Das Erfolgsprojekt NAWI Graz feiert heuer seinen 20. Geburtstag – seit 20 Jahren bündeln die TU Graz und die Karl-Franzens-Universität Graz ihre naturwissenschaftlichen Ausbildungen. Das ist einzigartig in Österreich. Daher freue ich mich, dass mit dem Graz Center of Physics am Standort der ehemaligen Vorklinik gerade ein sichtbarer Leuchtturm für diese Kooperation entsteht. Ein Meilenstein für den Wissenschaftsstandort Steiermark. Ein anderes Beispiel ist BioTechMed, in dem wir seit Jahren mit Uni Graz und der Med Uni kooperieren – daraus entstand gerade das Cori-Institut für Stoffwechselforschung in Kooperation mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Auch das ist ein echter Forschungsturbo für den Standort.
FOTOS: OLIVER WOLF, BEIGESTELLT