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Autohandel im Wandel: Retten Quoten die E-Mobilität?

Die CO2-Flottenziele der EU erhöhen den Druck auf den Autohandel, den Anteil von E-Autos an ihren Absätzen zu steigern. Wie gehen Autohandelsbetriebe mit diesen Herausforderungen um? Wie sehen sie die Zukunft der E-Mobility? Und welche Rolle spielt der Autohandel in der ökologischen Transformation der Mobilität? Fragen, die wir mit Vertretern des heimischen Autohandels am Roundtable diskutierten.

Die Flottenziele der EU schreiben den Automobilherstellern vor, Fahrzeuge mit geringerem CO2-Ausstoß auf den Markt zu bringen. Auch wenn die Fristen für die Zielerreichung zuletzt verlängert wurden, steigt der Druck auf den Autohandel, mehr E-Autos zu verkaufen. Wie gehen Sie damit um?
Jagersberger: Um Strafzahlungen in Milliardenhöhe zu vermeiden, müssen die Hersteller ihre CO2-Flottenziele erreichen. Daraus folgt, dass Hersteller versuchen, ihre Handelsorganisation in dieses Thema mit einzubinden. Schließlich gibt es nur zwei Möglichkeiten, die Ziele zu erreichen: entweder mehr Elektroautos zu verkaufen oder einfach weniger Verbrenner auf den Markt zu bringen – kein Szenario, das ich mir wünsche. Am Ende des Tages geht es immer um das Angebot am Markt. Gerade im wichtigen Bereich der 20.000-Euro-Autos war das Angebot lange überschaubar. Mittlerweile haben die meisten Hersteller nachgezogen. Denn im Grunde sollte es ja so sein, dass nicht die Politik den Menschen vorschreibt, welches Auto sie kaufen sollen, sondern der Markt sollte so attraktive Fahrzeuge anbieten, dass der Kunde aus Überzeugung die für ihn beste Wahl treffen kann.

Im Vorjahr war die Zahl der Neuzulassungen von E-Autos hierzulande rückläufig. Wie sehen Sie die Entwicklung der E-Mobilität insgesamt?
Jagersberger: Die Elektromobilität ist seit jeher stark getrieben von Firmenkunden – aufgrund der steuerlichen Vorteile wie Vorsteuerabzugsfähigkeit und Sachbezugsbefreiung. Im Vorjahr gab es eine kleine Delle im Absatz von E-Autos – für mich nicht überraschend. Grundsätzlich ist es immer ein Problem, wenn die EU Politik macht, ohne auf die Menschen zu hören. Unser Credo, sowohl von Hersteller- als auch Händlerseite, war immer: „Schreibt das Ziel vor, aber bitte nicht die Technologie!“ Die viel zitierte Technologieoffenheit sollte der Maßstab sein. Das Thema Elektromobilität polarisiert, aber Schwarz-Weiß-Malerei bringt niemanden weiter – es gibt Anwendungen, wo die E-Mobilität genau die richtige Wahl ist, und es gibt Einsatzbereiche, wo sie es derzeit noch nicht ist. Daher sollte man den Kunden wie auch den Herstellern den nötigen Spielraum geben, statt sie zu bevormunden. In Summe bin ich aber überzeugt, dass die Elektromobilität wieder eine positive Entwicklung nehmen wird.

Kerle: Als die Elektromobilität vor ein paar Jahren gestartet ist, war die Euphorie auf allen Seiten groß. Es wurde der Eindruck erweckt, man müsse hier nur den Schalter umlegen und schon stürmen die Leute die E-Autos. So wie ich damals bei der Euphorie skeptisch war, bin ich heute in Zeiten der Ernüchterung nicht ganz so negativ. Die Delle, die es gab, kam nicht überraschend. Seit dem Förder-Aus in Deutschland sinken die Verkaufszahlen und die Stimmung ist abgekühlt – auch in Österreich. Hierzulande ist der Anteil der Neuzulassungen im Vorjahr auf 16% zurückgegangen – ein leichter Rückgang. In den Monaten Jänner und Februar 2025 stieg der Anteil schon wieder auf 20 Prozent. Ein Wert, der im Europa-Vergleich relativ hoch ist – vor allem verglichen mit den Ländern Südeuropas. Im Schnitt bräuchten wir 25 Prozent, um die Flottenziele der EU zu erreichen. So weit sind wir also gar nicht entfernt.

Die Hauptursache für die schleppende Entwicklung?
Kerle: Einer der größten Fehler der Politik war, Elektro vorzuschreiben, ohne sich ausreichend Gedanken über den Ausbau der Infrastruktur zu machen. Der Tenor damals: Eine Steckdose ist eh überall. Nur, dass ich bei einer normalen Haushaltssteckdose ein Auto nicht aufladen kann. Eine der Urängste eines Autofahrers ist nach wie vor, mit seinem Auto nicht mehr nachhause zu kommen. Wenn ein Privatkunde weder zuhause noch in der Firma laden kann, dann ist es einfach schwer, ihn zum Kauf eines E-Autos zu motivieren. Daher ging die Transformation bislang viel langsamer vonstatten als gedacht. Das ist schade, denn Elektroautos sind eine tolle Sache. Jeder, der bereits mit einem E-Auto gefahren ist, wird das bestätigen. Aber die Infrastruktur ist ein Punkt, an dem man noch arbeiten muss. Auch die Preise müssen weiter runter.

Trummer: Auch wir merken, dass sich das Thema E-Mobilität noch etwas schwertut – es gibt eine gewisse Verunsicherung auf Kundenseite, die durch zusätzliche Steuern jetzt noch befördert wird. Ich schließe mich meinen Vorrednern an: Technologieoffenheit würde uns im Handel gut tun. Während der reine Elektro-Markt stagniert, boomt der Plug-in-Hybrid-Markt – in diese Richtung geht es derzeit. Wir sehen auch: Bei gewissen Marken gibt es von Herstellerseite einen größeren Quotendruck als bei anderen. Ich bin sicher, am Ende des Tages werden unterschiedliche Antriebssysteme ihren Teil zur Lösung beitragen – ich gehe davon aus, dass wir à la longue einen Mix aus Elektrisch, Plug-in sowie anderen alternativen Antrieben haben werden. Elektro bietet derzeit, wie bereits gesagt, noch nicht für jeden die passende Lösung. Es bräuchte noch viel mehr Information und Aufklärungsarbeit Richtung Endkunden. Ein Hemmschuh ist sicherlich die Ladeinfrastruktur, denn die Reichweitenangst existiert ganz einfach – und die muss man dem Endkunden nehmen können.

Die Rolle des Handels in der Transformation?
Trummer: Der Handel ist das Bindeglied zum Konsumenten, somit haben wir eine verantwortungsvolle Position. Wir können und wollen den Kunden informieren und aufklären. Aber wir können ihn nur von Dingen überzeugen, von denen wir auch selbst überzeugt sind. Es ist die Kunst des Handels, diese Schnittstelle möglichst gut zu bewältigen. Wir müssen ausgewogen vorgehen, um den Kunden zufriedenzustellen. Denn das ist am Ende des Tages unser wichtigstes Ziel: zufriedene Kunden.

Kerle: Plug-in-Hybride halte ich für einen guten Einstieg ins Thema Elektromobilität – der Kunde wird vertraut mit der Technik und sieht, wie das Laden funktioniert und wie es ist, mit einem Elektromotor zu fahren. Klar, der Nachteil ist das Gewicht, aber das betrifft auch das Elektroauto insgesamt. Daher spielt das Thema Leichtbau eine zunehmend wichtige Rolle.

Roth: Auf Ihre Eingangsfrage – die Frage der Quoten – gebe ich eine klare Antwort: Ja, unsere Branche hat einen Quotendruck. Das muss man ganz ehrlich sagen. Und das bei allen Marken – allerdings in unterschiedlichen Ausprägungen. In der Regel funktioniert das über Anreize und ein Bonus-System – das heißt, Boni erreicht man, wenn man eine gewisse Prozentzahl an Elektro-Autos oder Plug-in-Fahrzeugen verkauft. Zugegeben, bei einer Premiummarke wie BMW sind diese Quoten einfacher zu erfüllen als im Volumensbereich. Das liegt am hohen Anteil an Firmenautos – hier sind die Sachbezugsbefreiung und die NoVA-Befreiung einfach unschlagbare Argumente. BMW macht hier, finde ich, derzeit vieles richtig, da sie jedes Modell in jeder Antriebsart anbieten – das ist gelebte Technologieoffenheit. BMW wird damit keine Probleme haben, die Quote europaweit zu erfüllen.

Und die anderen Marken?
Roth: Bei den anderen Marken in unserem Portfolio, wie Opel oder Toyota, ist die Situation sicher herausfordernder. Dort könnte durchaus mit einer Reduzierung der Verbrenner-Modelle reagiert werden. Das schafft auch einen gewissen Druck. Was mir ganz wichtig ist zu betonen: Ein Auto steht noch immer für Emotion und gerade ein Elektroauto ist Emotion pur – ganz klar! Ein Elektroauto zu fahren ist einfach ein tolles Gefühl – das wissen noch nicht alle. Viele haben es noch nicht ausprobiert. Das ist ein Punkt, wo wir beitragen können. Wir können Kunden animieren, sich in die Fahrzeuge zu setzen und es einmal auszuprobieren. Aber natürlich muss jeder weiterhin die Entscheidungsfreiheit haben und sagen können: „Taugt mir oder taugt mir nicht.“ Ich kenne ehemalige E-Skeptiker, für die ein Leben ohne Achtzylinder und Brumm-Brumm nicht vorstellbar war – heute sind sie überzeugte Elektrofahrer. Die Rolle des Handels ist klar. Wir beraten den Kunden nach bestem Wissen und Gewissen, aber die Entscheidung trifft er dann nach seinen Präferenzen – Stichwort Bedarfsanalyse. Passt ein E-Auto in die jeweilige Lebens- und Arbeitssituation? Darauf braucht es eine ehrliche Antwort.

Kerle: Die generelle Unsicherheit der Konsumenten ist wohl das Schwierigste für den Handel. Denn Unsicherheiten führen dazu, dass Kaufentscheidungen aufgeschoben werden. Wir dürfen nicht vergessen: Wir verkaufen jetzt pro Jahr 100.000 Autos weniger als noch vor Corona. Statt 350.000 sind es nur noch 250.000 im Jahr. Auf dieses Niveau werden wir so schnell oder überhaupt nie wieder hinkommen. Das spürt die Branche natürlich – bis hin zum Werkstätten-Geschäft.

Wieser: Diese Unsicherheit sehe ich ebenso als eines der Hauptprobleme. Dazu gehört auch das Thema Restwert – viele beschäftigt die Frage, wie sich die Technologie weiter entwickeln wird in den kommenden drei, vier Jahren, wenn man das Auto eintauschen wird. Die Politik könnte hier sicher etwas beitragen, indem sie zumindest, was die gesetzlichen Rahmenbedingungen betrifft, Sicherheit hineinbringt. Ich sehe, dass hier im Vergleich zu früher durchaus Positives passiert – einerseits auf der europäischen Ebene, siehe die jüngste Fristerstreckung bei den Flottenzielen, und andererseits in Österreich, wo die Regierung klargemacht hat, dass die Sachbezugs- sowie NoVABefreiung bleiben werden – denn für die Konsumenten und Firmen ist Berechenbarkeit entscheidend. Ich sehe hier das Problem, dass es zwischen den strengen Vorgaben der Hersteller und den Präferenzen der Kunden gewisse Diskrepanzen geben kann. Wenn man diese Lücke schließen will, geht das zum Teil natürlich nur durch entsprechende Preisnachlässe, wie es ja schon passiert ist. Es gab bereits viele Preisrepositionierungen auf Herstellerseite – mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf den Markt. Siehe die Zeitwerte der Autos, die stark gefallen sind.

Roth: Im Vorjahr war der Preisverfall der E-Autos bei den Gebrauchten schon massiv – das sind die Auswirkungen der Politik. Eine der größten Herausforderungen für die Zukunft wird es sein, den Markt für junge Gebrauchtwägen bei E-Autos zu entwickeln. Das ist ein Thema, wo es Anstrengungen braucht, um einen Gebrauchtwagenmarkt aufzubauen. Die Praxis heute schaut so aus: E-Fahrzeuge werden meist geleast und dann an die Finanzierungspartner zurückgegeben. Der Restwert ist dann sozusagen das Problem der Bank.

Trummer: Da sind wir wieder beim Thema der Unsicherheit für den Endkunden. Das ist das große Thema – viele fragen sich: Was ist mit dem Restwert? Was ist mein Auto in drei Jahren wert? Eines kann man jedenfalls sagen: An der Leistungsfähigkeit der Batterien liegt es nicht, da muss sich niemand sorgen – die liefern auch nach Jahren noch eine sehr hohe Performance.

Jagersberger: Die Logik der Hersteller ist: Ehe ich Milliarden an Strafzahlungen an die EU überweise, gebe ich das Geld lieber dem Kunden, sprich, ich gehe mit den Preisen runter. Damit verlässt man seine bisherige Kalkulation – mit den bekannten Folgewirkungen, weil man damit auch das bestehende Preisgefüge beeinflusst. Daher war es noch nie so günstig wie jetzt, ein Elektroauto zu kaufen.

Wieser: Aber wenn der Preisvorteil plötzlich 20.000 Euro oder mehr beträgt, dann fragt sich der Kunde zurecht, ob mit dem Produkt vielleicht etwas nicht ganz stimmt. Und derjenige, der bereits gekauft hat, ist erst recht unglücklich. Das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit für die Marke. Aber ich möchte auch etwas Positives sagen: Das Stichwort „attraktives Angebot“ ist schon gefallen. Wenn man ein Auto hat, das rundherum passt, sowohl vom Produkt selbst her als auch vom Preis, dann sieht man, dass E-Mobilität super funktionieren kann. Ich nehme das „Auto des Jahres“, den R5 von Renault, als Beispiel. Das findet seine Abnehmer – ganz einfach, weil es ein tolles Produkt ist. Auch bei anderen Marken gibt es solche Beispiele. Ich vergleiche das ein bisschen mit der Transformation in Richtung Smartphone. Warum nutzen wir das alle und telefonieren nicht mehr mit dem Tastentelefon? Weil es einen Nutzenvorteil bringt, weil es convenient ist und einen Mehrwert bietet. In diese Richtung muss es gehen. Das Produkt muss so gut sein, dass man aus Überzeugung E-Auto fahren will.

Wird die Elektromobilität die dominante Technologie 2035 sein?
Kerle: Ich denke schon, dass das Elektroauto im Pkw-Sektor künftig den Hauptanteil ausmachen wird. Wann genau, kann ich nicht sagen – vielleicht schon in zehn oder 15 Jahren. Ich denke aber auch, dass es noch andere Antriebsarten geben wird – ob Wasserstoff oder synthetische Treibstoffe. Mir ist schleierhaft, warum Politiker in Europa so massiv dagegen auftreten. Denn wenn ich die Klimaziele erreichen will, dann muss auch bei den zig Millionen Fahrzeugen, die schon auf der Straße sind und es auch 2040 noch sein werden, etwas geschehen. Der Vorteil der synthetischen Treibstoffe wäre, dass ich die Bestandsfahrzeuge klimafreundlich betreiben kann – oder zumindest einen Teil beimischen kann. Wir wollen alle einen Green Deal – aber es braucht auch einen Realismus in der Politik. Niemand zweifelt daran, dass die Mobilität CO2 einsparen muss. Das ist unbestritten. Die Frage ist, müssen wir das Verbrenner-Aus schon 2035 umsetzen oder – so wie Österreich – schon 2040 klimaneutral sein? Ich denke, dass die EU-Politik gut beraten ist, noch einmal nachzudenken und realistischere Ziele zu setzen.

Jagersberger: Allein in Österreich haben wir 5,2 Millionen Autos im Bestand. Trotz aller Bemühungen, die Elektromobilität voranzutreiben, liegen wir mittlerweile erst bei einem Anteil von rund 4% Elektrofahrzeugen am Gesamtbestand. Wenn wir die Klimaziele ernst nehmen, sollten wir die restlichen 96% nicht ignorieren. E-Fuels könnten ein Faktor sein.

Roth: Niemand glaubt, dass die Elektromobilität noch einmal in Frage gestellt wird – sie wird selbstverständlich eine entscheidende Rolle in der Zukunft des Individualverkehrs spielen.

Wieser: Ich glaube, wichtig wäre von Grund auf gewesen, stärker technologieoffen zu sein. Man hat sehr früh voll auf das Elektroauto gesetzt – ganz zurück daraus wird es nicht mehr gehen, dennoch wird man weitere Entwicklungen im Auge behalten müssen. Vielleicht wird zum batterieelektrischen Antrieb noch die eine oder andere Alternative dazu kommen, etwa Brennstoffzellen oder eine Kombination unterschiedlicher Systeme.

Kerle: Ich denke, wir werden auch noch sehr innovative Entwicklungen bei der Batterie erleben, was die Leistungsfähigkeit und damit die Reichweiten betrifft. Das kann dann durchaus einen Sprung bedeuten, wo die Convenience dermaßen steigt, dass es für viele einfacher wird, sich für ein Elektroauto zu entscheiden.

Welche Rahmenbedingungen bräuchte es zudem, um die E-Mobilität zu beschleunigen?
Jagersberger: Vielfach agiert die Politik zu zaghaft und zu wenig konsequent. So haben wir in der Wirtschaftskammer schon vor zwei Jahren eine Preisauszeichnungspflicht bei Ladesäulen gefordert. Dass der Ladetarif nicht verpflichtend angegeben werden muss, versteht niemand. Ebenso fragwürdig: Statt mit einer normalen Bankomatkarte zu bezahlen, braucht es eine Viel-zahl verschiedener Abos und einen Wust an Karten, um die Bezahlung zu erledigen. Das sind in der Praxis große Hürden. Es wäre die Aufgabe der Politik, hier die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. Auch mit der Einführung der motorbezogenen Versicherungssteuer setzt die Politik ein fragwürdiges Signal. Einerseits will man, dass Menschen elektrisch fahren und dann setzt man solche Maßnahmen. Alles, was das Elektroauto verteuert, ist letztendlich kontraproduktiv – auch wenn es nicht um dramatische Beträge geht.

Kerle: Auch für die Verlängerung der Ankaufsförderung sehen wir derzeit keine Chance mehr. Bislang bekamen Private 3.000 Euro vom Ministerium und 2.000 Euro von der Branche. Also insgesamt 5.000 Euro – das macht schon etwas aus und wird künftig als Anreiz fehlen.

Autohandelsbetriebe müssen heute in den Werkstätten zweigleisig fahren – und brauchen Infrastruktur sowohl für Verbrenner als auch für die E-Mobilität. Ein teurer Spagat?
Jagersberger: Unsere Branche ist bekannt dafür, sich immer wieder rasch an neue Technologien anzupassen – das haben wir auch bei der Einführung der Elektromobilität bewiesen. Wir müssen regelmäßig in unsere Betriebe investieren. Es braucht Investitionen in die Infrastruktur, neue Gerätschaften, neues Equipment, aber auch Schulungen und Ausbildungen – aus meiner Sicht ist das aber eher ein Evolutionsthema. In Summe sehe ich die Zukunftsfähigkeit unseres Geschäftsmodells gesichert. Es gab in der Vergangenheit zahlreiche Versuche, unser Geschäft ins Internet zu verlagern. Fahrzeughersteller versuchten, einen Direktvertrieb zu starten und den Handel auszuschalten. Das ist mit Ausnahme von Tesla aber keinem gelungen. Letztendlich hat man festgestellt: Der Kunde will in ein Autohaus gehen, mit kompetenten Menschen sprechen und sich beraten lassen bzw. jederzeit wiederkommen, wenn es mit dem Auto ein Problem gibt. Daher bin ich felsenfest davon überzeugt, dass unsere Branche Zukunft hat.

Trummer: Wir haben bereits viel in Ladeinfrastruktur in den Betrieben investiert. Ich würde behaupten, wir sind teilweise in den Betrieben schon weiter als unsere Importeure. Auch was die Maßnahmen betrifft, die wir intern umsetzen – ob Mitarbeiterschulung, Digitalisierung, interne Prozesse oder eben der Fokus auf das Thema E-Mobilität. Daher sehe ich die Zukunft des Autohandels ebenso positiv – wir sind als Bindeglied zum Konsumenten unersetzbar. Gerade an dieser Schnittstelle zu den neuen Technologien hat der Kunde mehr Erklärungsbedarf als je zuvor – der persönliche Kontakt zum Autohaus und den Serviceberatern wird immer wichtiger.

Wieser: Erst recht, wenn man dann auch noch an weiterfolgende Technologien denkt – wie autonomes Fahren und die zunehmende Konnektivität. Das heißt, der Erklärungsbedarf wächst mit der Digitalisierung. Daher wird es in Zukunft wohl auch andere Jobprofile brauchen, die mit den neuen Aufgaben Schritt halten.

Roth: Man denke nur an den „Product Genius“ von BMW, eine Position, die geschaffen wurde, um den Kunden bei Auswahl und Kauf eines neuen BMW-Fahrzeugs zu beraten. Zugegeben, wir waren erst skeptisch, aber jetzt sind wir große Fans des Systems. Schließlich dauert eine Autoauslieferung heute eine Stunde und länger – Connectivity, Fahrassistenzen etc. bedürfen einer umfassenden Beratung.

Wieser: Ehrlicherweise muss man dazusagen, dass das alles natürlich Geld kostet, und man schauen muss, wo man dieses Geld verdient. Ebenso muss man aufpassen, dass man nicht einen Schritt voraus ist und zu viel in neue Geschäftsmodelle investiert. Ob Abo oder Shared Services – es kostet Ressourcen, diese Dinge aufzubauen. Der Kunde ist zum Teil aber noch nicht so weit bzw. es ist nicht ganz klar, welches dieser Geschäftsmodelle sich wann und in welchem Ausmaß durchsetzen wird. Aber man muss sich dem Wandel stellen.

Wie groß ist in der Branche das Problem des Fachkräftemangels?
Roth: Derzeit sind Spengler und Lackierer am schwierigsten zu besetzen. Wir sind ein sehr lehrlingsintensiver Betrieb mit rund 80 Lehrlingen und bekommen momentan auch relativ viele Bewerbungen. Schwierig zu besetzen ist auch der Beruf des Handelskaufmanns, das sind Spezialisten für Lager und Distribution. Ein Beruf, den wir wieder sexy machen müssen – denn er bietet große Karrierechancen. Unsere besten Führungskräfte im Haus kommen alle aus diesem Bereich. Unterm Strich sehen wir den Arbeitsmarkt derzeit aber nicht als das größte Problem. Die Herausforderung Nummer eins ist das Kostenthema. Zinskosten, Energiekosten und vor allem die Personalkosten – hier ist in den vergangenen Jahren vieles in Bewegung geraten, das wir zu stemmen haben. Dazu kommen die Investitionskosten durch die Vorgaben der Hersteller, die wir zu erfüllen haben. Auch der Markt per se ist in Zeiten der Unsicherheit herausfordernd. Einsatz, Konsequenz und gute Ideen sind gefragt, um den Kunden erreichen.

Wieser: Auf Kundenseite ist die allgemeine Unsicherheit sicher das größte Problem. Und kostenseitig hatten wir zwei Jahre hintereinander Gehaltsabschlüsse von 10 Prozent. Das im Handel einzusparen oder mit höherer Produktivität auszugleichen ist unmöglich. Dennoch sehe ich mittel- bis langfristig sehr positive Chancen für den Handel. Vor vier, fünf Jahren stand ja noch die Gefahr im Raum, dass OEMs das Handelsgeschäft im Bereich Online selbst übernehmen oder etwa mit Agenturmodellen die Handlungsfreiheit der Händler deutlich einschränken. Das hat sich als überzogene Sorge erwiesen – es gibt den Autohandel immer noch und es wird ihn auch in Zukunft geben.

Können andere Marken von der aktuellen Tesla-Schwäche profitieren?
Kerle: Ich finde, nicht nur Elon Musk trägt seinen Teil dazu bei, dass Tesla schwächelt, auch die Konkurrenz ist für Tesla wesentlich größer geworden. Viele haben Tesla schon überholt in der Technik. Tesla spürt den Gegenwind der anderen Marken. Zudem gilt: Totgesagte leben länger. Man hat immer gesagt, dass die deutsche Automobilindustrie den Anschluss verloren hat, aber wir sehen, dass die Deutschen aufholen und dabei sind, mit einem innovativen Schub zurückzukommen.

Jagersberger: Tesla hat in der E-Mobilität den Weg bereitet. Die Geschichte zeigt, dass es nicht immer die Pioniere sind, die langfristig Erfolg haben. Dass der Gründer selbst nun offenbar zum Niedergang beiträgt, ist eine Entwicklung, die wir mit Staunen beobachten. Grundsätzlich wissen wir alle, dass die Elektromobilität ein wichtiger Bestandteil der Mobilität ist und sein wird. E-Auto sind gekommen, um zu bleiben. Wie sie sich in Zukunft weiterentwickelt, ist noch nicht ganz entschieden. Wie gesagt: Es gibt für jeden das richtige Auto – für den einen ist es das Elektrofahrzeug und für den anderen ein konventioneller Antrieb.

Auf welche Neueinführung eines E-Autos in diesem Jahr freuen Sie sich besonders?
Jagersberger: Bei Ford freuen wir uns über den neuen elektrischen Ford Puma GenE. Mit Hyundai haben wir gerade den neuen Hyundai Inster eingeführt, der absolut leistbare Elektromobilität in der Kleinwagenklasse bietet. Bei Toyota steht die Einführung des Urban Cruiser an. Viele neue Autos bei uns, daher viel Freude.

Kerle: In den nächsten Monaten wird es viele neue Modelle geben, viele kleine, weil die Hersteller gesehen haben, dass sie nicht nur große SUVs um 70.000 Euro verkaufen können. Das Feld ist abgegrast, jetzt muss man auch für breitere Schichten etwas anbieten.

Trummer: Ob Mazda, Kia oder MG – wir erleben bei allen drei Marken, dass sich viel Neues tut. Vor allem Kia ist ausgesprochen elektro-offensiv, hier kommen der EV 4 und der PV5 Passenger mit sehr flexiblen Lösungen. Bei Mazda wird im Sommer eine sportliche, elektrische Limousine eingeführt und bei MG stehen neue Benzin- sowie elektrische Modelle kurz vor der Einführung.

Roth: Im Jahr 2026 wird BMW mit ‚DIE NEUE KLASSE‘ eine neue Ära einläuten. Damit erleben wir eine Transformation der Marke BMW, die neue Maßstäbe setzt. Vor allen in den Bereichen Design, Digitalisierung und Nachhaltigkeit wird es große Veränderungen geben. Erste Vorstudien, die bereits im Netz zu sehen sind, versprechen Großes. Wir sind voller Vorfreude und gespannt, was uns erwartet.

Wieser: Wir freuen uns auf die zwei „Autos des Jahres“, den Renault R5 und die Alpine A 290. Renault hat einfach einen exzellenten Job gemacht – diese Kombination aus Design, Preis und Leistung überzeugt in Summe. Persönlich freue ich mich als „Alfista“ darüber hinaus auf den neuen Stelvio, der ursprünglich rein elektrisch geplant war. Er wird im Sommer präsentiert und heuer im vierten Quartal oder im ersten Quartal 2026 auf den Markt kommen.

Fotos: iStock, Oliver Wolf

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