Spirit of Styria

Ein Jazz-Club mit guter Improvisation

„SPIRIT of Styria“ bat das Mastermind des international renommierten Jazz-Clubs Stockwerk am Grazer Jakominiplatz zum Interview: Otmar Klammer, Veranstalter und Obmann des Vereins sowie bekannter Musikjournalist, bietet seit mehr als 30 Jahren experimentellen und neuen Stilkombinationen des Jazz eine Bühne. Der Jazz-Impresario im Gespräch über die heutige Grazer Jazzszene, wie es aufgrund aktueller Kulturbudgetkürzungen mit Jazz im Café Stockwerk weitergeht und welche internationalen Musikgrößen er sich noch auf die Bühne wünscht.

Herr Klammer, Sie haben vor Kurzem das 30-jährige Jubiläum des Jazz-Clubs Stockwerk als bedeutende Jazz-Location in Graz gefeiert. Was waren die Anfänge dieser Erfolgsgeschichte?
Im Dezember 1994 hat mich Michael Bauer – der damalige Posaunist der Bigband Süd, die es heute nicht mehr gibt – angesprochen, ob es möglich wäre, im Café Stockwerk zu spielen. Damals hatten sie kurz zuvor ihr Lokal verloren, wo sie jeden Montag gespielt haben. Das war der Kulturhauskeller in der Elisabethstraße. Ich war ja mit dem Café Stockwerk schon gut verbunden, weil meine Schwägerin da gearbeitet hat. Und dann haben wir jeden Montag am Abend die Tür aufgemacht. Der Andrang war enorm, und es ging Schlag auf Schlag und ist immer größer geworden.

Wie wurde das Programm finanziert?
Ich habe überall geschaut, wie ich Geld auftreiben kann. Im öffentlichen Bereich, bei der Stadt, beim Land und Bund. Und dann ist das Budget gewachsen. Und das Programm auch. Weil ich habe da nie widerstehen können – je größer das Budget, umso mehr Programm. Ich hätte es auch anders machen können: Je größer das Budget, umso mehr für mich. Nur, das ist für mich kein Hobby, das ist für mich etwas Ernsthaftes, wo ich meiner Leidenschaft und meinen Interessen nachgehen kann.

Klammer hält ständig Ausschau nach
neuen Talenten für die Bühne.

„Mir ist sehr wichtig, dass wir ein klares musikalisches Profil haben. Insofern stelle ich zeitgenössischen Jazz in den Vordergrund.“

OTMAR KLAMMER
Veranstalter Jazz-Club Stockwerk

Haben sie bestimmte Präferenzen, was die Musik betrifft?
Natürlich, das ist das, was mich persönlich anregt. Man könnte sagen: Ich spiele auf der Bühne die Musik, die ich daheim in meinem Wohnzimmer spiele. Ich versuche jedenfalls, dem Ganzen ein klares Profil zu verleihen. Das ist sehr wichtig, dass sich die Leute auskennen. Insofern stelle ich zeitgenössischen Jazz in den Vordergrund. So etwas, wozu man früher in den 70er Jahren Avantgarde gesagt hat. Heute hat sich die Avantgarde ja längst selber überrundet – jetzt heißt es halt einfach zeitgenössische innovative Musik. Mir ist es sehr wichtig, dass die Leute, die zu uns kommen, wissen, wo es lang geht innerhalb vom Jazz. Nur so ist es möglich, dass man auch mal unbekannte Musiker bringen kann. Sonst hast du nur bei den Bekannten ein Publikum, bei den Unbekannten nicht.

Sie sind ausgebildeter Musiker. Spielen Sie noch? Und wenn: Welches Genre?
Ich habe klassische Gitarre gelernt und in meiner Jugend begonnen, in Rockbands zu spielen. Ich bin eigentlich mit der Rockmusik sozialisiert worden – Pink Floyd, Carlo Santana und so weiter. Erst, als ich mit 18 Jahren nach Graz gekommen bin, bin ich so richtig mit Jazz in Berührung kommen. Das hat es damals in Lienz, wo ich herkomme, nicht gegeben. Das war eine blühende Aufbruchszeit im Jazzbereich. Davon abgesehen: Wenn du musikalisch interessiert bist, dann machst du irgendwann den Schritt in den Jazz. Das bleibt nicht aus. Ich selber spiele heute kaum noch. Ich habe zwar meine Gitarren daheim, aber die stehen mehr oder weniger rum. Wenn du immer weniger übst, dann fällst du sehr schnell zurück.

Sie organisieren ja auch das Internationale Jazzfestival Leibnitz …
Ja, das mache ich zusätzlich jedes Jahr. Das ist immer Ende September. Das ist dann etwas Größeres. Da muss man auf hohem Niveau eine gewisse Balance zwischen musikalischer Herausforderung und Zumutbarkeit finden. Und natürlich ist das auch ein exklusives Programm.

Wie gestaltet sich das Programm des Stockwerk?
Da sind wir mittlerweile halt schon bei einer Frequenz von 60 bis 70 Konzerten im Jahr. Das kratzt schon sehr an meiner Belastbarkeitsgrenze. Ich habe zwar Mitarbeiter, die die Homepage, Grafiken für Drucksorten, Technik und Kassa machen. Aber sonst mache ich von der Konzeption bis zum Sesselaufstellen alles alleine.

Wie wichtig ist es, die Bühne „international“ zu öffnen?
Die Internationalität spielt für mich eine wichtige Rolle, gerade wenn wir auch Stimmen von außen hören möchten. Es ist für uns von Bedeutung, auf neue Entwicklungen, Strömungen, Tendenzen und Trends zu achten, die international relevant sind. Das sehe ich als einen zentralen Teil meines Auftrags. Und da ich öffentliche Gelder erhalte, betrachte ich mein Programm auch als einen Bildungsauftrag. Förderungen dienen ja grundsätzlich einmal dafür, Dinge zu ermöglichen, die sich sonst nicht finanzieren lassen, ganz und gar unkommerziell sind.

Wie geht es weiter, jetzt, wo die Kulturbudgets gekürzt werden?
Noch kann ich der Sache gelassen entgegensehen, da ich einen 3-Jahres-Vertrag mit der Stadt und dem Land habe, der aber heuer auf beiden Seiten ausläuft. Ich bin gerade dabei, um die jeweiligen Verlängerungen anzusuchen. Wie es danach aussieht, weiß ich noch nicht. Viele Kollegen, sowohl im Musik- als auch im Theaterbereich, sind drastisch gekürzt worden. Manche von ihnen haben keine Förderung mehr bekommen. Ich hoffe, dass es bei uns gut weitergeht. Wir haben kürzlich das 30-jährige Jubiläum gefeiert, was natürlich ein gutes Argument bei Förderungen ist. Sollte es uns treffen und wir keinen neuen 3-Jahres-Vertrag erhalten, fehlt dann irgendwann ein erheblicher Teil, denn als Konzertveranstalter hat man die höchsten Kosten unter allen Kulturveranstaltern. Im schlimmsten Fall muss man halt kürzertreten und weniger Programm machen. Aufgeben werde ich nie.

Der Musikjournalist ist internationaler Experte
u.a. in Sachen Jazz.

Hat Graz einen Namen in der internationalen Jazz-Community?
Graz hat einen sehr guten Namen innerhalb der weltweiten Jazz-Community. Das hat vor allem den Grund, dass 1964 die Jazzakademie gegründet worden ist. Damals war das der einzige Ort in ganz Europa, an dem man Jazz auf Hochschulniveau studieren konnte. Dadurch hat Graz als Jazzstadt natürlich immer eine große Rolle gespielt und eine eigene Szene entwickelt. Viele Jazzmusiker aus Amerika waren in all der Zeit als Gastdozenten hier tätig. Das hat auch immer viele Jazzclubs und größere Veranstalter auf den Plan gerufen. Manche sind wieder verschwunden, dafür sind neue gekommen. In einer Stadt mit 300.000 Einwohnern gibt es vergleichsweise sehr viele Jazz-Veranstalter oder Clubs – das muss man europaweit suchen. Viele sehr viel größere Städte können da mit Graz als Jazz-Stadt nicht mithalten.

Ist es schwierig geworden, internationale Jazzgrößen nach Graz zu bekommen?
Um bekannte Musiker herzukriegen, braucht man halt Geld. Ich habe da meine Grenzen. Ich habe sehr gute internationale Kontakte, aber es ist die Gage, die ab einem gewissen Level nicht mehr drin ist. Aber zum 30-jährigen Jubiläum im Herbst habe ich mir zwei, drei Namen geleistet, die ich schon seit Anfang an im Stockwerk haben wollte. Einer davon war Steve Coleman. Das kostet natürlich Länge mal Breite, aber das war zum Jubiläum auch etwas, wo man auf uns – auch medial – aufmerksam machen konnte.

Was müssen aufstrebende Nachwuchskünstler mitbringen, um im Stockwerk auftreten zu dürfen? Wie ist es ihrer Meinung nach um die junge Jazzszene in Österreich bestellt?
In Österreich hat die Jazzszene stark aufgeholt, vor allem was die kreative Eigenständigkeit und Originalität betrifft. Gute Musiker hat es eigentlich immer gegeben in Österreich. Aber viele haben lange Zeit den amerikanischen Jazz nachgespielt bzw. imitiert. Das hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich geändert, und wir haben heute eine wirklich sehr kreative Szene, die sich international auf einem gleichwertigen hohem Niveau bewegt.

Wie entdecken Sie „neue Namen“?
Ich halte ständig Ausschau, von wem wann ein neues Album erscheint oder jemand auf Promo-Tour geht – und oft lassen sich diese Ereignisse mit einem Konzert bei uns verbinden. Und natürlich stoße ich auch in meiner Rolle als Journalist immer wieder über neue Namen und bin auf Jazz-Festivals und Jazzmessen auf der ganzen Welt – da gibt es viele Showcases für Veranstalter und die internationale Presse, wo man Neues entdecken kann.

Wie weit planen Sie das Programm im Voraus? Wie flexibel sind Sie, wenn jemand kurzfristig absagt?
Die Art der Planung hat sich sehr verändert. Heutzutage plane ich mindestens ein Jahr im Voraus. Jetzt bin ich gerade mit dem Programm für 2025 fertig geworden. Anfragen von Agenturen oder Musikern verweise ich bereits aufs nächste Jahr, in dem sogar vereinzelte Konzerte fixiert sind. Was die Absagen betrifft: Absagen muss man hinnehmen, auch wenn sie selten vorkommen. Wenn ein wichtiger Musiker, wie der Bandleader oder Kapellmeister, erkrankt, wird ein Ersatz gesucht. Ist jedoch der Musiker selbst betroffen, wird die Veranstaltung abgesagt. Solche Fälle passieren vielleicht einmal im Jahr. Häufiger kommt es zu Terminverschiebungen. Wenn man früh genug informiert wird, ist das kein großes Problem und die Verschiebung lässt sich problemlos kommunizieren. Für 2025 hoffe ich jedenfalls, dass alles klappen wird – auch, was die Weiterfinanzierung betrifft.

Welche Namen sollen zukünftig noch im Café Stockwerk auftreten?
Also die Liste hört nicht auf. Aber vor allem als Gitarrist habe ich persönliche Favoriten. Ich würde sagen, John Scofield, den schätze ich besonders, auch persönlich. Er ist im letzten April im Greith Haus, einem Kulturzentrum in der Südsteiermark, aufgetreten vor zirka 330 Leuten. Das war eine Kooperation von Greith Haus und Stockwerk! Das Konzert war schon Wochen vorher ausverkauft. Und den Saxophonisten David Murray, den möchte ich auch noch bei uns haben, nicht für mich persönlich, sondern für das Publikum. Wie Sie sehen: Es ist einiges geplant!

Fotos: Oliver Wolf

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