Spirit of Styria

Das Rückgrat DER INDUSTRIE

Notwendige Weichenstellungen: Christian Knill, Obmann der
Metalltechnischen Industrie in der WKO Österreich, über die Bedeutung der Branche für Wertschöpfung und Beschäftigung, die Auftragslage in Zeiten der Unsicherheit und seine Hoffnung auf verantwortungsvolles Handeln bei den KV-Verhandlungen im Herbst. Plus: Wie der neue Metall & Technik Cluster Oststeiermark mit der Kraft der Vernetzung den Fachkräftemangel bekämpft.

Die aktuelle Bilanz fällt zwiespältig aus. „Erst die gute Nachricht“, so Christian Knill, Unternehmer und Obmann der Metalltechnischen Industrie in der WKO Österreich. „2022 war alles in allem ein gutes Jahr. Das Produktionsvolumen stieg inflationsbereinigt um 3,7 %.“ In Summe erreichte die Branche erstmals knapp die 50 Milliarden-Euro-Umsatz-Marke. „Daran sieht man die Bedeutung der Branche als Rückgrat der Industrie und als Jobmotor – wir sind Arbeitgeber für 137.000 Menschen in Österreich“, so der Branchenvertreter. „Erklärbar ist das Ergebnis sicherlich durch einen Corona-Aufhol-Effekt, vor allem im ersten Halbjahr“, so Knill. Doch bereits im zweiten setzte eine Abschwächung ein – ausgelöst durch den Ukraine-Krieg, die gestiegenen Energiekosten und die Lieferkettenprobleme.
„Eine negative Dynamik, die sich auch ins neue Jahr zieht – damit die weniger gute Nachricht: Laut einer aktuellen Umfrage erwarten die Betriebe für 2023 im Schnitt einen Rückgang von 2,3 %“, betont er und sieht markante Auftragseingangsrückgänge als Ursache. „Während die Auftragsbestände des Vorjahres noch in dieses Jahr hineinwirken, erwarten wir heuer einen Rückgang bei Neuaufträgen von rund fünf Prozent.“ Quer über die Branchen falle dieses Minus noch deutlich kräftiger aus – am eklatantesten im baunahen Bereich. „Dort sehen wir dramatische Einbrüche von bis zu 40 %“, so Knill. „Diese Rückgänge sind neben dem Fachkräftemangel und den immer noch viel zu hohen Energiekosten derzeit die größte Herausforderung für die Branche“, betont Christian Knill, der trotz rückläufiger Konjunktur keine Linderung der Personalnot sieht. „Hier zeichnet sich paradoxerweise keine Entspannung ab. Aufgrund der demographischen Entwicklung wird das Thema noch lange akut bleiben. Was uns ebenso zu schaffen macht, ist das Phänomen, dass auch immer mehr Männer nur Teilzeit arbeiten wollen“, so Knill, der Forderungen nach einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich eine klare Absage erteilt. „Das wäre das Falscheste und für den Standort Schädlichste, das wir machen könnten.“

„Dämpfenden Einfluss auf die Inflation zu nehmen, hat derzeit oberste Priorität.“

CHRISTIAN KNILL
OBMANN DER METALLTECHNISCHEN INDUSTRIE IN DER WKO ÖSTERREICH UND
CEO DER KNILL ENERGY HOLDING

Umso wichtiger wäre es, jetzt die richtigen politischen Weichenstellungen zu setzen. „Oberste Priorität hat derzeit, einen dämpfenden Einfluss auf die Inflation zu nehmen. Die bisherigen Maßnahmen sind in ihrer Wirkung verpufft. Wir müssen an Stell-schrauben drehen, die das Problem strukturell angehen.“ Etwa beim Thema Energiekosten. „Unsere Betriebe drohen weiter an Wettbewerbungsfähigkeit zu verlieren – auch gegenüber Deutschland, das mit seinen Strom- und Gaspreisbremsen für die Wirtschaft effektive Maßnahmen gesetzt hat.“ Eine entscheidende Bedeutung komme daher auch den Kollektivlohnverhandlungen der Metaller im Herbst zu. „Da die Inflation in Österreich um rund zwei Prozent höher ist als in anderen Ländern, hätte ein voller Teuerungsausgleich dramatische Folgen. Wir würden uns sehenden Auges aus den Märkten katapultieren“, warnt Knill und hofft auf verantwortungsvolles Handeln der Gewerkschaft. „Auch hier könnte Deutschland Vorbild sein, das mit Mehr-Jahres-Abschlüssen und Einmalzahlungen die Dynamik bremsen konnte. Denn klar ist“, so Knill, „dass wir diese Lohn-Preis- oder Preis-Lohn-Spirale endlich durchbrechen müssen, sonst droht ein böses Erwachen.“

Industriepolitisch hoffe Knill darauf, dass Europa sich seiner Verantwortung besinnt und künftig geschlossener auf der Weltbühne auftritt. „Die USA haben mit ihrem Inflation Reduction Act ein klares Bekenntnis zur Industrieansiedlung abgelegt. Und in Asien fallen Entscheidungen ohnehin schnell, nur in Europa reagieren wir meistens zu träge“, so Knill, der mit seinem Unternehmen, der Knill Energy Holding, den Energiesektor in unterschiedlichen Märkten weltweit mit Komponenten beliefert. „Unglaublich, diese Dynamik im Mittleren Osten! Saudi-Arabien hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 einer der größten Stromexporteure der Welt zu werden. Dort setzt man auf billige Energie, in Asien haben sie billige Arbeitskräfte und Rohstoffe und die USA punkten mit Technologien – daher ist auch Europa aufgerufen, wieder vermehrt Schlüsseltechnologien zurückzuholen bzw. dafür zu sorgen, dass wir die verbliebenen auch hier halten können.“ Wie sieht er den Green Deal der EU? „Oft wird übersehen, dass die Industrie in der Vergangenheit bereits sehr viel für Klimaschutz und Nachhaltigkeit geleistet hat – und sie wird auch weiterhin sehr viel tun. Aber Europa stößt mit seinen acht oder neun Prozent Anteil an den globalen Emissionen schon mathematisch an die Grenzen seiner Möglichkeiten. Entscheidend wird sein, dass wir unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten, damit wir mit unseren exportierten Green-Tech-Produkten auch weiterhin weltweit das Klima schützen können.“

Metalltechnische Industrie Österreich

1.200 Unternehmen 137.000 Beschäftigte
49,5 Milliarden Euro Produktionsvolumen 
Anteil von 25 % an den österreichischen Exporten
2 Milliarden Euro F&E Ausgaben
43 % der Industrielehrlinge

www.fmti.at

METALL & TECHNIK CLUSTER OSTSTEIERMARK

Die Bedeutung der Metalltechnischen Industrie in der Steiermark ist besonders groß – mehr dazu in unserer Story auf den Seiten 16 bis 18. Entscheidend für deren Erfolg ist auch die Vernetzung innerhalb der Branche. Bestes Beispiel dafür ist der neu geschaffene Metall & Technik Cluster Oststeiermark, einem Netzwerk von Engineering- und Produktionsbetrieben für Metallverarbeitung, Maschinen- und Anlagenbau. „Wir setzen gemeinsame Aktivitäten in den Bereichen Fachkräftesicherung, Kooperation und Entwicklung sowie Öffentlichkeitsarbeit und stärken dadurch die oststeirischen Betriebe dieser Branche“, so Bernhard Stranzl, Geschäftsführer von Stranzl Elektromaschinentechnik und Sprecher des Clusters. Die Motivation hinter der Gründung? „Bei einer Analyse der Wirtschaftsstruktur der Oststeiermark hat sich gezeigt, dass Metallverarbeitung, Maschinen- und Anlagenbau mittlerweile den größten Wirtschaftssektor der Oststeiermark ausmachen und im Vergleich mit anderen heimischen Regionen einen überdurchschnittlichen Anteil an der regionalen Wertschöpfung aufweisen.“ Das war der Startschuss für die Initiative, zu der sich anfangs acht Betriebe – unterstützt von der Regionalentwicklung Oststeiermark und den Regionalstellen der Wirtschaftskammer Weiz und Hartberg-Fürstenfeld – zusammenfanden. „Seit der Gründung des Clusters mit der Auftaktveranstaltung im Oktober 2022 haben sich uns bereits 27 Betriebe angeschlossen“, so Stranzl. „Und wir wollen weiter wachsen. Unsere Vision ist, das stärkste Netzwerk der Branche in Österreich zu werden und die beste Aus- und Weiterbildung für die Fachkräfte in diesen Bereichen anzubieten.“

„Wir setzen auf gemeinsame Aktivitäten in den Bereichen Fachkräftesicherung, Kooperation und Entwicklung.“

BERNHARD STRANZL
Sprecher des Metall & Technik Clusters Oststeiermark

Fotos: DIEINDUSTRIE.AT/MATHIAS KNIEPEISS, FOTOALEXANDRA, beigestellt

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