Spirit of Styria

Die gute Kernenergie aus dem Container

Game-Changer für die Energiewende: Mit einer revolutionären CO2-freien Energiequelle entwickelt Emerald Horizon in einem Laboratorium in Graz-Liebenau ein neues Werkzeug gegen den Klimawandel. Wird das Team um Physiker Mario J. Müller schon in wenigen Jahren sichere Kernenergie für die Welt liefern können?

Ein Schiffscontainer vor dem Gebäude, Albert Einstein im Foyer und eine Weltkarte im Besprechungsraum – die ersten Eindrücke am Standort von Emerald Horizon lassen bereits vermuten: Hier wird nicht gekleckert, sondern groß gedacht. Klein sind nur die Teilchen, die kleinsten im Universum, die hier im Zentrum stehen. Disruption, ein in der Start-up-Szene mittlerweile inflationärer Begriff – hier im Labor in Graz-Liebenau begegnet er einem wie selbstverständlich auf Schritt und Tritt. „Unser klares Ziel ist, mit völlig neuartigen CO₂-freien Energietechnologien wirksame Werkzeuge gegen den Klimawandel bereitzustellen“, betonen Mario J. Müller, Head of Science, sowie die beiden CEO Florian Wagner und Philipp Pölzl, die im Gespräch mit „SPIRIT of Styria“ keinen Zweifel an der Umsetzung ihrer Visionen lassen. Tenor: „Wir sind voll im Plan.“

CTO Mario J. Müller (M.) und die beiden Gründer und CEO Florian Wagner
(r.) und Philipp Pölzl am Standort von Emerald Horizon in Graz-Liebenau

KEIN ATOMMÜLL, KEIN SUPER-GAU
Im Zentrum der Entwicklung steht ADES (Accelerator Driven Energy Source), eine revolutionäre Energiequelle, die an den Grundfesten unseres Denkens rüttelt. Schon in wenigen Jahren soll ADES die vermeintliche Quadratur des (Strom-)Kreises liefern: sichere Kernenergie. Die dafür nötige Geheimzutat stammt von einem kaum bekannten grauweißen Metall: Thorium. „Wir sind derzeit die Einzigen weltweit, die singulär auf dieses Element setzen. Thorium ist im Gegensatz zu Uran nur schwach radioaktiv. Zudem findet bei uns keine unkontrollierbare Kettenreaktion statt – damit ist auch ein Super-GAU ausgeschlossen. Es entstehen keine verbrauchten Brennelemente und auch kein waffenfähiges Plutonium“, erklärt Physiker Mario Müller, der einst am internationalen Forschungszentrum CERN, bekannt für seinen gigantischen Teilchenbeschleuniger, arbeitete. Diese Technologie bildet auch eine zentrale Säule im Konzept von ADES. „Unsere Energieerntemaschine, wie wir sie nennen, basiert auf der Kombination aus Flüssigsalztechnologien und Teilchenbeschleuniger“, verrät Florian Wagner. Ein Teilchenbeschleuniger schießt Neutronen auf das Thorium, das gemeinsam mit Flüssigsalz in einem Ring zirkuliert. Dabei werden große Mengen Energie freigesetzt. Die gewonnene Hitze – bis zu 900 Grad – wird über Wärmetauscher abgenommen und via Turbine und Generator in Strom verwandelt. Für all das braucht es weder Atommeiler noch Riesenanlagen. Der entscheidende Prozess – Teilchenbeschleuniger inklusive Flüssigsalzreaktor – findet in einem 40-Fuß-Container unter der Erde statt. „Ein einzelnes ADES-Modul kann mit 400 kg Thorium 10.000 Haushalte für 20 Jahre mit konstanter, CO₂-neutraler Energie versorgen“, erklärt Müller.

Aufgrund der Kompaktheit der Anlage und der modularen Erweiterbarkeit ist das Spektrum der Anwendungen groß. „Ideal ist ADES für den Antrieb großer Schiffe – das könnte eine der ersten Anwendungen sein“, so Wagner, der soeben von Kooperationsgesprächen aus Saudi-Arabien zurückkehrte. „Aber auch Industriebetriebe, Städte und Rechenzentren mit bekanntlich enormem Energiehunger sind Einsatzgebiete.“ Auch zur Netzstabilität kann ADES beitragen – und damit zur Blackout-Vorsorge. „Nur mit erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne allein werden wir die Herausforderung des Klimawandels nicht bewältigen – die Volatilitäten sind einfach zu groß, es braucht dringend neue Lösungen“, betont Müller, überzeugter Gegner klassischer AKW. Entschlossen kämpft das Start-up gegen undifferenzierte Kernkraft-Vorurteile und leistet Überzeugungsarbeit für „gute Kernenergie“ à la Thorium.

ERSTER DEMONSTRATOR 2029/30 GEPLANT
„Technologisch werden wir das alles hinbekommen“, ist Müller überzeugt. „Die Herausforderung sehe ich eher in den parallel laufenden Zulassungsprozessen – schließlich sind wir ,first of its kind‘, es gibt also noch keine Standards. Aber wir haben uns auch hier professionell aufgestellt und sind überzeugt, alle Prozesse zeitgerecht abzuschließen.“ Philipp Pölzl ergänzt: „Auch die Finanzierung ist dank unserer Investoren gesichert.“ Das ambitionierte Ziel: Bereits 2029/30 soll der erste Demonstrator den Betrieb aufnehmen – und schon zwei Jahre vorher der erste Prototyp fertig sein. Danach soll es Schlag auf Schlag gehen – und die Skalierung rasch Fahrt aufnehmen. Die modularen Kraftwerke mit einer Leistung von bis zu 25 MW sollen dabei – so das Geschäftsmodell – im Eigentum von Emerald Horizon bleiben. Schon davor soll eine weitere wegweisende Energieinnovation aus dem Unternehmen das Licht der Welt erblicken: CALstore, ein Hochtemperaturspeicher auf Flüssigsalzbasis. „CALstore speichert bis zu 5 MWh Energie mithilfe von Salz bei Temperaturen bis zu 500 Grad Celsius. Die gespeicherte Energie kann in Form von Wärme oder Strom genutzt werden“, so Müller. „Ebenso ein wichtiger Baustein für Netzsicherheit und die Blackout-Vorsorge.“

Infos hier:
www.emerald-horizon.com

Fotos: Oliver Wolf

Werbung

Folgt uns

Tretet mit uns in Kontakt, folgt uns auf unseren Social Media Kanälen. Wir freuen uns!