Spirit of Styria

Ideen, die geh’n, statt Stau am Bau

Vom gläsernen Akt bis zum „Gebäudetyp E“, von der Nachverdichtung bis zum erleichterten Bauen im Bestand: Hochrangige Vertreter der steirischen Bau- und Immobilienwirtschaft liefern in „SPIRIT of Styria“ konstruktive Lösungsvorschläge für eine neue Dynamik am Bau und ein Ende des Spießrutenlaufs. Über Kraftakte, Anreize und Visionen, die fliegen.

Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Zumindest vor dem Kadi. Kaum reichte Technopark-Raaba-Boss Hannes Schreiner seine angekündigte Klage gegen die Stadt Graz aufgrund eines nicht fristgerecht erlassenen Bebauungsplans für ein Projekt im Grazer Stadtteil Lend ein, wurde ein ähnlich gelagerter gerichtsanhängiger Fall in Graz bekannt. Auch darin klagt ein Immobilienentwickler die Stadt – vertreten durch Rechtsanwalt Georg Eisenberger – aufgrund jahrelanger Verzögerungen bei der Erstellung eines Bebauungsplans. Schreiners Vorgehen wurde medial vielfach kommentiert. Daher will sich der Kläger in der Causa bis zum Ausgang des Verfahrens auch nicht mehr äußern. Seine Position in diesem Fall scheint aber klar. „Ich sehe es als Notwendigkeit, diesen Schritt zu setzen, sonst ändert sich nie etwas“, so der Immobilienentwickler. „Uns privaten Investoren geht es nicht darum, auf Behörden – steirisch gesagt – ‚draufzuhauen‘, sondern einen verschlankten Weg der Stadtplanung aufzuzeigen, der Visionen zum Fliegen bringt – und Graz damit international nach vorne.“

VORAUSSCHAUENDE STADTPLANUNG
Ebenfalls ein Lied von langen Genehmigungsverfahren in der Landeshauptstadt kann der Unternehmer Christian Kovac singen. „Seit 15 Jahren werden wir bei unseren Ausbauplänen beim Shopping Nord von Seiten der Stadt mit Stillstand gequält. Auch der zwischenzeitlich geänderte Bebauungsplan brachte lediglich weitere Hürden“, ärgert sich Kovac, der in Sachen Immobilienentwicklung Graz nun den Rücken kehrt und derzeit im Ausland, konkret in Kroatien, investiert. „Auch dort ist nicht alles eitel Wonne, aber es werden einem zumindest nicht extra Steine in den Weg gelegt“, so Kovac, der einen Gewerbepark in Zagreb entwickelt. „Zudem bietet die Stadt mit rund 850.000 Einwohnern gute Wachstumschancen – auch die wirtschaftliche Gesamtentwicklung ist erfreulicher als im rezessionsgeplagten Österreich.“ Eine Entscheidung als Gebot der wirtschaftlichen Vernunft. „Zum Einmaleins der Wirtschaft gehört auch, dass Zeit Geld bedeutet und überlange Genehmigungsverfahren viel Geld kosten. Zeit ist ein kritischer Faktor. Eine Erkenntnis, die bei unseren politischen Entscheidungsträgern leider nie angekommen ist“, so der Geschäftsführer der Kovac Group, die in den Bereichen Immobilen, Handel, Events und Stahl aktiv ist. „Dabei wäre es gerade in der jetzigen Situation essenziell, rasche Entscheidungen zu ermöglichen, damit endlich wieder Schwung in die Bau- und Immobilienwirtschaft und die Wirtschaft im Allgemeinen kommt.“ Leider erlebe man aber das Gegen-teil. „Die Anzahl der Anträge von Projektanten ist massiv zurückgegangen – ein Alarmzeichen.“ Das Bürokratieproblem sei zwar nicht Graz-spezifisch, aber in der Landeshauptstadt besonders dramatisch, betont Kovac. „Ganz Österreich leidet unter einem Vorschriftendschungel und einer lähmenden Bürokratie, die enorm viel Geld verschlingt. In Graz kommt dazu, dass eine chronisch unterbesetzte Planungsbehörde auf eine Stadtregierung trifft, die keine große Eile einfordert – keine günstige Kombination für Investoren“, so Kovac, der einmal mehr eine oft geäußerte Forderung der Immobilienwirtschaft wiederholt: „Warum greift die Stadtverwaltung nicht auf externe Experten in den Zivilingenieurbüros zurück, um den Rückstau rascher abzuarbeiten – so wie es in vielen Gemein-den üblich ist?“, mahnt Kovac. „Insgesamt braucht es eine Stadtplanung, die vorausschauend und nicht anlassbezogen agiert“, fordert der Unternehmer, der zu dieser Thematik im Vorjahr zu einem hochkarätig besetzten Symposion lud.

„Alle sind gekommen – bis auf die zuständigen Stadtpolitiker. Bezeichnend“, so Kovac, der über die Nicht-Einhaltung der Fristen bei der Bebauungsplanerstellung den Kopf schüttelt. „Dass in dieser Angelegenheit der Verfassungsgerichtshof bereits sechs Mal gegen die Stadt Graz entschieden hat, ist ein Skandal, von dem es mich wundert, dass er niemanden aufregt“, so Christian Kovac, der beispielhaft zwei Maßnahmen nennt, die die Verfahren im Immobilienbereich beschleunigen könnten – die Einführung eines digitalen Anlagenverfahrens nach oberösterreichischem Vorbild (EPA) sowie die Forcierung des Gebäudetyps E, ein Konzept der Ziviltechnikerkammer Steiermark und Kärnten. „Der Normenwildwuchs verteuert und erschwert das Bauen – und macht damit auch das Wohnen teuer. Mit Gebäudetyp E wird Bauen, rechtlich abgesichert, außerhalb der Normen möglich – ein spannendes Konzept, das Planen und Bauen einfacher, günstiger und schneller macht. Denn letztlich müssen wir uns entscheiden: Wollen wir leistbares Wohnen oder Gold-Plating und Normenhörigkeit um jeden Preis?“

EINFÜHRUNG DES „GLÄSERNEN AKTS“
Ähnlich kritisch äußert sich Christopher Pongratz, Prokurist von Pongratz Bau, der im Fall nicht erlassener Bebauungspläne das Land Steiermark in der Pflicht sieht. „Als Projektwerber, der 18 Monate nach Ansuchen vergeblich auf einen Bebauungsplan wartet, ist man derzeit verpflichtet, einen langwierigen Spießrutenlauf zu absolvieren, um zu seinem Recht zu kommen – von der Einbringung eines §18 Antrags vor Ort bis zur Anrufung des Verfassungsgerichtshofs“, so Pongratz. „Alternativ könnte das Land beschließen, dass per Gesetz nach einer Frist von 12 bis 18 Monaten einfach eingereicht werden kann und darf – etwa auf Basis des geltenden Stadtentwicklungskonzepts und der Flächenwidmung der Stadt Graz, so wie es bei Gebieten ohne Bebauungsplanauflage Usus ist.“ Ein weiterer Lösungsvorschlag des Unternehmers zielt auf höhere Transparenz im Bauverfahren. „Ich befürworte die Einführung eines ,Gläsernen Akts‘ – auch eine Forderung der VÖPE – wo man als Bauwerber stets nachverfolgen kann, wo sich der Bauakt im Genehmigungsprozess gerade befindet. Das wäre eine Verfeinerung des elektronischen Aktes, wie es die Stadt Graz bereits handhabt“, so Pongratz. „Ich möchte an dieser Stelle aber auch die Bau- und Anlagenbehörde loben, da sich dort die Verfahren zuletzt merklich beschleunigt haben.“ Welche Schritte erwartet er sich von der neuen Bundesregierung? „Ich begrüße das Auslaufen der KIM-Verordnung – wir müssen aufhören, Banken in ihrem Kerngeschäft zu bevormunden. Ich wünsche mir, dass Anreize gesetzt werden, um den Kauf vom Eigenheim reizvoller zu machen, sowie bessere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten von Immobilien, um den Kauf zur Vermietung wieder attraktiver zu machen“, so Pongratz. „Wir werden Wohnraum benötigen und hier kann es nicht immer nur der Neubau sein. Um Ressourcen zu schonen, braucht es Anreize, um im Bestand um- oder zuzubauen. Mit dem derzeitigen Mietrechtsgesetz ist dies jedoch unmöglich und unrentabel.“

WEG VON DER VERHINDERUNG HIN ZUR ANLEITUNG
Abgesehen von den bürokratischen Hürden sieht der Geschäftsführer der BK Immo, Patrick Pongratz, die größte Herausforderung derzeit in den hohen Grundstückspreisen. „Der Grundkostenanteil ist über die letzten Jahre stark angestiegen. Innerstädtisch können die Grundkosten nur dann stärker fallen, wenn eine Nachverdichtung – die ja in aller Munde ist – auch tatsächlich umgesetzt wird. Meist geht das aber nur über die Gebäudehöhe. Darüber nachzudenken sind aber nicht viele bereit“, so Pongratz, der ebenso Kritik an den langen Bauverfahren in Graz übt. „Einerseits wird die Bebauungsplanpflicht immer weiter auf immer mehr Grundstücke ausgedehnt und andererseits dauert es immer länger, bis man zu einem Bebauungsplan kommt – das kann nicht sein. Da zur Finanzierung von Bauprojekten im Regelfall Kredite aufgenommen werden, sorgen lange Behördenverfahren für eine höhere Zinslast, die naturgemäß an die Käufer der Wohnungen weitergegeben werden muss“, so Pongratz, der die verquere Logik auf den Punkt bringt: „Die öffentliche Hand spart Personal in den Behörden, das notwendig wäre, um Verfahren schnell abwickeln zu können, und verteuert damit die Wohnungen für die Endkunden. Das Aberwitzige: Die öffentliche Hand profitiert über Eintragungsgebühren und Grunderwerbsteuer selbst wieder von höheren Wohnungspreisen.“

Auch eine Durchforstung der Bauvorschriften hält der Experte für notwendig. „Es braucht eine abgespeckte Bundesraumordnung und eine stark vereinfachte Bundesbauordnung, die in allen Bundesländern gelten. In den gesetzlichen Regelungen dürfen nur in Ausnahmefällen Ermessensentscheidungen der Behörden vorgesehen sein. Gestaltungsbeiräte und ähnliche Gremien sollten sich aus meiner Sicht nicht in die Raumaufteilung oder die Oberflächen im Inneren einer Wohnung einmischen. Der Bauträger trägt das wirtschaftliche Risiko, daher soll auch er die Entscheidungshoheit haben – ausgenommen freilich das äußere Erscheinungsbild im Sinne von Landschaftsschutz, Ensemble- oder Altstadtschutz.“

Auch was die Dauer der Behördenverfahren betrifft, hat Pongratz klare Forderungen. „Der Gesetzgeber soll verbindliche Fristen schaffen, innerhalb welcher eine Entscheidung der Behörde zu erlassen ist. Wird eine Entscheidungsfrist nicht eingehalten, gilt ein eingereichtes Projekt als genehmigt. Behörden müssen zu Dienstleistern werden, die einen wesentlichen Anteil der Wirtschaftsentwicklung in Österreich haben.“ Sein Appell: Weg von der Verhinderung hin zur Anleitung. „Es darf nicht reichen zu sagen, dass etwas nicht geht, sondern es sollte rechtsverbindlich von der Behörde festgehalten bzw. vorgeschlagen werden, was eben sehr wohl möglich ist. Darüber hinaus muss auch die Kommunikation zwischen den Behörden bzw. einzelner Abteilungen einer Behörde vereinfacht und beschleunigt werden“, fordert Pongratz, der auf entsprechende Maßnahmen der neuen Bundesregierung hofft. Die angekündigte Mietpreisbremse sieht er kritisch. „Effizienter wäre es, für mehr Angebot zu sorgen. Wenn mehr Objekte am Markt zur Verfügung stehen, muss sich der Preis zwangsläufig nach unten nivellieren. Alles andere ist populistischer Aktionismus, der niemandem hilft, da sich dadurch das Angebot eher noch verknappt.“

KRAFTAKT AN ENTBÜROKRATISIERUNG
Nicht staatliche Markteingriffe, sondern einen Rückbau des Staates wünscht sich auch Oliver Werinos, Chef der Teubl Gruppe mit Sitz in St. Johann in der Haide. „Um eine neue Investitionsdynamik für den gesamten Wirtschaftsstandort auszulösen, ist ein wahrer Kraftakt an Entbürokratisierung erforderlich“, so Werinos. Die wichtigsten Bausteine aus seiner Sicht: die Zusammenlegung von Verfahren, eine zeitliche Ober-grenze für die Bearbeitungsdauer durch zuständige Behörden und eine Straffung der Auflagen und Nachweispflichten. Denn die schwierigen Rahmenbedingungen der letzten 24 Monate – mit hohem Zinsniveau, hohen Lohnabschlüssen sowie der KIM-Verordnung – sieht Werinos nur als Spitze des Eisbergs. „Alles für sich herausfordernd genug – aber erst die förmlich explodierende Zunahme an Auflagen und Vorschriften hat dazu geführt, dass das Erlangen eines Baubescheids zum entscheidenden Kriterium für ein Bauvorhaben wurde. Die Phase der Bauumsetzung stellt – anders als früher – oftmals nur mehr das Ausklingen des Vorhabens dar.“ Auch zeitlich haben sich die Aufwendungen massiv geändert. „Die Erfüllung aller rechtlichen Bedingungen und die Beibringung aller relevanten Gutachten zur Erlangung eines Baubescheides nimmt zunehmend einen höheren zeitlichen Aufwand ein als die Baudurchführung selbst.“

ENDE DES SPIESSRUTENLAUFS
Wenig überraschend zeigt sich auch der steirische Bau-Landesinnungsmeister Michael Stvarnik mehr als unzufrieden mit der aktuellen Situation. „Wir weisen seit Langem darauf hin, dass es sich bei den allermeisten Projekten um einen Spießrutenlauf für Investoren handelt. Sämtliche Verfahren sind zu entrümpeln und die Fristen für behördliche Bewilligungen verbindlich zu kürzen. Das Bauen in Graz stellt dabei eine besondere Spezies der Bürokratie dar. Wenn das Fehlen von Bebauungsplänen, gepaart mit verpflichteten Planungswettbewerben und einer erforderlichen Bewilligung der ASVK noch auf die Auflagen eines ,Wohnbautisches‘ treffen, dann steht einfach alles.“ Dazu gebe es dann noch die Einwände der Parteien im Bauverfahren. „Um dieser Komplexität ökonomisch zu begegnen, wird die Abhandlung in einem kompakten Verfahren von Nöten sein. Damit wäre zumindest sichergestellt, die unterschiedlichen Auffassungen und Auflagen der Behörden und Kommissionen auf einmal – akkordiert – gleichzuschalten.“ Wo liegen darüber hinaus die derzeit größten Herausforderungen für die Bauwirtschaft? „Beim Wohnbau ist die Umsetzung der zusätzlichen geförderten Wohnbauten noch nicht am Markt angekommen, wir rechnen aber, dass dies im Laufe des Jahres der Fall sein wird. Im Bereich der privaten Bauträger, der 60 bis 70 % des Wohnbedarfes deckt, gilt es, im Sinne von leistbarem Wohnbau fördertechnisch nachzuhelfen“, so der Branchenvertreter. „Der Gewerbe- und Industriebau läuft nur eingeschränkt, da derzeit viele Projekte schubladisiert sind. Es muss uns gelingen, den Wirtschaftsmotor Bau wieder zum Laufen zu bringen. Was wir brauchen, sind Taten. Ich erwarte mir von der neuen Bunderegierung die Zweckbindung der Wohnbaugelder, Investitionsanreize für den gewerblichen Bereich durch vorzeitige Abschreibungen, Vereinfachungen und Entbürokratisierung in der Verwaltung, Entrümpelung der Gesetze und Vorschriften und ein Reset der Normenflut.“

Fotos: Oliver Wolf, iStock, beigestellt

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