Zwischen Stillstand und Aufbruch: Wie wirkt sich die Wirtschaftslage auf die Nachfrage nach Investitionskrediten aus und welche Akzente braucht es jetzt für einen Turnaround? „SPIRIT of Styria“ fragte bei steirischen Bankern nach.
FOLGENDE ZWEI FRAGEN STELLTEN WIR STEIRISCHEN BANKENVERTRETERN:
1.
Zurückhaltung und Verunsicherung prägen das wirtschaftliche Klima – wie wirkt sich die Situation auf die Kreditnachfrage von Unternehmen aus?
2.
Welche Akzente soll die neue Bundesregierung in der Wirtschafts- und Finanzpolitik setzen, damit eine Trendwende gelingen kann?

„Kapitalmarktunion in Europa vorantreiben“
HANNES ZWANZGER
Vorstandsdirektor Volksbank Steiermark
1.
Angesichts des aktuellen konjunkturellen Umfelds zeigen sich Unternehmerinnen und Unternehmer bei Investitionen noch zurückhaltend. Gleichzeitig beobachten wir jedoch eine steigende Kreditnachfrage und eine verstärkte Erstellung von Finanzierungskonzepten – ein positives Signal für die wirtschaftliche Entwicklung. Besonders erfreulich ist der deutliche Anstieg der Investitionen in den privaten Wohnbau, der für uns ein Indikator für Unternehmensinvestitionen ist, insbesondere in allen damit verbundenen Branchen. Als Volksbank Steiermark unterstützen und fördern wir unsere Kunden mit innovativen und kosteneffizienten Finanzierungsangeboten, um nachhaltiges Wachstum zu ermöglichen.
2.
Um die Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Österreich zu stärken, sind umfassende Deregulierungsmaßnahmen erforderlich. Behördenverfahren müssen grundlegend verschlankt und erheblich beschleunigt werden, um Unternehmen effizientere Abläufe zu ermöglichen. Zudem sollte die Abschreibungsdauer für Investitionen überdacht und an wirtschaftliche Erfordernisse angepasst werden. Steuererhöhungen sind zu vermeiden – stattdessen sollte der Fokus auf gezielten Steuererleichterungen liegen, um Investitionen und unternehmerisches Wachstum zu fördern. Gleichzeitig muss die Kapitalmarktunion in Europa konsequent vorangetrieben und finalisiert werden, damit insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) leichteren Zugang zu Kapital erhalten. Um Unternehmensabwanderungen entgegenzuwirken, sind zielgerichtete Fördermaßnahmen und attraktive Anreizsysteme für Unternehmensansiedlungen in Österreich essenziell.

„Stabilität und Planungssicherheit schaffen“
MARTIN SCHALLER
Generaldirektor Raiffeisen -Landesbank Steiermark
1.
Die gegenwärtige wirtschaftliche Lage ist durch eine spürbare Zurückhaltung und Verunsicherung bei Unternehmen geprägt. Diese Situation wirkt sich auch merklich auf die Kreditnachfrage aus, insbesondere bei Investitionskrediten. Wir beobachten seit einigen Jahren eine abnehmende Bereitschaft der Unternehmen, langfristige Investitionen zu tätigen. Hauptursachen dafür sind die schwächelnde Konjunkturentwicklung sowie das gestiegene Zinsniveau. Trotz dieser Herausforderungen können wir durch unsere intensiven und vertrauensvollen Kundenbeziehungen Unternehmen bei ihren Vorhaben weiterhin zuverlässig begleiten. Dabei setzen wir vor allem auf individuelle Finanzierungslösungen, die auch staatliche Förderungen, etwa über OeKB, integrieren. Zudem bieten wir unseren Kunden Konzepte zur Absicherung gegen Zinsschwankungen an.
2.
Österreichs Wirtschaft steht vor großen Herausforderungen, aber auch vor enormen Chancen. Um eine nachhaltige Trendwende einzuleiten, braucht es klare wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, die Stabilität und Planungssicherheit schaffen. Unternehmen müssen sich auf Innovation und Wachstum konzentrieren können, statt durch übermäßige Bürokratie ausgebremst zu werden. Nur so entstehen Wertschöpfung und sichere Arbeitsplätze. Eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik muss auf Anreize statt auf Verbote setzen – besonders in der grünen Transformation. Leistung muss sich lohnen, und Unternehmertum muss gefördert werden, um den Wirtschaftsstandort nachhaltig zu stärken. Denn nur eine starke Wirtschaft ist die Grundlage für Sozialleistungen, Pensionen und die Finanzierung des Klimaschutzes. Deshalb muss die Politik der Wirtschaft den Stellenwert einräumen, den sie verdient – als Motor für Wohlstand, Innovation und gesellschaftlichen Fortschritt.

„Die Faktoren Arbeit und
Energie entlasten“
OLIVER KRÖPFL
Vorstandsmitglied Steiermärkische Sparkasse
1.
Die aktuelle wirtschaftliche Unsicherheit hemmt die Investitionslust spürbar. Die Kreditnachfrage befindet sich auf einem historischen Tief-stand. In der Steiermärkischen Sparkasse verzeichneten wir 2024 zwar ein Plus von 3,6 % bei den Unternehmensfinanzierungen – für ein Rezessionsjahr ganz passabel –, aber die Dynamik ist insgesamt sehr unbefriedigend. Und das quer durch alle Branchen. Ehrlicher-weise hat es auch nicht den Anschein, dass der Investitionsturbo schon in den nächsten Wochen oder Monaten wieder gezündet wird. Ein Silberstreif am Horizont ist die Entwicklung im Bereich Immobilienfinanzierung – hier sehen wir, dass die Talsohle offenbar hinter uns liegt und die Finanzierungen wieder zunehmen. Insgesamt hoffen wir auf eine baldige Trendwende und Wachstumsimpulse der EU sowie der neuen Bundesregierung. Wann immer der Aufschwung einsetzt, stehen wir bereit, die Unternehmen bei ihren Zukunftsprojekten wieder voll mit Finanzmitteln zu unterstützen.
2.
Grundsätzlich sind wir – wie wohl die gesamte Wirtschaft – sehr froh, dass sich endlich eine handlungsfähige Regierung gebildet hat. Für Unternehmen entscheidend ist nun sicherlich die Frage der Einschätzbarkeit, was die wirtschaftspolitische Ausrichtung betrifft – sprich: Wohin geht die Reise? Vor allem, was die Qualität des Wirtschaftsstandorts betrifft. Die meisten Unternehmen sehen massiven Bedarf darin, die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich zu verbessern. Daran werden die Maßnahmen der Regierung zu messen sein. Wie wird es ihr gelingen, bei den beiden entscheidenden Faktoren Arbeit und Energie Entlastungen sicherzustellen, ohne das aus dem Ufer laufende Budget weiter zu belasten? Eine schwierige Gratwanderung, die viel Fingerspitzengefühl erfordern wird.

„Ausbau und Modernisierung
der Infrastruktur“
ERNST ALBEGGER
Hypo Vorarlberg Regionaldirektor Steiermark
1.
Derzeit ist die politische und wirtschaftliche Situation weltweit von großer Unsicherheit geprägt. Dies schlägt auch auf die Kreditnachfrage bei Unternehmenskundinnen und -kunden durch. Unternehmen sind in wirtschaftlich schwierigen Zeiten oft entsprechend vorsichtiger bei ihren Investitionsentscheidungen. Nicht selten werden Investitionen verschoben oder reduziert, wenn das wirtschaftliche Klima als unsicher wahrgenommen wird. Viele Unternehmen legen ihren Fokus in solchen Phasen auf die Sicherstellung der kurzfristigen Liquidität und warten auf positive Signale von den Märkten.
2.
Die Wirtschaft in der Europäischen Union und auch in Österreich wird durch eine überbordende Bürokratie in ihrem Wachstum gehemmt. Entschlossene Schritte zur Entbürokratisierung wären ein wichtiger Impuls für eine positive wirtschaftliche Entwicklung. Ebenso würde über Ausbau und Modernisierung der Infrastruktur, insbesondere Verkehr, digitale Netze und Energieversorgung die Wettbewerbsfähigkeit erhöht und Wirtschaftswachstum generiert werden. Durch gezielte Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie durch die Unterstützung von Start-ups und innovativen Unternehmen könnte Österreich zudem seine Position als Innovationsstandort stärken. Zur Bekämpfung des Fachkräftemangels sind darüber hinaus Investitionen in Bildung inklusive beruflicher Weiterbildung entscheidend. In diesem Bereich sollten ebenso Kooperationen zwischen Unternehmen und Bildungseinrichtungen gefördert werden.

„Vertrauen von Unternehmen
und Konsumenten stärken“
MANFRED GEIGER
Leiter BKS Bank Direktion Steiermark
1.
Besonders im Bereich der Investitionskredite ist eine Zurückhaltung zu beobachten. Wesentliche Gründe dafür sind der rückläufige Finanzierungsbedarf für Anlageninvestitionen und die derzeit geringen Absatzerwartungen der Unternehmen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch zahlreiche Betriebe, die trotz dieser Herausforderungen – oder gerade deshalb – in Innovationsprojekte investieren, insbesondere in den Bereichen Digitalisierung und Nachhaltigkeit, um sich langfristig für künftige Anforderungen zu rüsten. Die noch zu erwartenden EZB-Zinssenkungen im heurigen Jahr sollten die Investitionsbereitschaft der Unternehmen auch wieder mehr unterstützen. Auch der jüngst angekündigte „Clean Deal“ der EU-Kommission sollte hier eine Erleichterung bringen. Insgesamt bleibt die Bereitschaft zur Investition stark von der jeweiligen Branche und den individuellen Zukunftserwartungen der Unternehmen abhängig.
2.
Für eine nachhaltige Trendwende in der Wirtschaft muss die neue Bundesregierung gezielt Maßnahmen ergreifen, die das Vertrauen sowohl der Unternehmen als auch der Konsumenten stärken und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit sowie Innovationskraft der Betriebe fördern. Ein stabiler und klarer Kurs in der Fiskalpolitik ist entscheidend, um Investitionen in den Standort, die Infrastruktur und zukunftsweisende Technologien zu fördern. Auch der Arbeitsmarkt sollte stärker in den Fokus rücken, beispielsweise durch gezielte Qualifizierungsprogramme und die Förderung von Fachkräften. Ein weiterer wichtiger Schritt wäre die Entbürokratisierung und die Schaffung eines einfachen sowie transparenten Investitionsklimas. Dies würde Unternehmen unterstützen, wieder verstärkt zu investieren und so einen positiven Wachstumsschub für die gesamte Wirtschaft zu erzielen.
Fotos: iStock, beigestellt