Spirit of Styria

“Maßnahmen zügig und konsequent umsetzen”

Einen Mix aus Entlastungen und Investitionen fordert Hermann Talowski, Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk in der WKO Steiermark, im Interview mit „SPIRIT of Styria“. Im Zentrum seines Forderungskatalogs: die Umsetzung einer Leistungs-Flattax und eine Reform der Krankenstandsregelungen.

Mit rund 46.400 aktiven Betrieben umfasst die Sparte Gewerbe und Handwerk fast die Hälfte der heimischen Unternehmerschaft. Wie geht es den Betrieben angesichts der trüben Konjunktur?
Die Betriebe des Gewerbes und Handwerks stehen weiterhin massiv unter Druck. Die Rezession, hohe Energiekosten, Inflation und die sinkende Konsumnachfrage belasten vor allem kleine und mittlere Unternehmen. Der finanzielle Spielraum für Investitionen schwindet, während der Fachkräftemangel die wirtschaftliche Erholung zusätzlich erschwert.

Welche Branchen sind besonders betroffen? Welche bieten Lichtblicke?
Besonders stark betroffen ist das Bau- und Baunebengewerbe. Hier bremsen die schwache Bautätigkeit, restriktive Finanzierungsbedingungen durch die KIM-Verordnung und eine sinkende Nachfrage den gesamten Sektor aus. Auch energieintensive Branchen kämpfen mit den Betriebskosten. Lichtblicke gibt es in der Energietechnik, etwa bei der Installation von Photovoltaik- und Wärmepumpensystemen. Diese Bereiche profitieren vom Wandel zur nachhaltigen Energieversorgung – allerdings nur, wenn Förderprogramme erhalten bleiben.

Hermann Talowski

Seit 2011 Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk

Die weiteren Aussichten?
Kurzfristig bleibt die Situation angespannt. Ohne rasche Maßnahmen drohen eine weitere Verschärfung der Krise und eine höhere Insolvenzwelle. Mittelfristig könnte eine Stabilisierung durch Investitionen in Infrastruktur, steuerliche Entlastungen und die konsequente Umsetzung der Energiewende erreicht werden.

Wie kommen wir aus dem Tal der Tränen?
Die wirtschaftliche Erholung braucht einen Mix aus gezielten Entlastungen und Investitionen. Besonders die Leistungs-Flattax, ein Steuerkonzept, das Überstunden und den Zuverdienst von Pensionisten mit einer Pauschalsteuer von 20 Prozent besteuert, könnte hier einen wichtigen Beitrag leisten. Dieses Modell sorgt dafür, dass Mehrleistungen für Arbeitnehmer attraktiv bleiben und Pensionisten motiviert werden, dem Arbeitsmarkt weiterhin zur Verfügung zu stehen. Zudem müssen die Betriebe durch die Abschaffung der ORF-Haushaltsabgabe und der Landesabgabe entlastet werden. Diese zusätzlichen Belastungen schmälern die Budgets der Betriebe und setzen sie weiter unter Druck.

Unser Interview findet zu einem Zeitpunkt statt, zu dem die Chancen auf eine Einigung von FPÖ und ÖVP zur Bildung einer neuen Bundesregierung schwinden.
Ein abermaliges Scheitern von Koalitionsverhandlungen wäre ein großer Schaden für die Republik – die Auswirkungen sind nicht abzusehen und zum gegenwärtigen Zeitpunkt reine Spekulation. Einige Eckpunkte dieser Regierungsverhandlungen gingen zumindest in die richtige Richtung – es wurden Pläne zu Steuerentlastungen und Maßnahmen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels angekündigt, ebenso wie die Abschaffung unnötiger Abgaben. Entscheidend für jedwede Art einer kommenden Regierung oder Expertenregierung wird sein, Maßnahmen dieser Art zügig und konsequent umzusetzen. Betriebe brauchen klare Signale, dass sie in dieser schwierigen Phase nicht allein gelassen werden. Besonders der Ansatz, Überstunden und Mehrleistungen steuerlich zu begünstigen, könnte die Produktivität und die Bereitschaft zu zusätzlichen Einsätzen fördern. Die Leistungs-Flattax wäre dabei ein richtiger Schritt, um Arbeit zu belohnen und Pensionisten durch einen attraktiven Zuverdienst wieder in den Arbeitsmarkt einzubinden. Gleichzeitig muss die Entlastung bei den Lohnnebenkosten und die Abschaffung von Abgaben wie der ORF-Haushaltsabgabe endlich umgesetzt werden, um den Betrieben wieder Luft zu verschaffen.

Wie sehr würde der Wegfall der Förderungen für den Heizkesseltausch die Betriebe treffen?
Der Wegfall solcher Förderungen würde schwerwiegende Folgen haben, insbesondere für das Bau- und Baunebengewerbe sowie das Installationshandwerk. Diese Programme schaffen Anreize für nachhaltige Investitionen und sind zugleich ein unverzichtbarer Umsatzbringer für viele Betriebe. Ohne sie droht eine massive Eintrübung der Auftragslage.

Stichwort Bau- und Baunebengewerbe: Wann kommt die Trendwende?
Eine Trendwende wird frühestens Anfang 2026 erwartet, vorausgesetzt, die Baukonjunktur erhält Impulse durch Lockerungen bei den Finanzierungsbedingungen. Das Aus der KIM-Verordnung könnte kurzfristig Investitionen fördern und den Markt beleben.

Evergreen Lohnnebenkostensenkung: Ihre Erwartungen und Wünsche?
Die Reduktion der Lohnnebenkosten ist eine der dringendsten Forderungen. Betriebe brauchen diese Entlastung, um wettbewerbsfähig zu bleiben und Arbeitsplätze zu sichern. Auch für Mitarbeiter müssen Mehrleistungen attraktiver werden – hier setzen Konzepte wie die Leistungs-Flattax an, um Überstunden steuerlich zu begünstigen und zusätzliche Arbeit wieder lohnenswert zu machen.

Sie forderten zuletzt eine Neuregelung des Krankenstands. Was würde diese bringen?
Die Reform der Krankenstandsregelungen ist dringend notwendig, um Betriebe zu entlasten und gleichzeitig soziale Härten zu vermeiden. Ein möglicher Ansatz ist ein Hybridmodell, das Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen einbezieht. Konkret könnten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Tag unbezahlte Karenz bei Krankenständen übernehmen, was Unternehmen kurzfristig finanziell entlasten würde. Als weitere Entlastungsmaßnahme schlage ich die Abschaffung des Urlaubsanspruchs während des Krankenstands vor. Die Streichung der Jahresfrist bei Langzeitkrankenständen wäre eine weitere Option, wobei die Entgeltfortzahlung nach dieser Frist weiterhin zu 100 Prozent von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) getragen werden würde. Solche Maß-nahmen könnten auch zeitlich befristet eingeführt werden, um die Wirtschaft in der aktuellen Krisensituation zu unterstützen. Es geht mir dabei nicht darum, dass Menschen krank arbeiten gehen – überhaupt nicht! Aber angesichts der hohen Standortkosten, der schwierigen Wirtschaftslage und der angespannten Budgetsituation sind pragmatische Ansätze gefordert, bei denen alle ihren Beitrag leisten.

Dauerthema Überregulierung und Bürokratismus: Ein konkretes Beispiel für eine Lösung?
Überregulierung bleibt eine zentrale Belastung für viele Betriebe. Langwierige Genehmigungsverfahren, komplizierte Förderanträge und unverhältnismäßige Dokumentationspflichten sind häufig genannte Probleme. Eine Lösung könnte ein digitaler „One-Stop-Shop“ sein, der bürokratische Prozesse vereinfacht und beschleunigt.

Ihre Arbeitsschwerpunkte für die nächste Periode?
Im Fokus steht die Entlastung der Betriebe: durch die Senkung der Lohnnebenkosten, steuerliche Anreize für Überstunden und den Zuverdienst von Pensionisten sowie die Abschaffung der ORF-Haushaltsabgabe und Landesabgabe. Zudem sind die Unterstützung der Betriebe bei der Digitalisierung, der Fachkräftegewinnung und eine Reform der Krankenstandsregelung essenzielle Ziele. Eine wichtige Entlastungsmaßnahme für Betriebe wäre auch die Abschaffung der NoVA für betrieblich genutzte Fahrzeuge.

Eine lang gestellte Forderung.
Richtig! Umso wichtiger ist es, dass die Maßnahme endlich umgesetzt wird! Das wäre eine einfache, aber sehr effektive Entlastung für die Betriebe. Konkret fordern wir zumindest eine Reduktion der NoVA für Klein-Lkw und die Anhebung der Luxustangente für E-Fahrzeuge.

Ihre Sparte ist auch größter Lehrlingsausbildner. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung der Lehrlingszahlen?
Die Lehrlingszahlen sind stabil, aber in bestimmten Branchen wie der Elektrotechnik, dem Baugewerbe und der Metallverarbeitung gibt es weiterhin große Nachwuchsprobleme. Hier muss stärker angesetzt werden, etwa durch bessere Förderung der Lehrlings-ausbildung und eine Imagekampagne für die Lehre.

Stichwort Fachkräftemangel. Die demografische Bombe tickt. Wie lässt sie sich entschärfen?
Der Fachkräftemangel bleibt eines der drängendsten Probleme. Kurzfristige Entlastung könnte der steuerfreie Zuverdienst für Pensionisten bringen. Langfristig müssen die Ausbildung gestärkt, die Zuwanderung von Fachkräften erleichtert und die Arbeitsbedingungen weiter verbessert werden. Eine gezielte Modernisierung der Rot-Weiß-Rot-Karte ist essenziell, um qualifizierte Fachkräfte effizienter und schneller nach Österreich zu holen. Bürokratische Hürden müssen reduziert und die Verfahren beschleunigt werden, um den Arbeitsmarkt nachhaltig zu stärken. Auch die Bildungskarenz gehört auf den Prüfstand. Die Steiermark ist Hochburg der Bildungskarenz. Mehr als jede hundertste erwerbstätige Frau in der Steiermark befindet sich in Bildungskarenz. Dabei zeigt sich, dass nicht geringqualifizierte Arbeitskräfte, sondern vor allem gut ausgebildete Personen dieses Modell nutzen – insbesondere junge Mütter, die ihre Bildungskarenz als Verlängerung der Elternkarenz in Anspruch nehmen. Hier gilt es, Anreize so zu setzen, dass einerseits der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt erleichtert und andererseits der Fachkräftemangel nicht weiter verschärft wird.

Ihr Fazit?
Die Betriebe des Gewerbes und Handwerks brauchen eine klare Entlastung – durch die Senkung der Lohnnebenkosten, die Abschaffung der ORF-Haushaltsabgabe sowie steuerliche Anreize für Überstunden und den Zuverdienst in der Pension. Eine Reform der Krankenstandsregelung könnte den Betrieben dringend notwendige Planungssicherheit bieten und Unternehmen gezielt entlasten. Nur durch eine Kombination aus Entlastung, Flexibilität und gezielten Maßnahmen kann die wirtschaftliche Erholung vorangetrieben werden. Daher braucht es jetzt umgehend Klarheit, was eine nächste Bundesregierung betrifft, und dann klare und rasche Schritte seitens der Politik.

Fotos: Oliver Wolf

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