Start-ups am Prüfstand: Wie krisenfit ist das steirische Start-up- und Innovations-Ökosystem? Was brauchen Gründerinnen und Gründer derzeit am dringendsten? Und wie kann der Zugang zu Venture Capital für Start-ups und Scale-ups verbessert werden? Fragen, die wir in einer hochkarätigen Runde am Roundtable von „SPIRIT of Styria“ diskutierten.
TALK IM TURM
ist ein Diskussions-format von
SPIRIT of Styria.
Jeden Monat laden wir Expertinnen und Experten zur Diskussion über ein spannendes Wirtschaftsthema an den Runden Tisch in die
Redaktion an den Technopark Raaba.
Die erste Frage geht an die beiden Start-ups: Wie schwierig ist es, sich im aktuell holprigen Marktumfeld zu behaupten?
WÖCKL: Ich denke, allen ist bewusst, dass es auch für Start-ups gerade eine ganz herausfordernde Zeit ist. Aber wir sind krisenerprobt, da wir in der Corona-Zeit starteten und damit mitten in der Chipkrise. Was auffällt: Wir haben seit unserem Start im Science Park Graz vor fünf Jahren schon viele einstige Wegbegleiter auf dem Wege verloren – das schwierige Umfeld haben viele Start-ups nicht überlebt. Auch wir spüren die aktuelle Konsumzurückhaltung. Die Menschen überlegen sehr genau, wofür sie ihr Geld ausgeben – auch wenn das Produkt selbst die Kunden überzeugt, wie wir von Kundenfeedbacks wissen. An privates Kapital zu kommen, ist derzeit extrem schwer – es herrscht praktisch Fundraising-Eiszeit. Auch wir sind auf der Suche nach einem Investor und wollen eine Finanzierungsrunde abschließen. Als Start-up mit einem physischen Produkt haben wir einen gewissen Working-Capital-Bedarf. Daher können wir im Moment nicht in dem Tempo skalieren, wie wir das gerne möchten.
GRIMMER: Niemand kann sich von der aktuellen Situation entkoppeln, ganz klar. Auch wir merken die Konsumzurückhaltung und sehen, dass Finanzierungen derzeit extrem schwer aufzustellen sind. Man sieht sogar bei öffentlichen Förderstellen, dass sie mit ihren Garantieprogrammen zurückhaltender geworden sind, nachdem es Ausfälle gab. Eine Entwicklung, die es natürlich umso schwieriger macht. Daher ist es im Moment sicher für niemanden einfach, sich zu behaupten – selbst wenn man in einem wachsenden Markt tätig ist so wie wir. Wir hatten das Glück, im Vorjahr eine große Finanzierungsrunde mit internationalen VC-Gebern abzuschließen und konnten 6,5 Mio. Euro einsammeln. Damit treiben wir die weitere Internationalisierung voran – derzeit haben wir die Niederlande und UK im Visier. Als Hardware-Anbieter bedarf es Working Capital, schließlich müssen wir unsere Vormaterialien bereitstellen. Die Produktionsketten starten meistens in China – das heißt, man hat das Kapital einmal zwei Monate am Schiff liegen, bevor es überhaupt in Europa ankommt und man Erlöse erzielen kann.
DIE TEILNEHMERINNEN
Christoph Grimmer
Co-Gründer und CEO
„EET – Efficient Energy Technology GmbH“, Entwickler von Balkon-Solarkraftwerken mit Plug&Play-Speicher, Preisträger beim SPIRIT-Start-up-Award 2023 (Kategorie Scale-ups), 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Oliver Kröpfl Vorstandsmitglied Steiermärkische Sparkasse, zuständig für das Kommerzkunden-Geschäft, verantwortlich für das GründerCenter der Steiermärkischen Sparkasse
Christoph Ludwig Geschäftsführer der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG mit einem breiten Portfolio an Förderungsund Finanzierungsaktionen im Start-up-Bereich
Günter Riegler Wirtschafts- und Kulturstadtrat in Graz, zuständig für die A15, Abteilung für Wirtschafts- & Tourismusentwicklung, die Start-ups auf vielfältige Weise unterstützt
Ines Wöckl
Co-Gründerin und CFO Flasher GmbH, Entwickler eines smarten (gestengesteuerten) Blinkers für Fahrrad und E-Scooter, erfolgreiche „Die Höhle der Löwen“-Teilnehmerin und Finalistin beim SPIRIT-Startup-Award 2023 (Kategorie Start-ups), 5 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Sind Krisenzeiten wirklich Gründerzeiten?
LUDWIG: Krisenzeiten sind definitiv Gründerzeiten, aber Gründer sind nicht automatisch Start-ups. Und Start-ups brauchen schon ein wenig mehr als nur eine Krise als Rahmenbedingung. Aber ich sehe trotz aller Nöte auch die derzeitigen Chancen. Nach den Wahlen auf Bundes- und Landesebene bilden sich gerade neue Regierungen – die beste Gelegenheit, dass langjährige Forderungen aus der steirischen Start-up-Szene nun endlich aufgegriffen werden, um das Ökosystem weiter zu attraktivieren. Dabei denke ich allen voran an die Einführung eines Beteiligungsfreibetrags für Start-up-Finanzierungen. Ein Freibetrag für Investments würde nicht viel kosten, aber sehr viel bringen – und am Ende des Tages mehr Steuergeld in die Kassen spülen, als er den Fiskus kostet.
GRIMMER: Wirtschaftskrisen, wie wir sie jetzt haben, sind immer auch Konsolidierungsphasen. Es gibt Insolvenzen bei Gründungen und bei etablierten Unternehmen – einerseits tragisch, auf der anderen Seite schafft das aber wieder Platz für andere, um mit innovativen Lösungen durchzustarten. Daher bin ich mir sicher, dass es – wenn der Wirtschaftsfrühling kommt – viele neue Chancen geben wird, mit dem Aufschwung mitzuwachsen. Auch für unseren Markt gehen wir davon aus, dass sich die Solarbranche wieder erholen wird.
LUDWIG: Das Umfeld wird besser. Die Zinsen sinken, die Inflation ist niedrig, auch die KIM-Verordnung wird – wie soeben beschlossen – in den nächsten Monaten auslaufen. Eine Reihe von Wirtschaftsforschern meinen, dass es im nächsten Jahr wieder einen Aufschwung geben wird. Im Moment haben wir eine schwierige Zeit, aber die Vorzeichen drehen langsam ins Plus.
KRÖPFL: Ich bin entgegen meinem Naturell nicht ganz so optimistisch, ob der Aufschwung schon 2025 kommen wird. Ich hätte mir gewünscht, dass die Wirtschaftsforscher mit ihren Prognosen in den letzten Jahren recht gehabt hätten. Daher gehe ich davon aus, dass das Jahr 2025 noch eher verhalten sein wird und, dass dann hoffentlich 2026 der Turbo gezündet wird. Die Zinsen sinken und werden noch weiter sinken – für Gründerinnen und Gründer, aber auch etablierte Unternehmen sicherlich ein hilfreicher Faktor. Ebenso für Investorinnen und Investoren, weil die Renditeerwartungen dann eben andere sind als in einer Hochzinsphase. Sinkende Zinsen bedeuten, dass Investorinnen und Investoren wieder aktiver werden und vergleichsweise mehr Investmentchancen sehen als zuletzt.
Sind Sie auch der Meinung, dass Krisenzeiten Gründerzeiten sind?
KRÖPFL: Das glaube ich schon, weil in Krisen die Trennschärfe zwischen jenen Unternehmerinnen und Unternehmern, die überdurchschnittlich kreativ, innovativ und entschlossen sind, und jenen, die das nicht sind, noch größer ist. Denn klar ist, dass durchschnittliches Engagement bei Neugründungen nicht ausreicht, um erfolgreich zu sein. Daher denke ich, dass 2025 für jene, die die genannten Charaktereigenschaften haben, ein gutes Jahr sein kann. Diese unterstützen wir übrigens bei uns im GründerCenter, eine Anlaufstelle für Gründerinnen und Gründer, die wir auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit begleiten. Wir beraten, vernetzen und unterstützen im Bereich Finanzierungen und Förderungen. Das Angebot geht aber weit über Start-ups hinaus – wir beraten Neugründungen in allen Bereichen.
RIEGLER: Was die Einschätzung der Wirtschaftslage betrifft, schließe ich mich Oliver Kröpfl an. Ich glaube, dass wir gut beraten sind, auch darüber zu diskutieren, welche Geschäftsmodelle in Zukunft funktionieren und welche nicht. Der Automotive-Sektor ist bekanntlich schwer unter Druck – eine importierte Krise aus Deutschland. Zudem haben wir eine Kostenkrise und massive Probleme mit unserer Wettbewerbsfähigkeit. Leider haben wir momentan nicht nur in Graz ein wirtschaftsfeindliches Klima – aber hier ganz besonders, wie sich immer wieder bestätigt. Die Prioritäten werden in Graz von den politisch Hauptpolitikverantwortlichen anders gesetzt. Aber grundsätzlich ist die Gründungsdynamik in Graz gut – die Stadt bietet beste Voraussetzungen für Start-ups. Grundlage ist eine sehr vitale technologische Basis, dank zahlreicher Innovationen aus dem Umfeld der Hochschulen, allen voran der TU Graz, der Karl-Franzens-Universität und der Med Uni Graz. Ich bin überzeugt, dass wir hier in den vergangenen zwanzig Jahren vieles richtig gemacht haben. Aber dieses Pflänzchen muss man auch pflegen, wenn man es erhalten will – dafür braucht es entsprechende Mittel.
Der Start-up-Standort Steiermark erhält in Umfragen wie dem Start-up-Barometer sehr gute Bewertungen. Gibt es dennoch Punkte, wo es nachzuschärfen gilt?
GRIMMER: Dazu eine Anekdote aus unserer Zeit im Science Park Graz: Wir haben ja in Graz gegründet, man lernt das Ökosystem kennen und geht irgendwie automatisch davon aus, dass das, was man hier vorfindet, überall anders auch angeboten wird. Bis mich eines Tages ein Wirtschaftswissenschaftler von der University of Leeds anrief und um ein Interview bat. Er recherchierte zum Thema Innovationsregionen in Europa und erklärte, dass er die Steiermark näher untersuchen wollte – als europaweit herausragendes Beispiel für ein gelungenes Ökosystem. Das hat mir wirklich die Augen geöffnet. Denn in anderen Regionen gibt es offensichtlich vieles nicht, was für uns selbstverständlich ist – angefangen bei der SFG über den Green-Tech-Cluster, der uns ebenso unterstützt hat, bis zur TU Graz und dem Science Park Graz. Die TU erwies sich als sehr gründungsfreundlich – sowohl bei der Patentanmeldung als auch bei der Ausgründung als Spin-off. Aber wie schon erwähnt: Das Ökosystem ist ein Pflänzchen, das man stets weiter pflegen muss.
WÖCKL: Ich denke auch, dass wir in der Steiermark mit der SFG und generell in Österreich fördertechnisch sehr gut aufgestellt sind. Das merken wir jedes Mal, wenn wir zum Beispiel mit deutschen Start-ups reden, wo es diese Möglichkeiten in der Breite nicht gibt. Auch das Clusterumfeld hilft uns Start-ups – wir sind Mitglieder im ACstyria und im Silicon Alps Cluster. Was in der Steiermark aber leider fehlt, ist das private Kapital. Hierzulande sitzt das Geld nicht so locker wie in anderen Regionen der Welt. In den USA ist die Einstellung zu Start-up-Investments eine ganz andere.
Wie ist EET der Zugang zum internationalen Venture-Capital-Markt gelungen?
GRIMMER: Zum einen hatten wir bereits ein gutes Netzwerk aus der Seed-Runde rund um unseren Investor Klaus Fronius. Zudem haben wir gezielt VCFonds in ganz Europa angeschrieben. Das war ein aufwändiger Prozess, der sechs Monate in Anspruch genommen hat. Es ist enorm wichtig, dass man Kontakte hat, die einen weiterempfehlen. Die VCs bekommen schließlich eine Tonne E-Mails am Tag und nehmen sich wenig Zeit für einzelne Projekte. Aber wenn eine Anfrage von jemandem vorgelegt wird, der schon einen Namen hat, dann schaut man als Investor ein paar Sekunden länger hin – und das macht dann den Unterschied.
Was hält euch in der Steiermark?
GRIMMER: Was sehr für Graz spricht, ist der große Talente-Pool. Wir arbeiten auch viel und gerne mit den Unis und FHs zusammen, um uns frühzeitig Talente zu sichern. Das funktioniert top. Ein Nach-teil ist sicherlich die Verkehrsanbindung. So finden unsere Board-Meetings mit unseren internationalen Investoren mittlerweile am Wiener Flughafen statt – die Anreise aus Belgien oder Norwegen nach Graz wäre einfach zu langwierig.
LUDWIG: Es freut mich, dass zwei erfolgreiche Spinoffs einer Grazer Universität heute hier sind, die beide am Science Park Graz inkubiert haben. Dieser wird neben der TU Graz auch von der SFG und der Stadt Graz finanziert. Damit beherbergen wir Österreichs größten Inkubator in der Steiermark. Zum Th ema Venture-Capital: Für die wichtige Phase der ersten Investorengespräche bietet die SFG ein eigenes Förderungsprogramm: „Start!Klar plus“. Im Rahmen unserer inhaltlich breit aufgestellten Initiative „Startupmark“ unterstützen wir Start-ups dabei, sich auf Investoren-Pitches vorzubereiten. Auf diese Weise potenzieren diejenigen, die bereits einen Piloten oder ein Proof of Concept haben, ihre Chance auf den ersten großen Investor oder Business Angel. Mit „Start!Klar plus“ übernehmen wir 80 Prozent der Kosten bzw. bis zu 100.000 Euro. Das gibt es in Österreich in keinem anderen Bundesland!
WÖCKL: Auch wir waren Nutznießer dieser Förderung. Sie hat uns geholfen, eine wichtige Hürde zu stemmen – den Schritt vom fertigen Produkt in die Serie. Unser weiterer Weg war etwas unkonventionell und hat uns in die deutsche TV-Show „Die Höhle der Löwen“ geführt. Ein erfolgreicher Abstecher. Unsere beiden Investoren kommen seither aus Deutschland. Im nächsten Schritt zielen wir nun auf eine noch größere Finanzierungsrunde.
LUDWIG: Ein besonders wirksamer Hebel ist unsere „Venture Capital“-Finanzierung. Damit reizen wir, private Investments an, indem wir als SFG das Kapital privater Geldgeber verdoppeln. Im vergangenen Jahr sind wir 14 Beteiligungen eingegangen, das ist bis dato unerreicht in der Unternehmensgeschichte. Wir achten sehr darauf, nicht nur Start-ups mit Venture Capital zu unterstützen, sondern auch Scaleups. Ich bin überzeugt, dass wir in den nächsten Monaten den einen oder anderen Exit in der Steiermark erleben werden – mit sehr hohen Erträgen, die für Aufsehen sorgen werden. Damit schreiben wir wieder positive Geschichten und lenken die Aufmerksamkeit auf Investitionsmöglichkeiten in Start-ups – ganz abgesehen von den enormen Arbeitsplatz- und Wertschöpfungseffekten.
RIEGLER: Vieles hängt natürlich von der jeweiligen Branche und vom aktuellen Klima ab, das vorherrscht. Wenn es ein wirtschaftsfreundlicheres Klima gibt, dann geht vieles leichter. Ich habe gerade in den letzten Wochen wieder hart nachverhandeln müssen, dass wir mit unserem eher gering dotierten Wirtschaftsbudget überhaupt die Möglichkeit haben, zukunftsgerichtete Innovationsprojekte in Graz unterstützen zu können. Ich hoffe, dass wir noch nachlegen können – wir werden jedenfalls nicht müde, darauf zu drängen.
KRÖPFL: Ein wirtschaftsfreundlicheres Klima wäre für Österreich bzw. Mitteleuropa generell notwendig – sonst droht folgender Worst Case: Wir nehmen Steuergeld in die Hand, um die Gründerszene zu pushen und bieten dann erfolgreichen Gründerinnen und Gründern keinen Grund, im Land zu bleiben. Und können dann weder volkswirtschaftlich noch fiskalisch die Wohltaten nutzen, die ein florierendes Unternehmen einem Land zurückgibt. Ich bin sehr dafür, dass die öffentliche Hand Förderungen im Start-up-Bereich tätigt. Aber es braucht auch die Rahmenbedingungen für das weitere Wachstum. Umso wichtiger ist die künftige Entwicklung unseres Wirtschaftsstandorts – ich kann nur hoffen, dass die entscheidenden Institutionen in Österreich sich dessen bewusst sind.
Die Rolle der Stadt Graz im Start-up-Bereich?
RIEGLER: Wir waren in den vergangenen Jahren sehr aktiv, was Förderungen von Start-ups betrifft. Vor allem die A15, die Abteilung für Wirtschaftsund Tourismusentwicklung in Graz, fördert unternehmerischen Spirit in der Stadt und versucht, die Rahmbedingungen zu optimieren. Dazu zählen Co-working-Arbeitsplatzförderungen ebenso wie Crowdfundig-Förderungen oder Mietförderungen für Jungunternehmen. So stellt die A15 im Science Tower nicht nur mietgeförderte Büros zur Verfügung, sondern bietet auch ein umfangreiches Service-Angebot inklusive professioneller Kinderbetreuung – womit wir vor allem weibliche Gründer unterstützen. Darüber hinaus bieten wir Gründerinnen und Gründern auch die Möglichkeit, an Netzwerkreisen teilzunehmen. Und vieles mehr. Wichtig sind auch unsere Cluster-Beteiligungen und die Unterstützung von Netzwerken wie der Creative Industries Styria. Wie gesagt: Wir sind extrem bemüht, die nötigen Finanzmittel weiterhin zu sichern, haben aber eine Regierungskoalition in der Stadt, die fast ausschließlich auf Sozialleistungen und grüne Prestigeprojekte setzt – zulasten der Wirtschaftsförderung.
Die berühmte Frage „Kohle oder Kontakte“ – was brauchen Start-ups dringender?
WÖCKL: Beides ist wichtig. Im Bereich Vernetzung sehe ich noch Potenzial, da es gerade in der Steiermark so viele erfolgreiche Unternehmenspersönlichkeiten gibt, die Start-ups vor ein paar gefährlichen Löchern, in die auch wir gefallen sind, bewahren könnten. Nur eine Stunde Erfahrungsaustausch mit einem Herrn List oder ähnlichen Kapazundern wäre so wertvoll – davon könnten Start-ups enorm profitieren.
KRÖPFL: In diesem Bereich sehe ich auch bei steirischen Banken noch Potenzial. Etwa in der Frage, wie es künftig gelingen kann, die klassischen Private-Banking-Kunden noch besser mit Star-ups in Kontakt zu bringen. Da gibt es zwar punktuell immer wieder schöne Erfolgsgeschichten, aber strukturell klappt es noch nicht gut genug.
RIEGLER: Das wäre sicherlich wünschenswert. Denn meine Wahrnehmung ist, dass der typische Österreicher nicht zuletzt durch diverse Krisen – von Corona bis Ukraine – noch risikoaverser geworden ist, als er ohnehin schon immer war. Man freut sich gerne über Sparbuchzinsen, die man bekommt – Hauptsache alles sicher und kein Risiko. Diese Wahrnehmung begleitet mich schon mein gesamtes Berufsleben hindurch.
LUDWIG: Momentan bekommt man als Anleger Nettozinsen über der Inflationsrate – dieses Phänomen ist sehr selten. Es ist derzeit also sinnvoll, Geld gut verzinst auf ein Sparbuch zu legen, was es für Startups wiederum schwer macht, als alternatives Anlageprodukt zu reüssieren. Bei sinkenden Zinsen kann sich das Bild natürlich rasch wieder drehen.
Die Zahl weiblicher Gründer sinkt. Warum ist der Anteil an Female Founders so gering?
WÖCKL: Das hat viele Ursachen. Gründerinnen brauchen ein Umfeld, in dem sie das Th ema Familienplanung zumindest mitdenken können. Schließlich ist ein Start-up-Dasein allein schon sehr herausfordernd – mit der Gründung einer Familie umso mehr. Was ich in diesem Bereich vermisse, ist Wissen und Information – wie mir Bekannte in meinem Umfeld, die gegründet haben, bestätigen. Wie funktioniert das mit Mutterschutz und Karenz als Selbstständige? Und vieles mehr. Hier wäre ein simpler Leitfaden mit Fallbeispielen sehr hilfreich. Zudem ist frau vor unliebsamen Überraschungen nicht gefeit: Eine Freundin von mir, die einen Kinderkrippenplatz gebraucht hätte, wurde abgewiesen – mit der Begründung, dass Selbstständige doch viel flexibler seien und sie ihr Kind sicherlich woanders unterbringen könne. Das sollte nicht passieren. Gleichzeitig müssen wir kommunizieren: Als Unternehmerin eine Familie zu gründen, ist in der Anfangsphase sicherlich schwieriger, aber später einmal hat es auch Vorteile gegenüber Unselbstständigen. Denn ich bräuchte nicht um Erlaubnis zu fragen, wenn ich mein Kind einmal um 14 Uhr vom Kindergarten abholen muss oder einmal den ganzen Tag frei nehmen möchte. Diese Botschaft an junge Mädels heranzutragen, dass die Option hinten raus richtig cool sein kann, wäre wichtig.
KRÖPFL: Die Thematik der Kinderbetreuung erinnert mich an zahllose Gespräche mit Unternehme-rinnen. Das zeigt mir, dass die Herausforderungen für Gründerinnen im Endeffekt vergleichbar sind mit jenen für Unternehmerinnen im Allgemeinen. Und es bestärkt mich in meinem Eindruck, dass solange die allgemeine Wirtschaftspolitik und die Gründerinnenförderungspolitik in unterschiedliche Richtungen gehen, wir nicht zum Ziel kommen werden. Und ganz generell gesprochen, sehe ich schon ein Problem in Österreich: Immer, wenn es wirtschaftlich ein bisschen enger wird, erleben wir, dass Frauen tendenziell in historische Rollenbilder zurückgedrängt werden. Das finde ich sehr problematisch.
Was könnte das Land bzw. die Stadt rasch ändern, um Start-ups das Leben zu erleichtern?
GRIMMER: Was uns in den letzten Monaten wirklich viel Zeit gekostet hat, ist das ganze Th ema Bürokratie. So haben wir gerade um eine Betriebsanlagengenehmigung ansuchen müssen – und das war wirklich schlimm. Wir mussten Prüfbücher für eine automatische Tür auflegen, weil die vom Vormieter nicht mehr verfügbar waren. Wir haben ewig darum kämpfen müssen, bis wir die Tür verwenden durften.
RIEGLER: Das verstehe ich natürlich, gleichzeitig muss ich mich auch ein bisschen schützend vor die Beamten stellen, weil diese die Regeln exekutieren, die aufgrund der gesetzlichen Vorgaben bestehen. Das heißt aber nicht, dass alle Regelungen noch zeitgemäß sind. Deswegen würde ich es sehr begrüßen, wenn die neuen Bundes- und Landesregierungen künftig Gesetze und Vorschriften auf ihre Sinnhaftigkeit überprüfen. Und ich wünsche mir das Ende des Gold-Platings in Österreich.
LUDWIG: Was Bürokratie betrifft, agieren wir in der SFG nach folgendem Prinzip: WAS müssen wir leisten, um Gesetze und Verordnungen einzuhalten, aber WIE einfach können wir es machen, um so kundenfreundlich wie möglich zu sein? So konnten wir unsere Prozesse in den vergangenen Jahren klarer und effizienter gestalten. Es liegt uns viel daran, serviceorientiert zu handeln – weg vom hoheitlichen hin zu einem privatwirtschaftlichen Zugang. Unsere Kunden sind keine Bittsteller – wir verstehen uns als ihre Partner, Berater und Dienstleister.
Welche Start-ups in welchen Bereichen brauchen wir? Welche Geschäftsmodelle haben Zukunft?
KRÖPFL: Ich würde sagen, möglichst viele in unterschiedlichen Bereichen. Was wir nicht brauchen, sind 80% im selben Segment. Sonst bekommt man ein großes Problem, wenn alle gemeinsam in einer Karawane ziehen. Daher halte ich es für extrem wichtig, dass es bei den Gründungen eine maximale Diversität gibt. Denn am Ende des Tages werden sich nicht alle durchsetzen können und je mehr Klumpen sich im selben Bereich bilden, desto niedriger ist die Wahrscheinlichkeit, erfolgreich zu sein.
LUDWIG: Als ich vor über zwanzig Jahren begonnen habe, für das Land Steiermark tätig zu werden, hatten wir zwei Stärkefelder: den Automobilcluster und den Holzcluster. Mittlerweile haben wir sieben Cluster und Netzwerke und stehen damit auf vielen technologieintensiven Beinen. Start-ups entstehen in den Bereichen Health, Green-Tech, Mobilität und vielen anderen Branchen. Am liebsten sind mir jene Start-ups, die zu erfolgreichen Scale-ups werden und damit Arbeitsplätze und Wertschöpfung schaffen.
WÖCKL: Entscheidend ist nicht die Branche, sondern die Kombination aus dem richtigen Geschäftsmodell und der richtigen Unternehmerpersönlichkeit. Das Geschäftsmodell ist die Grundlage für das Wachstum. Aber ohne die richtige Gründerpersönlichkeit bzw. das richtige Team kann man solche Phasen nicht übertauchen. Ich habe einmal den schlauen Satz gehört: In guten Zeiten schaffen es alle, in schlechten nur die Guten. Das scheint sich jetzt zu bewahrheiten.
KRÖPFL: Absolut, die Mentalität des Teams ist in Krisen besonders entscheidend. Zum Thema Geschäftsmodell: Es gehört auch zu unserer Verantwortung im Ökosystem, dass wir in der Gründungsphase nicht automatisch jedes Geschäftsmodell in einer Hurra-Mentalität begrüßen, sondern kritisch prüfen und offen und ehrlich sind – vor allem den Gründerinnen und Gründern gegenüber, die ja viel Lebenszeit in ihre Projekte investieren.
Der Wunsch ans Christkind: Was wünschen Sie sich im neuen Jahr?
GRIMMER: Für mich ist das Thema Entbürokratisierung ganz wichtig. Auf allen Ebenen. Da könnte ich viele Geschichten erzählen. Wenn man hier Hürden abbaut, wäre das wirklich hilfreich. Und ich wünsche mir ein paar Success-Stories aus dem Start-up-Bereich – das wäre super für die Dynamik. Ich bin da sehr optimistisch. Ich glaube, es gibt noch einige coole Start-ups in Graz, die großes Potenzial haben.
WÖCKL: Ich wünsche mir noch mehr Sichtbarkeit für unser Start-up. Denn wir merken, wenn wir irgendwo sichtbar sind, dann wirkt sich das unmittelbar auf der Umsatzseite aus. Und noch ein Wunsch: Was sowohl Start-ups als auch der Business-Welt insgesamt gut tun würde und in Österreich viel zu wenig gemacht wird, wäre, ein bisschen ehrlicher über Herausforderungen und Krisen zu sprechen. Das habe ich am Science Park sehr geschätzt – dieses Über-den-Tisch-Reden und Mitkriegen, da hatte jemand ein Problem und sagt dann vielleicht gleich, wie er es gelöst hat. Gerade LinkedIn wird stark als Kanal genutzt, um Erfolge hinauszuposaunen. Mir würde es mehr helfen, wenn dort jemand über Probleme, Rückschläge und Krisen bzw. den Umgang damit berichtet.
RIEGLER: Ich wünsche mir vor allem eines: einen Sinneswandel der Regierungskoalition in Graz, was Wirtschaftsfreundlichkeit und das Wirtschaftsklima betrifft. Ich hoffe stark darauf, dass die Koalition sich dessen besinnt, dass man nicht alles mit Almosen zuschütten kann.
KRÖPFL: Ich wünsche mir, dass Christoph Ludwig mit seiner Prognose für das Jahr 2025 richtiger liegt als ich – und dass es zumindest wieder zarten Rückenwind geben wird und wir nicht ausschließlich gegen den Wind arbeiten müssen.
LUDWIG: Ich wünsche mir ein, zwei schöne Firmen-Exits in der Steiermark, die dokumentieren, wie sinnvoll es ist, in Start-ups zu investieren. Wir brauchen diese Galionsfiguren, die über die Landes- und Bundesgrenzen hinauswirken und sichtbar sind. Dadurch wird neues Geld in das Ökosystem hineingepumpt – denn erfahrungsgemäß reinvestieren jene, die einen Exit schaffen, den Ertrag zu einem gewissen Teil wieder in andere Start-ups. Und ich hoffe, dass die neue Bundesregierung die richtigen Impulse für Start-ups und Innovationen setzt – allen voran die Einführung eines Beteiligungsfreibetrags.
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