Was bringt das neue Wohnbau-Paket des Bundes für die Steiermark? Die steirische Wohnbau-Landesrätin Simone Schmiedtbauer und Bau-Landesinnungsmeister Michael Stvarnik im Interview über gemeinsame Ziele, leistbares Wohnen, Sanierung als Win-win-win Situation und einen Wermutstropfen.
Die Bundesregierung hat ein milliardenschweres Wohnbau-Paket beschlossen. Welche Impulse wird es für den Wohnbau in der Steiermark bringen?
SCHMIEDTBAUER: Das Paket enthält viele wichtige Maßnahmen. Wir wollen gemeinsam, dass Wohnen einerseits noch leistbarer wird, und andererseits vor allem junge Menschen beim Traum ihrer eigenen vier Wände unterstützen. Das wird nur gelingen, wenn wir auch in herausfordernden Zeiten hochwertigen, bezahlbaren und nachhaltigen Wohnraum sanieren und errichten. Hier sind wir in der Steiermark bereits Vorreiter, möchten aber natürlich die Mittel des Bundes bestmöglich nutzen, um diesen erfolgreichen Weg weiter zu gehen.
STVARNIK: Auch ich sehe positive Effekte. Die Befreiung von Gebühren wird – da reine Bundesangelegenheit – rasch umzusetzen sein. Ein Wermutstropfen ist, dass zuerst alle anderen Regelungen im Bund beschlossen werden müssen und danach die Länder erst mit der Umsetzung beginnen können – da ist noch einiges unklar. Daher werden die notwendigen Impulse erst zeitverzögert ihre Wirkung zeigen. Der Geschoßwohnbau läuft in der Steiermark bereits wieder, die Verantwortlichen haben mit Beginn des Jahres reagiert – damit nehmen wir im Vergleich zu den anderen Bundesländern, wo noch immer Still-stand herrscht, tatsächlich eine Vorreiterrolle ein.
„Der Regulierungswahn bei Normen und Gesetzen ist ein wesentlicher Teil der Kostensteigerung. Hier gäbe es einiges zu tun“, so Michael Stvarnik, Landesinnungsmeister Bau in der WKO Steiermark
Mit wie vielen zusätzlichen Wohneinheiten ist durch das Paket des Bundes zu rechnen?
SCHMIEDTBAUER: Mit der neuen Geschoßbauförderung, welche heuer im Jänner beschlossen wurde, können wir in der Steiermark bereits jährlich 1.400 neue Wohnungen bauen, die ein Zuhause für die Steirerinnen und Steirer werden sollen. Diese Zahl können wir mit den neuen Bundesmitteln jetzt sogar noch übertreffen. Wie viele es konkret werden, hängt von mehreren Faktoren ab, unter anderem, wie schnell es zu nötigen Baubewilligungen und mehr kommt. Es ist natürlich für alle Beteiligten eine Herausforderung, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass viele neue Wohnungen entstehen werden.
Wo sehen Sie die größte Herausforderung in der Umsetzung?
SCHMIEDTBAUER: Eine Herausforderung habe ich bereits angesprochen: Bauverfahren, speziell im Geschoßbau, gehen nicht von heute auf morgen, es braucht die nötigen Grundstücke mit den richtigen Widmungen und vieles mehr. Das dauert gerade in der Stadt Graz aktuell noch zu lange. Hier müssen alle Ebenen bis in die Gemeinde zusammenarbeiten, damit wir unsere Ziele für mehr leistbaren Wohnraum auch in die Tat umsetzen können. Eine andere Herausforderung sind natürlich die Kosten, denn der Bund steuert einiges bei, vieles müssen wir aber auch als Land finanzieren.
STVARNIK: Wenn man sich die klassische „Häuslbauerförderung“ des Landes in der Steiermark ansieht, so können derzeit bis zu 60.000 Euro begünstigt durch Darlehen gedeckt werden. Im Hinblick auf die gestiegenen Baukosten und die hohe Inflation ist hier sicherlich Handlungsbedarf gegeben. Eine leistbare Wohnversorgung unserer Bevölkerung kann, speziell im ländlichen Bereich, nur durch den Einfamilienwohnhausbau gedeckt werden, und ist auch erforderlich, um einer weiteren Landflucht entgegenzuwirken. Die vom Bund kolportieren, zinsbegünstigten Darlehen von 200.000 Euro wären ein Lösungsansatz.
Wie bewertet die Bauwirtschaft die bisher gesetzten Maßnahmen des Landes Steiermark? Was braucht es in Zukunft am dringendsten?
STVARNIK: In der Steiermark wurde bereits zu Beginn dieses Jahres durch die Anhebung der Baukostenobergrenzen der erforderliche Schritt gesetzt, um den Geschoßwohnbau wieder zu ermöglichen. Durch die geplanten zusätzlichen Bundesmittel wird sichergestellt, dass es zu einer deutlichen Anhebung von derzeit 1.400 Wohneinheiten pro Jahr kommen wird. Aber auch hier gilt: Zuerst sind die Dinge in Wien umzusetzen, erst dann können die Länder agieren. Im Sinne einer Kontinuität im Wohnbau und der derzeitigen Inflations-, Zins- und Baukostenentwicklung wird es umso mehr Aufgabe des Landes sein, diese Parameter genau zu beobachten und erforderliche Gegenmaßnahmen zu setzen.
„Mit der neuen Geschoß-bauförderung können wir in der Steiermark bereits jährlich 1.400 neue Wohnungen bauen“, so Simone Schmiedtbauer, Landesrätin für Wohnbau in der Steiermark
Welche Wünsche hätten Sie darüber hinaus an die Politik, um die Baukosten nachhaltig zu senken?
STVARNIK: Da gäbe es einiges zu tun. Der Regulierungswahn bei Normen und Gesetzen ist ein nicht unwesentlicher Teil der Kostensteigerung. Der Anteil der Gebäudetechnik an den Baukosten ist in den vergangenen 20 Jahren explodiert, obwohl jeder Wohnungseigentümer oder Mieter lediglich unverändert seine Grundbedürfnisse an Heizung, Warmwasser und Bademöglichkeit gedeckt haben will – das zeigt beispielhaft die Auswirkungen dieser Wildwüchse. Wir haben daher als Landesinnung das Projekt „Wohnbau – radikal neu gedacht“ initiiert und werden nächstes Jahr Lösungsvorschläge liefern.
Leistbares Wohnen wird zu einem immer größeren – auch wahlentscheidenden – Bedürfnis in der Gesellschaft. Auf welchem Weg sehen Sie die Steiermark hier insgesamt?
SCHMIEDTBAUER: Auf einem sehr guten. Insgesamt ist Wohnen in der Steiermark immer noch leistbarer als in vielen anderen Regionen Österreichs und Europas. Im vergangenen Jahr wurde in einer internationalen Studie sogar festgestellt, dass die Mieten in Graz im Verhältnis zum Einkommen im europäischen Vergleich die günstigsten sind.
Welchen Stellenwert hat die Sanierung für die Bauwirtschaft? Werden ausreichend Anreize gesetzt?
SCHMIEDTBAUER: Gerade als Land- und Forstwirtin ist mir der Schutz unserer wertvollen Ressource Boden ein echtes Herzensanliegen. Daher lautet mein Credo nach wie vor „Sanierung vor Neubau“. Mit Sanierungen können wir alte Gebäude wachküssen, Energiekosten senken und zusätzlicher Bodenversiegelung einen Riegel vorschieben. Eine Win-win-win Situation! Mit der „Sanierungsförderung Neu“ haben wir in der Steiermark ein österreichweit beachtetes Beispiel für eine gelungene Neuausrichtung des Förderwesens für Wohnhaussanierungen geschaffen. Die Zahlen sprechen für sich: Im vergangenen Jahr hatten wir teilweise Steigerungen bei den Anträgen von über 1.000 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
STVARNIK: Die Sanierung von bestehender Bausubstanz ist essentiell für die Bauwirtschaft und ein sehr vernünftiger Weg. Zudem liegt dort ein höherer Anteil an Arbeitsleistung vor, der wesentlich zur Sicherung von Arbeitsplätzen beiträgt. Im Sanierungsbereich fördert die Steiermark traditionell stark. Evaluierungsbedarf ist auch in diesem Bereich gegeben.
Fotos: Oliver Wolf