Dieter Hengl, Vorstand Corporates der UniCredit Bank Austria, im Interview mit „SPIRIT of Styria” über die Resilienz heimischer Unternehmen in Zeiten der Polykrise, die Entwicklung der Kreditnachfrage, die Bedeutung von ESG-Kriterien für Finanzierungen und steigende Zinsen als wichtiges Zeichen der Normalisierung.
Angesichts der viel zitierten Polykrise in der Wirtschaft – welches Stimmungsbild nehmen Sie aktuell in der Unternehmerschaft wahr?
Trotz der großen Herausforderungen bemerken wir nach und nach eine Aufhellung der Stimmung. Im Herbst des Vorjahres herrschte noch Gewitterstimmung. Jetzt ist die Großwetterlage etwas wechselhaft, aber sie hellt sich zunehmend auf. Die Unternehmen haben in den vergangenen zwei, drei Jahren gelernt, mit schwierigen Situationen umzugehen. Eine Pandemie oder einen Krieg in Europa hätte kaum jemand vorausgesehen – auch nicht, dass die Energiepreise einmal um das Zehnfache und mehr steigen würden. Entscheidend für Unternehmen ist, dass sie ihre Risiken gut managen und agil bleiben.
Dieter Hengl, Vorstand Corporates der UniCredit Bank Austria, in der steirischen Landesdirektion in der Grazer Herrengasse
Wie können Betriebe ihre Resilienz steigern?
Wir unterstützen Unternehmen intensiv dabei, sich gegen Risiken abzusichern – ob Zinsrisiken, Währungsrisiken, Rohstoffrisiken oder Energierisiken. Dabei ist die Bank Austria die einzige Bank in Österreich, die gegen Energiepreisrisiken absichern kann. Damit helfen wir Unternehmen, volatile Phasen zu überstehen. Darüber hinaus bietet jede Krise auch unglaubliche Chancen.
Welche Chancen sind das beispielsweise?
Viele Unternehmen haben in der Vergangenheit gute Ergebnisse erzielt und konnten Reserven aufbauen. Damit sind sie sehr solide aufgestellt, um die künftigen Herausforderungen zu bewältigen, aber auch um das Umfeld für weiteres Wachstum zu nutzen. Denn derzeit bieten sich aufgrund der sinkenden Assetpreise vermehrt Möglichkeiten, andere Firmen zu übernehmen und Kerngeschäftsbereiche zu ergänzen. Das ist eine positive Auswirkung der Normalisierung der Zinslandschaft. M&A ist ein Bereich, in dem wir unsere Kunden aktiv beraten und unterstützen – etwa mit strukturierten Finanzierungen bei Übernahmen oder Erweiterungsinvestitionen einschließlich Zugang zum Kapitalmarkt.
Chancen, die auch steirische Unternehmen wahrnehmen?
Absolut! Gerade hier in der Steiermark haben wir eine starke industrielle Basis mit sehr vielen exportorientierten Unternehmen. Ich bin sicher, diese werden ihre Marktchancen jetzt aktiv wahrnehmen – wir haben einige spannende Projekte in der Pipeline. Gerade in herausfordernden Zeiten sind Unternehmen gefordert, sich auf ihre Tugenden zu konzentrieren, attraktiv für Mitarbeiter zu bleiben, die Risiken im Griff zu haben und Abenteuer zu vermeiden – also alles, was einen Unternehmergeist ausmacht und diesen sehe ich in der Steiermark sehr stark ausgeprägt.
Die Konjunkturprognosen sind nicht euphorisch. Welches Wachstum erwartet die Bank Austria?
Wir haben die Prognosen zuletzt etwas angehoben und erwarten in Österreich für das heurige Jahr ein Wachstum von 0,7 Prozent. Im Jahr 2024 liegen wir dann wieder deutlich über einem Prozent. Das deutlich schwächere Wachstum im Vergleich zu den Vorjahren ist unter anderem Folge der Zinspolitik der EZB. Höhere Zinsen dämpfen die Nachfrage und damit in der Folge die Inflation.
Wir sehen eine ungebrochen rege Investitionstätigkeit der Unternehmen und wollen diese gerade in Zeiten einer wechselhaften Großwetterlage intensiv begleiten.
Dieter Hengl, Vorstand Corporates UniCredit Bank Austria
Steigende Zinsen lassen in der Regel auch die Investitionsbereitschaft sinken. Rechnen Sie mit rückläufiger Kreditnachfrage? Wir sehen eine ungebrochen rege Investitionstätigkeit der Unternehmen. Investitionsvorhaben werden jetzt allerdings noch genauer durchgerechnet, der Bleistift wird ordentlich gespitzt. Zudem werden gerade viele Investitionen nachgezogen, die aufgrund der hohen Baukosten um einige Monate verschoben wurden. Das zeigt, dass die Unternehmen grundsätzlich finanziell solide und damit in der Lage sind, auch in schwierigen Zeiten zu investieren.
Die Erwartungen für das Neukreditgeschäft 2023?
Als Marktführer im Firmenkundengeschäft in Österreich ist die Devise der Bank Austria klar: Wir erwarten auch heuer ein gesundes Wachstum auf der Finanzierungsseite. Wir haben Kundenbeziehungen in allen Bundesländern und wollen Unternehmen gerade in Zeiten einer herausfordernden Großwetterlage intensiv unterstützen und begleiten. Die Pipeline an Neugeschäft ist gut gefüllt, die Unternehmen sind nach wie vor sehr aktiv.
Mit welchen weiteren Zinserhöhungen der EZB rechnen Sie?
Wir rechnen mit zwei weiteren Zinsschritten im Juni und Juli um jeweils 25 Basispunkte. Wir erwarten, dass die EZB danach innehält und die weitere Entwicklung der Inflation und der Konjunktur genau beobachten wird. Grundsätzlich begrüße ich die Zinsanhebung und halte sie für ein probates Mittel zur Inflationsbekämpfung – ein Balanceakt, denn gleichzeitig muss alles getan werden, um die Konjunktur nicht abzuwürgen. Ein Nullzinsniveau, wie wir es Jahre erlebt haben, widerspricht jedenfalls jeder wirtschaftlichen Logik. Daher sehe ich steigende Zinsen als wichtiges Zeichen der Normalisierung
DIETER HENGL Vorstand Corporates der UniCredit Bank Austria Der in Kalwang aufgewachsene Steirer startete seine Karriere in der Bank Austria im Jahr 1990. Er bekleidete verschiedene Führungspositionen im Senior Risk Management mit Zuständigkeiten für Österreich, Zentral- und Osteuropa. Zudem war er als Global Industry Team Leader für das kommerzielle Immobiliengeschäft der UniCredit Group verantwortlich, bevor er 2010 zum Deputy Chief Risk Officer der Bank Austria bestellt wurde. Von 2011 bis 2019 war Hengl Vorstandsmitglied für Corporate & Investment Banking der Bank Austria und in dieser Funktion Mitglied des Executive Committees der Uni-Credit Corporate & Investment Banking Division. Seit 2019 war er Leiter des Bereichs Wealth Management der Bank Austria und CEO der Schoellerbank. Im März 2022 wurde er erneut zum Vorstandsmitglied für die Division Corporates, verantwortlich für das gesamte Firmenkundengeschäft, in der Bank Austria bestellt. www.bankaustria.at
Nachhaltigkeit erfasst alle Teile der Wirtschaft. Welche Bedeutung haben ESG-Themen für das Firmenkundengeschäft?
Die grüne Transformation bietet enorme Chancen, insbesondere für die steirische Wirtschaft mit ihren zahlreichen Technologieführern in der Umwelttechnik. Laut einer Studie sind in den nächsten zehn Jahren allein in Österreich Investitionen in Höhe von 145 Milliarden Euro notwendig, um die Wirtschaft Richtung Nachhaltigkeit zu transformieren. Die Bank Austria bietet hier als einzige Bank Österreichs ein eigenes Beratungstool, das ESG-Barometer, an, um vor allem KMU besser beraten zu können und ihnen bei einer Standortbestimmung zu helfen. Das Thema Dekarbonisierung der Wirtschaft kommt mit Riesengeschwindigkeit auf uns zu. Banken sind wichtige Vorreiter und Unterstützer bei der Umsetzung. Wir sind gefordert, Nachhaltigkeitskriterien immer stärker in der Finanzierung zu berücksichtigen und in die Kreditvergabe einfließen zu lassen. Gleichzeitig ist für uns im Bereich ESG nicht nur das E wie Environment wichtig, sondern auch das S wie Social und das G wie Governance, also verantwortungsvolle Unternehmensführung. Die Bank Austria unterstützt regelmäßig soziale Projekte und sieht dies als wichtigen Teil ihrer gesellschaftlichen Verantwortung.
Foto: Mias Photoart