Spirit of Styria

Mehr Platz FÜR ZUVERSICHT

Die Stadt Graz unterstützt den SPIRIT-Award for WOMEN in SCIENCE
für Spitzenleistungen von Forscherinnen in den MINT-Fächern als Presenting Partner. Stadtrat und Wissenschaftsreferent Günter Riegler über Sichtbarkeit und ungenutzte Potenziale, die Art der Vermittlung – und sein Plädoyer für Wertneutralität.

Frauen sind in Wissenschaft und Forschung in den MINT-Fächern hierzulande noch immer unterrepräsentiert. Ihr Anteil liegt bei unter 30 Prozent, einer der niedrigsten Werte im EU-Vergleich. Warum?
Bereits in den AHS ist der Frauenanteil höher, während in den berufsbildenden Schulen, insbesondere den technischen, der Männeranteil dominiert. Es gibt weniger Einsteigerinnen an den Technischen Universitäten. Junge Frauen tendieren nach wie vor eher zu Geisteswissenschaften und weniger zu technischen Studienrichtungen.

Wie erleichtert man den Start in eine derartige wissenschaftliche Karriere?
Als früherer Geschäftsführer der FH Joanneum weiß ich, dass Hochschulen intensiv daran arbeiten, Lehrende in den Schulen dafür zu sensibilisieren, Ausbildungswege in den MINT-Fächern aufzuzeigen. Projekte wie FEMtech versuchen seit Jahren, Neugier für technische Ausbildungen zu wecken. Viele Hochschulen bieten Sommeruniversitäten für Kinder und Jugendliche an. Meines Erachtens ist aber noch mehr Wissenschaftsvermittlung notwendig. Hier geht es auch um das Wie – nicht knochentrocken, sondern auf eine Art, die junge Menschen begeistert wie zum Beispiel die Science Busters.

Wie wichtig ist das ungenutzte weibliche Potenzial für den Wirtschaftsstandort Graz?
Sehr wichtig. Wir sind ein Industrie- und Technologiestandort. Wir haben ein hohes Interesse daran, dass sich möglichst viele junge Menschen für technische Studien entscheiden. Wir sind gut beraten, möglichst viel zu investieren, um Frauen als Forscherinnen und Innovatorinnen zu gewinnen. Demographisch erreichen wir einen kritischen Punkt, auch in den Gesundheitsberufen braucht es Nachwuchsstudierende. Ziel der Hochschulpolitik muss es dennoch sein, für jeden und jede Einzelne das passende Studienangebot zu finden.

Daten zeigen, dass mit Fortschreiten der Karriere mehr Frauen aus dem Wissenschaftsbetrieb aussteigen – wo muss man da ansetzen?
Wenn man eine Wissenschaftskarriere anstrebt, ist es entscheidend, wie unterstützend das System in Bezug auf die Familiengründung und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie reagiert. Wir haben in meiner Zeit an der FH versucht, eine Tagesmutter für die Kinderbetreuung zu installieren, aber da gibt es noch viel Luft nach oben. Es müssen viele Projekte gestartet werden, um an den Universitäten und Fachhochschulen Dropouts zu verhindern.

Wissenschafts- und Technikbegeisterung
früh wecken, Vereinbarkeit und
Anerkennung forcieren: Stadtrat und Wissenschaftsreferent Günter Riegler.

„Wir sind gut darin beraten, möglichst viele Ressourcen zu investieren, um Frauen als Forscherinnen und Innovatorinnen zu gewinnen.“

GÜNTER RIEGLER
WIRTSCHAFTS-STADTRAT
STADT GRAZ

Wie kann man Leistungen von Forscherinnen sichtbarer machen?
Wir befinden uns da in Österreich auf einem guten Weg. In der Diskussion wird oft nur auf Nöte, Mängel und Verbesserungspotenziale geschaut. Aber wir sind schon sehr weit. Wir machen Karrieren öffentlich, es gibt Kooperationen der Steirischen Hochschulkonferenz mit Medien, über Erfolgslaufbahnen zu berichten. Frauen vor den Vorhang zu holen ist wesentlich.

Was sind Beweggründe für die Abteilung Wirtschaft und Tourismusentwicklung der Stadt Graz, den neuen SPIRIT-Award for WOMEN in SCIENCE zu unterstützen?
Als Wissenschaftsreferent bin ich in der Stadtregierung für die Grazer Universitäten zuständig und habe ein Budget von etwas mehr als einer Million Euro. Das ist nicht viel, wenn man den Finanzbedarf aller Universitäten bedenkt, aber ich versuche gezielt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als auch herausragende wissenschaftliche Leistungen zu unterstützen. Anerkennung kann auch in Form von Preisen geschehen, sie sind in Lebensläufen junger Wissenschafterinnen sehr wichtig.

Inwieweit kann ein Award zur aktiven Wissenschaftskommunikation beitragen?Jegliche Bemühungen zu „Science goes Public“ sind unterstützenswert. Bei Veranstaltungen wie dem Wissenschaftstag der TU Graz wünsche ich mir noch mehr mediale Begleitung. Wissenschaftskommunikation findet auch durch die „Lange Nacht der Forschung“ statt. Wir müssen aber mehr tun, um Eltern von Kindern abzuholen, die von der Volksschule ins Gymnasium wechseln. Das ist vielleicht das größte Potenzial, um Wissenschafts- und Technikbegeisterung zu wecken.

Und was braucht es, um Lösungen für eine nachhaltigere, gerechtere Welt zu entwickeln?
Ich bin der Meinung, dass die Rollenklärung zwischen Wissenschaft und Politik klarer sein sollte als sie es jetzt ist. Wenn Wissenschafter als Meinungsakteure auftreten, kann das der Glaubwürdigkeit schaden. Wissenschaft sollte sich um Zuversicht schaffende Lösungsansätze bemühen. Die letzten Jahre hat man vor allem das Bedrohungspotenzial und den bevorstehenden Kollaps skizziert. Das dürfte dazu geführt haben, dass viele Menschen eine „Eh schon wurscht“- Haltung eingenommen haben. In meinen Studienzeiten hat man die Wertneutralität der Wissenschaft gepredigt. Wir haben über Zusammenhänge gelernt und welche Instrumente und Methoden man für eine Entscheidungsfindung braucht. Wenn Wissenschafter als Aktivisten auftreten, wird die Rolle der Wissenschaft als wertneutrale Forschungseinrichtung in ihrer Autorität gefährdet.


Foto: Oliver Wolf

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