EU-Bürokratie
In den letzten Jahren – insbesondere seit dem Amtsantritt von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – hat die EU viele neue Gesetze erlassen. Ein Großteil davon torpediert das in den Jahren davor angestrebte Ziel einer „europäischen Reindustrialisierung“. Die Wettbewerbsfähigkeit Europas ist gefährdet.

darunter eine Durchführungsverordnung mit mehr als 3.000 Seiten.
Zugegeben: Es ist weder besonders neu noch besonders originell, „Brüssel“ oder „die EU“ mit überbordendem „Regelungswahn“ zu verbinden. Schon in den 1990er-Jahren – Österreich verhandelte gerade den Beitritt zur EU – lästerte man über technokratische Regelungen. Vielen von uns sind die Diskussionen über die Krümmung von Gurken oder die Größe von Bananen in Erinnerung.
Die „Gurkenkrümmungsverordnung“ war – anders als das berüchtigte „Schildlausjoghurt“ und die „Blutschokolade“ – kein von notorischen EU-Gegnern erfundenes Märchen: Tatsächlich schrieb sie vor, dass Gurken einer bestimmten Handelsklasse maximal 10 mm Krümmung auf 10 cm Länge aufweisen dürfen. Die Regelung wurde zwar im Jahr 2009 aufgehoben. Sie wird aber von vielen Großhändlern bis heute angewendet.
Und auch die „Bananenverordnung“ gab es wirklich: Bananen mussten mindestens 14 cm lang und 27 mm dick sein. Zwar wurde sie 2011 durch einen anderen (natürlich längeren) Rechtsakt ersetzt. Die Regelung an sich gilt aber bis heute unverändert (ausgenommen sind nur Bananen aus Madeira, Azoren, Algarve, Kreta, Lakonien und Zypern).
IN DEN LETZTEN JAHREN HAT SICH ABER ETWAS VERÄNDERT.
Früher ging es vor allem um Regelungen über landwirtschaftliche Produkte und Zölle (googeln Sie einmal „bündnerfleisch lachanfall“!). In den letzten Jahren greift Brüssel immer stärker in praktisch alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche ein.
Die „Cookie-Richtlinie“ war rückblickend betrachtet ein erster Vorbote. Wie viele Klicks und wie viele graue Haare hat sie wohl verursacht? Die DSGVO war die logische Fortsetzung: Infoblatt hier, Einverständniserklärung da, Datenschutzbeauftragter dort. Und noch mehr Auskunftsverweigerungen durch öffentliche Stellen.
Die Segnungen von Cookie-Richtlinie und DSGVO sind den meisten bekannt. Wer hat noch nie gehört: „Aus Datenschutzgründen können wir Ihnen diese Auskunft nicht geben“? Aber was weiß man wirklich über die in den Medien nur mit Schlagwörtern diskutierten Themen „Renaturierungsgesetz“, „Europäisches Klimagesetz“, „Lieferkettengesetz“, „Nachhaltigkeitsberichterstattung“, „Taxonomieverordnung“, „Entwaldungsverordnung“?
In den nächsten Monaten werden wir im Rahmen einer Artikelserie aufzeigen, wie die EU-Institutionen in den letzten Jahren den Blick auf eine wettbewerbsfähige und prosperierende Wirtschaft komplett verloren haben. Es geht uns dabei nicht darum, EU-Bashing zu betreiben – das können andere besser.
Wir wollen dort, wo wir uns auskennen – in Fragen des öffentlichen Wirtschaftsrechts, der Regulierung wirtschaftlicher Tätigkeit durch den Staat – einen Beitrag leisten, damit Europa wieder zu einem Friedens- und Wohlstandsprojekt wird.
Die EU soll wieder zu einem Motor werden, um Innovation und Wachstum zu fördern. Und nicht zu einer Bremse mit dem Anspruch, mit 5 % der Weltbevölkerung allen anderen vorzugeben, wie sie zu leben haben. Im Alleingang die Welt zu retten, das klingt romantisch, ist aber unrealistisch.

nicht mehr nach – und die Leserschaft mit dem Lesen auch nicht.
ZWEI DINGE DÜRFEN NICHT ÜBERSEHEN WERDEN:
1
„Brüssel“ und „die EU“, das sind wir alle: Die EU-Parlamentarier werden direkt gewählt. Im Rat sind alle Mitgliedstaaten mit Sitz und Stimme vertreten. Jeder Gesetzgebungsvorschlag der EU-Kommission (deren Mitglieder von den Mitgliedstaaten nominiert werden) muss vom Parlament und vom Rat beschlossen werden. Und fast alle EU-Gesetze der letzten Jahre wurden Österreich nicht „aufgezwungen“. Sie wurden vielmehr mit ausdrücklicher Zustimmung des österreichischen Vertreters im Rat beschlossen. Immer nach vorheriger Beratung im österreichischen Nationalrat.
2
Überbordende Regulierung ist keine Brüsseler Erfindung und kein Problem allein der EU. Viele ähnlich unsinnige Normen entstehen auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene. Auch dort, wo die EU (noch) nichts mitzureden hat, ist der Fokus verloren gegangen. Es wird einfach immer mehr an Regulierung „draufgelegt“ – so viel, dass Wirtschaft und auch die Verwaltung nicht mehr nachkommen. Wir regulieren uns zu Tode.
Die Analyse des Problems kann somit nur der erste Schritt sein. Die Lösung muss dann durch die dafür vorgesehenen Institutionen folgen – und zwar rasch, damit Europa nicht endgültig den Anschluss verliert.
Georg Eisenberger
ist Universitätsprofessor für öffentliches Recht an der Universität Graz und Partner des auf öffentliches Wirtschaftsrecht spezialisierten Anwaltsbüros Eisenberger mit Büros in Graz, Wien und Brüssel.
Alexander Brenneis
ist Lektor für Bau- und Raumplanungsrecht an der Technischen Universität Graz und ebenfalls Partner bei Eisenberger Rechtsanwälte.
Kontakt:
eisenberger@eisenberger.eu
brenneis@eisenberger.eu
In Kooperation mit Eisenberger Rechtsanwälte
Foto: beigestellt; Schweighofer/Eisenberger