Spirit of Styria

Das Haus des industriellen Wandels

Die Montanuniversität Leoben hat sich von ihren Ursprüngen im Bergbau längst zur hochinnovativen Studien- und Forschungseinrichtung gewandelt. Sie lehrt und forscht an vorderster Front der Green Transition. Vizerektorin Christina Holweg erklärt die Kunst, in Kreisläufen zu denken, die internationale Positionierung des Hauses und warum Schlüsselfachkräfte auch Betriebswirtschaftslehre brauchen.

Die Montanuniversität Uni Leoben blickt auf 185 Jahre Geschichte zurück. Ihre Forschungs- und Lehrinhalte sind jedoch brandaktuell. Kämpfen Sie noch mit dem traditionellen Bergbau-Image?
Wir schließen dieser Tage einen umfassenden Evaluierungs- und Definitionsprozess ab mit dem Ziel, unsere Positionierung und Kernkompetenzen klarer und breiter zu kommunizieren. Vorausgeschickt haben wir Markterhebungen, die unser hartnäckiges Image als Bergbau- und Rohstoff-Universität bestätigten: Die herausragenden Kompetenzen in den Bereichen Werkstoffwissenschaften, Verfahrenstechnik oder Recycling – also hochrelevante Themen, die wir seit Jahrzehnten im Haus kultivieren und weiterentwickeln – werden bis dato nur marginal wahrgenommen. Das ändern wir jetzt.

Bitte stellen Sie uns Ihr Haus vor: Wofür steht die Montanuniversität?
Die Montanuniversität steht für die drei große Kompetenzfelder in den Bereichen Ressourcen, Verfahren und Werkstoffe. Historisch kommen wir aus dem Bergbau, daraus resultiert das Kompetenzfeld der Rohstoffe und Metalle. Das zweite Kompetenzfeld betrifft die Verfahrenstechnik, das heißt, Prozesse zur Weiterverarbeitung von Rohstoffen. Hierzu zählen zum Beispiel Recyclingtechnik oder Industrielogistik. Unser drittes großes Kompetenzfeld sind Werkstoffe, wie Kunststoffe, Legierungen oder Keramiken. Das Herz des Hauses ist die Verknüpfung dieses Knowhows in einem zirkulären Kreislauf.

Im Sinne der Kreislaufwirtschaft als Kernstrategie der industriellen Green Transition?
Genau. Der Circle beginnt mit den Rohstoffen, setzt sich fort in der Verarbeitung und endet mit Produkten. Unsere Schlüsselkompetenz ist hier das Recycling, das die Basis für einen durchgängigen Kreislauf bereitet. Wir nennen das Circular Engineering – ein ganzheitliches Konzept, das auch stark ökonomisch und nutzungsorientiert ausgerichtet ist. Prozesse und Produkte in einem konsequenten Kreislauf zu verstehen, ist der USP der Montanuniversität – sowohl in unserer Lehre als auch in unserer führenden Forschungsarbeit.

Wen möchten Sie mit Ihrer Positionierungskampagne erreichen?
Unsere Kernzielgruppe sind junge Menschen im deutschsprachigen, mitteleuropäischen Raum. Wir richten uns darüber hinaus aber auch an potenzielle Studierende aus dem Ausland, speziell aus osteuropäischen Ländern als auch asiatischen und afrikanischen Ländern. Unsere 13 Bachelorstudien und 26 Masterstudien werden sowohl auf Deutsch, als auch Englisch unterrichtet. Rund ein Drittel der aktuell 3.000 Studierenden kommt nicht aus Österreich, es sind insgesamt 90 Nationen in Leoben. Dieses klare Bekenntnis zur Internationalität wird sich künftig auch in einem zusätzlichen englischen Universitätsnamen ausdrücken. Wir haben weltweit 150 Partneruniversitäten von Aserbaidschan über Skandinavien und Kanada bis nach Südamerika und Afrika, mit denen wir in Forschung und Lehre zusammenarbeiten. Innerhalb der EU leiten wir ein Konsortium im Rahmen der „European Universities“ (Hochschulallianz-Initiative zur Bündelung von Stärken).

„Lebensqualität und Versorgungssicherheit für künftige Generationen ist der Sinn unserer Arbeit. Ich glaube, besser geht’s nicht“, so Christina Holweg.

Thema Fachkräfte: Welche Sparten boomen?
Alle Studien sind in industriellen Schlüsselbereichen angesiedelt, sind also hochrelevant: Ressourcen und Rohstoffe, Prozesse und Verfahren, Werkstoffe und Materialien. Es hängt vom Interesse des Studierenden ab, wofür sie oder er sich entscheidet. Derzeit starke Studienrichtungen sind etwa Werkstoffwissenschaften, Recyclingtechnik, Energietechnik oder Umwelt- und Klimaschutztechnik. Möchte jemand eher Generalist werden als Spezialist, bieten wir Circular Engineering an, das Studium der zirkulären Ingenieurswissenschaften. Mit einem Wort, unsere Ingenieurinnen und Ingenieure haben genau jenes Know-how, das die Industrie für die Transformation und Energiewende braucht.

Der Weg des wissenschaftlichen Know-hows auf den Markt ist hürdenreich. Werden betriebswirtschaftliche Kenntnisse und universitäre Ausgründungen zu wenig gefördert?
Nicht bei uns: Unsere Absolventinnen und Absolventen sind für ihre Projektmanagement-Skills und sehr gute betriebswirtschaftliche Ausbildung bekannt. Das liegt erstens an unserem Lehrstuhl für Betriebswirtschaft, dessen Lehrveranstaltungen sich durch das Curriculum aller Studienrichtungen ziehen. Zweitens sind Studierende von Studienbeginn an mit dabei in Kooperationsprojekten mit der Industrie. Bereits im Bachelorprogramm haben sie Zugang zu Top-Forschungsprojekten und präsentieren ihre Forschungsergebnisse vor Führungskräften der Industrie. Dieses anwendungsorientierte Handeln ist ein zentraler Wert.

Die EU setzt Forschungsschwerpunkte bei Technologien, die für die europäische Wettbewerbsfähigkeit kritisch sind. Vielen Forschungseinrichtungen eröffnen diese einen Zugang zu Förderungsgeldern.
So auch bei uns; in unser Kernfachgebiet fällt beispielsweise der Critical Raw Materials Act, der die Benchmarks für Rohstoffverarbeitung und Kreislaufwirtschaft weiter erhöht. Es geht um die Eigenversorgung mit Ressourcen, für die die einzelnen EU-Staaten bis zu einem gewissen Grad selbst Verantwortung übernehmen müssen. Das erreicht man entweder durch den Aufbau einer sicheren Supply Chain oder aber durch hochkarätige Recycling-Techniken: Wie extrahiere ich Rohmaterialien aus bestehenden Produkten, um sie wieder dem Kreislauf zuzuführen. Hier sind wir mitten in unserer Kernkompetenz.

Die frühere Tänzerin hält die Balance zwischen
regionalen Wurzeln und internationaler Ausrichtung.

Worin investieren Sie am Standort Leoben?
Wir nehmen am Standort laufend Infrastrukturmaß-nahmen vor. Unsere größte Innovation voriges Jahr war die Eröffnung des Wasserstoffzentrums zur Gewinnung und Speicherung von für die Industrie gefertigtem Wasserstoff. Diese 20-Millionen-Euro-Investition haben wir getätigt, um etwa Betriebe wie die Voestalpine bei ihrer Transition hin zu grünem Stahl zu begleiten – eine einzigartige Aufgabe. Im Juni eröffnen wir das Haus der Digitalisierung, das sich mit Data Science und Informationstechnologie beschäftigt. Big Data, Automation, Simulation, KI usw. ziehen sich ja als Querschnittsthemen über alle Forschungsbereiche. Laufende Investitionen betreffen unsere mehr als 100 Labors am Standort.

Zum Abschluss: Ihr stärkstes Argument, auf der Montanuniversität zu studieren, zu arbeiten oder mit ihr zu kooperieren?
Jedes Leben, jedes Projekt und Unternehmen, jede Forschungseinrichtung verfolgt einen Zweck, hat einen Sinn. Unserer ist, Lebensqualität und Versorgungssicherheit für kommende Generationen zu gewährleisten. Ich glaube, etwas Besseres kann man sich nicht zum Ziel setzen.

Fotos: Oliver Wolf

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