Sport ist nicht zwangsläufig optimal, wenn der Körper zu sehr unter Stress leidet. Welche Bürden gerade Männer bei der psychischen Gesundheit oft tragen und was sie zur Ruhe kommen lässt.
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Früher, als Autos noch einfach zu bedienen waren, also im Sinn von: mit dem Schraubschlüssel bearbeitbar, waren Probleme oft schnell behoben. Das hat sich gewandelt. Ohne Messinstrumente und Software ist nur selten eine Fehlerdiagnose möglich. Ähnlich verhält es sich beim Körper. Wenn der nicht mehr will, kann es durchaus kompliziert werden. Den Vergleich mit dem Auto findet Doris Kraxner-Kogler recht passend. Sie ist Allgemeinmedizinerin und Psychotherapeutin in Ausbildung und kennt die Lösungsorientiertheit vieler Männer, die nicht selten den Anspruch an sich selbst richten, wie eine Maschine funktionieren zu müssen. „Geht man beim Auto einer Fehlermeldung nicht nach, wird es in der Regel schlimmer. Das ist auch bei unserem Körper so“, sagt sie.
ES GILT ZUNÄCHST, EIN VENTIL ZU FINDEN
Stress ist eine natürliche Reaktion, Körper und Geist antworten so auf eine Bedrohung der physischen oder psychischen Unversehrtheit von außen. „Diese Situation setzt beim Menschen wie auch bei Tieren ähnliche Prozesse im Organismus in Gang“, sagt Doris Kraxner-Kogler. „Im Rahmen der Stressreaktion werden Stresshormone produziert, die den Körper auf Kampf und Flucht vorbereiten sollen.“ Während sich Frauen in Zeiten der Überforderung oder des psychischen Stresses in der Regel eher öffnen und über ihre Situation sprächen, zögen sich Männer eher zurück mit dem Anspruch, Probleme mit sich selbst lösen zu wollen. Wer sich aber öffnet, baut Stresshormone rascher ab, das innere Gleichgewicht wird wieder hergestellt. „Personen, die sich zurückziehen, bleiben länger in negativen Gedankenschleifen und dem daraus resultierenden Stimmungstief hängen. Das ist bedingt durch einen Abfall der Glückshormone“, sagt die Medizinerin. „Das Prinzip ,geteiltes Leid ist halbes Leid‘ würde gerade Männern guttun, die sich in einer Stresssituation befinden.“ Das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt zum Schluss, dass nur 30 Prozent der Männer aktiv Hilfe bei Stress suchen, 45 Prozent versuchen, über Sport zur Ruhe zu kommen, 25 Prozent pflegen Hobbys. Schreiben wäre hier eine wirksame Beschäftigung, wenn schon nicht gern gesprochen wird. Denn negative Gedanken sollten den Körper verlassen können, sagt Doris Kraxner-Kogler, es gelte lediglich, ein individuelles Ventil dafür zu finden.

Doris Kraxner-Kogler, Allgemeinmedizinerin und Psychotherapeutin
Laut WHO leiden bis zu
30%
der Männer regelmäßig unter hohem Stress.
Bei 40 % war die Arbeit ursächlich, finanzielle Sorgen plagten 35 %.
20 % nannten familiäre Verpflichtungen als Ursache.
Studien zeigen, dass bis zu
20%
der gestressten Männer ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben.
Rund
15 %
leiden unter Schlafstörungen.
MÄNNER SIND OFT IN ALTEN ROLLEN GEFANGEN
Die Ärztin beobachtet, dass Männer oft in gesellschaftlichen Konventionen gefangen sind. Veraltete Rollenbilder und damit einhergehende patriarchale Verhaltensmuster würden ihnen einerseits Verantwortung, auch und gerade finanzielle, aufbürden, Blöße oder Schwäche haben in dieser Vorstellung oft keinen Platz. Und dann plagt der Stress weiter: Die Gedanken kreisen und lassen nachts nicht schlafen, sexuelle Unlust belastet Partnerschaft und Selbstwertgefühl, ein Gefühl der Antriebslosigkeit und des Alleingelassenseins überfällt Körper und Geist. Die Krux an dieser Sache: In dieser Sogwirkung negativer Gedanken produziert der Körper weniger Serotonin oder Dopamin, und mit den Stresssymptomen rasselt auch die Stimmung in den Keller. Was sich dagegen tun lässt? Auf die eigenen Grenzen zu achten, sagt Doris Kraxner-Kogler. Körperliche Bewegung ist grundsätzlich ein gutes Ventil, nicht aber, wenn die sportliche Betätigung über die eigenen Grenzen führt. Statt pace-getrieben zu joggen, sollte man einen Waldspaziergang unternehmen. Wissenschaftlich sei erwiesen, dass auch ein kurzer Aufenthalt im Wald positive Auswirkungen auf das vegetative Nervensystem hat und damit in weiterer Folge auf das Immunsystem und alle hormonproduzierenden Drüsen und Organe. Theoretisch würde auch eine Umarmung oder aktives Zuhören reichen, um das Bindungshormon Oxytocin oder Dopamin zu produzieren, und so aus dem Stimmungstief zu kommen.

Mikronährstoffe und Wirkstoffe, die helfen können, Stress abzubauen und die Stimmung zu verbessern:
→ Vitamin B-Komplex, insbesondere B6, B9 (Folsäure) und B12, die wichtig für die Nervenfunktion sind und Energie produzieren.
→ Vitamin C ist bekannt für seine antioxidativen Eigenschaften und kann das Immunsystem stärken, das ist bei Stress besonders wichtig.
→ Magnesium wirkt beruhigend auf das Nervensystem, kann Muskelverspannungen lindern und hilft bei Schlafproblemen.
→ Zink unterstützt das
Immunsystem und kann dazu beitragen, den Körper widerstandsfähiger gegen Stress zu machen.
→ Omega-3-Fettsäuren sind essenziell für die Gehirnfunktion und können bei der Bewältigung von Stress unterstützen.
GESUNDHEITSVORSORGE NIMMT STRESS
Gesundheitsvorsorge und Stressvorbeugung gehen in der Regel einher. Nur sehen das viele Männer nicht so. Treibende Kraft hinter vielen Patienten des Sportmediziners Manfred Wonisch ist eine besorgte Partnerin, die den Gatten zur Vorsorge schickt. „Wir kennen aus der Literatur, dass Frauen sich oft mehr um ihre Partner kümmern als um sich selbst“, sagt er. Aufmerksam werden Männer hingegen bei konkreten Zahlen und Daten aus Laborbefunden, etwa bei der Feststellung, dass die Leberwerte mit der nicht immer gesunden Lebensweise der Vergangenheit korrelierten. „Männer lassen sich durchaus beraten, wenn es um ihre Gesundheit geht“, betont der Sportmediziner, der – nona – zu regelmäßigem Sport zur Gesundheitsvorsorge rät: Laut Empfehlung der WHO sind das körperliche Aktivitäten von 150 Minuten pro Woche bis zu optimalen 300 Minuten. Beziehungsweise bei gezieltem Training „Ausdauer mit Kraft“ liegen die Empfehlungen bei mindestens 75 Minuten und optimalen 150.
Bei der Gesundheitsvorsorge stehe die Risikominimierung im Vordergrund, betont Manfred Wonisch, viele Krankheitsauslöser seien bekannt: Cholesterin, Rauchen, Bewegungsmangel, Diabetes – und auch Stress. Be sonders wachsam sollte man sein und entsprechend vorbeugen, sofern Risikofaktoren bekannt sind. Die Herz-Hirn-Prävention ist deshalb ein wichtiger Aspekt in der Gesundheitsvorsorge, betont der Internist, also Maßnahmen, die die Gesundheit von Herz und Gehirn fördern und das Risiko für Erkrankungen wie Schlaganfall und Herzinfarkt, aber auch Demenzerkrankungen, reduzieren können. Ab 45 empfiehlt der Internist Untersuchungen der Prostata oder eine Darmspiegelung, die, regelmäßig und rechtzeitig in Anspruch genommen, in der Lage sein kann, Dickdarmkrebs zu verhindern.
DEN PARASYMPATHICUS STÄRKEN
Was aber, wenn Stress und die Belastungen des Alltags den Körper schon in Mitleidenschaft gezogen haben? Die Ärztin und Therapeutin Doris Kraxner-Kogler sagt: „Grundsätzlich gilt es, sich zunächst die einzelnen Stressoren bewusst zu machen und zu identifizieren. Ein wichtiger Ansatzpunkt in der Therapie ist das vegetative Nervensystem. Hier gilt es, den Parasympathikus als jenen Teil, der für die Entspannung zuständig ist, zu stärken.“ Entsprechende Tools, die man den Patienten mitgibt, sind entscheidend, um nicht das Gefühl zu bestärken, dem Ganzen hilflos ausgeliefert zu sein. „Gute Dienste leisten auch substituierte Mikronährstoffe, um den durch chronischen Stress gesteigerten Verbrauch auszugleichen“, sagt die Medizinerin. Wirkungsvoll sind zudem Meditationen, Atemtechniken, Entspannungspraktiken aber auch passive Behandlungen wie die Craniosacraltherapie für jene, die ständig „im Tun“ sind. Als Ultima Ratio für eine vorübergehende Stabilisierung des Zentralnervensystems bieten sich Psychopharmaka an.
Fotos: AdobeStock (baranq), beigestellt