Spirit of Styria

Melancholische Zustände in der Schwebe

„SPIRIT of Styria“ traf den Maler und Musiker Josef Fürpaß im Rahmen seiner Ausstellung WITH_DRAWING in den Ausstellungsräumlichkeiten „Am Glacis“ in Graz, wo er bis Anfang März eigene Werke präsentierte und – als Kunstsammler – Bilder seiner Schüler und Wegbegleiter zeigte. Ein Gespräch über einen, der an die Öffentlichkeit tritt, um sich zu verstecken und andere dazu ermächtigt, sich – nicht nur künstlerisch – auf die Suche zu begeben.

Er ist ein Unfassbarer, einer, der sich selbst gerne vergisst, sich auflösen will im Raum, ähnlich wie seine Figuren das tun. Der Schriftsteller und Kunstkritiker Harald Jurkovic schrieb über Josef Fürpaß, dass dieser sich gerne als unbekannte Größe tarnt, „indem er sich verschweigt oder verschleiert oder vervielfacht. Geschickt lenkt er von sich ab, verbirgt sich hinter Masken und ernsthaften Pseudonymen. Kurz gesagt: Josef Fürpaß tritt an die Öffentlichkeit, um sich zu verstecken. Aber, wie bei jedem, der sich versteckt, kommt es sich nicht darauf an, nicht gefunden zu werden, sondern darauf, eine Suchbewegung in Gang zu setzen. Denn nur, wer sich auf die Suche macht, hat auch die Chance, etwas zu entdecken.“ Und so lässt man, gezwungenermaßen fast, den Blick auf den Zeichnungen ruhen, die Augen über die kräftigen Farben der amorph-figurativen Malereien schweifen, die der vielseitiger Künstler gerne für sich sprechen lässt.

Der Künstler vor einigen seiner Werke

„Dass ich heute Kunst an der Ortweinschule unterrichte, hätte ich mir damals, als ich selbst noch Schüler war, nicht träumen lassen“, schmunzelt Fürpaß. Dort begann es mit der Kunst, sagt Fürpaß, der im oststeirischen Gnas als jüngstes von drei Kindern aufwuchs – in einfachen Verhältnissen. „Meine Groß-mutter war Witwe des Ersten Weltkriegs, und mein Vater sowie seine Zwillingsschwester hatten schwere Kindheitserfahrungen. Dennoch gelang es meiner Großmutter, sich nach dem Krieg zu behaupten, indem sie eine Trafik eröffnete, die später von meiner Tante und von meiner Schwester weitergeführt wurde.“ Im Bischöflichen Gymnasium in Graz begann er, inspiriert von den alten Sagen, die er las, selbst Geschichten zu schreiben und sie später zeichnerisch zu Papier zu bringen. „Aber erst im Medizinstudium, mit dem ich anfing, genauer, im Anatomiestudium, wurde ich zum Zeichnen inspiriert von einem Professor, der sein Fach sehr „zeichnerisch“ darbot. Etwa zu der Zeit zog ich mit meiner Frau in die Nachbarschaft des Kulturhauses, das heute das Literaturhaus Graz ist. Dort besuchten wir regelmäßig Ausstellungen. Ich entdeckte Werke des Burgenländer Malers und Grafikers Johannes Wanke und fertigte erste Holzschnitte an“, so Fürpaß. „Ich wollte mich bildnerisch weiterentwickeln und versuchte zunächst, an der Angewandten in Wien zu studieren, kam aber nicht in die zweite Runde. Dennoch blieb ich noch mehrere Monate in Wien und wohnte dort schließlich mit einem Musiker in einer Wohnung, der zu einem Lebensfreund wurde.“

So breit gefächert wie sein Kunstschaffen sind auch seine Malstile.

DAS BAND MIT DEM BANDONEON
Josef Fürpaß tauchte zu dieser Zeit in die Musikszene ein. „Im Jahr 1986 hörte ich in Graz den argentinischen Bandoneonisten und Komponisten Dino Saluzzi, der sich seit Ende der 70er-Jahre auch international einen Namen machte. Mich ließ dieses Instrument nicht mehr los“, sagt Fürpaß rückblickend. Drei Jahre lang suchte er nach einem Bandoneon, bis ihm eine Schulfreundin in Hamburg ein Instrument vermittelte. „Die Technik des Bandoneons ist faszinierend und sehr komplex. Es ist ein Instrument ohne ein vorerst klar erkennbares optisches System. Die Töne sind in einem labyrinthartigen Muster angeordnet. Für mich hat die Musik des Bandoneons eine besondere Verbindung zu den Bewegungen des -Tanzes. Überhaupt ist Tango mehr als bloß ein Genre. Er hat eine enorme Bandbreite, von melancholischen bis hin zu sozialkritischen Texten. In den 30er- und 40er-Jahren war Tango in Städten wie Montevideo und Buenos Aires noch ein florierender Wirtschaftszweig. Es gab tausende Bands, die live auftraten. Erst mit dem Aufkommen des Rock’n’Roll und der Beatles in den 60er-Jahren geriet er in den Hintergrund.“ In unterschiedlichen Ensembles und Formationen taucht Fürpaß fernab seines Ursprungs in den Tango ein. „Ich widme mich aber auch anderen musikalischen Richtungen wie dem Jazz, der Klassik und eigener Musik, ohne ein festes Ziel zu verfolgen, sondern um meine musikalische Basis zu erweitern“, so Fürpaß, der schon immer ein Suchender war. Er arbeitete als Druckereigehilfe, Zimmermann, viel später erst als Kurator, war 2012 bis 2014 erfolgreicher Betreiber und Programmgestalter der Keplerkoje in Graz, ist Gründungsmitglied des Vereins DruckZeug, war auch selbst angelernter Buchdrucker und arbeitete als Grafiker. Erst 1995 wurde er freischaffend bildender Künstler. „Musik und bildende Kunst sind zwar Leidenschaften, die parallel laufen, aber sie sind dennoch miteinander verbunden. Manchmal ist das eine mehr im Vordergrund, dann wieder das andere“, so Fürpaß, der damit eine der zentralen Metaphern seiner bildenden Kunst vorwegnimmt: zweidimensionale, raumgreifende Umgebungen.

ZWISCHEN EROTIK UND SELBSTVERGESSENHEIT
Beim Betrachten der Szenografien in seinen Werken blickt man fast schon voyeuristisch „auf unverwandte Begebenheiten, an denen man trotz ihrer Befremdlichkeit gerne teilhaben möchte“, beschrieb es der 2016 verstorbene, aus Graz stammende Publizist und Filmemacher Richard Stradner treffend, der ergänzte: „Wer solche Bilder malt, benötigt viel selbstvergessenes Schauen-Können, einen saturnischen Blick des geborenen Melancholikers.“ Josef Fürpaß gesteht seinen Figuren selbst Anonymität zu, die sie wie eine schützende Hülle umgibt. Sie wenden sich ab, ziehen sich in den Schatten oder sogar aus dem Bild zurück, gewinnen keine klaren Konturen. Sie treten in Erscheinung, ohne etwas zu bewirken, das über ihre momentane Existenz hinausginge: zufällige Gäste, die – liegend, rauchend, wartend – ein Leben jenseits der Ereignisse führen. Während des Interviews schweift Josef Fürpaß oft in Gedanken ab, erzählt von Freunden, über Ereignisse, die nicht seine Kunst betreffen, noch weniger ihn als Person. Er macht oft Pausen. Diese Pausen sind auch in seinen Werken zu finden, als Lücken. Diese Lücken, diese fehlenden Verbindungen, seien, sagt der Künstler, ein formales Problem seiner Kunst. Wie entsteht aus den Teilen, einzelnen Strichen und Flächen, ein Ganzes? Wie kommt jene spannungsreiche Balance von Homogenität und Kontrasten zustande, in der die Formen einander stützen und stabilisieren, während sich die Farben gegenseitig steigern und zum Leuchten bringen? Wie fügen sich die Flächen derart aneinander, dass der Eindruck von Räumlichkeit entsteht, in die sich die Figuren einfügen können? Eine Antwort darauf ist, dass Fürpaß meist keine Situationen wiedergibt, die etwa Handlungen entspringen, sondern lediglich Befindlichkeiten, emotionale Zustände an der Naht zwischen Erotik und Selbstvergessenheit. Das Atmosphärische dominiert über das Gedankliche, das Sein über das Tun und der Raum über die Personen. Anstelle der Planung, der Aktion, der Ausführung, treten die Unbestimmtheit, die Pause, die eingefrorene Bewegung. Im melancholischen Zustand der Schwebe sind sich die Figuren ihrer Unsicherheit und Verletzlichkeit bewusst. „Ich sehe meine Bilder als Dialog. Je nachdem, wie der Betrachter dem Bild gegenübertritt, wird die Leinwand zu einem vielgestaltigen Gesprächspartner.“

Zeichnungen zwischen Erotik und Selbstvergessenheit

Josef Fürpaß zählt zu den profiliertesten Bandoneonspielern der Steiermark.

DIE SEHNSUCHT ERWECKEN
Seit 2013 gibt Josef Fürpaß sein umfangreiches künstlerisches Wissen an der Meisterschule für Kunst und Gestaltung an der HTBLA Ortweingasse weiter. Noch bis Sommer – heuer geht er in Pension und blickt auf eine bereichernde Zeit zurück: „Am Anfang war das Unterrichten für mich als schüchterner Mensch herausfordernd. Doch mit der Zeit fand ich meinen Weg, auch didaktisch, da ich ohne Druck meine Schüler für das Kunstfach zu begeistern suchte, ganz nach Antoine de Saint-Exupéry, der im Buch „Die Stadt in der Wüste“ folgenden Satz formulierte: „Wenn du ein Schiff bauen willst, beginne nicht damit, Holz zusammenzusuchen, Bretter zu schneiden und die Arbeit zu verteilen, sondern erwecke in den Herzen der Menschen die Sehnsucht nach dem großen und weiten Meer.“ Und vielleicht ist auch das Josef Fürpaß’ Vermächtnis: Andere zu ermächtigen, sich auf die Suche zu machen, um etwas zu entdecken.

Fotos: Oliver Wolf

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