Spirit of Styria

Sortenrein statt PLASTIK-MISCHMASCH

Multilayer-Folien, bestehend aus einem Mix unterschiedlicher Kunststoffe,
sind einer der großen Störenfriede im Kunststoff-Recycling. Chiara Barretta, Forscherin am Kunststoff-Kompetenzzentrum PCCL in Leoben, fand nun eine scheinbar simple Lösung für ein komplexes Problem. Dafür wurde sie mit „SPIRIT-Award for Women in Science“ in der Kategorie „Junior Scientist Angewandte Forschung“ ausgezeichnet.

Gute Forschung beginnt manchmal am Ende. In diesem Fall am Ende des Produktlebenszyklus: im Mülleimer. Schmunzelnd erinnert sich Chiara Barretta an den Start des Projekts „Multilayer-Detection“, als sie sich in der Gelben Tonne von Freunden und Bekannten eigenhändig auf die Suche nach Forschungsobjekten machte: Kunststoffverpackungen aller Art. Über 500 Samples sammelte die Forscherin, um deren exakte Zusammensetzung zu analysieren. Im Fokus dabei: die Unterscheidung in Monolayer- und Multilayer-Folien. Welche Plastikverpackungen bestehen also aus einer und welche aus mehreren Schichten Kunststoff? „Mit freiem Auge sind Multilayer-Folien – etwa Kombinationen aus Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) – nicht zu erkennen“, so die 34-Jährige. „Diese sind in der Lebensmittelindustrie sehr beliebt, da sie viele positive Eigenschaften für Hygiene, Haltbarkeit & Co aufweisen. Für das Recycling sind sie allerdings ein Albtraum, da selbst modernste Sortieranlagen Mehrschichtfolien nicht erkennen können.“ Damit verunreinigen sie den Stoffstrom und erschweren die Verwertung. „Denn es gilt der Grundsatz: Je sortenreiner die Fraktionen, desto höherwertigere Kunststoffprodukte kann ich aus ihnen wieder machen.“ Multilayer – die Störenfriede einer ökologischen Plastikabfallverwertung. Mit ein Grund für die geringe Kunststoff-Recycling-Quote Österreichs, die zuletzt nur 25 % ausmachte. Nach EU-Vorgaben sollte sie ab 2025 bereits 50 % betragen. Ein Großteil des Kunststoffs kann daher nur thermisch verwertet werden, statt ihn im Stoffkreislauf zu halten. „Somit gibt es viele gute Gründe, das Problem Multilayer anzugehen“, ist die Absolventin des Master-Studiums „Chemical Engineering“ in Salerno überzeugt. Aufbauend auf den oben beschriebenen Analysen suchte Barretta gemeinsam mit ihrem Team nach Lösungen, Multilayer-Folien im Sortierprozess besser zu erkennen und aus dem Stoffstrom auszuscheiden.

„Ich freue mich, mit meiner Forschung einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Welt leisten zu können.“

CHIARA BARRETTA
FORSCHERIN AM PCCL

Im Zentrum standen Experimente an einer Versuchsanlage der Montanuniversität Leoben, die ähnlich wie industrielle Recyclinganlagen auf der Nahinfrarot-Technologie basieren. Hyperspektralkameras sind die „Augen“ dieser Technologie. Das Licht trifft dabei auf die Oberfläche der vorbeiziehenden Kunststofffolien auf den Förderbändern, wird reflektiert und vom Sensor interpretiert. „Bei Multilayer-Folien versagt das System allerdings, da meist nur die oberste Schicht erkannt wird und die Folie damit fälschlicherweise als Monolayer qualifiziert wird“, so Baretta. Wie könnte man die „Augen“ dieses Systems nun schärfen? Für die Antwort auf diese Frage machte sie sich das Prinzip der „Transflektanz“ (einer Mischung aus Reflektion und Transmission) zu nutze. Demnach werden Infrarotstrahlen nicht nur reflektiert, sondern zum Teil auch durchgelassen (transmittiert). „Das durchgelassene Licht wird vom schwarzen Gummi des Förderbands aber absorbiert, wodurch wichtige Informationen für den Sensor verloren gehen.“ Die einfach scheinende, aber geniale Lösung der Forscherin: die Beschichtung der Förderbänder mit reflektierenden Materialien. Eine Idee mit durchschlagendem Erfolg. „Vor allem der Einsatz von Kupfer hat in unseren Studien hervorragende Ergebnisse erbracht. Damit ist uns die Trennung von Monolayer- und Multilayer-Folien im Laborversuch sehr gut gelungen. Ich bin sicher, dass diese Methode, mit einigen Anpassungen, auch im industriellen Maßstab funktionieren würde“, rechnet Barretta mit einem zeitnahen Transfer in die Industrie. „Je rascher die Anwendung bei Industriepartnern gelingt, desto eher können wir die EU-Ziele erreichen“, so die Forscherin. Mehr als ein Nebeneffekt: die enormen Mengen eingespartes CO2 im gesamten Prozess. Vor allem, wenn es eines Tages gelingt, Multilayer-Folien durch chemische Verfahren in ihre Einzelbestandteile zu zerlegen und stofflich zu verwerten.

Der zweite große Forschungsbereich der Italienerin am PCCL widmet sich der Alterung von Polymeren, die in PV-Anlagen eingesetzt werden. „Die Entsorgung von PV wird ein großes Zukunftsthema, das spätestens in zehn Jahren auf uns zukommen wird. Daher ist die Langlebigkeit dieser Polymere ganz entscheidend. Unser Ziel ist es, die Grundlagen für Polymere zu schaffen, die nicht nur 20 Jahre, so wie heute, sondern 30 oder 40 Jahre eingesetzt werden können“, so Barretta, die die Arbeit als Forscherin ebenso liebt wie den Werkstoff Kunststoff. „Polymere haben zu Unrecht ein schlechtes Image, denn man kann damit sehr viel Positives schaffen – siehe den Einsatz zur Erzeugung von erneuerbarer Energie. Zudem gibt es für das Recycling immer bessere Methoden und viele Fortschritte – ich bin glücklich, hier einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Welt leisten zu dürfen.“

Chiara Barretta 
Master-Studium „Chemical Engineering“ an der Università degli Studi di Salerno sowie Doktorat in „Polymer Engineering and Science“ an der Montanuniversität Leoben. Arbeitet seit 2017 am Kunststoff-Kompetenzzentrum PCCL (Polymer Competence Center Leoben), dem führenden österreichischen Zentrum für kooperative Forschung im Bereich Kunststofftechnik und Polymerwissenschaften (rund 110 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter).

Für das Projekt „Multilayer-Detection“ fungierte Barretta erstmals in ihrer Karriere als verantwortliche Projektleiterin in einem Team aus rund zehn Forschenden. Das Projekt – gefördert durch den Zukunftsfonds Steiermark – zielte darauf ab, die Identifizierung und Sortierung von mehrschichtigen Verpackungsfolien zu verbessern. 
Die Ergebnisse wurden mehrfach wissenschaftlich publiziert und könnten die Recyclingquote von Kunststoffabfällen in Österreich von derzeit 25 % auf 36 % erhöhen.

Über den Bereich Kunststoff-Recycling hinaus forscht Barretta auch intensiv an der Verbesserung der Langlebigkeit von Polymeren im Bereich Photovoltaik.

www.pccl.at

FOTOS: MIAS PHOTOART

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