Steigende Arbeitslosenzahlen und ein anhaltender Fachkräft emangel – ein schmerzhaft es Paradoxon hält den Arbeitsmarkt im Griff. Welche Maßnahmen braucht es seitens der (Arbeitsmarkt-)Politik nun am dringendsten, um die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräft e zu sichern? Mit welchen Strategien können sich Unternehmen in dieser Misere behaupten? Wir diskutierten mit Experten und Unternehmensvertretern am Roundtable.

Wie wird sich das Delta bei den Fachkräften in den kommenden Jahren entwickeln?
Katz: Der Blick auf die demografischen Daten zeigt klar, dass wir erst am Anfang der Entwicklung stehen. Wir fangen erst an, die Auswirkungen zu spüren. Erstaunlich ist, dass viele von der Entwicklung überrascht scheinen, obwohl diese relativ gut vorherzusehen war – schließlich lassen sich Geburten- und Sterberate gut prognostizieren. Wir steuern also sehenden Auges auf ein Problem zu, wenn wir nichts unternehmen.
Die konkreten Zahlen?
Katz: Bis 2030 wird die Anzahl der Personen im pensionsfähigen Alter in der Steiermark um rund 50.000 steigen. Der Bevölkerungsanteil im erwerbsfähigen Alter, also zwischen 20 und 65 Jahren, schrumpft hingegen um 37.000. Unterm Strich kann man, grob geschätzt, davon ausgehen, dass dem steirischen Arbeitsmarkt 2030 im Vergleich zu 2025 etwa 10.000 Personen we niger zur Verfügung stehen werden. Dazu kommt, dass sich diese Entwicklung in peripheren Regionen noch wesentlich stärker auswirken wird. Nur wenn es gelingt, das faktische Pensionsantrittsalter zu heben und die Erwerbsquoten zu steigern, lässt sich das Delta reduzieren.
Snobe: Das ist der Punkt – das Problem ist nicht das Heute, der große Knick kommt erst auf uns zu. Daher werde ich nicht müde, bei jeder sich bietenden Gelegenheiten auf das Problem hinzuweisen. Der Begriff „händeringend“, den wir kurz nach der Corona-Zeit kennen-gelernt haben, wird bei der Suche nach Fachkräften wieder mit voller Wucht auf die Wirtschaft zukommen, wenn wir nicht gegensteuern.
38.600 Arbeitssuchende Ende März in der Steiermark standen 11.000 offenen Stellen gegenüber. Wie wird sich dieses Mismatch künftig entwickeln?
Snobe: Die Zahlen muss man etwas differenziert betrachten – es sind Bestandszahlen, die für einen Stichtag am Monatsende gelten. Die Relation sieht etwas anders aus, wenn wir auf die dynamischen Zahlen während des gesamten Jahres blicken. Daraus lässt sich ablesen, dass zuletzt 116.000 Menschen im Jahr in der Steiermark mindestens einen Tag im Jahr arbeitslos waren, das ist rund jeder fünfte unselbstständig Beschäftigte. Gleichzeitig gab es rund 85.000 offene Stellen, die die steirische Wirtschaft dem Arbeitsmarktservice im Jahr meldete. Da uns im Schnitt nur jede zweite Stelle gemeldet wird, gehen wir von 160.000 Vakanzen im Jahr aus. Damit sehen wir in einem gesamten Arbeitsmarktjahr sogar etwas mehr offene Stellen als Arbeitssuchende. Das bedeutet, dass wir eine unglaubliche Dynamik am Arbeitsmarkt haben, was auch das Thema Mismatch etwas relativiert. Zudem dürfen wir nicht vergessen, dass rund 50 Prozent der Arbeitssuchenden nur einen Pflichtschulabschluss als höchste formale Qualifikationsstufe haben. Trotzdem – es gibt viel zu tun. Wie gesagt: Die Demografie ist ein Faktum, an dem wir nicht vorbeikommen.
Die Frage an die Betriebe – wie schwierig ist es augenblicklich für Sie, offene Stellen zu besetzen?
Holzer: Bei SPAR haben wir Bedarf in allen Bereichen – sowohl an qualifizierten Arbeitskräften, etwa Führungskräften im Verkauf oder im Bereich IT, als auch bei angelernten Hilfskräften, speziell in der Logistik. Im Moment hilft uns die derzeitige Situation am Arbeitsmarkt ein bisschen. Der Lebensmittelhandel hat im Vergleich zu anderen Handelsbereichen besondere Herausforderungen – seien es die höheren körperlichen Belastungen oder die Öffnungszeiten. Viele Stellen könnten wir allein am österreichischen Arbeitsmarkt nicht besetzen. Daher beschäftigen wir eine nicht unerhebliche Gruppe von Mitarbeitenden aus Ungarn, Slowenien und Kroatien, die als Tages- oder Wochenpendler bei uns arbeiten – ohne diese könnten wir gewisse Abläufe schon lange nicht mehr aufrecht erhalten. Dazu kommt noch die angesprochene Dynamik am Arbeitsmarkt – die Fluktuation ist in den vergangenen Jahren extrem gestiegen, vor allem seit Corona. Auch ein Kostenfaktor, da jeder Wechsel viel Geld kostet. Und das zusätzlich zu den hohen Standortkosten, mit denen wir konfrontiert sind.
Katz: Auch die Demografie in den angesprochenen Nachbarländern weist eine ähnliche Entwicklung auf wie Österreich. Gleichzeitig sinkt die Wohlstandskante, von der unsere heimischen Arbeitgeber bislang profitierten, weil auch das Lohnniveau im Herkunftsland steigt. In Zukunft wird es damit wohl schwerer, das Arbeitskräftepotenzial in diesen Ländern zu nutzen.

Wie ist die Situation im höher qualifizierten technischen Bereich?
Leopold: Wenn es um das Thema Fachkräftemangel geht, darf ich nicht ins Jammern mit einstimmen. Denn bei Rosendahl Nextrom haben wir es in den vergangenen Jahren immer geschafft, unsere offenen Stellen zu besetzen. Die Demografie und ihre Folgen sind seit Langem bekannt – daher haben wir unsere Strategie seit Jahren darauf ausgerichtet und uns mit der veränderten Situation mitentwickelt. Unsere zwei zentralen Hausaufgaben: Wir qualifizieren und bilden selbst aus und wir legen größten Wert auf eine gute Unternehmenskultur. Denn Pischelsdorf ist nicht unbedingt ein Standortvorteil, schon allein was die Erreichbarkeit mit dem Auto betrifft. Was uns natürlich hilft, ist der KV der metalltechnischen Industrie, dadurch sind wir bei den Löhnen und Gehältern im höheren Segment. Zudem verfolgen wir eine konsequente HR-Strategie. Wir sind in sehr engem Kon takt mit unseren Beschäftigten und wissen ganz gut, was sie an uns schätzen oder was sie gegebenenfalls bewegt, zu gehen – was zum Glück sehr selten vorkommt. Unsere Fluktuationsrate lag vor Corona zwischen 1 und 2 Prozent und ist auch seither nicht viel höher.
Gab es zuletzt Mitarbeiterwachstum?
Leopold: Ja, unser Arbeitskräftebedarf ist stark gestiegen – in den vergangenen acht Jahren ungefähr um ein Drittel. Wir sind nun rund 500 Beschäftigte in Pischelsdorf. Uns war immer klar: Wir warten nicht darauf, dass die Politik oder sonst jemand den Fachkräftemangel löst, sondern versuchen als Fima, an allen Schrauben zu drehen, an denen man drehen kann, um die Stellen zu besetzen. So haben wir vor ein paar Jahren einen Bonus für Mitarbeiterempfehlungen eingeführt. Das funktioniert hervorragend. Es bestätigt auch, dass wir das, was wir nach außen versprechen, nach innen auch halten können. Mittlerweile haben wir bereits mehr Vermittlungen über unsere Mitarbeitenden als über externe Quellen. Wir beschäftigen uns ganz bewusst mit dem Thema Arbeitgebermarketing. Einen Vorteil sehen wir auch darin, dass wir spannende Technologien bieten, die Technikerinnen und Techniker anlocken. Unsere Produkte sind einfach attraktiv. In unserer Region haben wir das Potenzial mittlerweile gut ausgeschöpft. Zusätzlich holen wir uns gezielt Expertinnen und Experten aus der ganzen Welt ins Unternehmen – vielfach aus Drittstaaten. Das Recruiting dafür machen wir in engster Partnerschaft mit den Fachabteilungen bzw. unseren Stand-orten im Ausland – zuletzt gelang es gerade, zwei Spezialisten aus Portugal nach Pischelsdorf zu holen bzw. werden wir demnächst einen steirischen Kollegen an einen neuen Standort nach Mexiko entsenden. Menschen aus der Ferne nach Pischelsdorf zu holen, geht erstaunlicherweise manchmal leichter, als jemanden von Graz nach Pischelsdorf zu bewegen. (lacht)
Hampel: Auch wir haben das Glück, dass wir bei HAGE mit unseren Sondermaschinen sehr spannende Produkt haben. Für Menschen, die an Technik interessiert sind, eine wunderbare Spielwiese. Zudem haben wir ein tolles Betriebsklima und die Freiheitsgrade sind groß. Daher spüren auch wir bei HAGE den Fachkräftemangel nur bedingt. Wir investieren auch viel – in den vergangenen drei Jahren beispielsweise zwei Millionen Euro in unsere Lehrwerkstätte. Mittlerweile nehmen wir jedes Jahr fünf bis sechs Lehrlinge neu auf, zuletzt waren auch weibliche Lehrlinge darunter. Womit wir in der Region sehr wohl zu kämpfen haben – das ist der demografische Wandel. Die Region ist von Abwanderung bedroht. Der Klassiker: Die jungen Männer machen eine Lehre, sind top-ausgebildet, aber verlassen dennoch die Region, weil sie ihren Partnerinnen in die Ballungszentren folgen. Manche von ihnen kommen später wieder zurück, viele aber nicht mehr. Um dem entgegenzuwirken, haben wir vor 15 Jahren die Initiative „KRAFT:dasMurtal“ gegründet, ein Wirtschaftsnetzwerk, dem mittlerweile 115 Mitgliedsbetriebe mit über 8.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angehören. Damit können wir die Region Murau Murtal gemeinsam attraktiv darstellen – nach innen und nach außen. Wir wollen uns dabei nicht nur auf die Politik verlassen. Mit Erfolg: Von 2022 auf 2023 verzeichneten wir eine Trendumkehr – es gab wieder Zuzug in die Region. Auch dank vieler Projekte, die wir initiiert haben.

Ein Beispiel für ein aktuelles Projekt?
Hampel: Derzeit laden wir gezielt Arbeitssuchende aus Wien ein, zu uns in unsere Region zu kommen, wo wir Fachkräfte dringend brauchen. Dafür kooperieren wir mit dem AMS Wien und dem Schulungszentrum Fohnsdorf, wo die entsprechenden Ausbildungen stattfinden. Unsere Betriebe von „KRAFT:dasMurtal“ laden die Projektteilnehmer ein, sich selbst ein Bild zu machen. Dabei ziehen alle Betriebe an einem Strang – ganz im Sinne der Region. Es gibt bereits erste Erfolge – Best Practice, das Schule machen wird, davon bin ich überzeugt. Natürlich müssen auch die Rahmenbedingungen passen. So versuchen wir, die neuen Mitarbeiter samt ihren Familien gut bei uns zu integrieren – etwa auch ins Vereinsleben. Bei HAGE arbeiten bereits drei Emigranten – diese sind in Obdach und in der Firma sehr gut aufgenommen. Klar ist: Es braucht dafür immer den guten Willen und die Mitwirkung auf allen Seiten.
Holzer: Auch wir machen mit Menschen aus Syrien gute Erfahrungen in puncto Integration und Spracherwerb – das gilt aber leider, muss man offen sagen, nicht für alle Gruppen aus allen Ländern. Der Schlüssel ist eindeutig der Spracherwerb, darauf müssen wir künftig verstärkt den Fokus legen. In Summe wäre der Lebensmittelhandel in Österreich ohne Menschen mit Migrationshintergrund nicht aufrechtzuerhalten. Das muss man klar sagen. Das gilt mittlerweile für viele Bereiche – von der Pflege bis zur Gastronomie.
Hampel: Bei „KRAFT:dasMurtal“ haben wir den Vorteil, dass wir vieles im Verbund leichter bewältigen können. Als Betrieb übernehmen wir längst Aufgaben, die früher von der öffentlichen Hand geleistet wurden. So haben die drei Firmen Stahl Judenburg, Wuppermann und Hendrickson Austria eine gemeinsame Kindertagesstätte eröffnet. Denn die Gemeinden schaffen es vielfach nicht mehr allein, daher müssen Unternehmen immer öfter selbst initiativ werden. Kinderbetreuung ist noch einigermaßen zu bewerkstelligen, Kinderpädagogik dagegen hat enorme Anforderungen und Auflagen. Uns ist es wichtig, dass Kinder in der Elementarpädagogik so früh wie möglich mit naturwissenschaftlichen Fächern – Stichwort MINT-Förderung – in Kontakt kommen.
Leopold: Das kann ich bestätigen. Vieles hat sich in Richtung der Betriebe verschoben. Auch der Aufgabenbereich einer HR-Abteilung hat sich massiv erweitert. Noch vor 15 Jahren hätte man es nicht als typisches Aufgabengebiet einer Personalabteilung eines Unternehmens gesehen, Wohnungen und Kindergartenplätze für die Familien von Mitarbeitern zu organisieren. Heute ist es notwendig – daher machen wir es auch.

Der große demografische Knick wird sich erst in den nächsten Jahren voll auswirken. Wie vorbereitet ist unsere Wirtschaft? Welche Maßnahmen müssen wir setzen?
Snobe: Wir erleben derzeit ein interessantes Phänomen am Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosigkeit steigt zwar, aber trotz zweier Rezessionsjahre und dem dritten schwierigen Jahr in Folge explodiert sie nicht. Den Grund dafür sehe ich ganz klar in der beginnenden demografischen Entwicklung. Viele Betriebe planen in die Zukunft und halten trotz aktueller Schwierigkeiten Personal, solange es irgendwie geht. Denn früher oder später kommt das Wirtschaftswachstum zurück und gleichzeitig wird die Demografie zuschlagen, wenn wir in den Boomer-Knick hineinkommen. Wenn beide Phänomene zusammenkommen, kumulieren die Herausforderungen. Ein Patentrezept ist schwierig, aber die zwei Zauberbegriffe heißen: Mehr Frauen in Beschäftigung bringen und die Zahl der Arbeitsstunden erhöhen, also länger arbeiten – anders wird es nicht gehen.
Das heißt, mehr Vollzeit, weniger Teilzeit?
Snobe: Wir haben bei der Teilzeitbeschäftigung die zweithöchste Quote in Europa – und damit viel Potenzial. Je mehr Beschäftigte künftig etwa von 20 auf 30 Stunden oder von 32 auf 36 Stunden erhöhen, desto besser. Jede Stunde zählt. Daher wäre es gerade in den peripheren Wirtschaftsräumen so wichtig, ein Angebot für attraktive Frauenbeschäftigung in der Region zu schaffen – etwa im Bereich traditioneller Männerberufe. Das würde nicht nur dem Arbeitskräftemangel begegnen, sondern ist die einzig wirksame demografische Bremse in einer Region. Denn wenn die gut ausgebildeten Frauen nicht abwandern, bleiben auch die Männer. Das können Betriebe natürlich nicht alleine schaffen. Im Verbund gelingt das leichter – daher breche ich eine Lanze für Verbünde. Die beiden wichtigsten in der Steiermark, „KRAFT:dasMurtal“ – hier am Tisch – und der ABV-Verbund in Voitsberg sind Erfolgsgeschichten, von denen andere lernen könnten.
Hampel: Bei „KRAFT:dasMurtal“ haben wir uns das Ziel gesetzt, zur frauenfreundlichsten Region Österreichs zu werden, und setzen Projekte um, damit unsere Betriebe für Frauen attraktiver werden. Das Problem beginnt meiner Meinung nach bereits im Kindergarten und in der Volksschule. Entscheidend ist daher, dass wir Lehrkräfte bei unseren Projekten involvieren. Wir haben unterschiedliche MINT-Projekte, beginnend vom Kindergarten bis zu den höheren Schulen, ins Leben gerufen. Im Kindergarten gibt es beispielsweise die „Spürnasen-Ecke“ und in der Volksschule „Wirtschaft zum Angreifen“. Wir gehen auch selbst in Schulen, um über technische Berufsbilder aufzuklären und laden die Schülerinnen und Schüler zu uns in die Betriebe ein. Dabei nutzen wir jede Chance, um auch Mädchen für Technik zu begeistern.
Katz: Wir wissen aus Studien, dass es die größte Wirkung hat, wenn mit Vorbildern gearbeitet wird. Schließlich gibt es immer noch die klassischen Stereotype, gerade in der Volksschule, wo technische Neigungen bei Mädchen zu wenig gefördert werden. Ganz besonders bei Kindern mit migrantischem Hintergrund, wo diese Möglichkeiten auf Seiten der Eltern kaum gesehen werden. Dabei wäre eine technische Lehre für viele die beste Ausbildungsoption.
Leopold: „Spürnasen-Ecken“ und all das – das sind diese Hausaufgaben, die wir einfach machen müssen. Das ist mittlerweile fast schon eine Selbstverständlichkeit. Und wenn man es konsequent macht, trägt es auch Früchte. Die Effekte sind nachweisbar. Man muss versuchen, so früh wie möglich den Kontakt zu den Kindern und insbesondere zu den Mädchen aufzubauen und sie zum Schnuppern in die Betriebe einzuladen. Man sieht: Die Unternehmen, die zu lange darauf gewartet haben, bis sich das Problem von selber löst, die haben jetzt zu kämpfen. Aber klar ist auch: Die Maßnahmen kosten Zeit und Geld, das darf man nicht vergessen. Aber sie zahlen sich auch aus.
Holzer: Zum Thema Teilzeit möchte ich anmerken: Im Lebensmittelhandel haben wir 72 Stunden Öffnungszeit. Das lässt sich bei den derzeitigen arbeitsrechtlichen Regelungen mit Vollzeitkräften nicht abdecken – schon allein, weil man die 10 Stunden am Tag überschreiten würde. Daher wünsche ich mir mehr Flexibilität im Arbeitszeitgesetz. Die Menschen wären zum Teil sicher auch bereit, drei Tage in der Woche 12 Stunden am Tag zu arbeiten. Damit decken sie die Öffnungszeit ab und haben mit drei Tagen das Pensum erledigt. Wir sollten Teilzeitkräfte mobilisieren statt sie – so wie jetzt – steuerlich zu bevorzugen.
Snobe: Das ist der Punkt. Menschen machen Teilzeitbeschäftigung ja nicht, weil sie faul sind oder Ähnliches, sondern ganz einfach, weil sie rechnen können. Teilzeitbeschäftigung ist steuerlich einfach begünstigt gegenüber Vollzeitarbeit. Wenn man das ändern möchte, helfen keine moralischen Appelle, sondern man muss das System in diese Richtung gesetzlich anpassen.
Holzer: Zum Teil ist es auch ein politisches Thema. Frauen Vollzeit zu beschäftigen, ist nicht gerade eine starke österreichische Tradition, wie wir wissen. Der Mangel an Kinderbetreuungsplätzen zwingt sie teilweise ja geradezu in die Teilzeit, die oft eine Teilzeitfalle ist. Jungen Frauen, die in Karenz gehen, ist das oft nicht bewusst.
Snobe: Ein Thema, das übrigens auch Männer betrifft. 12% der unselbstständig beschäftigten Männer in der Steiermark arbeiten nicht Vollzeit, sondern sind teilzeitbeschäftigt. Bei Frauen liegt der Anteil bei über 50 Prozent.

Wie entwickelt sich der Lehrstellenmarkt?
Snobe: Wenn wir vom Fachkräftemangel reden, müssen wir leider sagen, dass es am Lehrlingsmarkt noch dramatischer ausschaut. Ein Blick auf die aktuellen Zahlen: Wir hatten Ende März 2.708 offene Lehrstellen beim AMS gemeldet – gegenüber 1.476 vorgemerkten Lehrstellensuchenden, wobei die Zahl der offenen Lehrstellen realiter noch höher ist, da uns nicht alle Stellen gemeldet werden. Das heißt, trotz angespannter Arbeitsmarktsituation sieht es momentan so aus, dass Betriebe sehr wohl mehr Lehrlinge aufnehmen wollen, sie aber den Bedarf nicht decken können.
Holzer: Wir investieren seit Jahren sehr viel in diesem Bereich – dennoch ist es schwierig. Es gelingt uns immerhin, dass wir im Schnitt zumindest 80 Lehrlinge, die wir brauchen, pro Jahr aufnehmen können. Dabei ist die Zahl der integrativen Lehrlinge deutlich angestiegen – das sind Jugendliche mit Behinderungen oder besonderen Herausforderungen. Eine Lehre im Handel rangiert vom Image her traditionell im unteren Segment der Wunschberufe, wie Umfragen bestätigen. Zu Unrecht, denn wir bieten längst gute Karrierechancen und Verdienstmöglichkeiten – ein Lehrling verdient bei SPAR im dritten Lehrjahr 1.940 Euro brutto im Monat (Ann.: ab September 2025), zudem sind hohe Prämien in Höhe von 6.700 Euro während der Lehrzeit bei uns möglich. Auf Dauer sehen wir es durchaus als Herausforderung, ausreichend Führungskräfte nachzubesetzen – schließlich haben wir in unseren 125 eigenen Filialen entsprechende Positionen in der Marktleitung und Ähnliches. Daher beschäftigen wir uns ganz intensiv mit der Nachwuchspflege. Von der Politik würde ich mir wünschen, dass Österreich endlich eine echte mittlere Reife einführt. Damit nicht Menschen zu uns in die Ausbildung kommen, die nicht in der Lage sind, zwei Zahlen zusammenzuzählen. So viel Mindestkompetenz muss die Wirtschaft vom Staat und seinen Ausbildungsinstitutionen verlangen dürfen.
Katz: Vieles hängt natürlich mit der gewünschten Akademisierung der Gesellschaft zusammen. Darunter hat das Image der Lehre gelitten. Lehrberufe haben trotz aller Bemühungen zur Imageverbesserung noch nicht den Stellenwert, den sie haben sollten.
Holzer: Wenn man sich die Lebensverdienstsummen ansieht, schneiden Karrieren, die mit einem Lehrberuf gestartet haben, mittlerweile nicht schlechter ab als viele akademische Laufbahnen. Ein Effekt, der sich in Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels wohl noch verstärken wird. Das Gehalt einer Marktleiterin bei uns entspricht etwa einer mittleren Managementposition in Österreich. Damit lässt sich sehr gut verdienen.
Hampel: Eine Lehre ist für mich die derzeit beste Aktie am Jobmarkt. Wer eine Lehre erfolgreich absolviert, dem stehen alle Türen und Karrierewege offen.

Die neue Regierung plant, den Zuverdienst in der Pension mit einer Flat Tax zu besteuern. Erwarten Sie sich daraus positive Effekte?
Snobe: Grundsätzlich begrüße ich die Maßnahme. Diese wird sicher einen Effekt haben – wie groß er sein wird, bleibt abzuwarten. Denn es kann sich jeder Betroffene im Regelpensionsalter – und um diese Personen geht es ja – ausrechnen, ob es sich für ihn bzw. sie steuerlich lohnt, weiterhin einer Beschäftigung nachzugehen. Aber noch wichtiger wäre, dass Menschen überhaupt erst einmal das Regelpensionsalter erreichen – das faktische Antrittsalter liegt ja im Schnitt weit unter dem gesetzlichen. Das wäre ein richtiger großer Hebel. Daher müssen wir alles unternehmen, Menschen länger im Erwerbsleben zu halten.
Leopold: Wir machen im Betrieb immer wieder Belegschaftsstrukturanalysen und achten darauf, dass alle Generationen bei uns gut vertreten sind und dass es einen guten Mix gibt, egal, ob bei Führungs- oder Expertenpositionen. Was mir auffällt: Ich finde es teilweise beschämend, mit welchen niedrigen Gehaltserwartungen über 50-Jährige teilweise schon zu Vorstellungsgesprächen kommen. Man merkt, wie sehr sie ihre Bedürfnisse bereits nach unten geschraubt haben, weil sie denken, dass sie Kompromisse eingehen müssen, um mit den Jungen noch mithalten zu können – so hat es für mich zumindest den Anschein.
Die Regierung plant – wieder einmal – Verbesserungen bei der Rot-Weiß-Rot-Card. Welche Optimierungen wünschen Sie sich?
Snobe: In einigen Punkten wurden die Regeln von der letzten Regierung bereits liberalisiert. Eine weitere Verbesserung hat die aktuelle Bundesregierung ins Regierungsprogramm geschrieben – diese betrifft die Verfahrensdauer. Zu Recht – denn aus der Praxis darf ich sagen, die Verfahrensdauer ist in vielen Fällen wirklich ein Riesenproblem, vor allem, wenn es um Personen aus Übersee oder aus Asien geht. Ein wichtiger Impuls zur Verfahrensbeschleunigung in diesem Bereich wurde auch vom ehemaligen LH Christopher Drexler auf den Weg gebracht. Seine Idee: die Schaffung von Schwerpunktzentren bei ausgewählten Bezirkshauptmannschaften, die besonders häufig mit der Materie zu tun haben und daher raschere Verfahren gewährleisten könnten. Ich finde, eine sehr gute Idee! Ob sie nach dem bekannten Wahlausgang jemals umgesetzt wird, kann ich freilich nicht beantworten.
Katz: Klar ist, wir in Österreich fischen nicht als Einzige im internationalen Teich und sind meist nicht das Zielland Nummer eins. Englischsprachige Länder haben hier einen Vorteil, da auch die Communities schon vor Ort sind. Und wenn wir dann noch anfangen, von einer Festung zu reden, dann ist das auch nicht sehr hilfreich.
Hampel: Laut Industriellenvereinigung ist Österreich in Europa Schlusslicht bei der qualifizierten Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte. Das wäre eine Aufgabe für die neue Bundesregierung.
Abschließend – was wünschen Sie sich?
Katz: Ich wünsche mir, dass wir nicht so weitertun wie bis her. Wir stehen vor einer demografischen Realität, die zum Planen und Handeln nötigt. Es gibt Länder, die in dieser Entwicklung schon weiter fortgeschritten sind – siehe Korea und Japan. Ein Blick dorthin würde sich lohnen, um hier aus positiven und negativen Beispielen zu lernen.
Holzer: Ich habe die Hoffnung, dass der Schmerz bereits groß genug ist, damit endlich Bewegung in die Dinge kommt – in vielerlei Hinsicht. Auf Bundesebene und auf Landesebene, vor allem im Bereich Föderalismus. Reformen wurden so lange verzögert, dass der Druck groß genug wäre, um Strukturreformen anzugehen und eine Prozessbereinigung zu starten. Das würde uns allen helfen und die Wirtschaft wieder schlagkräftiger machen.
Leopold: Im Bereich Fachkräftemangel tun wir ohnehin bereits alles, was in unserer Macht steht. Aber irgendwann stößt man als Betrieb an seine Grenzen – und manches geht schon über die unternehmerische Verantwortung hinaus. Was uns alle belastet, ist die Bürokratie- und die Kostenschraube bzw. die immens hohen Standortkosen – hier müsste die Politik den Hebel ansetzen und die Rahmenbedingungen für die Betriebe verbessern. Welche Effizienzgewinne künftig Digitalisierung und KI bringen, wird man sehen. Derzeit sind wir, glaube ich, noch weit davon entfernt, dass die KI wirklich Jobs ersetzt. Aber wir können damit Menschen in der administrativen Arbeit entlasten. In manchen Bereichen wie in der HR werden wir dadurch noch effizienter und können die Zeit für menschliche Kontakte nutzen.
Snobe: Mein Resümee: Die gestiegene Arbeitslosigkeit macht mir zwar Kopfzerbrechen, aber keine schlaflosen Nächte. Die demografischen Herausforderungen in der Zukunft hingegen machen mir echte Sorgen – weil Fachkräftemangel ist ein Entwicklungshemmer. Ihr kann man nur begegnen, indem man die bestehenden Potenziale besser nutzt als heute. Auch die Technisierung kann durchaus helfen, den Mangel in manchen Bereichen etwas abzumildern.
Hampel: Mein Schlusswort: Ich bin der festen Überzeugung, dass sich Leistung wieder lohnen muss und dass Mädchen und Burschen, die arbeiten wollen, auch arbeiten dürfen bzw. für ihren Einsatz eine angemessene Bezahlung erhalten. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen genau: Nur bis zu 20 Überstunden zahlen sich aus – aber nicht mehr. Die Steuer ab der 20. Überstunde schadet der Leistungsbereitschaft, denn die Menschen können rechnen. Daher würde ich mir wünschen, dass der Staat wieder mehr Leistungsanreize schafft.
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