Spirit of Styria

Wie viel Forschung BRAUCHEN KMU?

SPIRIT-Talk: Welche Bedeutung haben Forschung & Entwicklung für kleine und mittelständische Unternehmen in der Steiermark? Worin bestehen die Hürden und Herausforderungen für KMU in der Forschung? Wie treffsicher ist das Förderungssystem im F&E-Bereich? Welche Potenziale gilt es zu heben? Und welche Funktion spielen dabei die heimischen Cluster? Fragen, die wir mit Expertinnen und Experten bei einem Roundtable in unserer Redaktion diskutierten.

Angeregte Diskussion über „Forschung für KMU“ in den Räumlichkeiten von „SPIRIT
of Styria“ mit Herausgeber Siegmund Birnstingl und CR Wolfgang Schober
TALK AM RING 
ist ein Diskussionsformat
von SPIRIT of Styria. Jeden Monat laden
wir Expertinnen und Experten zur Diskussion über ein spannendes Wirtschaftsthema an den Runden Tisch in die Redaktion am Grazer Opernring. 

Wie forschungsfreudig sind KMU in der Steiermark?
SEKULOVSKA: Wir sind es auf jeden Fall. Für uns als kleines Startup in der Wachstumsphase ist Forschung der Motor für Innovation. Bei Luminous Labs nutzen wir eine innovative Rotlicht- und Nahinfrarotlicht-Technologie, die das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit steigert – damit sind wir im Bereich der Prävention tätig, ein zentrales Zukunftsthema für die Gesellschaft. Gerade hier sind Forschung und der Transfer in die Anwendbarkeit das Um und Auf.

POCK: Forschung ist essentiell für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Daher freue ich mich, einen Sektor repräsentieren zu dürfen, der ausgesprochen forschungsaffin ist. In vielen Unternehmen des HTS stellt Forschung den Ursprung und die Grundlage der Geschäftstätigkeit dar. Ohne fortlaufende Forschungstätigkeit könnten die meisten Betriebe gar nicht bestehen. Der Großteil unserer Cluster-Partner sind KMU, daher haben wir viele kleine und mittlere Betriebe in unseren Reihen, die forschen.

EDER: Auch in der Mikroelektronik ist Forschung Teil der DNA der Firmen. Die F&E-Quote der KMU in unserem Cluster liegt im Schnitt bei rund 20 %. Und zwei Drittel unserer Partner sind KMU, daher ist dieses Segment für uns so wichtig. Die Forschungsquote in den Bundesländern Steiermark und Kärnten (AREA Süd) ist eine der höchsten in Europa, in Österreich sind diese beiden Regionen im Schnitt die Nummer eins. Und unsere Branche liegt laut Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie im Europa-Vergleich hinsichtlich Anteile an der unternehmerischen F&E auf Platz eins.

POCK: Zur Verdeutlichung: Der europäische Durch-schnitt in der Forschung liegt bei 2,2 %, in Österreich sind es im Schnitt 3,2 % und die Steiermark liegt bei 5,2 %. Wir sind damit eine der drei Top-Regionen bei F&E in Europa. Drei Viertel dieser Ausgaben werden von Unternehmen getätigt. Das heißt, die öffentliche Hand hat hier mit ihren Budgets noch Luft nach oben. Die Steiermark ist eine Forschungs- und Technologieregion – so wollen wir uns auch langfristig positionieren. Daher ist der Forschungssektor auch als Branche in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen. Dieser Sektor stellt einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor in der Steiermark dar. Darin arbeiten 18.000 Menschen. Forschungseinrichtungen sind auch Partner von Großkonzernen, die wiederum wichtig für das Ökosystem sind. Als Cluster erfüllen wir eine wichtige Brückenfunktion zwischen Forschung und Wirtschaft.

DIE TEILNEHMERINNEN

Lejla Pock
Geschäftsführerin Human.technology Styria (HTS), 150 Mitgliedbetriebe aus dem Life-Science-Bereich

Martin Funk
Gründer und CEO des Biotech-Startups EVOMEDIS am ZWT II in Graz, Entwicklung neuer Therapien zur Behandlung von Verbrennungswunden

Barbara Sekulovska
Co-Gründerin und CEO Luminous Labs, Langlebigkeits- und Biohacking-Unternehmen mit Sitz in Graz (innovative Rotlicht- und Nahinfrarotlicht-Technologie)

Gernot Eder
Site Manager Graz & Business Development des SILICON ALPS Cluster, des Mikroelektronik-Clusters im Süden Österreichs,
140 Partner

Gerald Resch
Gründer und Geschäftsführer Resch GmbH Fertigungstechnik
und Prototyping in Glojach
(Gemeinde St Stefan i. R.), 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

EDER: Wir erbringen viel Unterstützungsleistung, um Forschung, Industrie und Anwender zu vernetzen – und sind damit DER Brückenbauer in der Halbleiterbranche. Das beginnt bereits bei der Ausbildung sowie dem Austausch mit den Universitäten – ob mit TU Graz, Uni Graz, Alpen-Adria-Universität, MUL oder den Fachhochschulen Campus 02, FH JOANNEUM, FH Kärnten sowie natürlich den Forschungsinstitutionen JOANNEUM RESEARCH und Silicon Austria Labs (SAL), als optimale Sparringspartner für die Betriebe. Dabei gibt es attraktive Forschungsförderungsmodelle, die auch mit relativ wenig Geldmitteleinsatz viel Forschung hebeln können. Auch für KMU ist das sehr interessant. Die sektorübergreifende Vernetzung ist auch deshalb so wichtig, weil die Technologien unserer Partner in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt werden können – ob in der Medizintechnik, im Automotiveoder im Green-Tech-Sektor.

SEKULOVSKA: Wir sind ein gutes Beispiel dafür – da wir von der Ausrichtung in den Life-Sciences angesiedelt sind, aber Produkte haben, die smarter werden sollen. Dabei kann uns der Silicon Alps Cluster gut unterstützen, indem er uns auf Angebote aufmerksam macht, etwa bei Forschungsförderungen, die wir im Daily Business leicht übersehen würden.

Inwiefern werden Ihre Produkte smarter und welche Forschung brauchen Sie dafür?SEKULOVSKA: Wir sind ein Biohacking-Startup mit Fokus auf Wohlbefinden, Beauty und Langlebigkeit. Dafür nutzen wir sehr innovative Licht-Technologien mit sehr spezifischem Licht im Spektrum von 600 bis 900 nm. Aus der medizinischen Forschung weiß man längst um seine Wirksamkeit für den Menschen. Licht wird dabei über die Haut aufgenommen und wirkt in den Zellen positiv auf die Mitochondrien, die dadurch mehr Zellenergie produzieren. Das steigert die geistige und körperliche Resilienz. Wir sind mit unseren Produkten erfolgreich am Markt – und konnten bereits rund 2.000 Luminousred-Geräte verkaufen, vor allem in Nordamerika. Der Hauptunterschied zu bestehenden Produkten ist, dass bei uns keine Wärme produziert wird – denn wir verwenden „kaltes“ Licht. Der Clou: Eine Zelle kann kaltes Licht viel länger aufnehmen – und damit mehr Lichtenergie. Das Lichtspektrum selbst ist längst wissenschaftlich bestätigt, wir fokussieren uns mit unserer IP auf die spezifische Lichtmischung bzw. Lichtmodulierung innerhalb dieses Spektrums für gezielte Use-Cases – unser Fokus liegt auf der Anwendbarkeit. Die Technologie kann für viele Anwendungsfälle eingesetzt werden – Hautverjüngung, Muskelregeneration, Entspannung etc. Unser großes Ziel ist nun die Personalisierung. Das heißt, wir wollen künftig maßgeschneidert für jeden Anwender abhängig von Geschlecht, Herkunft, Hautbeschaffenheit & Co. die effektive Dosierung für den jeweiligen Anwendungsfall anbieten. Dafür braucht es Softwarelösungen und smarte Technologien – und sehr viel Forschung. Welches Licht in welcher Dosis brauchen Männer oder Frauen bzw. Menschen mit unterschiedlichen Hauttypen, um optimale Ergebnisse zu erzielen? Da haben wir viel tun.

FUNK: Auch wir leben von Forschung und Entwicklung. EVOMEDIS entwickelt neuartige Therapeutika zur Behandlung von Verbrennungswunden. Diese Produkte haben lange Entwicklungszyklen, wir werden damit nicht vor 2031 am Markt sein. Das heißt aber auch, Forschung spielt in unserem Bereich eine besondere Rolle zur Reduktion bestehender Risiken. Ziel ist natürlich die Entwicklung eines Produkts, aber darüber hinaus generieren wir sehr viel Wissen – für uns, unsere Investoren, die Behörden bzw. für Ärzte und Patienten.

EVOMEDIS ist das Spin-off eines deutschen Unternehmens mit Sitz in Würzburg. Warum haben Sie in Graz gegründet?
FUNK: Wir haben uns ganz bewusst für Graz entschieden, weil hier einfach das Netzwerk und die hohe Expertise, die wir brauchen, vorhanden sind. Wir hatten davor schon einige Jahre mit der Med Uni zusammengearbeitet. In der Medical Science City Graz haben wir die gesamte Infrastruktur, die wir benötigen, und vor allem die Forscherinnen und Forscher, mit denen wir kooperieren – wir selbst sind derzeit noch zu dritt, arbeiten aber im Netzwerk mit vielen Partnern am Campus zusammen. Wir können hier die gesamte präklinische und klinische Entwicklung vor Ort machen – ein Asset der Region, das im Grunde unbezahlbar ist. Als Außenstehender sage ich deutlich: In Graz muss sich niemand vor Wien verstecken – im Gegenteil. Hier findet sich neben der Kompetenz auch ein ganz toller Menschenschlag. Und vor allem kann ich hier auf einem Quadratkilometer so gut wie alles managen – alle Partner sind fußläufig erreichbar.

POCK: Die Bedeutung der physischen Nähe für Innovationen ist tatsächlich nicht zu unterschätzen. Die besten Ideen entstehen meiner Erfahrung nach, wenn man Dinge persönlich besprechen kann – es braucht die Energie von zwischenmenschlichen Begegnungen. Das geht online sehr schwer.

FUNK: Wir gehen davon aus, dass die Entwicklung gelingt, aber wir sind auch Realisten, weil ich in den vergangenen 25 Jahren schon einige Produktentwicklungen scheitern gesehen habe. Es gibt keine Garantie, aber manchmal muss man auch Umwege gehen und kann auf diesem Weg viel Wissen erzeugen. Eine der großen Herausforderungen derzeit: Im Augenblick ist die Investitionsneigung in Biotechnologie-Startups sehr gering. Venture-Capital-Geber sind extrem zurückhaltend. Privates Geld wäre zwar vorhanden, aber potenzielle Investoren sind besonders investitionsavers. Das ist ein Punkt, wo der Staat unterstützen könnte, indem er bei Finanzierungen von Venture-Capital oder Privatinvestoren mitzieht, um die Investitionsszene zu beleben.

EDER: Genau das machen die SFG und der KWF hierzulande. Venture Capital wird vom Land Steiermark sowie vom Carinthian Venture Fonds sehr gut unterstützt. Da gibt es gelungene Beispiele von gemeinsamen Finanzierungen mit lokalen Betrieben. Die Mikroelektronikbranche hat ohnehin sehr spezielle Rahmenbedingungen. Durch den European Chips Act (ECA) werden in Europa in den kommenden Jahren unter anderem Produktionsstandorte in Milliardenhöhe errichtet. Darüber hinaus wird im Rahmen des ECA viel Geld in die Hand genommen, um Forschung und Innovation voranzutreiben sowie die Vernetzung gezielt zu fördern – und dabei spielt auch Österreich eine tragende Rolle.

Die Firma Resch aus Glojach ist Spezialist für Sonderfertigungen und Prototyping. Sie als Gründer gelten als steirischer „Daniel Düsentrieb“, der am liebsten Unmögliches möglich macht. Woher kommt der Forscherdrang?
RESCH: Der war schon immer da. Ich komme ursprünglich aus der Forschung und habe 20 Jahre lang bei der Firma „Labor für Messtechnik“ in Graz Messinstrumente entwickelt und gebaut. Erst durch einen Zufall wurde ich selbstständig – aber mein Herz gehört der Forschung und Entwicklung. Ich sehe, dass die Steiermark ein großes Talent für Forschung hat. Es liegt offensichtlich in unserer Mentalität, innovativ und erfinderisch zu sein. Darin sehe ich auch weiterhin sehr viel Potenzial. In Wahrheit ist Forschung und Entwicklung auch die einzige Chance, die wir haben, um unseren Wohlstand in Mitteleuropa halten zu können. Bei uns in der Firma haben wir viele Entwickler, nicht unbedingt Forscher – weil Forschung ist für mich Grundlagenforschung – daher sage ich, wir machen Entwicklung. So haben wir unter anderem eine Lichtleitfolie gemeinsam mit JOANNEUM RESEARCH entwickelt – und wir entwickeln gerade einiges im Bereich Batterien für E-Autos. Dabei halten wir einige Patente und immer wieder kommen neue dazu. Wir sind auch deshalb so innovativ, weil wir nicht nur für eine Branche arbeiten, sondern für viele – das stärkt unser Know-how, egal ob Automotive, Messtechnik oder Medizintechnik. Durch das breite Portfolio lernen wir laufend dazu. Dabei werden wir zum Glück von tollen Partnern wie unseren Unis unterstützt. Wir haben alle Möglichkeiten, die man sich wünschen kann, und wollen mit unserem Fokus auf F&E Vorreiter bleiben – sonst haben wir auf Dauer keine Chance am Markt. Denn mit reiner Lohnfertigung könnte ich heute nicht mehr überleben.

Was braucht der F&E-Standort aus Ihrer Sicht?
RESCH: Ich würde mir mehr Investitionen in öffentliche Institutionen wünschen – ob bei Unis oder Schulen. So sollten Schulen wie AHS und HTL mit mehr Kapital ausgestattet sein, um 3D-Drucker anzuschaffen. Der Hauptgrund, warum der 3D-Druck noch nicht so richtig Fahrt aufgenommen hat, liegt am Engpass von Absolventen mit Know-how in 3DKonstruktion. Die meisten haben es in der HTL nicht gelernt. Ich finde, hier sollte Geld keine Rolle spielen. Es braucht das beste Equipment für die besten Leute in Österreich.

Wie erkennen Sie, ob eine Idee aufgeht bzw. wann ist es nötig, die Reißleine zu ziehen?
FUNK: Da gibt es verschiedene Aspekte – wissenschaftliche und wirtschaftliche Risiken. Irgendwann muss das Produkt am Menschen getestet werden und auch wenn vorher schon unzählige Tests stattfanden, kann man nie sagen, ob es hinterher genauso wirkt, wie man sich das vorgestellt hat. Da gibt es einfach ein wissenschaftliches Risiko, das man nicht ausschließen kann. Ein weiteres Risiko sind Regularien und Behördenentscheidungen, die man nicht direkt beeinflussen kann. Und natürlich ist am Ende alles eine Kostenfrage. Man kriegt ja nicht immer den Preis, den man sich wünscht und muss Annahmen treffen. Niemand kann heute wissen, wie sich der Markt im Jahr 2031 genau entwickelt. Wichtig ist, dass man alle strategischen Entscheidungen gut begründen kann und die Investoren und sein Team hinter sich hat. Ich habe in der Vergangenheit auch schon persönlich erlebt, was passiert, wenn z.B. eine klinische Studie abgebrochen werden muss. Vor allem, wenn es ein börsennotiertes Unternehmen betrifft und das dann gleich einmal 40 % des Wertes verliert. Das sind Erfahrungen, aus denen man auch sehr viel lernt.

RESCH: Klar, jede Entwicklung ist immer mit Risiken behaftet. In meiner langjährigen Erfahrung gab es natürlich auch immer wieder Fehlschläge, doch daraus lernt man ja auch. Daher habe ich heute grundsätzlich ein gutes Gespür, ob etwas funktionieren wird oder nicht – zumindest in der Mechanik. Die Elektronik ist wieder etwas anderes. Aber hier bringen mittlerweile meine Söhne ihr Wissen ein.

FUNK: F&E ist immer auch eine Sache des richtigen Team-Mix. Man braucht sowohl sehr erfahrene Leute, aber genauso „Junge Wilde“. Man braucht von beiden Seiten etwas, um konkurrenzfähig zu sein in der hochkompetitiven Welt der Forschung & Entwicklung. Es ist ein globales Rennen und da muss man mit den Besten mithalten können. Für uns ist der eigentliche Zielmarkt die USA, im Bereich der Gesundheit ein Hochpreismarkt. Dort müssen wir bestehen und für den wollen wir uns aufstellen – das geht nur mit Know-how. Unser Vorteil: F&E ist in den USA um den Faktor zwei bis drei teurer. Auch die Bewertung der Firmen sind meist das Drei- bis Fünffache. Gleichzeitig ist das eine Chance für Europa, weil wir hier Qualität haben, aber noch nicht diese hohen Kosten.

Wie risikobehaftet ist Forschung bei Luminous Labs?
SEKULOVSKA: Bei uns ist das etwas anders. Denn es gibt bereits über 6.000 Studien zu unserer Technologie, zum Großteil allerdings im medizinischen Bereich rund um die Lasertechnologie. Wir sind im nicht-medizinischen Bereich und setzen auf LEDs, daher ist eine 100-%ige Übersetzbarkeit der Forschungsergebnisse nicht gegeben. Wir haben ganz andere Fragestellungen – wie vorhin genannt. Die Forschungen im medizinischen Bereich betreffen Wundheilung für Entzündungen & Co. – das sind nicht unsere Use Cases. Wir haben das Glück, dass der Markt noch relativ jung ist – es gibt einige Mitbewerber, von denen wir uns positiv differenzieren können. In der EU sind wir der einzige Anbieter – die europäische Expertise verschafft uns auch auf dem amerikanischen Markt einen Vorteil. Mit dem Fokus auf wissenschaftlich geprüfte und wirksame Anwendbarkeit wollen wir diese Position stärken. Die Finanzierung funktioniert stark über Forschungsförderung, vor allem von der FFG. Die aktuelle Herausforderung: Licht ist ein saisonales Th ema – das sehen wir in den Umsätzen. Von Oktober bis Februar/März ist die Nachfrage sehr groß, im Sommer geht sie zurück. Daher wollen wir uns im Unternehmen während der Off-Season schwerpunktmäßig auf F&E fokussieren.

Was steht bei Ihnen aktuell am F&E-Programm?
RESCH: Aktuell haben wir ein Entwicklungsprojekt mit Silicon Austria Labs am Laufen. Ich habe ein Patent angemeldet für ein Verfahren, das Stützstrukturen um einen Metallkörper beim 3D-Druck entfernt. Nun braucht es elektronische Bestandteile, um das dafür nötige Messinstrument bauen zu können. Damit kann man 3D-Druck künftig industriell automatisiert anwenden. Derzeit ist beim Entfernen dieser Stützstrukturen noch viel Handarbeit nötig. Ein manuelles Nachbearbeiten, das rund 66 % der Kosten für 3D-Druck ausmacht. Diese können wir in Zukunft drastisch reduzieren. Daher sehen wir Riesenpotenzial darin, aber es braucht noch sehr viel Entwicklungsarbeit – und viel Kapital.

SEKULOVSKA: Bei uns gilt der Fokus der Softwareentwicklung – diese schreitet voran. In den nächsten Wochen werden wir den ersten Prototypen testen können, das smarte Produkt soll dann 2024 auf den Markt kommen. Dieses ermöglicht die maßgeschneiderte Anwendung für den User. Und wir haben damit in Zukunft auch die Chance, zumindest Teile der Produktion wieder in die EU zu verlagern. Denn produziert wird derzeit noch in Asien. Unser Ziel ist aber, die Supply Chain künftig vermehrt nach Europa zu holen. Je näher, desto besser. Aber da stehen wir noch am Anfang, das braucht entsprechende Ressourcen.

POCK: Ein Produkt im Life-Science-Bereich auf den Markt zu bringen, ist extrem schwierig – wie das Beispiel von EVOMEDIS zeigt. Wegen der hohen Risiken und des regulatorischen Umfelds sind die Hürden enorm hoch. Daher setzen wir im Cluster neben den Themenfeldern Pharma&Biotech und Medtech ganz bewusst auch auf das Thema Health&Sustainability, ein Bereich, der nicht diesen strengen Regularien unterliegt. Darunter fallen etwa auch Nahrungsergänzungsmittel – oder eben Produkte wie jene von Luminous Labs. Man startet erst mal als Lifestyle-Produkt, um sich dann womöglich im Lauf der Zeit in Richtung Medizintechnik- bzw. Pharma-Produkt bewegen. Damit schaffen die Unternehmen später ein Upgrade, das ihnen eine höhere Glaubwürdigkeit am Markt bringt.

SEKULOVSKA: Das ist auch für uns strategisch die Richtung, in die es gehen soll. Am Anfang haben wir uns bewusst dagegen entschieden, weil es zu Beginn innovationshemmend wirkt. Aber in einer späteren Phase kann das ein spannender Weg sein. Schließlich wollen wir kein Hype-Produkt sein, das einen Trend mitmacht und nach ein paar Jahren ist alles vorbei. Im Gegenteil: Wir glauben, dass unsere Positionierung am Langlebigkeitsmarkt sehr nachhaltig ist. Schließlich geht es bei uns um das Thema Prävention. Je frühzeitiger jemand positiv auf seine Gesundheitsspanne einwirken kann, desto besser.

Wie zufrieden sind Sie mit dem System der Forschungsförderungen?
RESCH: Mit der SFG bzw. der FFG sind wir gut aufgestellt – das funktioniert.

FUNK: Im Großen und Ganzen funktioniert das System in Österreich gut – besser jedenfalls als in Deutschland. Mit ein Grund, warum ich in Graz gelandet bin. Oft sind die kleinen Unterstützungen die hilfreichsten, wie z. B. der „Patentcheck“, mit dem man für die erste Patentanmeldung 10.000 Euro bekommt – relativ unbürokratisch. Oder auch der Innovationscheck in ähnlicher Höhe. Das ist manchmal wirksamer als die Riesenpakete, die einfach lange dauern. Ob man diese wirklich bekommt, dafür liegt die Wahrscheinlichkeit oftmals unter 50 Prozent – bei EU-Förderungen noch weit geringer. Damit sollte man ein Firmenbudget nicht planen. Das ist das Hauptproblem: Man kann in seinen Businessplan die beantragte Forschungsförderung nicht hineinschreiben, weil man nicht weiß, ob man sie bekommt.

SEKULOVSKA: Das Antragstellen kann tatsächlich ein paar Monate Vollzeitarbeit ausmachen, wie wir gerade sehen. Das ist eine eigene Welt. Dabei lernt man aber sehr viel, auch strategisch – und wir haben, Gott sei Dank, Clusterpartner bzw. Consultants mit dabei, die uns unterstützen. Die Cluster helfen in der Vermittlung oder machen eben auf Dinge aufmerksam.

EDER: Für uns als Cluster – aber auch für andere Stellen – ist es daher sehr wichtig, in dem Bereich Awareness zu schaffen und Themen und Zugänge aufzuzeigen, gerade im Förderbereich: Welche Möglichkeiten gibt es, welche Institutionen können helfen? Der Support zur richtigen Zeit von der richtigen Stelle macht dann oft den Unterschied. Und seit geraumer Zeit sind wir auch selbst aktiv in nationale und europäische Förderprogramme eingebunden, um etwa durch „Cascade Funding“ Zugang zu Finanzmitteln und Experten für unsere Partner zu schaffen.

RESCH: Was man aber auch sagen muss: In der Steiermark haben wir sehr gute Techniker, auch bei uns im Betrieb – das ist oft nicht das Problem. Viel schwieriger ist es meist, Kunden zu finden oder die Entwicklung so bekannt zu machen, dass der Kunde weiß, dass man eine Lösung für sein Problem hat. Die Frage der Vermarktung ist oft der Knackpunkt.

EDER: Daher geht es ja meiner Ansicht nach vermehrt in die Richtung, dass man schon beim Antrag für die Forschungsförderung den Verkauf mitdenken sollte. Man muss gewissermaßen um die Förderung pitchen und den Antrag für die Fördergeber so aufbereiten, dass das Thema verkaufbar ist. Das muss man auch beherrschen. Und dafür gibt es Spezialisten und Consultants, die dabei unterstützen. Das Geld sollte man auch als KMU durchaus in die Hand nehmen, um sich professionell supporten zu lassen und die Förderungen abholen zu können.

POCK: Der Wille der genannten Institutionen, die Firmen zu unterstützen, ist absolut da. Bei uns in der Branche ist es eher die Herausforderung, dass man wirklich den Prozess durchgängig begleitet. Denn oft fehlt in dem Moment, wo es Richtung klinische Studie geht, die finanzielle Unterstützung – also dann, wenn es um größere Beträge geht.

FUNK: Das kann ich nur bestätigen. Ich habe hoffentlich Ende 2028 meine ersten klinischen Daten, bis dahin brauchen wir rund 13 Millionen Euro. Das kann man auch nicht schneller und billiger machen – das funktioniert nicht. Unser Hauptinvestor ist die Firma BIOSKINCO in Mexiko, die bereits ein ähnliches Produkt vertreibt. Und diese finanziert unser Projekt schon seit vielen Jahren aus ihren Einnahmen. Damit sind wir noch relativ gut aufgestellt im Augenblick. Aber wir suchen natürlich weitere Investoren.

Wie sieht es mit dem F&E-Nachwuchs aus? Haben wir ein Fachkräfteproblem in der Forschung?
POCK: Es gibt zum Glück starken Zulauf aus dem Ausland. Vor allem die COMET-Kompetenzzentren sind starke Anziehungspunkte und Magnete. Das ist ein sehr internationales Umfeld. Diese Kompetenzzentren betreiben Spitzenforschung, die sehr attraktiv wirken für Forschende.

EDER: Silicon Austria Labs sind ebenso ein sehr gutes Beispiel, wo Menschen aus rund 40 Nationen arbeiten. Es ist essenziell, wo wir Geld investieren und in welchen Bereichen Initiativen gesetzt werden – Schwerpunktsetzungen sind extrem wichtig. Auf Basis der Silicon Austria Initiative im Jahr 2016 wurde der Silicon Alps Cluster neu aufgestellt und kurz danach das Forschungszentrum Silicon Austria Labs gegründet. Dieses ist seit einigen Jahren operativ tätig und hat mittlerweile bereits über 300 Forschende in Bereichen wie Microsystems, Sensor Systems, Intelligent Wireless Systems und Power Electronics.

FUNK: Die Frage ist immer, wie man es schafft, Win-win-Situationen herzustellen. Als kleine Firma können wir Leute nicht einfach kaufen, sondern versuchen einen Weg zu finden, mit ihnen zusammenarbeiten – z.B. mit Doktoranden oder Diplomanden. Win-win-Situation kann heißen: Mein Teil der Bezahlung ist nicht das Geld, sondern wir schreiben zusammen Publikationen. Dazu kommt die Motivation, dass die Forschenden etwas bewegen können. Also nicht nur wissenschaftlich, sondern auch in der Anwendung. Ich kann einem Doktoranden sagen: „Wenn du das jetzt drei Jahre machst, haben wir gute Chancen, dass das Produkt in die Klinik kommt und dann haben wir wirklich etwas erreicht.“ Das sind die Dinge, die die Leute auch motivieren. In Zukunft planen wir Stellen zu teilen, so dass unsere Mitarbeiter dann teilweise an der Universität und teilweise bei der EVOMEDIS angestellt sind.

POCK: Damit kann auch jeder vom Wissen der anderen profitieren. Wenn ich einen Forschenden ausschließlich bei mir habe, habe ich ihn schon abgekapselt vom restlichen Wissen. Daher verfolgen wir im Cluster den Ansatz, dass wir Forschung und Unternehmen verbinden und somit kooperative Projekte entstehen lassen, wo alle von den Synergien profitieren. Die spannendsten Dinge entstehen in interdisziplinären Projekten. Und die typische Trennung Grundlagenforschung und Angewandte Forschung verschwimmt ohnehin immer mehr.

Ist Krise ein Hemmschuh oder ein Turbo für Innovation?
RESCH: Es ist beides. Einerseits wirkt die Krise hemmend, denn gerade wir als KMU müssen mit den Einnahmen aus dem täglichen Geschäft die Entwicklung bezahlen. Man braucht das tägliche Geschäft. Gleichzeitig braucht es aber heute Forschung und Entwicklung, um dann morgen – wenn die Wirtschaft wieder läuft – innovative Produkte anbieten zu können. Deswegen investieren wir ständig.

Fotos: Oliver Wolf, beigestellt

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