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Grünes Fracking: „DIE ZEIT IST REIF“

Mit Know-how gegen die Gaskrise: Herbert Hofstätter von der Montanuni Leoben entwickelte eine Methode für die ökologisch unbedenkliche Förderung von Schiefergas. Das „grüne Fracking“ kann auch für die Nutzung von Geothermie eingesetzt werden. Die wissenschaftlichen Hausaufgaben sind gemacht. Jetzt fehlt nur noch die Umsetzung.

Nichts auf der Welt ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ Ein Hauch von Victor Hugo liegt in der Luft bzw. – in diesem Fall – unter der Erde. Die Idee war schon vor zehn Jahren bestechend, doch mächtig wird sie erst heute – die Zeitenwende macht’s möglich. Im Jahr 2012 sorgte eine Entwicklung von Herbert Hofstätter, Professor am Lehrstuhl für Petroleum und Geothermal Energy Recovery der Montanuniversität Leoben, für Furore. Der Wissenschafter hatte ein Verfahren entwickelt, das sauberes Fracking – also die Förderung von Schiefergas aus unterirdischen, in Gestein eingeschlossenen Lagerstätten – ermöglichen sollte. Zeitgleich hatte die OMV bei Poysdorf im Weinviertel riesige Schiefergasvorkommen entdeckt.

„Mit der Methode wollen wir einen Beitrag leisten für eine sichere und nachhaltige Energieversorgung. Wir müssen auch an die nächste Generation denken.“

HERBERT HOFSTÄTTER
Montanuni Leoben


Doch noch ehe die kommerzielle Ausbeutung starten konnte, brachten Bürgerproteste und Umweltorganisationen das Projekt zu Fall. Fast zehn Jahre später erlebt die Idee eine Renaissance. „Damals war die Zeit nicht reif, nun haben sich die Vorzeichen massiv geändert“, erklärt Herbert Hofstätter, Entwickler der innovativen BEER-(Bio Enhanced Energy Recover)-Methode. Der Clou des Verfahrens gegenüber herkömmlichem Fracking? „Die Methode kommt ohne bedenkliche Chemikalien aus und ist absolut umweltverträglich. Auch sonst geht davon kein Gefahrenpotenzial aus, auch eine erhöhte Erdbebengefahr ist auszuschließen“, so der Professor, der das gängige Verfahren entscheidend modifizierte. Das Prinzip: Beim Fracking wird unter hohem Druck mit Chemikalien versetztes Wasser in ein Bohrloch gepumpt, um die Gesteinsschichten aufzubrechen. „Damit schaffen wir künstliche Fließwege im Schiefergestein, die das Gas freisetzen. Um diese kleinen Klüfte offenzuhalten, müssen sie gestützt werden – dazu wird ein Stützmittel, etwa Sand oder Bauxit, eingebracht“, so Hofstätter. „Damit diese Körnchen nicht zu Boden sinken, braucht es eine Flüssigkeit, die die Teilchen in Schwebe hält – und zwar genau an der Stelle, wo wir sie für die Stützung brauchen.“ Der entscheidende Punkt der Innovation: Für die notwendige Dichte und Tragfähigkeit der Flüssigkeit verwendet Hofstätter anstelle von ökologisch bedenklichen Inhaltsstoffen modifizierte Stärke und das Naturprodukt Kaliumkarbonat. „Damit kommen ausschließlich Substanzen zum Einsatz, die vielfach geprüft, in keinster Weise gesundheitsgefährdend und von Behörden seit Langem genehmigt sind“, betont Hofstätter. „Zudem sind die Veränderungen der Klüfte in der Tiefe so minimal, dass sie an der Oberfläche für den Menschen nicht spürbar sind. Vielfach befürchtete Erdbeben sind also aus technischer Sicht gar nicht möglich.“

Hebel für die Geothermie
Dennoch habe er Verständnis für die Sorgen der Menschen. „Das ist im Leben immer so. Wenn Menschen nicht ausreichend Wissen über etwas haben, entwickeln sie Ängste – auch wenn sie, wie in diesem Fall, völlig unbegründet sind. Umso mehr müssen wir Experten aufklären – dazu bin ich jederzeit gerne bereit“, betont Hofstätter. Schließlich gehe es nicht nur um die heimische Versorgungssicherheit, sondern auch die Zukunft nachhaltiger Energieversorgung. Denn die von Hofstätter entwickelte BEER-Methode eignet sich neben der Gewinnung von Schiefergas auch für die Nutzung von Geothermie, also von unterirdischen Heißwasserquellen zur Energiegewinnung. „Unsere Methode lässt sich eins zu eins darauf umlegen – quasi Copy-Paste.“ Vor allem in Erdschichten mit geringer Schüttung bringe die Methode enorme Vorteile. „Mit der Anwendung von BEER in den Lagerstätten können wir die Schüttung erhöhen und das Gestein durchlässiger machen. Dadurch bringen wir das Wasser ins Fließen und können es so an die Oberfläche bringen.“ Ein enormer Hebel für die Geothermie, da sich auf diese Weise auch bislang unwirtschaftliche Projekte plötzlich rechnen würden, ist der Experte überzeugt. Dazu kommt, dass die aktuelle Lage am Energiemarkt die Wirtschaftlichkeit der Geothermie generell befeuert. „Durch die enorm gestiegenen Preise von Erdöl und Erdgas gewinnt die Geothermie mehr und mehr an Bedeutung“, ist Hofstätter überzeugt und verweist auf die großen Vorkommen in Österreich. So laufen aktuell Vorarbeiten, um Heißwasserreservoirs im Wiener Becken künftig für die thermische Versorgung von Haushalten der Bundeshauptstadt anzuzapfen. „Seit Jahren arbeitet ein Konsortium an der Umsetzung, auch wir von der Montanuni Leoben dürfen mit unserer Expertise unterstützten“, verrät Hofstätter. „Schon weiter als wir in Österreich sind unsere Nachbarn in Bayern. München hat sehr ambitionierte Ziele und verfolgt diese mit größtem Engagement. 45 Geothermie-Bohrungen betreiben die Stadtwerke München bereits. Die Stadt zeigt, was man machen kann, wenn man wirklich will.“

„Bei der Geothermie zeigt uns München vor, was möglich ist, wenn man wirklich will.“

HERBERT HOFSTÄTTER
Montanuni Leoben

Das Geothermie-Potenzial in Österreich schätzt Hofstätter als sehr hoch ein. „Wir haben – bildlich gesprochen – viel Holz vor der Hütte.“ Zum einen die große Thermenlinie vom Wiener Becken über Niederösterreich und Burgenland bis in die Steiermark, zum anderen das Molassebecken, das sich von Bayern bis nach Oberösterreich erstreckt. „Der Vorteil an der Thermenlinie ist der höhere Temperaturgradient – das heißt, wir müssen weniger tief bohren. Andererseits sorgt die klüftigere Gesteinsstruktur im Jurakalk des Molassebeckens dafür, dass die Fließwege für das Wasser von Natur aus besser ausgebildet sind“, so der Wissenschafter. „Aber überall dort, wo die Fließmengen zu gering sind, bringt unsere BEER-Methode großen Nutzen. Damit senkt sie auch das Risiko teurer Probebohrungen. Denn wo eine Nutzung des Heißwassers bislang nicht sinnvoll war, haben wir jetzt die Chance, Investments rentabel zu machen. Insgesamt müssen wir einfach auch an die nächste Generation denken und alles tun, um eine sichere und nachhaltige Energieversorgung zu ermöglichen.“ Einen großen Vorteil von Geothermie-Projekten gegenüber anderen erneuerbaren Quellen wie Windund PV-Parks sieht Hofstätter in deren permanenter Nutzung. „Geothermie liefert 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr nachhaltige Energie – auch die Eingriffe ins Landschaftsbild sind vergleichsweise gering.“

„Wir sind gerne bereit, unser Wissen weiterzugeben“

Herbert Hofstätter, GeoEnergy-Engineering-Experte an der Montanuni Leoben

ANFRAGEN AUS ALLER WELT
Die Anfragen an Herbert Hofstätter sind in den vergangenen Wochen massiv gestiegen – von Industrie- und Energieunternehmen aus dem In- und Ausland. „Die Anfragen kommen aus aller Welt. Wenn wir mit unseren Forschungsergebnissen einen Beitrag leisten können, sind wir natürlich gerne bereit, unser Wissen im Sinne der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Seit vielen Jahren weisen wir auf das Potenzial unserer Methode hin – bislang wurden wir nicht gehört. Jetzt findet ein Umdenken statt – höchste Zeit also, in die Umsetzung zu kommen. Die wissenschaftlichen Hausaufgaben sind gemacht.“ Rein technisch könnte es sogar relativ schnell gehen, ist Hofstätter überzeugt. „Denn wenn bereits Infrastruktur vorhanden ist, so wie im Wein-viertel, könnte man bestehende Bohrungen innerhalb weniger Monate mit unserer Fracking-Methode nutzbar machen. Die rechtlichen Voraussetzungen würden aber wohl mehr Zeit in Anspruch nehmen. Daher gehe ich derzeit davon aus, dass BEER zuerst in Nordamerika eingesetzt wird, ehe es hierzulande zu Anwendung kommt. Aber wir werden sehen – ich gehe davon aus, dass angesichts der Situation jetzt Schwung in die Sache kommt.“

HERBERT HOFSTÄTTER
Leiter des Lehrstuhls für Petroleum und Geothermal Energy Recovery der Montanuniversität Leoben, künftig Lehrstuhl für GeoEnergy-Engineering Arbeitete davor 25 Jahre in der Industrie im In- und Ausland Entwickler der BEERMethode: „Bio Enhanced Energy Recovery“ alias grünes Fracking. www.unileoben.ac.at

Fotos: Oliver Wolf

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