Spirit of Styria

DER SPIRIT DER GRÜNDERINNEN

Warum der Standort „Female Founders“ braucht

Beweggründe fürs Gründen: Welche Visionen treiben Start-up-Gründerinnen an? Mit welchen Innovationen wollen sie am Markt bestehen? Wie denken sie über Unternehmertum und die Möglichkeit des Scheiterns? Und warum sind weibliche Gründer immer noch in der Minder-zahl? Fünf steirische „Female Founders“ diskutieren am Roundtable von „SPIRIT of Styria“.
Angeregte Diskussion über „Female Founders“ in den
Räumlichkeiten von „SPIRIT of Styria“ mit Herausgeber
Siegmund Birnstingl und CR Wolfgang Schober
TALK AM RING 
ist ein Diskussionsformat
von SPIRIT of Styria. Jeden Monat laden
wir Expertinnen und Experten zur Diskussion über ein spannendes Wirtschaftsthema an den Runden Tisch in die Redaktion am Grazer Opernring. 

Was waren Ihre Beweggründe zu gründen? Wo stehen Sie aktuell mit Ihrem Start-up?
Frech: Unser Thema ist die mentale Gesundheit, wir bieten psychologische Beratung online an. Ein Thema, das in bewegten Zeiten besonders drängend ist, über das aber nicht immer gern gesprochen wird, wie wir wissen. Genau das zu ändern, war schon vor Jahren mein Antrieb. Ich wollte meine Stimme erheben für ein Thema, das seit jeher kleingehalten wird. Und ich möchte meine Zeit für etwas Sinnhaftes einsetzen. Aus diesem Grund habe ich das Unternehmen Instahelp gegründet. Gestartet haben wir in Graz mit fünf Psychologinnen, inzwischen sind es 300 Psychologinnen und Psychologen, die in 14 Sprachen online in der Beratung tätig sind. Damit können wir schnelle, niedrigschwellige Hilfestellung anbieten. Wir haben eine Plattformlösung. Wenn es dir nicht gut geht, helfen wir dir, auf unserer Website mit wenigen Fragen die perfekte Psychologin für deine Anliegen und deinen Alltag zu finden – das ist ein bisschen vergleichbar mit Parship. Längst arbeiten wir auch B2B eng mit steirischen und internationalen Unternehmen zusammen und bieten Maßnahmen von Employee Mental Wellbeing Assessments, Workshops für Führungskräfte und Mitarbeitende und anonyme psychologische Beratung. Gerade durch Corona hat die psychische Belastung der Mitarbeiter stark zugenommen. Es geht aber nicht immer darum, Feuer zu löschen, sondern auch darum, neues Feuer zu entfachen – weil durch mentale Gesundheit genau diese Innovationskraft entsteht, die wir brauchen, um aus Krisen wieder herauszukommen.

Maresch: Wir haben in herkömmlichen Architekturbüros begonnen und sind dabei immer wieder an Grenzen gestoßen, da man für die Kunden zwar eine Top-Planung machen kann, aber in der Ausführung jedes Mal bei null starten muss. Das heißt, man muss jedes Mal eine neue Baufirma suchen, die ökologische Materialien verwendet und höchste Qualität liefert – das ist sehr mühsam. Daraus entstand die Idee, flexibel gestaltbare, ökologisch-nachhaltige Häuser in Holzriegelbauweise zu entwickeln, die wir nicht nur planen, sondern auch selbst an der Fertigung beteiligt sind: Modulhäuser. Damals gab es den Begriff noch gar nicht. Wir waren aber überzeugt, dass ein Produkt dieser Art funktionieren würde. Weil es sehr individuell ist und wir sowohl Planung als auch Ausführung gemeinsam mit dem Kunden steuern können. Es war klar, dass es nur funktioniert, wenn wir selbst an der Produktion beteiligt sind. Ein weiterer großer Vorteil ist, dass die Errichtung schnell vor sich geht – ohne herkömmliche Baustelle auf dem Grund. Wir stellen die Häuser in nur einem Tag auf und verwenden nur hochwertige Materialien. Auch der Zeitgeist sprach für uns: Viele Jungfamilien hatten den Wunsch, in ökologischen Häusern zu leben, sind aber meist an den Kosten gescheitert. Der Clou an unseren Häusern: Dank Modulbauweise können sie mitwachsen bzw. später, wenn die Kinder ausziehen, auch wieder redimensioniert werden. Jeder wohnt genau so groß, wie er es zum jeweiligen Zeitpunkt benötigt. Gestartet sind wir zu zweit, in der Produktion waren sie zu viert, mittlerweile sind wir elf Mitarbeiter in Planung und Kundenbetreuung sowie 35 Personen in der Produktion. Heuer im April haben wir eine erste Zweigniederlassung in Paris eröffnet. Mittlerweile haben wir in den vergangenen zehn Jahren seit Bestehen bereits 70 Einfamilienhäuser errichtet.

DIE TEILNEHMERINNEN

Bernadette Frech
Gründerin und
CEO Instahelp

Michaela Maresch
Gründerin und
CEO Commod Haus

Verena Schwab
Gründerin und
CEO Econutri

Katrin Wallner
Gründerin und
CEO Lanbiotic (TopBiotics)

Ines Wöckl
Gründerin und
CFO Flasher

Ökologisch-visionär ist auch das Start-up Econutri. Was planen Sie genau?
Schwab: Ich habe davor bereits in einigen Startups gearbeitet – und dabei viel gelernt, was man braucht, wenn man sein eigenes Start-up gründet. Die Gelegenheit hat sich nun gemeinsam mit meinem Vater ergeben – langjähriger Professor für molekulare Biotechnologie an der TU Graz. Dieser hat bereits vor mehr als 30 Jahren einen Fermentationsprozess entwickelt, mit dessen Hilfe man Proteine aus CO2, Wasserstoff und Bakterien herstellen kann. Damals war das Thema CO2-Emissionen noch nicht so akut – ganz anders als heute, wo diese Technologie einen enorm wichtigen Beitrag für den Klimaschutz leisten kann. Die Zeit ist also mehr als reif für die Anwendung, an der wir nun intensiv forschen, um sie marktreif zu machen. Dafür haben wir das Unternehmen Econutri gegründet und führen die Forschung gemeinsam mit dem Forschungszentrum acib GmbH durch. Kern ist die Errichtung einer Pilotanlage mit 300 Litern, mit der wir den Prozess im größeren Stil testen. Ziel ist die Gewinnung technischer Daten, um letztlich eine industrielle Anlage im großen Maßstab zu konzipieren.

Im Zentrum steht der Nachhaltigkeitsgedanke: Wir verwenden in unserem Prozess klimaschädliches CO2 als Rohstoff, um daraus Futtermittel als Ersatz für Fischmehl herzustellen. Das CO2 kommt beispielsweise aus energieintensiven Industrieanlagen, wo es abgeschieden und unserem Prozess zugeführt wird. In einem einzelnen Reaktor können enorme Mengen von Proteinen hergestellt werden. Und dieser lässt sich überall aufstellen, ob in der Wüste oder in der Arktis. Der Nutzen ist enorm: Denken wir an die Fischproduktion. Ganze Meere werden leergefischt, dann verpulvert und wieder an Fisch verfüttert. Unser Produkt „Fischmehl aus dem Bioreaktor“ wäre eine ökologische Alternative. Die Vision: Später wollen wir damit auch direkt Lebensmittel für die menschliche Ernährung herstellen.

Wann könnte die Technologie industriereif sein?
Schwab: Sobald wir Daten gut sortiert verfügbar haben, wollen wir damit starten, eine Industrieanlage zu planen – dafür suchen wir noch einen Industriepartner. Idealweise einen Betrieb in Österreich, der große Mengen CO2 ausstößt – etwa eine Zementfabrik. Wir planen Reaktoren mit einem Volumen von 100 Kubikmeter – ungefähr die Größe, die auf einen größeren Sattelschlepper passt. Dieser könnte dann rund 1.500 Tonnen Proteine jährlich produzieren, das entspricht dem Ertrag von 1.300 Hektar Land mit Sojaanbau. Die Kostenrechnung ist noch variabel, je nachdem, woher wir die Ressourcen beziehen werden.

Das Thema Verkehrssicherheit ist das Metier von Flasher. Wie kamen Sie darauf?
Wöckl: Flasher – ein Set smarter Armreifen für E-Scooter- und Radfahrer – ist aus einem persönlichen Problem heraus entstanden. Es begann mit einem Ausflug nach Wien vor drei Jahren. Wir haben Sharing-E-Scooter ausprobiert – im Wiener Stadtverkehr auf diesen Gefährten unterwegs zu sein, ist cool, aber nicht ungefährlich, weil man die Hand nicht so einfach vom Lenker bekommt, um ein Handzeichen zu geben, und daher rasch ins Schleudern kommt. Ein Schlüsselerlebnis. Danach haben wir, erst als Freizeitprojekt, angefangen uns zu überlegen, was es geben könnte, um Abhilfe zu schaffen. Ich war gerade Uni-Assistentin für Finanzwirtschaft, mein Partner und Co-Founder ist promoviert in Informationsund Kommunikationstechnik. Wir sind dann über einen Startup-Ideenwettbewerb ins Inkubationsprogramm des Science Park Graz gekommen. Eine BWLerin, ein Techniker und die Lösung für ein Problem – also alles da für ein Start-up. (lacht) Das Projekt hat natürlich erst Schritt für Schritt wachsen müssen. Heute haben wir ein fertig entwickeltes Produkt und sind gerade dabei, die Serienproduktion hochzufahren. Flasher ist ein Armband mit High-Performance-LEDs, das unterschiedliche Funktionen vereint: einen gestengesteuerten Blinker, ein automatisches Notbremslicht sowie zusätzliche Beleuchtungmodi für die Fahrt in der Nacht oder auch fürs Joggen. Dazu schnappt man die Armreifen schnell und unkompliziert um die beiden Oberarme. Man muss den Arm nur leicht schwenken, ohne ihn vom Lenker zu nehmen – und schon beginnt es zu blinken. Es kommen laufend neue Anwendungen hinzu – so lässt sich Flasher auch ideal für die Mitarbeitersicherheit einsetzen, wenn es darum geht, Mitarbeiter auf einem Betriebsgelände oder auf der Straße sichtbar zu machen – oder sie zu warnen. Vibrationen am Armband können auf herankommende Fahrzeuge aufmerksam machen.

Zuletzt gelang ein Coup in einer deutschen TV-Show?
Wöckl: Ja, wir waren zu Gast bei „Die Höhle der Löwen“. Die Sendung wurde vor einigen Wochen ausgestrahlt. Wir freuen uns über den Einstieg der Investoren Carsten Maschmeyer und Ralf Dümmel, die auch Einzelhandelsexpertise mitbringen. Wir erhalten ein Investment in der Höhe von 150.000 Euro sowie umfassende zusätzliche Marketingleistungen im mittleren sechsstelligen Bereich. Das frische Kapital benötigen wir für das internationale Wachstum bzw. für das Marketing, um neue Kunden zu erreichen.

Last but not least: TopBiotics verspricht eine Innovation in der medizinischen Hautpflege. Was steckt dahinter?
Wallner: Angefangen hat alles in der Zeit des ersten Corona-Lockdowns. Als Medizinerin – ich bin Zahnärztin – lese ich immer wieder Studien über neue Behandlungsmethoden. Dabei bin ich auf die äußerliche Anwendung von probiotischen Bakterien gestoßen – ein Thema, das mich sofort faszinierte. Die Grundidee kennt man vom Mikrobiom des Darms, wo man schon länger erfolgreich versucht, die Bakterienzusammensetzung zu ändern, um eine gesundheitsfördernde Wirkung zu erzielen. Diesen Effekt auf die Haut zu übertragen, ist ein spannender Gedanke, weil bekannt ist, dass einige Hautkrankheiten, etwa Neurodermitis, mit einer Fehlbesiedlung von Bakterien einhergehen. In einer Creme gibt es so eine Anwendung allerdings noch nicht – aus einem einfachen Grund: Eine Creme enthält Wasser – und Bakterien in Wasser zu stabilisieren, ist eine Herausforderung, weil sie darin entweder wachsen oder absterben. Beides ist für eine kosmetische Formulierung ein No-go. Daraus entstand meine Vision: Ich wollte ein Hautpflegeprodukt entwickeln, das lebende probiotische Bakterien enthält und das Milieu auf der Haut günstig beeinflusst. Auch uns hat das Forschungszentrum acib sehr geholfen, einen innovativen Prozess zu entwickeln. Dabei werden Bakterien eingekapselt, was es ihnen erlaubt, in einer wässrigen Suspension über Monate bei Raumtemperatur stabil zu bleiben. Eine Methode, die wir mittlerweile zum Patent angemeldet haben. Damit sind die Voraussetzungen für kosmetische Produkte geschaffen.

Die geplanten Anwendungen?
Wallner: Die Produkte sollen bei verschiedenen Hauterkrankungen, allen voran bei Neurodermitis, zur Anwendung kommen. Dort gibt es eine große Unzufriedenheit bei den Betroffenen, über die Hälfte der Patienten ist mit der Art ihrer Behandlung, die oft Cortison enthält, unzufrieden. Daher sehen wir hier großes Potenzial für Produkte, die natürliche Bakterien enthalten, wo man sonstige Nebenwirkungen nicht fürchten muss. Die Studien über die Wirksamkeit von probiotischen Bakterien auf der Haut sind vielversprechend. Dazu verwende wir einen eigenen Bakterienstamm, den ich in der steirischen Rohmilch entdeckt habe. Dieser Stamm zeigt starke Hemmeffekte gegenüber einem bestimmten pathogenen Bakterium, das mit Neurodermitis in Verbindung gebracht wird. Wir sind noch in der Proof-of-concept-Phase, im Labor haben wir vielversprechende Effekte gesehen. Darüber hinaus planen wir klinische Studien, um zu prüfen, ob unsere Anwendung wirklich die Wirkung hat, die wir uns erwarten. Die Anwendungstests mit dem ersten Produkt starten in den nächsten Wochen, bis die ganze Produktserie marktreif ist, wird es noch einige Monate dauern.

Ein Start-up-Leben ist voller Höhen und Tiefen. Wo lagen die größten Herausforderungen und Hürden bislang?
Frech: Die Finanzierung ist natürlich immer ein Thema – das gehört bei einem Start-up einfach dazu. Damit lernt man umzugehen. Dennoch wir brauchen viel mehr privates Risikokapital. Ebenso eine typische Herausforderung für Start-ups: Man ist dem Markt meist ein Stück voraus. Das ist zwar grundsätzlich positiv, aber auch schwierig. Gerade im Bereich der Psyche, wo wir über ein Thema sprechen, bei dem viele sagen: „Toll, aber betrifft uns nicht wirklich.“ Viele wollen es einfach nicht wahrhaben oder zugeben, dass das Thema mentale Gesundheit sie sehr wohl betrifft. Wir sehen aber, dass gerade bei Unternehmen über die Zeit ein Wandel passiert. Schließ-lich ist laut WHO jede dritte Person von psychischen Problemen betroffen. Am Anfang war das wirklich mühsam: Für ein Thema zu brennen, aber die ganze Zeit diese „Neins“ zu hören. Mit Corona hat sich das aber gewandelt und der Markt war plötzlich reif. Alle waren im Homeoffice, was stark mit Burnout korreliert, dadurch ist ein Umdenken passiert – eine positive Seite der Krise. Die zweite große Hürde, gebe ich offen zu, bin ich selbst – immer wieder. Man glaubt an das Thema, hat Großes vor und stellt sich dennoch permanent in Frage und hat Selbstzweifel. Bin ich gut genug? Kann es jemand besser? Klar, die Anforderungen sind hoch – das zeigen alle Studien: Keine Berufsgruppe ist so stark Leistungsdruck und Stress ausgesetzt wie Gründerinnen und Gründer. Dazu kommt die Frage der Vereinbarkeit mit der Familie, die aber ohnehin jede Frau mit Kindern zu lösen hat.

Schwab: Für uns trifft das völlig zu, was Bernadette sagt: Dass wir dem Markt weit voraus sind. Das, was wir machen, gibt es noch nicht. Futter- bzw. Lebens mittel aus dem Bioreaktor – das ist in dieser Form einfach etwas ganz Neuartiges. Unsere Herausforderung: Die Leute finden unser Projekt immer total großartig, weil es eine nachhaltige Technologie am Puls der Zeit ist, aber oft fehlt dann noch der letzte entscheidende Schritt: das 100-%ige Bekenntnis vonseiten der Investoren und Industrie, wo jemand sagt: Wir glauben dran und tragen das voll mit! Das ist gerade im wissenschaftlichen Bereich ein häufiges Problem, warum viele Dinge vielleicht nie auf den Markt kommen. Die Entwicklung solcher Technologien ist einfach sehr teuer. Das ist dann manchmal mühsam, diese Überzeugung zu leisten, solange wir noch nicht alle Daten haben. Aber wir glauben daran und werden alle diese Daten liefern. Wir wissen aus dem Labor, dass es funktioniert, und beweisen das nun auch im großtechnischen Bereich. Unser Thema ist nicht trivial, es braucht ein immenses Netzwerk. Auf der einen Seite die Emittenten von CO2 und Produzenten von Wasserstoff – und dann auf der anderen Seite die Futtermittelindustrie, die unseren Reaktor perfekt in ihren Prozess eingliedern können muss. Wir sind aber in guten Gesprächen mit größeren Firmen auf allen Seiten.


Maresch: Bei uns war es ähnlich: Wir waren vollkommen überzeugt von unserem Produkt und davon, dass Holz der Baustoff des neuen Jahrtausends sein wird. Dennoch war der Weg zum ersten Kunden enorm schwierig. Wir hatten kein Musterhaus zum Herzeigen – bis heute nicht, denn wir steht für ein individuelles Produkt. Daher haben wir wahnsinnig viele Gespräche geführt – und es hat fast 2,5 Jahre bis zum ersten Kunden gedauert. Wir waren auch im Science Park Graz und hatten ein super Umfeld, das uns viele Zweifeln genommen hat. Schließlich waren wir vorher in einem sicheren Beruf und plötzlich fehlt diese Sicherheit und es ist mit drei Jahren finanzieller Durststrecke zu rechnen. Eine Zeit, die man gut abfedern muss – wir wussten, dass wir es schaffen können, aber man muss ganz stark daran glauben und dabei hilft es ungemein, wenn es Gleichgesinnte gibt. Den jeder hat die gleichen Probleme und steht vor ähnlichen Hürden, ob Prototyp oder Finanzierung. Daher würde ich jedem raten, der eine gute Idee hat, sich mit anderen zusammen zu tun.

Wöckl: Einer der Knackpunkte für uns war sicherlich die Entwicklung der Hardware. Die Prototypenentwicklung ist teuer, auch die Überleitung von unserem marktreifen und mittlerweile patentierten Produkt in die Serienfertigung ist sehr herausfordernd. Dafür haben wir zum Glück Förderungen vom AWS und der SFG erhalten. Die derzeit größte Herausforderung aus Firmensicht betrifft die Lieferengpässe, vor allem bei Elektronikkomponenten. Das ist nicht nur etwas, was wir in der Zeitung lesen, sondern was uns wirklich akut betrifft. Und dann kommen natürlich immer die persönlichen Themen dazu, die fast alle Gründer betreffen. Wir müssen uns immer wieder neu motivieren, dafür braucht es einen Antrieb, der aus einem selbst kommen muss. Wenn man gerade am meisten an sich zweifelt, muss man diese Kraft in sich finden, um weiterzumachen. Dieses ausgeprägte Durchhaltevermögen zeichnet wohl die wirklich erfolgreichen Unternehmenspersönlichkeiten aus.

Warum gibt es immer noch vergleichsweise wenige Gründerinnen?
Frech: Ich bin im Board des Global Entrepreneurship Monitor, der weltweit größten Studie zum Unternehmertum, gehostet an der FH JOANNEUM. Dort wird untersucht, worin die Hauptgründe liegen, warum Frauen nicht so oft gründen. Das Ergebnis: Einerseits ist es die Angst vor dem Scheitern. Und andererseits das Einschätzen der eigenen Kompetenz. Dieses ist zwar in Österreich auch bei Männern international betrachtet schwach ausgeprägt, aber unter Frauen noch einmal signifikant schwächer – diese Zweifel an der eigenen Kompetenz. Das heißt, wir müssen dringend beim Angst-Thema ansetzen und brauchen noch mehr Rolemodels. Wir müssen als Frauen hinausgehen und sagen „Ja, es geht!“ und noch stärker in der Bewusstseinsbildung arbeiten. Damit sollten wir schon im Schulalter beginnen, ebenso mit dem generellen Thema Unternehmertum und Selbstständigkeit, so wie es die Entrepreneurship Weeks bereits machen – in der Richtung müsste noch mehr geschehen.

Schwab: Ich persönlich habe als Frau im Start-up-Umfeld nie schlechte Erfahrungen gemacht. Ich denke aber schon, dass es strukturelle Gründe gibt, warum Frauen vielleicht weniger oft gründen – das könnte damit zusammenhängen, was wir in der Schule vermittelt bekommen und wie wir gefördert werden. Ich denke, dass hier vielfach immer noch alte Rollenbilder vorherrschen. Ich konnte mir, ehrlich gesagt, früher auch nicht vorstellen, ein Unternehmen zu gründen. Weil diese Fähigkeiten habe ich in mir selbst nicht so gesehen und sie wurden auch nicht gefördert. In der Schule konzentriert man sich ja immer nur darauf, was man nicht so gut kann. Daher habe ich lange gebraucht, um draufzukommen, was ich wirklich machen möchte und wo meine Stärken gut aufgehoben sind. Generell sollte man bei Kindern schon in jungen Jahren darauf achten, sie zu selbstständigen Denken und Handeln zu motivieren: „Du kannst selbst Dinge entwickeln und eigene Ideen umsetzen.“ Egal ob Bub oder Mädel.

Maresch: In unserer Sparte, der Architektur, ist das Geschlechterverhältnis sehr ausgeglichen – es gibt annähernd gleich viel Architektinnen wie Architekten, auch bei uns im Büro sind wir 50:50, ganz ohne Quotenregelung. Wir schauen nicht aufs Geschlecht, sondern auf Persönlichkeit, Interessen und Ausbildung. Das beste Arbeitsklima ist bekanntlich immer ein gemischtes. Bei uns ist es ganz selbstverständlich, dass auch die Väter in Karenz gehen. Und es kommt oft vor, dass ein Kind nach der Schule zu uns ins Büro kommt – ob zum Spielen oder Aufgabenmachen. Das funktioniert sehr gut, es kann auch vorkommen, dass sich die Kids mit guten Ideen einbringen – und plötzlich ist aus Kindermund ein Problem gelöst. (lacht) Diversität im Team ist auch für uns ganz entscheidend, auch kulturell, was die Herkunft der Mitarbeiter betrifft – das ist in jeder Hinsicht inspirierend.

Wöckl: Früher habe ich bei Karrierethemen keinen wirklichen Unterschied zwischen Mann und Frau gesehen. Mit zunehmendem Alter jedoch, wenn man, man beginnt, sich über Familienplanung Gedanken zu machen, muss ich zugeben, stellen sich für eine Frau doch andere Fragen – vor allem: Wie und in welcher Phase lassen sich Familie und Start-up am besten vereinbaren? Denn in der Phase des intensiven Aufbaus des Unternehmens ist es schwer vorstellbar, dass man als Frau ein Kind be kommt und dass das alles so nebenher geht. Daher glaube ich, dass es Frauen von einer Selbstständigkeit abhalten kann, wenn sie wissen, dass sie irgendwann eine Familie gründen wollen. Vor allem, wenn mit einer Selbstständigkeit große Ziele verbunden sind. Dabei fehlt es noch immer an Vorbildern, also an Frauen, die aufzeigen: „Ich habe es so gemacht und es hat funktioniert.“ Die aber auch klar sagen: „Das und das was schwer. Darauf musst du dich vorbereiten.“

Wallner: Ich finde, dass eine Selbstständigkeit mit Kindern sogar ein Vorteil sein kann. Ich habe drei Kinder und das war für mich sogar mit ein Grund, mich selbständig zu machen. Ich habe schon im Studium ein Kind bekommen und war damit mein ganzes Berufsleben lang mit der Herausforderung der Vereinbarkeit konfrontiert. In der Medizin hat man karrieretechnische Nachteile in der Schwangerschaft und Stillzeit, wo man laut Mutterschutzgesetz zum Beispiel als Angestellte nicht operieren darf. Als ich mit dem zweiten Kind schwanger war, habe ich mir gedacht: Beruflich nichts tun will ich nicht. Und Karenz ist die beste Zeit, um ein Unternehmen zu gründen. Durch das Kinderbetreuungsgeld ist man abgesichert – und das Baby schläft ohnehin viel am Anfang. So habe ich es in meinem Tragetuch oder im Stubenwagen stets bei mir gehabt. Den Kindern hat das gefallen, die sind mit hineingewachsen. Das heißt aber nicht, dass es ganz einfach und stresslos war – im Gegenteil, es geht manchmal bis an die Belastungsgrenze und darüber hinaus. Aber unterm Strich waren Kinder für mich kein Hemmnis. In Gegenteil: Es hat viel katalysiert. Zudem habe ich das Privileg, dass mein Lebenspartner, der auch mein Geschäftspartner ist, und ich uns viel untereinander aufteilen können – beruflich und privat.

Frech: Ich habe zwei Kinder und bin alleinerziehend. Beide Kinder haben genau im Lockdown mit der Voksschule begonnen. Zu einer Zeit, als bei Instahelp die Nachfrage nach psychologischer Beratung extrem gestiegen ist. Das war schon eine besondere Zeit. Der große Vorteil als Gründerin ist aber, dass du dein Umfeld selbst gestalten und das Setup mitbestimmen kannst. Wer sagt eigentlich, dass der Start am Morgen immer um 8:00 Uhr in der Früh sein muss? Es gibt nur eine Rolle, in der niemand von uns ersetzbar ist – jene als Mama oder Papa. In allen anderen Rollen sind wir sehr wohl ersetzbar. Und wenn nicht, hat man irgendetwas falsch aufgebaut.

Wie familienfreundlich sind die Arbeitsbedingungen in Ihrem Unternehmen?Maresch: Ich finde bei gutem Willen lässt sich in einem Unternehmen vieles regeln. Wenn man gute Leute halten will, dann findet man immer kreative Lösungen – ob flexible Arbeitszeiten oder familienfreundliches Homeoffice. Ich kenne auch viele andere Firmen, die das so handhaben und wo das überhaupt kein großes Thema mehr ist, wer von den beiden in Karenz geht. Zudem ist man als Selbstständiger auch mit Kind in Wahrheit nie allzu lange weg vom Fenster. Im Grunde ist man ja immer ansprechbar. Vielleicht nicht rund um die Uhr, man schafft sich seine Freiräume. Mit entsprechender Flexibilität im Team findet man immer Besprechungstermine, die passen.

Frech: Wir erleben gerade eine große Umbruchsphase in der Arbeitswelt. Daher finde ich diesen Prozess, wo wir jetzt stehen, total spannend, denn wir könnten die neuen Regeln mitgestalten. Das betrifft auch das Arbeitsleben mit Kindern. Ich finde, es ist auch ein Riesenvorteil, Mama zu sein – im Sinne der Work-Life-Balance. Bei Instahelp sollen Mamas und Papas den Bleistift fallen lassen, wenn die Kinder vor der Schultür warten. Es gibt bewusste Nicht-Erreichbarkeitszeiten. Und auch ich habe gelernt, das Handy einmal läuten zu lassen. Wenn es wirklich brennt, erreichen wir uns schon. Aber es brennt ja nicht jeden Tag. Den ganzen August haben wir „Corona unter Palmen“, da können unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ganz flexibel und von überall aus mit ihren Kindern arbeiten, ob Griechenland, Chile oder Schladming.

Dauerbrenner Fachkräftemangel – wie sehr sind Start-ups betroffen?
Frech: Die Frage, ausreichend Talente zu finden, ist eine riesen Herausforderung, wenn man von Graz aus expandieren möchte. Wir sind jetzt gerade in unserer Scale-up-Phase, rasantes Wachstum ist geplant. Dafür brauchst du einfach gute Leute. Ein Start-up tut sich da strukturell einfach schwerer als ein Konzern. Denn wir müssen mit ganz wenig Ressourcen quasi das Maximum erreichen und versuchen mit vielen nicht-monetären Benefits, wie der Möglichkeit sehr flexibler Arbeitszeiten oder Homeoffice, topmotivierte Leute ins Team zu bekommen, die dieses Maximum gehen wollen und die Vision mit der gleichen Leidenschaft mittragen. Schließlich wollen wir mit unseren Start-ups ja in Graz bleiben und nicht nach Wien oder ins Ausland abwandern.

Wöckl: Bei uns steht die Suche nach Technikerinnen und Technikern im Vordergrund. Und da sehen wir, dass vor allem die Vision ein Hook sein kann, der neue Mitarbeiter anzieht. Damit versuchen wir, gegenüber der starken Industrie im lokalen Umfeld zu punkten. Was uns enorm hilft, ist die Sichtbarkeit, dass wir mehr im medialen Rampenlicht stehen. Und was viele Talente suchen, ist diese besondere Form der Start-up-Kultur im Gegensatz zum starren System eines Konzerns. Denn mit Welcome Packages und großen Industrie-Gehältern können wir in dieser Phase freilich nicht mithalten.

Schwab: Ich habe früher einmal in einem Konzern gearbeitet und gesehen, dass das nichts für mich ist. Ich kann nicht in diesen Riesenstrukturen arbeiten und einen Job mit wenig Gestaltungsspielraum machen. Denn das ist es ja, was mir am Unternehmertum am besten gefällt: Man hat jeden Tag neue Aufgaben und neue Herausforderungen zu meistern. Das ist zwar immer wieder superstressig, aber eben auch das Schöne daran.

Fotos: ISTOCK, OLIVER WOLF

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