Georg Bucher, Vorstandsmitglied der Steiermärkischen Sparkasse und unter anderem verantwortlich für die Auslandsbeteiligungen, über die Entwicklung der Märkte in Südosteuropa (SEE), das vitale Interesse Europas an einem raschen EU-Beitritt dieser Länder, die Chancen heimischer Unternehmen im erweiterten Heimmarkt der Steiermärkischen Sparkasse und warum auch das Thema Nachhaltigkeit die steirischen Grenzen überschreitet.
Das Thema Nachhaltigkeit hat den Bankensektor erreicht. Welche Bedeutung hat ESG (Environment, Social, Governance) für die Steiermärkische Sparkasse? Nachhaltigkeit liegt in unserer DNA. Wir feiern 2025 unser 200-Jahr-Jubiläum und konnten in unserer Geschichte unser Bewusstsein für Nachhaltigkeitsthemen oft unter Beweis stellen. In unserer aktuellen Nachhaltigkeitsstrategie stehen Gesellschaft und Governance, Kundinnen und Kunden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenso im Fokus wie die Umwelt. Zunehmend sind wir auch Botschafter des Themas in Richtung unserer Kunden. Wichtig ist aber, dass die (Finanz-)Wirtschaft nicht mit zu vielen Themen überfrachtet wird. Im Moment habe ich die Sorge, dass wir einen Detaillierungsgrad bei den Vorgaben erreichen, der in der Praxis nur noch schwer umsetzbar ist. Zudem kommt auf uns ein hoher Investitionsbedarf bei Informationstechnologie und Schulungen zu.
Wir glauben fest an die Region in Südosteuropa und sind überzeugt, dass die SEE-Länder Zukunft haben – als Teil der Europäischen Union.
Georg Bucher
Vorstandsmitglied der Steiermärkischen Sparkasse
Werden Green Investments von Kunden auch nachgefragt?
Wir sehen den Nachhaltigkeitstrend jedenfalls als Chance. Bereits mehr als die Hälfte unserer Kunden sind bei Investment-Entscheidungen bereit, Nachhaltigkeit als Kriterium einfließen zu lassen. Von den Publikumsfonds, die am Markt sind, erfüllen bereits 10 bis 15 % sämtliche ESG-Kriterien. Die Nachfrage danach steigt stetig. Wir haben dafür auch die entsprechenden Angebote, allen voran ESG-Fonds der Erste Asset Management Gesellschaft – mit besten Renditemöglichkeiten. Auch auf der Finanzierungsseite profitieren wir davon, dass Unternehmen auf Erneuerbare Energie umsteigen. So begleiten wir Investoren auch in SEE-Länder, etwa Errichter von Windkraftprojekten oder großer PV-Anlagen, bis nach Nordmazedonien.
STEIERMÄRKISCHE SPARKASSE UND DIE SEE-REGION Bilanzsumme 2021: rund 19,6 Mrd Euro Das Ergebnis nach Steuern: 308 Mio. Euro Rund die Hälfte des Vorjahresergebnisses trugen die Tochterbanken der Steiermärkischen Sparkasse in den sechs SEE-Ländern Slowenien, Kroatien, Serbien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina sowie Nordmazedonien bei. Den höchsten Marktanteil verzeichnet Kroatien. Dort ist die Erste & Steiermärkische Bank die Nummer drei am Markt. Alle Tochterbanken in Südosteuropa wiesen im Jahr 2021 ein stabiles Wachstum bei Krediten und Spareinlagen auf. Rund 5.800 Mitarbeiter sind in den SEE-Ländern beschäftigt.
Welche Bedeutung hat die SEE-Region für die Steiermärkische Sparkasse?
Die Steiermärkische Sparkasse hat sich gemeinsam mit der Erste Bank schon früh – in den 90er Jahren – entschieden, in allen sechs Ländern des ehemaligen Jugoslawiens aktiv zu sein. Daran halten wir auch in herausfordernden Zeiten fest. Für uns als Bank ist die Region ganz essenziell – wir sind dort in Summe mit Investitionen und Refinanzierungen mit über einer Milliarde Euro involviert. Wir erzielen bereits die Hälfte unseres Jahresüberschusses im Konzern aus der Region. Daher glauben wir fest an Südosteuropa und sind überzeugt, dass die Länder ihren positiven Pfad fortsetzen und früher oder später Mitglied der Europäischen Union sein werden. Das ist auch absolut notwendig, denn die EU hat ein vitales Interesse daran, die wirtschaftliche Entwicklung und politische Stabilität dieser Länder nachhaltig zu sichern. 70 % der Investitionen stammen aus der EU, nur ein kleiner Teil, etwa 8 %, kommt aus Russland. Ein Anteil, der weiter sinken wird – hier sollten wir kein Vakuum für andere geopolitische Player wie China zulassen.
Warum ist die EU-Perspektive so entscheidend?
Es gibt für mich zwei Wake-up Calls, die wir nicht überhören sollten. Der eine ist der Ukraine Krieg – wer hätte diese Tragödie im 21. Jahrhundert für möglich gehalten? Daher müssen wir wachsam bleiben – auch die Region am Westbalkan ist politisch fragil. Der zweite Weckruf betrifft den Abgang von jungen, gut ausgebildeten Menschen aus der Region. Im Jahr 2021 haben beispielsweise weit über 100.000 Menschen Bosnien und Herzegowina verlassen. Im Schnitt verlassen zwischen 30.000 und 60.000 Menschen pro Jahr die Länder dieser Region. Das ist dramatisch, wenn man sich das auf die nächsten zehn Jahre hochrechnet. Daher muss die Politik aufwachen und diesen Ländern und ihren Menschen rasch eine Perspektive geben. Für mich erschreckend, mit welcher Nachlässigkeit die EU hier agiert. Wenn wir nicht handeln, werden wir diese Region wirtschaftlich verlieren – mit allen negativen sozialen und politischen Folgen.
„Wir beobachten, dass europäische
Unternehmen Teile ihrer Produktion zunehmend vom asiatischen Raum
in SEE-Länder verlagern.“
Georg Bucher
Vorstandsmitglied
der Steiermärkischen Sparkasse
Wie entwickeln sich die einzelnen Länder? Wo gibt es die meiste Dynamik?
Es gibt unterschiedliche Startbedingungen. Slowenien und Kroatien sind in einer relativ guten Position, Bosnien und Herzegowina und Kosovo hingegen wirtschaftlich in einer schwierigen Lage und irgendwo dazwischen liegen Serbien, Nordmazedonien und Montenegro. Gerade das Beispiel Nordmazedonien zeigt das Versäumnis der EU. Das Land hat seine Gesetzgebung schon weitgehend an EU-Standards angeglichen, dennoch gibt es von Brüssel keinen konkreten Fahrplan für Gespräche. Was sollen sich junge Menschen in dem Land denken? Der entscheidende Faktor für die politische Stabilität der Region ist und bleibt naturgemäß Serbien. Am Ende werden sich auch hier die Proeuropäer durchsetzen.
Welche Auswirkungen hat die Einführung des Euro in Kroatien ab 1. Jänner?
Die erste positive Wirkung gab es bereits zur Jahresmitte. Die Rating-Agenturen haben das Rating des Landes deutlich hinaufgesetzt. Natürlich wird der gesamte Tourismussektor, eine der wesentlichen Säulen Kroatiens, davon enorm profitieren. Für die Banken ist die Einführung im ersten Moment mit Umstellungskosten verbunden – diese belaufen sich für den Bankensektor des Landes auf rund 100 Mio. Euro. Aber gesamtwirtschaftlich überwiegen die Vorteile bei Weitem. Die Euro-Einführung 2023 sowie der Schengen-Beitritt im nächsten Jahr sind wichtige Mosaiksteine der Stabilität.
Welche Chancen haben steirische Firmen in Südosteuropa?
In der Region sind bereits 330 steirische Unternehmen tätig, aus ganz Österreich sogar 2.500. Österreich ist damit in den einzelnen Ländern die Nummer eins oder die Nummer zwei bei den Direktinvestitionen – in Slowenien etwa liegt der Anteil bei 25 %. Auch künftig sehen wir beste Chancen – quer über alle Branchen. Ob Energieversorgung, Umwelttechnik, Bahn- und Straßeninfrastruktur oder die Digitalisierung, um nur ein paar Bei-spiele zu nennen. Wir sehen es auch unmittelbar in der Digitalisierung des Bankgeschäfts. Die Entwicklung ist vergleichbar mit der Situation bei uns – viele Kunden im Bank- und Finanzbereich haben Entwicklungsschritte einfach übersprungen und nutzen Online-Banking heute genauso wie wir. Was positiv stimmt: Wir beobachten, dass europäische Unternehmen, die bisher Teile in der Wertschöpfungskette in Asien produzieren ließen, ihre Produktionsstätten zunehmend nach Südosteuropa verlagern. Die Lieferverzögerungen durch Corona und den Russland-Ukraine-Konflikt bringen Produzenten zum Umdenken. Damit kann diese Region zu einer echten Alternative vor der eigenen Haustüre werden.
Fotos: Oliver Wolf