Autohandel im Wandel: E-Mobilität, Inflation, neue Player aus Asien und die Umstellung auf Agentursysteme – Josef Harb, Gründer des „Autozentrum Harb“ mit drei Standorten in der Steiermark und Branchenvertreter der Fahrzeugtechnik in der WKO, über die aktuell größten Herausforderungen für Autohäuser und Werkstätten.
Ein halbes Jahrhundert Autohandelsgeschichte – und der Vergleich macht sicher. „In mehr als fünfzig Jahren in der Branche habe ich vieles erlebt, aber noch nie solche Umbrüche in so kurzer Zeit. Gewaltig, was der Autohandel derzeit erlebt“, erklärt Josef Harb am Schreibtisch seines Büros im „Autozentrum Harb Voitsberg“. Im Schauraum glänzen frisch polierte Neuwägen der Marken Mercedes und Kia um die Wette, die Morgensonne flutet durch die verglasten Fronten und wirft Lichtspiele auf den Boden. So gut wie kein Bereich im Autohandel, so Harb, der derzeit nicht einem fundamentalen Wandel unterzogen wäre – ob Technologie, Märkte, Konsumverhalten oder das Verhältnis Hersteller-Händler. „Allein die E-Mobilität bringt große Veränderungen für den Fahrzeughandel und die Werkstätten mit sich“, so Harb. „Dadurch ist die Modellvielfalt sprunghaft angestiegen. Wir sind gefordert, unser Know-how stets auf dem neuesten Stand zu halten – dafür braucht es laufend Schulungen für unsere Mitarbeiter“, so der Unternehmer. „Gute Beratung ist heute wichtiger denn je. Denn viele Kunden sind verunsichert und stehen vor der Frage – konventionell oder Elektro? Oder doch ein Hybrid?“, so Harb, der an Zeiten erinnert, in denen sich die Antriebsfrage ausschließlich auf „Benzin oder Diesel“ beschränkte. „Heute müssen wir den Bedarf der Kunden genau verstehen, um bei der optimalen Entscheidungsfindung unterstützen zu können. Wie ist das Nutzerverhalten? Wie sind die Lademöglichkeiten am Wohnort oder am Arbeitsplatz? Und vieles mehr “, so Harb, der damit dem – zuweilen angestimmten – Abgesang auf den Autohandel klar entgegentritt. „Das Gegenteil ist der Fall. Unsere Rolle als Bindeglied zwischen Herstellern und Endkunden ist heute wichtiger denn je. Abgesehen von der Beratung im Vorfeld spielt auch die Einschulung bei der Lieferung eines Neuwagens eine immer größere Rolle. Schließlich haben die Funktionalitäten bei einem modernen Fahrzeug enorm zugenommen – ein Auto ist heute ein fahrender Computer und braucht entsprechendes Wissen für die Bedienung. Mit dem Einstellen der Radiosender – wie früher einmal – ist es heute nicht mehr getan“, so Harb, der seine Karriere Ende der Anfang der 70er-Jahre mit einer Lehre als Fahrzeugtechniker, damals „Kfz-Mechaniker“, begann, sich mit 34 Jahren selbstständig machte, danach zwei Autohäuser in Weiz gründete und nach erfolgreicher Übergabe an seine beiden Söhne schließlich noch ein weiteres Autohaus – nach einer Insolvenz – übernahm: das heutige Autozentrum Harb Voitsberg.
SPEZIAL-KNOW-HOW FÜR E-AUTOS GEFRAGT
Neben seiner unternehmerischen Tätigkeit ist der gebürtige Passailer seit vielen Jahren in der WKO in der Innung der Fahrzeugtechnik in führenden Funktionen tätig – lange Zeit als Bundesinnungsmeister sowie Landesinnungsmeister, derzeit ist Harb stellvertretender Bundesinnungsmeister der Fahrzeugtechnik und damit wichtiger Branchenvertreter der Werkstättenbetriebe in Österreich. Auch hier beobachtet Harb eine ähnliche Entwicklung wie im Autohandel – der Aufwand steigt. „Es heißt zwar immer, dass es mit den heutigen technologischen Möglichkeiten immer einfacher sei, Mängel zu finden und zu beheben – aber in Wahrheit ist es umgekehrt. Wir benötigen immer mehr kostenintensive Ausrüstung, um Hightech-Autos zu servicieren – vor allem E-Autos brauchen sehr viel Spezial-Equipment und Spezial-Know-how. Dafür braucht es geschulte Mitarbeiter mit viel Kompetenz in der Elektrotechnik. Werkstätten müssen daher verstärkt in teure Ausrüstung und in Qualifizierungsmaßnahmen investieren.“
„Für E-Autos braucht es viel Spezial-Equipment und Spezial-Know-how.
Daher müssen Werkstätten verstärkt in teure Ausrüstung und Qualifizierungsmaßnahmen
investieren.“
JOSEF HARB
STV. BUNDESINNUNGSMEISTER
FAHRZEUGTECHNIK
E-MOBILITY – QUO VADIS?
Die Entwicklung der E-Mobility sieht Harb mit gemischten Gefühlen. „Die Autos werden technologisch immer besser, vor allem bei den Reichweiten gibt es große Fortschritte“, betont der Experte. Allerdings sieht er weiterhin zwei große Einstiegshür den – die immer noch zu hohen Anschaffungskosten sowie die unzureichende Ladeinfrastruktur. „Hier gibt es großen Aufholbedarf. Wenn sich hier die Zahl der E-Autos auf unseren Straßen in den nächsten Jahren vervielfachen soll, wie politisch gewünscht, dann stehen wir vor einer Herkulesaufgabe und müssen das Netz an Ladestationen rasch und konsequent ausbauen“, mahnt Harb. Ebenso hemmend: der Wildwuchs an Ladekarten, der das Laden an den Ladestationen massiv erschwert. „Jeder Anbieter hat seine eigenen Karten und Verrechnungssysteme, die untereinander oft nicht kompatibel sind. Hier braucht es dringend ein einheitliches System – das Laden muss einfach und unkompliziert möglich sein.“ Alles in allem für ihn kein Wunder, dass immer noch der Großteil aller E-Auto-Käufe auf Firmen entfällt. „83 % beträgt dieser Anteil, das heißt, nur ein kleiner Teil der verkauften E-Autos in Österreich geht an Private. Für Unternehmen sind die steuerlichen Anreize und Förderungen so lukrativ, sodass es wirtschaftlich fast unvernünftig wäre, eine andere Wahl zu treffen“, so Harb, der hofft, dass die Förderungen hierzulande nicht zurückgefahren werden. „In Deutschland hat man das gemacht, ein massiver Einbruch bei den Verkaufszahlen war die Folge.“ Auch im Privatbereich erwartet Harb einen Anstieg der E-Mobilität in den nächsten Jahren. „Asiatische Hersteller drängen auf den europäischen Markt mit einem Preis-Leistungs-Verhältnis, das wir bisher nicht kannten – vor allem der größte chinesische Autobauer BYD setzt voll auf Expansion“, so Harb. Seit Sommer diesen Jahres hat das Familienunternehmen einen Händlervertrag mit BYD und bietet Fahrzeuge dieser Marke am neuen Standort in Gleisdorf an. „Das Geschäft dort ist gut angelaufen. Ich bin sicher, dass BYD ordentlich Bewegung in den Markt bringen wird.“ Ob damit die Frage des Antriebssystems der Zukunft entschieden ist? „Ganz so einfach, wie sich das viele wünschen, wird die Mobilitätswende nicht funktionieren“, betont Harb.
Autozentrum Harb Gegründet 1987 von Josef Harb Drei Standorte: Weiz, Gleisdorf und Voitsberg Marken: Mercedes, Kia und BYD Neu- und Gebrauchtwägen sowie Markenwerkstätte Josef Harb startete im Jahre 1970 mit einer Lehre als Fahrzeugtechniker („Mechaniker“), 1987 Errichtung des ersten Betriebs in Weiz (Mercedes-Benz Werkstätte), 1995 Eröffnung des Autozentrums am heutigen Standort in Weiz 2011 Übergabe an seine beiden Söhne Manfred Harb (Autozentrum Harb Weiz und Harb Gleisdorf) und Christian Harb (Seat Harb). Drei Jahre später übernimmt Josef Harb ein Autohaus in Voitsberg (Mercedes-Benz und Kia), das heutige Autozentrum Harb Voitsberg. 2022 Eröffnung des Autozentrums Harb Gleisdorf in Gleisdorf-Ludersdorf (BYD) durch Manfred Harb In Summe rund 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Josef Harb ist zudem seit vielen Jahren als Branchenvertreter in der WKO Österreich und WKO Steiermark tätig – lange Zeit als Bundesinnungsmeister sowie Landesinnungsmeister der Fahrzeugtechnik und damit wichtigster Branchenvertreter der Werkstättenbetriebe. Heute ist er stellvertretender Bundesinnungsmeister der Fahrzeugtechnik. www.autozentrum-harb.at
„Denn wir dürfen nicht vergessen, dass wir immer noch fünf Millionen Pkw mit Verbrennungskraftmotoren auf Österreichs Straßen haben – und diese können wir nicht einfach verschrotten. Das heißt, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, brauchen wir auch andere Lösungen wie auch synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels. Ich bin ein großer Verfechter der Technologieoffenheit und meine: Wir werden alle Technologien und Lösungen brauchen. Auch E-Fuels haben ihre Berechtigung – das bestätigt jede Öko-Gesamtbilanz, in der alle Parameter einfließen.“
UMSTELLUNG AUF AGENTURSYSTEM
Erwartet Harb angesichts der rückläufigen Verkaufszahlen im Autohandel nun Rabattschlachten? „Die Zahlen könnten tatsächlich besser sein. Inflation und wirtschaftliche Unsicherheiten mindern die Kauflust, aber Rabattschlachten wird es nicht geben. Viele Autohändler haben durch die Umstellung auf Agentursysteme von Seiten der Hersteller ohnehin kaum Spielräume – im Agentursystem sind Preise und Rabattierungen streng geregelt“, so Harb, der selbst auch Betroffener der Systemumstellung ist. Mercedes-Benz hat vor zwei Jahren in Österreich das Agenturmodell für sein Händlernetzwerk gestartet. „Eine Entwicklung, die ich durchaus kritisch sehe. Ich glaube nicht, dass Gewinnmaximierung auf dem Rücken der Händler der Weisheit letzter Schluss ist – das werden auch die Hersteller früher oder später einsehen“, so Harb. Was wünscht sich der WKO-Branchenvertreter von der Politik? „Ganz klar! Runter mit den Lohnnebenkosten – sonst können sich Normalverdienende irgendwann keine Werkstätten mehr leisten. Und runter mit der Bürokratie! Unglaublich, wie viel Zeit wir mittlerweile für Bürokratisches aufwenden müssen. Wertvolle Zeit, die uns für die Kunden fehlt – denn sie stehen bei uns im Mittelpunkt, nicht das Ausfüllen von Formularen“, so Harb, der abschließend den entscheidenden Erfolgsfaktor für das Autohaus der Zukunft nennt: „Die Qualität der Mitarbeiter ist das Um und Auf – in Zukunft mehr denn je. Daher hat Mitarbeiterführung in unserem Unternehmen oberste Priorität. Damit sind wir in den vergangenen Jahrzehnten auch sehr gut gefahren.“
Fotos: Oliver Wolf