Wirtschafts- und Wissenschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl im Interview über die Bedeutung der Berufsorientierung von Mädchen und jungen Frauen, die ganzheitliche Sicht auf die Herausforderungen der Zeit, die steirische Kooperationskultur und wozu sie jede Frau ermutigen möchte.
Traditionelle Rollenbilder gelten als eine der Hauptursachen dafür, dass Frauen in der Forschung, speziell in MINT-Disziplinen, immer noch unterrepräsentiert sind. Welche Möglichkeiten hat hier die Landespolitik, um gestalterisch wirken zu können?
EIBINGER-MIEDL: Um die traditionellen Rollenbilder aufzubrechen, setzen wir bereits bei der Berufsorientierung von Mädchen und jungen Frauen an. Beispielsweise wollen wir mit der Plattform „Science Garden“ den Erfindergeist und das Interesse an Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik wecken. Aber auch bei regionalen Berufsund Bildungsmessen werden die zahlreichen Möglichkeiten in der Steiermark aufgezeigt. Und unsere landeseigene Forschungsgesellschaft JOANNEUM RESEARCH setzt mit einem eigenen Gender Equality Plan wichtige Schritte, um gezielt Frauen in der Forschung zu unterstützen.
Warum ist es so wichtig, das ungenutzte weibliche Potenzial am Forschungsstandort zu heben?
EIBINGER-MIEDL: Egal, ob in der Wirtschaft, in der Politik oder auch in der Forschung: Es braucht mehr Mitwirkende und es braucht eine ganzheitliche Sicht auf die Herausforderungen unserer Zeit, um zu neuen Lösungswegen zu kommen. Ich bin davon überzeugt, dass in unserer Gesellschaft noch großes weibliches Potenzial schlummert, das es unbedingt zu heben gilt. Denn dies birgt große Chancen für unseren Forschungsstandort. Ich kann nur jede Frau dazu ermutigen, ihre Talente zu nutzen.
„Ich bin davon überzeugt, dass in unserer Gesellschaft noch großes weibliches Potenzial schlummert,
das es unbedingt zu heben gilt.“
BARBARA EIBINGER-MIEDL
WIRTSCHAFTS- UND
WISSENSCHAFTSLANDESRÄTIN
Welche Rolle spielen Awards wie der „SPIRIT-Award for Women in Science“, um die Sichtbarkeit von Frauen in der Forschung zu erhöhen?
EIBINGER-MIEDL: Solche Auszeichnungen sind die optimale Gelegenheit, um die großartigen Leistungen heimischer Forscherinnen vor den Vorhang zu holen und entsprechend zu würdigen. Zugleich nehmen die Ausgezeichneten auch eine wichtige Vorbildwirkung für andere Frauen ein.
Welche Bedeutung haben Forschung und Wissenschaft generell für den Wirtschaftsstandort Steiermark?
EIBINGER-MIEDL: Forschung und Entwicklung an den heimischen Hochschulen, aber auch in außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Unternehmen sind ein Garant für die erfolgreiche Entwicklung unseres Standorts. Die Forscherinnen und Forscher arbeiten an den Lösungen für morgen und gestalten so unsere Zukunft aktiv mit. Dabei hat sich die steirische Kooperationskultur im Bereich Wissenschaft und Forschung zu einem echten Markenzeichen entwickelt, das Vorbild für viele andere Regionen ist.
In welchen Forschungsfeldern ist die Steiermark international führend? Bzw. worauf legt das Land hier künftig seinen Fokus?
EIBINGER-MIEDL: In den vergangenen Jahren hat sich die Steiermark zum europäischen Green-Tech-Valley, aber auch zum Hotspot für Mikroelektronik entwickelt. In beiden Bereichen verfügt unser Bundesland über geballte Kompetenzen weltweit führender Hightech-Unternehmen, innovativer KMU und herausragender Forschungseinrichtungen. Aber auch die Life-Science-Branche wächst stetig. Auf diese zukunftsweisenden Forschungsfelder werden wir auch weiterhin unseren Fokus setzen.
KMU sind das Rückgrat der steirischen Wirtschaft. Wie forschungsaffin sind kleine und mittelständische Betriebe bzw. wie könnte man etwaige Berührungsängste auf KMU-Seite abbauen?
EIBINGER-MIEDL: Uns ist es in den vergangenen Jahren gelungen, eine hervorragende Kooperationskultur zwischen Wissenschaft und Wirtschaft aufzubauen. Diese beiden Felder gehen in unserem Bundesland Hand in Hand. Die Forschungsintensität ist mittlerweile auch bei kleinen und mittelständischen Unternehmen sehr gut, wir wollen diese aber weiter stärken. Beispielsweise unterstützt das Wirtschaftsressort des Landes mit dem Förderprogramm „Ideen!Reich“ KMU dabei, innovative Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle zu entwickeln und umzusetzen. Mit einem „Steiermark!Bonus“ der steirischen Wirtschaftsförderung stellen wir zudem eine Zusatzfinanzierung für vom Bund geförderte F&E-Projekte bereit.
Österreich durfte sich zuletzt gleich über zwei Physik-Nobelpreisträger innerhalb von zwei Jahren freuen. Wann ist die Zeit reif für eine weibliche Nobelpreisträgerin im MINT-Bereich aus Österreich?
EIBINGER-MIEDL: Wir haben viele großartige Forscherinnen am Standort und ich würde mir wünschen, dass eine davon in die Fußstapfen der Biochemikerin und Nobelpreisträgerin Gerty Cori tritt. Sie war einst auch in Graz tätig und wir benennen nach ihr und ihrem Mann Carl das neue „Cori-Institut“ für Metabolismusforschung.
FOTO: TERESA ROTHWANGL