Entwickeln und Fertigen am Limit: Pankl Racing Systems setzt seit Jahren Maßstäbe in seinen Hightech-Nischenmärkten Rennsport, Luxusautos und Luftfahrt. Pankl-CTO Stefan Seidel im Interview über eine krisenresistente Positionierung, die Eröffnung der Pankl Academy, die Zukunft des Metall-3D-Drucks, die Bedeutung der Technologieoffenheit in der Entwicklung und warum Pankl auch in diesem Jahr längst als Formel-1-Weltmeister feststeht.
Hier liefern sich Niki Lauda und James Hunt fast täglich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Beide glühen Runde um Runde – und jedes Mal sind die Bauteile danach um eine Pulverschicht höher. „Niki Lauda“ und „James Hunt“ sind zwei riesige 3D-Drucker der Marke EOS, die bei Pankl Racing Systems in Kapfenberg am Tag unseres Besuchs auf Hochtouren produzieren. Die Rennsportnähe des steirischen Hightech-Lieferanten ist allgegenwärtig. Und Bauteile für die Formel 1 überall zum Greifen nah. Hier Komponenten für Motor- und Antriebssysteme, dort etwa ein Überrollbügel, ebenfalls 3D-gedruckt. „Dieser kommt in der nächsten Formel-1-Saison zum Einsatz – federleicht, aber extrem belastbar und crash-sicher“, zeigt uns Pankl-CTO Stefan Seidel auf einer Tour durch die Produktion „druckfrische“ Highlights aus der additiven Fertigung, einem Hightech-Feinkostladen maßgeschneiderter Teile für den Rennsport und Sportwagen-Bereich. Der Großteil der Hallenflächen an der Industriestraße Ost dient jedoch der hochvolumigen Produktion – zigtausende Motorrad-Getriebe für KTM werden hier pro Jahr gefertigt. Die Produktion ist ein Role-Model für Automatisierung. Cobots, Sensorik und RFID-Tags sorgen für effiziente und reibungslose Abläufe. Mensch und Maschine kollaborieren in einer hellen und blitzblanken Umgebung. Selbst Grün-pflanzen fühlen sich hier wohl. Automatisierung und individualisierte High-End-Fertigung Hand in Hand – eines der Erfolgsgeheimnisse von Pankl, wie Stefan Seidel im Interview mit „SPIRT of Styria“ bestätigt.
Das Motto Ihres jüngsten Geschäftsberichts lautet „Pankl glaubt an die Zukunft“. Fällt es angesichts des aktuellen Krisenumfelds schwerer, an eine positive Zukunft zu glauben? Was macht Pankl zukunftsfit?
SEIDEL: Pankl setzt seit jeher auf Innovation und Technologie, um sich vom Mitbewerb abzuheben – das steckt in unserer DNA. Dank unserer hervorragenden Mitarbeiter und umfassender Investitionen in Automatisierung, Digitalisierung und neue Produktfelder sind wir zuversichtlich, dass wir auch in Zukunft unseren erfolgreichen Weg fortsetzen werden. Auch wenn die aktuellen Marktbedingungen tatsächlich herausfordernd sind.
Was macht das Know-how des Unternehmens aus?
High Tech, High Speed und High Quality sind für uns keine Schlagworte, sondern gelebte Praxis. High Speed heißt rasche Reaktions- und Lieferzeiten sowie Geschwindigkeit in der Umsetzung von Innovationen. High Tech steht für unseren Anspruch, Technologieführer zu sein. Und High Quality dafür, dass sich unsere Kunden stets auf uns verlassen können – bis ins letzte Tausendstel Millimeter unserer Bauteile. Ein wichtiges Erfolgskriterium von Pankl ist die vertikale Integration. Wir haben mittlerweile eine durchgängige Wertschöpfungskette im Haus, von der Schmiede – durch die Übernahme der Firma Krenhof – über die Fertigung bis hin zur Wärmebehandlung und Beschichtungsverfahren inklusive Testmöglichkeiten. Dadurch haben wir eine bessere Qualitätskontrolle über den gesamten Prozess und sind bei Neuentwicklungen schneller und flexibler.
„Pankl setzt seit jeher auf Innovation und Technologie, um sich vom Wettbewerb abzuheben – das steckt in unserer DNA.“
STEFAN SEIDEL
CTO PANKL RACING SYSTEMS
Pankl-CTO Stefan Seidel am Standort „High Performance Systems“ in Kapfenberg
Macht die Positionierung in Nischenmärkten Pankl krisenresistenter als andere?
In der Nische ist es sicher einfacher, mit Technologie zu punkten als im Massenmarkt, wo meistens der niedrigste Preis zählt. Das Spannende bei uns ist, dass wir nicht nur in einem, sondern in drei Nischenmärkten – Motorsport, Luftfahrt und High-End-Automobil – tätig sind. Und diese haben zum Teil auch wieder unterschiedliche Konjunkturzyklen, was uns ermöglicht, Schwankungen in den Abrufen gezielt abzufedern.
Welcher Geschäftsbereich entwickelt sich gerade besonders gut?
In der Luftfahrt gibt es derzeit ein starkes Wachstum. Die Erholung nach Corona ging sehr rasch. Laut Prognosen wird sich die Anzahl der Flugzeuge in den nächsten Jahren weltweit drastisch erhöhen. Das bietet natürlich auch für uns Potenziale. Im Vorjahr haben wir unser neues, hochmodernes Aerospace-Werk eröffnet – nachdem wir antizyklisch, nämlich mitten in der Corona-Krise, investiert haben. Der Erfolg gibt uns heute recht. Auch der Motorsport entwickelt sich sehr positiv – vor allem unsere Hauptmärkte, die Formel 1 und MotoGP. Für Pankl ist es immer vorteilhaft, wenn neue Reglements eingeführt werden – so wie in der Formel 1, wo es ab 2026 einschneidende Änderungen geben wird. Künftig werden die Rennautos mit 50% Elektro und 50% Verbrenner-Anteil unterwegs sein und die Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen betrieben. Damit kommt der Effizienz des Verbrennungsmotors eine noch größere Bedeutung zu. Zudem will die FIA das Gewicht reduzieren und forciert damit das Thema Leichtbau. Unsere Technologien rund um den Metall-3D-Druck sind also gefragter denn je.
Wie wichtig ist die Formel 1 für Pankl? Wie wichtig Pankl für die Formel 1?
In jedem Rennauto der Formel 1 stecken Teile aus der Obersteiermark – wir beliefern sämtliche Teams mit Komponenten, wenn auch nicht alle mit denselben. Jedes Team hat eigene Anforderungen, unsere Bauteile sind immer maßgeschneidert auf die Kundenwünsche. Das heißt, die Formel 1 ist für uns sehr wichtig – vom Umsatz her, aber auch als Spielwiese für neue Technologien. Es gibt sehr kurze Produktlebenszyklen und man kann sehr rasch neue Dinge ausprobieren. Andererseits verfolgen wir das Motto „From Track to Road“ – das heißt, was wir in der Formel 1 entwickeln, wollen wir möglichst in andere Bereiche transferieren, in Hypercars, also Supersportwagen, die oft nur in 50 bis 100 Stück produziert werden, sowie auch in andere Nischenbereiche.
Seidel: „Für Pankl ist es immer vorteilhaft, wenn in der Formel 1 ein neues Reglement eingeführt wird – so wie jetzt ab 2026.“
Das heißt, der Spruch „Pankl gewinnt jedes Rennen in der Formel 1“ gilt nach wie vor?
Nicht nur in der Formel 1. In allen großen Motorsportrennserien sind Pankl-Komponenten im Einsatz. Man kann sagen, dass wir jede große Rennserie gewinnen.
Dann dürfen wir schon jetzt zum Gewinn des Formel-1-WM-Titels gratulieren?
Ja, vielen Dank! (lacht)
Gibt es dennoch ein Team, dem Sie besonders die Daumen drücken?
Dem Team, das am innovativsten ist, weil es jenes ist, das am meisten entwickelt. Und das ist für uns natürlich besonders spannend. Ansonsten bitte ich um Verständnis – es gelten hier strengste Geheimhaltungsvereinbarungen, an die wir uns natürlich halten. Was wir jedoch wissen: 2026 wird für alle Teams aufgrund der signifikanten Reglementänderungen eine große Herausforderung. Wir arbeiten bereits jetzt mit den Rennställen an den entsprechenden Entwicklungen.
Pankl geht in der Entwicklung an die Grenzen des Machbaren. Wo ist noch am meisten Innovation möglich?
In allen Bereichen – sowohl in den Produkten als auch in den Prozessen. Ein wichtiger, frühphasiger Teil der Produktentwicklung liegt bereits in der Entwicklung neuer Werkstoffe. Wir arbeiten hier in enger Kooperation mit der Montanuniversität Leoben zusammen. So bekommen unsere Konstrukteure die Basis für innovative Produkte in die Hand. Dazu entwickeln wir die optimalen Fertigungsprozesse – etwa Verfahren wie den Metall-3D-Druck. Unser vor Jahren eröffnetes Kompetenzzentrum für additive Fertigung bietet uns komplett neue Möglichkeiten, weil wir nun Designs umsetzen können, die vorher undenkbar waren. Auch in der Formel 1 wird diese Technologie künftig noch stärker Einzug halten.
Welche Auswirkungen hat die E-Mobilität auf das Geschäftsmodell von Pankl
Generell geht es beim Thema Antrieb der Zukunft ja nicht um die Frage „Elektro oder Verbrenner“, sondern um das Ziel, wie wir eine grüne und nachhaltige Mobilität sichern. Und dafür gibt es eine Reihe von Lösungen. Auch wir beschäftigen uns mit unterschiedlichsten Technologien und gehen dabei technologieoffen an die Aufgabenstellung heran – wir arbeiten gemeinsam mit unseren Kunden an Lösungen im Bereich E-Fuels und Wasserstoff im Verbrennungsmotor genauso wie an Innovationen für den Elektroantrieb und die Brennstoffzelle. Darüber hinaus birgt der Leichtbau – unabhängig vom Antriebskonzept – viel ökologisches Potenzial – für uns ein Riesenthema. In den Märkten, in denen wir tätig sind, wird es den Verbrennungsmotor sicherlich noch lange geben – in unterschiedlichsten Ausprägungen.
Wo sehen Sie die größte Herausforderung für Pankl in den nächsten Jahren?
Eine große Herausforderung bleibt sicherlich die Suche nach den richtigen Mitarbeitern. Mit unserem Investment in die Pankl Academy setzen wir hier einen wichtigen Schritt im Bereich Lehrlingsausbildung der Zukunft. Aktuell bilden wir 150 Lehrlinge in unterschiedlichsten Lehrberufen aus – das sind ungefähr 10 Prozent unserer Belegschaft. Eine weitere Herausforderung sind Investitionen in Digitalisierung und Automatisierung. Wir brauchen sie, um Standortnachteile etwa im Kostenbereich auszugleichen, aber auch, um unsere Effizienz zu steigern und Innovationen zu fördern.
Sie setzen bereits stark auf Automatisierung. Geht da noch mehr?
In vielen Bereichen sind wir schon sehr stark automatisiert, siehe etwa die Getriebe-Serienfertigung. In anderen Bereichen, bei kleineren Serien bzw. im Aerospace-Bereich, gibt es aber noch Potenziale. Ebenso wichtig wie Automatisierung ist die Digitalisierung – es geht zunehmend darum, die Daten, die wir bereits erfassen können, auch zu verwerten, Stichwort Predictive Maintenance, um etwa Wartungsintervalle besser vorhersehen zu können. Neue Tools im Bereich Digitalisierung und KI schaffen nicht nur effizientere Abläufe, sondern tragen auch dazu bei, dass Mitarbeiter künftig weniger monotone Arbeiten ausführen müssen.
Wo liegen die Märkte der Zukunft? Wird China wichtiger?
Kernmärkte sind Europa und die USA – und daran wird sich so schnell nichts ändern. Die Pankl-Gruppe hat bereits drei Werke in China – damit beliefern wir den lokalen chinesischen Markt mit Bauteilen, um unseren Kunden im gehobenen Automobilsegment näher zu sein. Motorsport ist primär in Europa und Amerika angesiedelt, was die Entwicklung der Fahrzeuge betrifft – und auch im Sportwagen-Bereich sind das unsere Kernmärkte. Hier gibt es in China aber gewisse Entwicklungen, gerade im EV-Markt, die wir für die Zukunft im Auge haben. Und auch in der Luftfahrtindustrie liegt der Fokus auf Hersteller in den USA und Europa – wir produzieren hier für alle namhaften OEMs.
Was wünschen Sie sich, um den Wirtschaftsstandort wieder flott zu bekommen?
Ich würde mir wünschen, dass wir die Bürokratie massiv reduzieren. Es gibt Regularien und Dokumentationsaufwände, vor allem von Seiten der EU, die unseren Wirtschaftsstandort schwächen. Hier gilt es, massiv gegenzusteuern. Auch die gesamten steigenden Lohnkosten in Österreich sind im globalen Wettbewerb eine Riesenherausforderung. Umso mehr bräuchte es Förderungen, um Automatisierung und Digitalisierung auch wirklich zu implementieren. Auf diese Weise könnten wir gewisse Standortnachteile wettmachen
Pankl Racing Systems
Gegründet 1985 Drei Geschäftsfelder:
Racing, High Performance (Luxus- und Sportwägen) und Aerospace
Umsatz 2023: 410 Mio. Euro
Führender Lieferant und Entwicklungspartner im Bereich Motor- und Antriebssysteme Als Systemanbieter bietet Pankl Kunden Leistungen von der Entwicklung und Berechnung über Produktion und Montage bis zum Testen und Warten von Hochleistungskomponenten.
Produktportfolio: Kurbeltriebe, Pleuel, Kolben, Turbo-Applikationen, komplette Antriebsund Fahrwerkssysteme für den Rennsport sowie komplexe Antriebskomponenten und -systeme für Helikopter (Haupt- und Heckrotorwellen) und Flugzeuge (Triebwerkswellen)
Das Unternehmen ist Teil der Pankl AG im Mehrheitseigentum der Pierer Industrie AG (Stefan Pierer).
Rund 2.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon 1.400 in Österreich bzw. rund 700 am Headquarter in Kapfenberg. Knapp 150 Lehrlinge werden derzeit ausgebildet.
Weitere Standorte in Bruck und Köflach sowie in Deutschland, der Slowakei, in England, den USA, China und Japan.
Unternehmensleitsatz: High Tech, High Speed, High Quality
Vorstand:
Wolfgang Plasser (CEO), Stefan Seidel (CTO), Christoph Prattes (COO) und Thomas Karazmann (CFO)
pankl.com/racing
Foto: (c) HOFBAUER LIEBMANN ARCHITEKTEN