Wolfgang Gangl zählt zu den bedeutendsten Fotokünstlern unserer Zeit. In „SPIRIT of Styria“ erzählt der gebürtige Vasoldsberger, wie er durch einen persönlichen Schicksalsschlag zur Fotografie kam, wie wichtig ihm internationale Preise sind, wie Flüchtigkeit und das Bewahren eines Augenblicks zusammenpassen, welcher Gedanke hinter seinen ausführlichen Bildbeschreibungen steckt und welche Vision er mit seinen Bildern vermitteln will.
Das Klicken der Analogkamera, die Vorfreude auf die Fotos, die aus der Dunkelkammer kamen – das sind die frühen Erinnerungen von Wolfgang Gangl, wenn er von der Fotografie spricht. „Zwar begleitet mich die Fotografie von Kindesbeinen an, aber bevor ich Berufsfotograf wurde, verschlug es mich in völlig andere Richtungen“, lächelt der international angesehene Fotokünstler und beginnt zu erzählen. „Nach einer Lehre zum Kaufmann war ich als klassischer Angestellter eigentlich unglücklich. Ich habe schon früh meinen eigenen Dickschädel gehabt, das lässt sich mit einer Unternehmensstruktur schwer vereinbaren. Deshalb habe ich mich mit 23 Jahren selbstständig gemacht und ein Radgeschäft eröffnet. Das lief finanziell gut, aber nach drei Jahren wurde mir langweilig“, so Gangl, der auf Anraten eines Freundes hin danach ins Musikbusiness einstieg. „Ich gründete ein kleines Indie-Musik-Label mit einem Recordingstudio und den Vertrieb dazu. In den ersten Monaten hatte das Spaß gemacht, aber genau zu dieser Zeit sind die MP3-Filesharing-Plattformen aufgekommen und der Markt ist total eingebrochen – und mit ihm mein Business, in das ich mein ganzes Geld hineinsteckte. Das war die notwendige Erdung für mich im Nachheinein betrachtet. Zu dieser Zeit habe ich Alexandra, meine Frau kennengelernt. Wir haben Münzen sortiert, weil wir nicht wussten, wie wir uns unser Essen leisten sollen.“ Wolfgang Gangl startete also wieder von vorne, machte sich selbstständig im Bereich Corporate Video, bevor er sich in einem großen Konzern vom Controller in nur fünf Jahren zum Vorstandsmitglied hocharbeitete und das gesamte operative Geschäft verantwortete. „Natürlich war das cool. Der finanzielle Druck war weg. Und da das ein hoch angesehener Posten war, glaubst du, mit 40 hast du jetzt den Olymp erreicht. Aber ich war sozial isoliert zu dieser Zeit. Aber ich hatte nicht den Mut, alles hinzuschmeißen“, so Gangl, der eine kurze Pause macht – und hinzufügt: „Das klingt jetzt komisch, aber ich habe echt Glück gehabt. Ich bin dann krank geworden. Die Diagnose: Multiple Sklerose. Als ich mich mehr informierte, wurde mir klar, dass Stress die Krankheit schubweise verstärkt. Da habe ich gesagt: Das ist mein Befreiungsschlag! Ich habe meinen Vorstandsposten hingelegt, gekündigt, und mir dann gedacht: So, was mache ich jetzt mit meinem Leben?“

und stellt u. a. in der Bakerhouse Gallery aus
DAS BILD DER FOTOGRAFIE Wolfgang Gangl nahm sich Zeit zum Reflektieren. Und als er sich daran erinnerte, seit seinem sechsten Lebensjahr zu fotografieren, kam ein ungewöhnliches, freudiges Gefühl in ihm hoch. „Ich wusste sofort, dass ich das machen will!“, sagt Wolfgang Gangl. Er baute kurzerhand die Scheune des kleinen Bauernhofs, in dem er heute wohnt, zum Fotostudio aus. „Zuerst habe ich nicht fotografiert, was ich gut finde. Und das war für mich stressig, da ich eine klare Vision habe von dem, was ich machen will. Und das stresst den Kunden letztendlich auch, weil er spürt, dass ich die Leichtigkeit nicht habe.“ Diese Leichtigkeit, von der der Fotokünstler spricht, entsteht beim Erstimpuls einer Geschichte: „Meine heutigen Bilder sind alle sehr Geschichten-lastig. Ob das eine Dokumentation ist, ein Artikel in einer Zeitschrift, etwas in den Sozialen Medien oder ein flüchtiger Gedanke – es entsteht plötzlich ein Bild in meinem Kopf, das sehr ausdefiniert ist. Ich recherchiere dann dazu und es ergibt sich eine Erzählung, eine Geschichte, die rund um das spätere Foto herum entsteht. Das klingt zunächst sehr einfach, ist aber sehr kompliziert, da ein Gedanke, genauso wie ein Moment, flüchtig ist, weshalb es viel Vorbereitung braucht, bis die fertige Fotografie meine Vision auch einfängt“, sagt Gangl, der sich als Perfektionist bezeichnet und damit erklärt, wodurch sich die ausführlichen Bildbeschreibungen seiner Werke ergeben. „Jedoch sind meine Herleitungen so lose formuliert, dass noch genug Interpretationsspielraum da ist. Denn ich finde, die Kunst in einem so mi nimalistisch gehaltenen Bild besteht darin, möglichst viel Spannung über eine lange Zeit hinweg aufrechtzuerhalten.“

“Auch wenn ein Bild technisch höchst komplex ist, soll es möglichst simpel aussehen.”
WOLFGANG GANGL
Fotokünstler
MINIMALISTISCHE FOTOGRAFIEN MIT KUNSTVOLLEN GESTALTUNGSMITTELN Wolfgang Gangl sieht sich nicht als Handwerker. „Dennoch fühle ich mich den Fotografen an sich schon zugehörig. Nur habe ich das fotografische Handwerk nicht gelernt“, sagt Gangl, der sich eher als Fotokünstler sieht. Seine minimalistischen Fotografien, die seine eigenwillige Perspektive auf die Mode und Portraitfotografie des 20. Jahrhunderts zeigen, weisen klare, geometrische Formen auf. Das ursprünglich aus der Malerei der Spätrenaissance stammende Gestaltungsmittel der Chiaroscuro (Anm.: Hell-Dunkel-Malerei) lässt die fotografierten Models in einem nahezu transzendenten Licht erscheinen und verstärkt die Räumlichkeit der Fotosujets Wolfgang Gangls. Seine Bilder werden auf UV-stabile, kratzfeste Chroma-Luxe-Aluminiumplatten gedruckt und wirken dadurch äußerst scharf und brillant. „Obwohl ein Bild technisch höchst komplex ist, soll es möglichst simpel aussehen. Meine Frau Alexandra und ich erreichen das, indem wir uns akribisch auf einen Fotoshoot vorbereiten. Ich bestimme schon früh, welches Licht aufgebaut werden muss. Es wird wenig variiert, jedoch immer weiter reduziert. Ich nehme während des Fotografierens einzelne Elemente weg. So lange, bis das Bild für mich zu brechen beginnt oder ich merke, dass das Bild nicht mehr funktioniert“, so Gangl, der seine Bilder so wenig wie möglich in Photoshop bearbeitet. Aus 30, 40 Bildern, die am Set aufgenommen werden, wird am Ende eines ausgewählt. Wolfgang Gangl geht dabei wie ein Winzer vor, dessen Weine so lange reifen, bis der Zeitpunkt gekommen ist, ab dem sie genossen werden dürfen. Gangl: „Zuerst machen wir die Bilder nur für uns, hängen sie bei uns zuhause an die Wand. Erst, wenn wir sagen, jetzt sie sind reif für die Welt, zeigen wir sie her.“

Das Bild „Diana“ erinnert and die verstorbene Prinzessin of Wales – Diana Frances Spencer.

„Samsara“, aus indischen Religionen wie dem Hinduismus entlehnt, beschreibt den immerwährenden Zyklus des Seins, des Werdens und Vergehens, der Wiedergeburt.

eigenwillig interpretiert, beschreiben die Fotografien von Wolfgang Gangl

Das Werk „Black Swan“, inspiriert durch den gleichnamigen Film von Nina Sayers, symbolisiert die Dualität zwischen Gut und Böse, Hell und Dunkel.
INTERNATIONALE PREISE UND AUSSTELLUNGEN WELTWEIT
Wolfgang Gangl achtet auf einen möglichst niederschwelligen Zugang zur Kunst und stellt unter anderem in heimischen Kunst-Galerien wie der Bakerhouse Gallery mit Hauptstandort Graz aus. „Ende April wurden meine Bilder in der Bakerhouse-Gallery-Gruppenausstellung ‚Gentleman’s Club‘ gezeigt, und im Steiermarkhof werde ich eine große Solo-Ausstellung haben, wo ich über frühe bis aktuelle Werke meine gesamte Schaffensperiode abbilden werde“, so Gangl, dessen stark limitierte Werke auf der ganzen Welt ausgestellt und äußerst gefragt sind. Kein Wunder: Wolfgang Gangl zählt zu den herausragendsten Fotokünstlern unserer Zeit. Seine Werke wurden international mehrfach ausgezeichnet.
Erst kürzlich wurde Wolfgang Gangl einer der bedeutendsten Fotopreise verliehen: Er ging als Gesamtgewinner als „FEP European Professional Photographer of the Year“ hervor. Doch was bedeuten ihm die vielen Preise persönlich? „Natürlich freut mich das sehr. Und Preise sind ein nicht von der Hand zu weisendes Kaufargument. Wenn dadurch meine Bilder mit der Zeit an Wert steigen, ist das gut. Aber das macht das Fotografieren auch schwieriger, da du dich an dem misst, was du bereits mit anderen Bildern erreicht hast und jetzt erreichen musst. Und das lässt meine Arbeit nicht mehr so leicht sein, wie sie einmal war.“ Am ursprünglichen Ziel, warum Wolfgang Gangl beruflich zur Kamera gegriffen hat, ändern die Preise jedoch wenig: „In erster Linie müssen die Bilder meiner Frau und mir gefallen. Ich will mit meinen Bildern etwas schaffen, von dem meine Kinder einmal sagen können, das haben Opa und Oma zu Lebzeiten gemacht. Meine Bilder sollen bestenfalls etwas in Menschen auslösen: So hat eine Kundin von mir einmal rückgemeldet, dass sie sich im Motiv von einem meiner Bilder selbst sieht. Je nachdem, wie ihre Gefühlslage aussieht, erkennt sie unterschiedliche Facetten in dem Bild, das sozusagen mit ihr mit lebt. Und genau das ist das Schöne an der Fotografie: Dass Momente überdauern!“
Wolfgang Gangl
1977 in Vasoldsberg geboren, wo er heute mit seiner Frau und seinen drei Kindern wohnt und arbeitet. Die Werke des Fotokünstlers sind in internationalen Ausstellungen zu sehen, u. a. in der Bakerhouse Gallery in Graz. Wolfgang Gangl hat bei den weltweit wichtigsten Fotowettbewerben gewonnen, darunter FEP 2025: Overall Winner & „Photographer of the Year“, 2-mal Österreichischer Bundespreis der Fotografie in Gold, Gold beim IPA (International Photography Award) und Gold London Photography Award.
www.wolfganggangl.com
Fotos: Oliver Wolf, beigestellt