Der Architekt Thomas Pucher, Gründer des in Graz und Wien ansässigen Architekturbüros „Atelier Thomas Pucher“, gilt als einer der größten Visionäre der Steiermark, wenn es um internationale Vorzeigeprojekte der Architektur geht. Im Gespräch mit „SPIRIT of Styria“ erklärt er, wie Architektur maßgeblich zum Wohl der Bewohner, der Umgebung und Umwelt beitragen kann, welche Aspekte ein Gebäude nachhaltig machen und wie wir dank Künstlicher Intelligenz künftig bessere Städte planen können.
Fragt man den international erfolgreichen Architekten Thomas Pucher nach dem Wesen der heutigen Architektur, zeichnet er ein dunkles Bild: „Viele Gebäude sind Hüllen, die nach einem Copy/Paste-Prinzip ohne Kontext gebaut werden, ohne Rücksicht auf die jeweilige Landschaft, das Städtebild oder die (Bau-) Kultur zu nehmen“, erklärt der Architekt in seinem Büro am Grazer Bahnhofgürtel. Für Thomas Pucher ist Architektur längst nicht mehr nur das Entwerfen von Gebäuden oder Schaffen von Räumen, sondern zu einem sehr hohen Grad Städtebau. „Als Architekten haben wir uns die Frage zu stellen, was ein Gebäude für das tägliche Leben und Wohlergehen der Bewohner, der Umgebung bzw. den Stadtteil leisten kann?“ Dennoch ist und bleibt Architektur vor dem Hintergrund einer derzeit unsicheren wirtschaftlichen Lage immer noch auch ein Business. „Wenn man es jedoch schafft, hier irgendwo dazwischen einen Platz zu finden, hat man die Chance, heutzutage gute Architektur zu schaffen“, so Pucher.
„Nachhaltig sind Gebäude dann, wenn sie so gestaltet sind, dass man sich in ihnen wohlfühlt und sie so lange wie möglich genutzt werden.“
THOMAS PUCHER
GESCHÄFTSFÜHRER
ATELIER THOMAS PUCHER
DEN WETTBEWERB FÜR SICH ENTSCHEIDEN
Das mittlerweile über 60 Mitarbeiter an den Standorten Graz und Wien zählende Atelier Thomas Pucher ist seit mehr als 20 Jahren an Projekten auf der ganzen Welt beteiligt. Anerkennung erlangte das Atelier etwa für das Design des Sinfonia Varsovia Konzerthauses in Warschau oder hierzulande für die neu gestaltete Bibliothek der Universität Graz. „Der wesentliche Anteil unserer Aufträge sind Wettbewerbe.“ Kein anderes Architekturbüro hierzulande hat einen vergleichbaren Erfolg, Stockerlplätze bei Wettbewerbseinreichungen zu belegen. Seit seiner Gründung 2005 konnte das Atelier Thomas Pucher über 50 Wettbewerbe auf der ganzen Welt gewinnen. Allein in den Jahren 2022/2023 konnten nicht weniger als sechs Projekte durch Ausschreibungen an Land gezogen werden – darunter der Gesundheitscampus der FH Kärnten, die Neue Klinik Hietzing, der Campus für Bildung und Wissenschaft der Diözese Linz oder das Neue Bahnhofsareal Wiener Neustadt. Auf das Geheimnis dieser Erfolgsstrategie angesprochen, schmunzelt Thomas Pucher: „Eigentlich ist man ja als Architekturbüro vom Start weg von Wett-bewerben abhängig. Anfangs haben wir von zehn Wettbwerben, an denen wir teilgenommen haben, etwa einen gewonnen. Ein üblicher Schnitt in der Branche. Inzwischen gewinnen wir fünf von zehn, wobei unsere Stärke sicher in Großprojekten und der Lösung möglichst komplexer Aufgaben liegt. Diese große Komplexität der Aufgaben lösen wir durch unsere Architektursprache, die sich durch klare, reduzierte, aber immer außergewöhnliche Konzepte auszeichnet.“ Auf der anderen Seite sind öffentliche Ausschreibungen selbst in aktuellen Zeiten schwacher Konjunktur sinnstiftende und stabile Aufgaben: „Jene Wettbewerbe, bei denen wir mitmachen, sind überwiegend von öffentlichen Auftraggebern ausgeschrieben. Man merkt jedoch in der gesamten Branche, dass auf Sparkurs gefahren wird. Zudem muss man sagen, hat die Steiermark, verglichen mit anderen Städten und Regionen in Westeuropa, eine schwache Dynamik.“ Pucher: „Selbst der Wohnbau ist drastisch zurückgegangen und längst kein ertragreicher Markt mehr. Die Goldgräberstimmung, die wir lange Zeit gehabt haben, ist eindeutig vorbei. Obendrein haben in der Coronazeit internationale Projekte plötzlich gestoppt. Nicht aufgrund der Pandemie, sondern aufgrund der sich abzeichnenden Wirtschaftskrise.
Atelier Thomas Pucher
Thomas Pucher ist ein preisgekrönter Architekt und Gründer des Atelier ThomasPucher in Graz.
Pucher erlangte Anerkennung für das Design der Organisation der Islamischen Konferenz in Dschidda im Jahr 2006 und später für den 1. Platz im internationalen Wettbewerb für das Design des Sinfonia Varsovia Konzerthauses in Warschau. Sein Studio ist an mehreren Projekten auf der ganzen Welt beteiligt.
Mit Hilfe von 3D-Modellierungssoftware wie BIM, V-RAY-Qualitätskontrolle und 3D-Druck hat das Atelier Thomas Pucher ein internes Arbeitsablaufsystem entwickelt, um Kunden Konzepte über virtuelle Rundgänge und interaktive Visualisierungen zu präsentieren.
www.thomaspucher.com
THINKING OUT OF THE BOX
Wie man es in Zeiten anziehender Inflation schafft, dennoch erfolgreich zu sein? „Indem man azyklisch arbeitet und vor allem in der Größe flexibel ist. Das Büro in der Corona-Zeit drastisch zu verkleinern war nicht einfach. Indem wir vier Wettbewerbe hintereinander gewonnen haben, konnten wir wieder an Stabilität gewinnen.“ Aktuell wird das Team an den Standorten Graz und Wien dann aber auf 80 Mitarbeiter aufgestockt. „Während die anderen schrumpfen, wachsen wir“, freut sich Pucher. Was er anders macht als die anderen? „Wir arbeiten sehr effizient, bleiben prägnant und denken dennoch komplett out of the box. Das macht sich irgendwann bezahlt.“
NACHHALTIGKEIT DER ZUKUNFT
Laut Thomas Pucher ist das Thema Nachhaltigkeit längst nicht mehr ein Trend, sondern muss fixer Bestandteil jedes Planungsvorhabens sein. Aus diesem Grund hat Thomas Pucher die Urban Future Projects Gruppe gegründet. Als Architekturbüro, Bauherr und Entwickler in einem, will Pucher gemeinsam mit Partnern und Investoren nachhaltige Gebäude und smarte Stadtteile realisieren, die zu einer besseren Zukunft beitragen. „Wir wollen zum einen neue Technologien und Entwicklungen in den Bereichen Energie und Rohstoffe vorantreiben und diese zum anderen in Projekte in Quartiersgröße einfließen lassen“, erklärt der Architekt. „Ich sage immer: Nachhaltig ist ein Gebäude vor allem dann, wenn es so lange wie möglich genutzt wird. Deshalb müssen Gebäude- und Stadtteilstrukturen flexibel auf Lebensumstände- und Gesellschaftsstrukturen anpassbar sein. Nicht zuletzt sollten Gebäude so gestaltet sein, dass man sich in ihnen wohlfühlt und gerne darin lebt oder arbeitet.“
Das Bahnhofsareal Wiener Neustadt nutzt künftig nicht mehr benötigte Flächen am Bahnhofsareal. Es entsteht ein gemischtes urbanes Areal mit Wohnbau, Büros, Hotel und Gesundheitseinrichtungen. Das Atelier Thomas Pucher wählte eine klimawandelangepasste Gestaltung mit viel Grün, ökologischer Nachhaltigkeit und großflächigen Aufenthaltszonen.
Der Campus für Bildung und Wissenschaft der Diözese Linz entsteht ab 2026 am Fuße des Freinbergs und soll 2028/2029 fertig-gestellt sein. Die bestehende Fläche (in weiß) wird saniert. Hinzu kommen eine überdachte Aula (Mitte), Räume für Lehrpersonal (hinten oben) und der L-förmige Zubau (rechts).
Für das Design des Sinfonia Varsovia Konzerthauses in Warschau errang das Atelier Thomas Pucher in einem internationalen Wettbewerb den 1. Platz und machte global auf sich aufmerksam.
Das Foyer mit einer Dimension von 30 Metern ist offen gestaltet und gibt den Blick auf die Konzerthalle frei.
HEILENDE ARCHITEKTUR
Wohl in keinem anderen Gebäude ist dieser Wohlfühlaspekt so wichtig wie in einem Krankenhaus. Der Entwurf der Neuen Klinik Hietzing fokussiert daher voll und ganz auf das Konzept der „Heilenden Architektur“. „Patienten weisen ein erhöhtes Stresslevel auf, wenn sie ein Krankenhaus betreten. Hinzu kommt, dass ältere Krankenhäuser oft vollkommen abgeschottet sind. In unserem Entwurf haben wir viel Wert auf maximale Durchgrünung und viel Tageslicht gelegt, um Stress zu reduzieren“, erklärt Pucher. Damit bis 2038 aus dem ersten Wiener Gemeindespital eine moderne Stadtklinik wird, hilft eine intelligente, logische Strukturierung in kleinere Gebäudeelemente dabei, Orientierung zu schaffen und den großen Baukörper als Wohlfühlort wahrzunehmen. Dachbegrünungen in Form eines Parks,großzügige Innenhöfe und Winddurchlässigkeit des Gebäudekomplexes wirken sich gemeinsam mit einer Kombination nachhaltiger Energieformen aus Fernwärme und Geothermie positiv auf die Stadtklimabilanz aus.
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ FÜR SMARTE STÄDTE
Um auf aktuelle Klima- und Umweltherausforderungen reagieren zu können, müssen, so Pucher, Gebäude zukünftig eigene, kleine Ökosystem bilden, die sich mit der Umgebung ergänzen und vernetzen. Dies zöge jedoch eine zunehmende Komplexität in der Architektur und Städteentwicklung nach sich. „Künstliche Intelligenz wird in den kommenden Jahren einen größeren Stellenwert einnehmen. Anstatt bestehende Städte so wie bisher stückweise weiterzubauen, könnte ein ‚Digitaler Zwilling‘ einer Stadt Faktoren wie Klima, Biodiversität oder eine optimale Nutzung von Umgebungen frühzeitig simulieren“, so Pucher, der abschließend hinzufügt: „Wenn sich der Zustand dort, wo etwas gebaut wird, im Gegensatz zu vorher verbessert, dann haben wir unsere Arbeit gut gemacht.“
FOTOS: ATELIER THOMAS PUCHER