Spirit of Styria

ALLES AUF GRÜN! Das Energiesystem von Morgen

Investitionen und Innovationen für die Energiewende: Spektakuläre Großprojekte, Mega- Investitionen in Erneuerbare Energie und den Netzausbau sowie die Entwicklung revolutionärer Lösungen für Strom und Wärme – die Steiermark rüstet sich für eine Welt ohne Fossile. Und auch die Industrie ist auf Kurs, wie ein Beispiel aus der energieintensiven Papierindustrie zeigt.

Mehr als eine Preisfrage: Wird ein Projekt im Steinbruch den ökologischen Umbruch des heimischen Energiesystems buchstäblich in Basalt meißeln? Die Dimensionen sind jedenfalls beeindruckend. Knapp zwei Millionen Kubikmeter Heiß-wasser – auf 7,5 Hektar Grundfläche bis zu 40 Metern Tiefe – umfasst der Wasserspeicher im Projekt „Sonnenspeicher Süd“, das für Graz zum Gamechanger in der Wärmewende werden könnte. Das Projekt sieht vor, den Basaltsteinbruch Weitendorf bei Wildon mit Wasser zu fluten und ihn in einen gigantischen Warmwasserspeicher zu verwandeln. Aufgeheizt wird das Wasser mittels großflächiger Solarthermie-Kollektoren. Ein Biomasseheizwerk und eine industrielle Wärmepumpe bringen das Wasser auf die notwendige Temperatur von 120 Grad. Vom Speicher im Bergbau wird es dann über eine 3,5 Kilometer lange Leitung nach Mellach gepumpt, wo es in die bestehende Fernwärmeleitung eingespeist werden kann. „Sämtliche dafür nötige Flächen, in Summe 62 Hektar, sind gesichert“, erklärt Gilbert Frizberg (Hereschwerke), gemeinsam mit Heimo Ecker-Eckhofen (Unternehmensgruppe Ecker-Eckhofen) Projektwerber hinter dem Vorhaben. „In Dänemark werden Anlagen dieser Art seit Jahrzehnten erfolgreich betrieben. Das Besondere an unserem Projekt ist die Größenordnung sowie der Basalt, der als idealer Wärme- und Wasserspeicher dient“, so Frizberg, der auf einen Baustart im kommenden Jahr hofft. „Vorausgesetzt die Dauer der Genehmigungsverfahren lässt dies zu.“ Im besten Fall könnte bereits im Jahr 2026 Wärme aus dem Steinbruch nach Graz fließen. „Damit könnten wir künftig rund 25% der gesamten Grazer Fernwärme mit grüner Energie abdecken.“

400 Millionen Euro investiert die Energie Steiermark in die Windkraft,
100 neue Windkraftanlagen sollen bis 2035 entstehen.

GRÜNE WÄRME FÜR GRAZ BIS 2040
Es wäre ein Boost für die Roadmap der Energie Graz, die Wärmeversorgung der Stadt bis 2040 zu 100 % aus CO2-freien Quellen sicherzustellen. Eine Mammutaufgabe, bedenkt man, dass bis vor wenigen Jahren noch rund 80 Prozent der benötigten Energie als Abwärme aus dem Kohlekraftwerk Mellach stammten. Einige wichtige Projekte für den Umstieg wurden bereits umgesetzt – dank industrieller Abwärme aus dem Papier- und Zellstoffwerk Sappi in Gratkorn sowie dem Stahl- und Walzwerk Marienhütte konnte der Anteil grüner Wärme von etwa 70 auf etwa 300 Gigawattstunden viervierfacht werden, rund ein Viertel des Grazer Fernwärmebedarfs. Dazu trägt auch das solare Speicherprojekt „Helios“ bei, ein Vorzeigeprojekt für nachhaltige Wärmeaufbringung, das Wärme aus Sonnenenergie und Deponiegas gewinnt. Weitere Leuchtturmprojekte sind auf dem Weg, allen voran das „Energiewerk Graz“, eine moderne Restmüllverbrennungsanlage, die bis 2027 am Ressourcenpark Graz entstehen soll, sowie das Projekt „Energetische Klärschlammverwertung“ in Gössendorf. Die thermische Verwertung von nicht-recyclebaren Reststoffen sowie von Klärschlamm soll künftig mehr als 200 Gigawattstunden Öko-Energie einbringen. Dafür sollen rund 300 Millionen Euro investiert werden. „Gemeinsam mit der Energie Steiermark und der Holding Graz diskutieren wir intensiv über weitere Zukunftsprojekte“, bestätigen Boris Papousek und Werner Ressi, die beiden Geschäftsführer der Energie Graz. Neben dem genannten Projekt „Sonnenspeicher Süd“ spielt dabei auch die Nutzung von Tiefen-Geothermie aus dem oststeirischen Becken eine Rolle. Erdwärme könnte künftig einen Anteil von etwa 30 Prozent zur Grazer Wärmeversorgung leisten. Auch darüber hinaus setzt die Energie Graz Akzente im Bereich Energieinnovationen. So hat das Unternehmen kürzlich gemeinsam mit drei Bauträgern ein innovatives Energiekonzept für ein Wohnneubauprojekt in der Grazer Reininghausstraße entwickelt und umgesetzt. Das Konzept umfasst die Nutzung von Wärmepumpen in Kombination mit bodennaher Geothermie, Fernwärme, Photovoltaikanlagen sowie einem großen Wärmespeicher. „Dies ermöglicht eine nachhaltige Energieversorgung der Bewohner beim Heizen und Kühlen und bietet zudem die Möglichkeit zur eigenen Stromerzeugung“, so Papousek und Ressi über das Pilotprojekt der Wärmedirektservice der Energie Graz (WDS). „Ein Projekt mit hohem Innovationsgrad, eine Skalierung ist möglich.“

Wärme aus dem Steinbruch: 25 % des Grazer Fernwärmebedarfs könnte das Projekt „Sonnenspeicher Süd“ künftig aus Wildon liefern

Die Projektwerber Gilbert Frizberg (Hereschwerke, l.) und Heimo Ecker-Eckhofen (Unternehmensgruppe Ecker-Eckhofen)

Werner Ressi und Boris Papousek (v.l.),
Geschäftsführer der Energie Graz.

300 Millionen Euro fließen in das „Energiewerk Graz“ zur thermischen Verwertung von Restmüll und in eine Anlage für die energetische Klärschlammverwertung in Gössendorf.

MILLIARDENINVESTITIONEN IN GRÜNSTROM UND NETZE
Volle Kraft voraus lautet auch die Devise der Energie Steiermark auf ihrem Dekarbonisierungspfad. Nicht weniger als drei Milliarden Euro wird das steirische EVU in den kommenden Jahren in den Ausbau Erneuerbarer Energie sowie der Netzinfrastruktur investieren. „Allein 200 Millionen Euro fließen jedes Jahr in den Netzausbau, um die Kapazitäten bei Trafos und Leitungen zu erhöhen und das Stromnetz fit für die Anforderungen der Energiewende zu machen“, erklärt das Vorstandsduo Christian Purrer und Martin Graf. Der Ausbau Erneuerbarer umfasst Sonne, Wind und Wasser. „Im Vorjahr haben wir 15.000 neue Zählpunkte im PV-Bereich an unser Netz angeschlossen – doppelt so viele wie im Jahr davor. In Summe halten wir bei rund 42.000 Anschlüssen“, so Martin Graf. „Damit haben wir binnen zwei Jahren die Anzahl der Anlagen, die in unser Netz einspeisen, verdoppelt. 290 Megawatt installierte Leistung sind allein 2023 ans Netz gegangen – das sind rund 15 Murkraftwerke.“ Die Gesamtleistung aller derzeitigen PV-Anlagen beläuft sich auf rund 700 MW – damit ist bereits rund die Hälfte der Ausbauziele der Bundesregierung, die der Steiermark 1,5 GW bis 2030 vorschreibt, erreicht. „Für die Zukunft haben wir mit dem Sachprogramm Photovoltaik weiter guten Rückenwind von der Landesregierung“, so Christian Purrer. Große Anstrengungen unternimmt die Energie Steiermark auch im Ausbau der Windkraft. Derzeit sind steiermarkweit 118 Windräder in Betrieb, mit einer Gesamtleistung von rund 300 MW – davon betreibt die Energie Steiermark 18 Anlagen mit 52 MW installierter Leistung. Die grüne Agenda der Energie Steiermark sieht den Ausbau auf 500 MW bis 2035 vor – das entspricht rund 100 neuen Windrädern und damit Strom für 150.000 Haushalte. 400 Millionen Euro werden dafür investiert. Aktuell entstehen auf der Freiländeralm gerade 17 neue Windräder mit einer Leistung von rund 100 MW. Über weitere große Windparks auf der Stubalm und im Bereich Soboth-Eibiswald wird derzeit in UVP-Verfahren entschieden. Auch die traditionellste Form klimafreundlicher Energieerzeugung, die Wasserkraft, wird weiterhin forciert. Gemeinsam mit dem Verbund entsteht derzeit das Murkraftwerk Gratkorn, das im Herbst in Betrieb gehen soll.

Drei Milliarden für Erneuerbare Energie und den Netzausbau: das Vorstandsduo der Energie Steiermark Christian Purrer und Martin Graf (v.l.)

SICHERE KERNENERGIE MADE IN STYRIA
Die Steiermark ist nicht nur Schauplatz weitreichender Investitionen, sondern auch zukunftsweisender Innovationen im Bereich Klimaschutz. Entwicklungen, die in Form neuer Technologien – vielfach aus dem Green-Tech-Valley – in die Welt gehen. An einer potenziellen Weltsensation forscht der steirische Physiker und Ex-CERN-Wissenschafter Mario J. Müller. Der Forschungsleiter des Unternehmens Emerald Horizon tüftelt an der Entwicklung einer revolutionären Art der Kernenergiegewinnung mittels einer völlig neuen Kraftwerksgeneration. Für sogenannte Thorium-Flüssigsalzkraftwerke alias ADES (Accelerator Driven Energy Source) kombiniert Müller das Prinzip eines Teilchenbeschleunigers mit einer Reihe anderer Technologien. Kompakt in einen 40-Fuß-Container gepackt, sollen die Anlagen künftig weitgehend unbedenklich Kernenergie für Kleinstädte oder Industrieanlagen liefern. Darüber hinaus entwickelt sein Team mit CALstore einen Hochtemperaturspeicher auf Flüssigsalzbasis. „Neuartigen Energiespeichern kommen künftig eine Schlüsselrolle in der Energiewende zu“, so Müller, der auf dem ideologisch verminten Feld der Kernenergie viel Aufklärungsarbeit zu leisten hat. „Oft fehlt hier leider die nötige Wissensbasis. Kern- und Quantenphysik wird kaum bis gar nicht gelehrt“, so Müller. „Unser ADES ist, vereinfacht gesagt, ein Teilchenbeschleuniger, der es erlaubt, Kernenergie wirklich effizient zu ernten – mit ganz wenig Restmaterial, ganz im Unterschied zu einem klassischen Atomkraftwerk, welches das Uran wie ein Bulldozer ausquetscht und viel Rest als Atommüll überlässt“, so Müller. „Wir sind mit unseren Entwicklungen auf Kurs und sicher, mit ADES und CALstore wesentliche Werkzeuge gegen den Klimawandel bereitstellen zu können.“

Hybride Strom-Wärme-Erzeugung: ein neuartiges Parabolrinnen-Solarmodul der TU Graz liefert Strom und thermische Energie zum Heizen oder Kühlen

Thorium-Flüssigsalz-Kraftwerk statt AKW:
Mario J. Müller forscht an „Maschinen zur kontrollierten Ernte von Kernenergie“

HYBRIDES MODUL FÜR STROM UND WÄRME
Auch im Bereich klassisch Erneuerbarer Energie liefern heimische Forscher laufend neue Durchbrüche. So gelang Armin Buchroithner vom Institut für Elektrische Messtechnik und Sensorik der TU Graz gerade eine spannende Innovation im Bereich hybride Strom-Wärme-Erzeugung. Gemeinsam mit einem internationalen Team entwickelte er einen Parabolrinnen-Kollektor inklusive kostengünstiger Photovoltaikzellen, mit denen sich Solarstrom und thermische Energie zugleich gewinnen lassen. Der Clou: Das Solarmodul besteht aus einem rinnenförmigen Hohlspiegel, der die Sonnenstrahlen auf die in der Brennlinie angeordneten Photovoltaikzellen bündelt. Die Abwärme der Solarzellen wird an eine Kühlflüssigkeit abgegeben, die in einem Röhrensystem an der Rückseite der Zellen entlangfließt. Die so gewonnene thermische Energie kann zum klimaneutralen Heizen und Kühlen von Gebäuden oder für industrielle Zwecke genutzt werden. Drei dafür nötige technologische Innovationen verringern dabei die Kosten erheblich. „Unser Ansatz hat das Potenzial, einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende zu leisten“, erklärt Buchroithner. „Parabolrinnen-Kraftwerke stehen bislang nur in besonders sonnenreichen Regionen wie Spanien oder am Persischen Golf. Unsere Versuche zeigen, dass ein Einsatz auch hier in Österreich sinnvoll sein kann, um fossile Energie in Industrieprozessen zu substituieren.“ Schon in zwei Jahren könnten die Module serienreif zum Einsatz kommen.

Industrielle Energiewende auf Kurs: 94 Prozent der gesamt eingesetzten Energie bei
Heinzel Pöls sind bereits CO2-neutral.

NAHEZU CO2– NEUTRALE PAPIERPRODUKTION
Auch die steirische Industrie beweist ihr Engagement in Sachen Klima- und Umweltschutz. Gerade der Papierindustrie, einstmals prototypische Umweltsünderin, gelang dank umfassender Investitionen ein spektakulärer Turnaround. Paradebeispiel dafür ist der obersteirische Papier- und Zellstoff-produzent Heinzel Pöls bzw. die Zellstoff Pöls AG. Das Unternehmen der Heinzel Group investierte seit 2005 nicht weniger als 730 Millionen Euro in die zwei weltweit größten Papiermaschinen im Bereich Kraftpapier für die Lebensmittelverpackung, die kontinuierliche Verbesserung bestehender Anlagen sowie Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen. Diese reichen von der Abwärmenutzung über Investitionen in Photovoltaik und Wasserkraft, Abwasser- und Abluftreinigung bis zur ressourcensparenden Logistik. Längst ist Heinzel Pöls im laufenden Betrieb auch Energieproduzent für den eigenen Standort. Die Verbrennung von Schwarzlauge, die im Produktionsprozess anfällt, macht das Werk energetisch nahezu autark. Seit Jahren liefert Heinzel Pöls Fernwärme über ein 18 km langes Leitungsnetz über Energiepartner an rund 11.000 Haushalte in die Gemeinden Pöls, Fohnsdorf, Judenburg und Zeltweg. Darüber hinaus wurden zwei Wasserkraftwerke errichtet und großflächige PV-Anlagen auf den Dächern montiert. „Wir streben eine komplett CO2-neutrale Produktion an“, erklärt COO Werner Hartmann. „Derzeit sind rund 94 Prozent unserer gesamt eingesetzten Energie CO2-neutral.“ Die verbleibenden Mengen versuche man, durch Tallpech und CO2-neutrale Energie zu kompensieren. „In Zukunft werden wir neben unseren kontinuierlichen Bestrebungen in diesem Bereich noch stärker in die Digitalisierung investieren, um die Produktion weiter zu stabilisieren“, so Hartmann. „Damit wollen wir in der Herstellung von Zellstoff, Papier und Fernwärme noch effizienter werden.“

Fotos: Stock, Wärmespeicher Weitendorf GmbH, Energie Graz, Energie Steiermark, Heinzel Pöls, EMS – TU Graz, Oliver Wolf

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