Spirit of Styria

Bauen mit der LANDSCHAFT

Der Grazer Architekt Dietger Wissounig wurde für den Bau des Gesundheitszentrums Josefhof mit dem Österreichischen Staatspreis für Architektur ausgezeichnet. Der Holzbau könnte zum Paradebeispiel dafür werden, wie man den dramatischen Preissteigerungen bei Baumaterialien ein Schnippchen schlagen kann.

Das Gebäude ist raffiniert in die Landschaft gesetzt, das Haus verströmt eine Leichtigkeit, die sich auf die Gäste überträgt und sie beim Gesundwerden unterstützt“, so begründete die Jury des Architekturpreises ihre Entscheidung für Dietger Wissounigs Josefhof. „Ich wollte, dass dieser große Baukörper der Landschaft so wenig wie möglich weh tut“, sagt Dietger Wissounig. „Dass er die Landschaft vielleicht sogar ein wenig interessanter macht.“ Um dieses Ziel zu erreichen, hat Wissounig das Gebäude in drei 110 Meter lange Baukörper unterteilt, die sich eng an den nach Süden ausgerichteten Hang schmiegen. „Wir haben die Baukörper Schiffe genannt, die wie in einer Arena stufenförmig angeordnet sind und an ihren Enden fast im Hang verschwinden“, erklärt er. Dieser sensible Umgang mit Landschaft und Natur sei gerade für Gesundheitseinrichtungen wichtig, der freie Blick nach Draußen, großzügige Begrünungen und naturnahe Materialien seien entscheidend für das Wohlbefinden der Kurgäste. Gesundheitseinrichtungen sollen „Umstellvorrichtungen für die Seele“ sein.

„Holz könnte das Bauen krisenfester machen, weil wir es bei diesem Baustoff mit einer
österreichischen Wertschöpfungskette
zu tun haben.“

DIETGER WISSOUNIG
ARCHITEKT


Wissounig hat dafür ein Konzept entwickelt, das die verbauten Grünflächen durch Gebäudebegrünungen kompensiert. Die Dächer der drei Schiffe sind begrünt, die in die Baukörper integrierten Atrien wurden mit Bäumen bepflanzt. „Wir haben damit einen Baumbestand wie auf einer Streuobstwiese schaffen können“, erklärt Wissounig. „Auf den freien Flächen haben wir Weinreben gepflanzt.“ Weil ihm ein sensibler Umgang mit Landschaft und Natur wichtig war, hat sich Wissounig für Bauen mit Holz entschieden. Die Fassaden und Terrassen sind aus Lärchenholz, das je nachdem, ob es mit Regen in Berührung kommt, im Laufe der Zeit seine Farbe verändert. Die von überstehenden Dächern geschützten Lärchenholz-Fassaden behalten ihre goldgelbe Farbe, das Holz auf den Terrassen wird im Laufe der Zeit grau. Im Zusammenspiel mit den Aluminiumlamellen des Sonnenschutzes ergibt das ein Farbenspiel, das sich in die Umgebung einfügt.

DIETGER WISSOUNIG ARCHITEKTEN

13 Mitarbeiter im Bereich Architektur und Städtebau

Auszeichnungen Josefhof: Staatspreis für Architektur 2021, Holzbaupreis 2019, Auszeichnung „best architects 21“ in der Kategorie öffentliche Bauten.

2017 Nominierung Mies van der Rohe Award, dem Preis der Europäischen Union für zeitgenössische Architektur.
2016 Architekturpreis des Landes Steiermark (Pflegewohnheim Andritz)
2015 Holzbaupreis Pflegewohnheim Peter Rosegger

Projekte
Voitsthaler Hütte im Auftrag des Österreichischen Alpenvereins
Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Graz Marschallgasse
Sporthalle St. Martin, Villach
Pflegewohnheim Erika Horn, Graz-Andritz
Pflegewohnheim Peter Rosegger, Graz

ZUKUNFTSMARKT MODUL
Naturnahe gebaut wurde aber auch im Inneren des Hauses. Die 120 Zimmer des Josefhofs wurden in Holz-Modulbauweise errichtet. Das hat nicht nur die Bauzeit erheblich verkürzt, sondern auch den CO2-Fußabdruck reduziert. Die 13 Tonnen schweren Elemente aus Brettsperrholz wurden mit Kränen aufeinandergestapelt. „Jede vorgefertigte Einheit war bereits mit allen nicht beweglichen Einrichtungsgegenständen, wie Türen, Schränken und Sanitär ausgestattet“, berichtet Wissounig. Für Wissounig ist das eine Bauweise mit Zukunft, gerade im Hinblick auf unterbrochene Lieferketten und Preissteigerung beim Material: „Holz kann das Bauen krisenfester machen, weil wir es bei diesem Baustoff mit einer österreichischen Wertschöpfungskette zu tun haben.“ Hinzu komme, dass die Herstellung dieser Module in der Werkhalle unabhängig vom Wetter mache, dass Qualitätskontrollen einfacher durchzuführen seien und man so schneller und qualitativ hochwertiger bauen könne.


Gesundheitseinrichtung Josefhof Graz: Die Baukörper schmiegen sich stufenförmig an den Hang.

Terrasse Josefhof (oben): Spiel mit den verschiedenen Farben von Lärchenholz.

Das Problem sei allerdings, dass es derzeit nur um die fünf Unternehmen in Österreich gibt, die sich auf die Produktion dieser Bauteile spezialisiert haben. Was damit zu tun hat, dass Zimmereibetriebe für die Herstellung von Modulen massiv investieren müssen.
„Man braucht eine sehr lange Fertigungsstraße“, sagt Wissounig. „Firmen müssen außerdem Generalunternehmer werden, die vom Fliesenleger bis zum Elektriker viele verschiedene Gewerke beschäftigen. Das bedeutet, dass der Produktionsprozess sehr straff organisiert werden muss. Denn alle zwei Stunden ist ein anderes Gewerk dran. Das kann man mit dem Assemblieren eines Autos vergleichen.“

Trotz dieser enormen Herausforderungen ist Wissounig davon überzeugt, dass dem Bauen mit vorgefertigten Modulen die Zukunft gehört, vor allem bei Bauaufgaben, die aus vielen gleichen Elementen bestehen. Man denke an Hotels, Wohnbauten oder Gesundheitseinrichtungen. „Noch ist der Markt in Österreich klein, aber ich bin davon überzeugt, dass er wachsen wird“, betont Wissounig. Auch deshalb, weil immer mehr Bauherren bei ihren Aufträgen mehr Wert auf Nachhaltigkeit legen. Und es in dieser Hinsicht kaum eine Alternative zum nachwachsenden und regional verfügbaren Rohstoff Holz gibt.


Modell der Voitsthaler Hütte am Hochschwab:
Der Holzbau im Stil der Schutzhütten des 19. Jahrhunderts.

DER PREIS DES BAUENS
Die steigenden Preise treffen auch Architekturbüros. „Wir haben derzeit zwei Projekte laufen, eines davon wurde aufgrund der Preissituation gestoppt“, sagt Wissounig. Er rechnet nicht damit, dass sich die Preise wieder auf dem Niveau vor dem russischen Angriff auf die Ukraine einpendeln werden. „Das Niveau wird hoch bleiben, aber nicht alle Preissteigerungen haben mit dem Krieg zu tun“, sagt er. Hersteller und Händler würden das Angebot an Baumaterialien künstlich verknappen. „Die Lager sind bis zum Rand gefüllt, weil man hofft, dass die Preise weiter steigen würden. Die Verknappung ist eine Folge der Spekulation. Daher ist die Unsicherheit auf dem Markt groß, denn wir wissen nicht, wieviel ein Gebäude am Ende tatsächlich kosten wird“, betont Wissounig.

Vielleicht kann diese Unsicherheit aber auch dazu genutzt werden, beim Bauen nicht nur den Renditen, sondern auch der Qualität mehr Beachtung zu schenken. Dietger Wissounig plädiert dafür, das Bewusstsein für Baukultur und die Qualität des öffentlichen Raumes zu stärken, zum Beispiel indem man in Schulen ein Fach „kulturelle Bildung“ einführt.

Die Qualität am Bau ließe sich aber auch mit einer kurzfristig umsetzbaren rechtlichen Intervention erhöhen. „Die Fachbeiräte, die Gemeinden beraten, sollten nicht nur bis zur Erteilung eines Baubescheides involviert sein, sondern auch bei der Ausführung“, sagt er. „Denn oft entspricht ein Gebäude am Ende nicht mehr dem, was im Bescheid festgelegt wurde, ohne dass das Konsequenzen nach sich zieht.“

FOTOS: OLIVER WOLF, DAVID SCHREYER

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