Spirit of Styria

Aufwind oder Turbulenzen: Wohin steuert die HEIMISCHE LUFTFAHRT?

Talk im Turm: Wo liegen die Chancen, Potenziale und Herausforderungen für die heimische Luftfahrtindustrie? Was brauchen die Betriebe des ACstyria Mobilitätsclusters am dringendsten, um international wettbewerbsfähig zu bleiben? Wie kann die grüne Transformation gelingen? Und welche Rolle spielt dabei die Wissenschaft? Eine hochkarätige Expertenrunde diskutierte bei uns am Roundtable.

„Talk im Turm“: SPIRIT-Herausgeber Hannes Schreiner (l.) und CR Wolfgang Schober (2.v.r.)
mit einer hochkarätigen Expertenrunde am Technopark Raaba
TALK IM TURM 
ist ein Diskussions-format von
SPIRIT of Styria.
Jeden Monat laden wir Expertinnen und Experten zur Diskussion über ein spannendes Wirtschaftsthema an den Runden Tisch in die
Redaktion an den Technopark Raaba.

Aufwind oder Turbulenzen – wohin steuert die steirische Luftfahrtindustrie in Zeiten multipler Krisen?
ZENGERER: Grundsätzlich stehen die Vorzeichen gut. So geht man in der Branche davon aus, dass bis 2040 weltweit rund 40.000 neue Flugzeuge in Betrieb gehen werden. Davon rund 17.000 als Ersatz für ausgemusterte Flugzeuge. Entsprechend groß sind die Chancen, die sich auch für die steirische Zulieferindustrie ergeben. Der Bereich Aerospace ist seit 2013 Teil des ACstyria Mobilitätsclusters. Damals wurde der frühere Autocluster um die Bereiche Aerospace und Rail erweitert – eine weise Entscheidung, da es viele Synergien zwischen den Branchen gibt und wir die geballte Kraft der Steiermark in der Mobilität, in Forschung und Produktion, seither besser bündeln können. Die heimische Luftfahrtindustrie ist seit Jahren im Aufwind, unterbrochen nur durch Corona im Jahr 2020, als die Luftfahrt weltweit massiv ein gebrochen ist. Entgegen aller Befürchtungen hat die Erholung aber rasch stattgefunden – und die weiteren Prognosen sagen großes Wachstum voraus.

Also ein Selbstläufer?
ZENGERER: Ganz und gar nicht. Um unsere Chancen zu wahren, müssen wir dringend die standortpolitischen Rahmenbedingungen in Österreich bzw. in Europa verbessern. Wenn ich mit Partnerbetrieben des Clusters spreche, bekommen ich immer wieder dieselben Themen zu hören – zu hohe Personalkosten, zu hohe Energiekosten, zu hohe Lohnstückkosten. Damit sind wir in Österreich innerhalb Europas noch einmal unrühmlicher Spitzenreiter. Dazu kommen überbordende Regularien, die der Industrie von der EU aufgebürdet werden. All das erschwert unsere Ausgangsposition – vor allem auch gegenüber den immer stärker auf den Markt drängenden Anbietern aus China.

DIE TEILNEHMERINNEN

Sergio Amancio Universitätsprofessor für „Luftfahrtwerkstoffe und Fertigungstechnik“ an der TU Graz, Spezialist für innovative Schweiß- und Fügetechniken sowie additive Fertigungsverfahren in der Luftfahrt, über 35 Patente

Herbert Brunner Geschäftsführer Antemo GmbH mit Sitz in St. Peter ob Judenburg, spezialisiert auf Entwicklung und Fertigung von Hightech-Anlagen und Teilen, darunter Bauteile für das Flugzeug-Interieur

Wolfgang Grimus Geschäftsführer Flughafen Graz, gemeinsam mit Jürgen Löschnig, nach Corona stark steigende Passagierzahlen, rund 733.000 im Jahr 2023 (virtuell zugeschaltet)

Roland Kastenhuber
Head of Sales bei Pankl Aerospace Systems Europe, Entwickler und Fertiger von komplexen, sicherheitskritischen Systemen und Komponenten für die Luftfahrtindustrie (Teile für Strahltriebwerke sowie Rotorsysteme für Helikopter)

Christa Zengerer
Geschäftsführerin ACstyria Mobilitätscluster mit rund 300 Betrieben, davon 80 im Bereich Aerospace mit 650 Millionen Euro pro Jahr und rund 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern

BRUNNER: Auch ich sehe die Lage differenziert. Es gibt Sparten mit deutlichem Wachstum und andere, die sich zäh entwickeln. Was wir bemerken: Immer mehr Zulieferer in ganz Europa geraten in ernsthafte Turbulenzen. Das Luftfahrtbusiness birgt hohe Risiken und man muss sehr genau kalkulieren. Grundsätzlich sind wir bei Antemo mit der aktuellen Auftragslage zufrieden. Wir sind spezialisiert auf den Interieur-Bereich und beliefern alle wichtigen Player, ob Embraer, Bombardier, Boeing oder Airbus. In jedem größeren Passagierflugzeug sind Bauteile von uns enthalten – in einem Airbus A380 beispielsweise rund 300 Bauteile. In vielen Bombardier- und Embraer-Modellen sind unsere Tische drin. Das Problem, das viele derzeit haben: Es gibt zu wenig Neuentwicklungen. Ausgenommen ist das Segment der Passagier-Drohnen, der sogenannten eVTOLs (Anm.: steht für „electric Vertical Take-Off and Landing aircraft“). Da tut sich einiges. Auch wir haben hier gera de zwei Projekte mit großen OEMs am Start. Die Prognosen in diesem Bereich sind schwindelerregend.

AMANCIO: Ich sehe in diesen eVTOls auch viel Potenzial, allerdings gibt es bislang nicht viel mehr als Prototypen und schöne Animationen, aber noch keine echte Umsetzung. Da ist noch viel Spekulation drin.

BRUNNER: Es stimmt – man muss hier immer ein bisschen vorsichtig sein, weil Projekte in der Konzeptphase oft wieder zurück an den Start gehen. Dennoch arbeiten wir bereits an konkreten Projekten im Auftrag von US-Firmen. Was Drohnen betrifft, ist das größte Problem ein durchaus symptomatisches: Die Chinesen und Amerikaner investieren massiv in die Entwicklung und die Europäer „investieren“ lieber in Regularien, um den Einsatz möglichst zu verhindern. Dadurch drohen wir in Europa auch in dem Bereich den Anschluss zu verlieren.

GRIMUS: Auch die Prognosen für den Weltluftverkehr bestätigen, dass das große Wachstum außerhalb Europas stattfinden wird. Bis 2045 werden die Passagierzahlen global, so die Vorhersagen, im Schnitt um 3,8% pro Jahr wachsen. Im vergangenen Jahrzehnt waren es sogar 6 % jährlich. Die größten Wachstumsraten werden in Asien und im Mittleren Osten erwartet. Europa ist das Schlusslicht, was das Wachstum betrifft – mit einer geschätzten Wachstumsrate von nur knapp über 2 %.

BRUNNER: Nichtsdestotrotz sehe ich die heimische Luftfahrt gut aufgestellt. Wir haben tolle Betriebe in Österreich und in der Steiermark – ob Böhler, Pankl, Wollsdorf Leder, AMES, Hilitech, Hintsteiner, F. List oder natürlich FACC. Wir machen österreichweit in der Luftfahrt einen Umsatz von 3,14 Milliarden Euro – das ist beachtlich. Seit 2013 konnte die Branche den Umsatz um 44 Prozent steigern. 220 Luftfahrtbetriebe beschäftigen rund 15.600 Menschen in Österreich. Heute kann ich nur sagen: Es war ein Glücksfall, dass wir dank des Engagements visionärer Vordenker den Autocluster in der Steiermark zu einem Mobilitätscluster weiterentwickelt haben. Der Einsatz hat sich gelohnt, wenn man sich die Entwicklung und die weiteren Perspektiven anschaut. Dennoch müssen wir aufpassen, weiterhin am Puls der Zeit zu bleiben. Unsere große Stärke hierzulande ist, dass wir unheimlich gut ausgebildete Mitarbeiter:innen haben. Aber wir werden in den nächsten Jahren aufgrund der Demografie viele verlieren und müssen alles daransetzen, in den Nachwuchs zu investieren. Wir haben hier großes Potenzial und das Potenzial müssen wir nutzen.

Wie ist die Situation bei Pankl?
KASTENHUBER: Es gibt bei uns zum Glück viel Auf wind, aber natürlich auch große Herausforderungen. Pankl Aerospace verzeichnet seit seiner Gründung 2006 ein kontinuierliches Wachstum. Wir konzentrieren uns auf zwei Kernbereiche: Antriebstechnik für Helikopter sowie Komponenten für Turbinen-Strahltriebwerke. Diese kommen etwa bei Airbus oder Boeing zum Einsatz, beispielsweise im Airbus A350 und A330 oder in der Boeing 787. Corona hat uns natürlich auch getroffen, aber nur kurzzeitig. Der Helikopterbereich war kaum beeinträchtigt und auch der Triebwerksmarkt ist schnell wieder angesprungen. Aufgrund der Teuerungen beim Flugtreibstoff haben die Airlines in neue, effizientere Flugzeuge investiert – und für viele dieser Modelle liefern wir Komponenten. Daher haben wir uns 2020 dazu entschlossen, ein neues Werk zu errichten. Viele haben uns während der Hochphase der Pandemie dafür belächelt. Aber der Erfolg gibt es uns heute Recht. Seit April 2023 produzieren wir in diesem Werk auf modernsten Anlagen unterschiedliche Luftfahrt-Komponenten.

Die Besonderheiten des neuen Werks?
KASTENHUBER: Es ist nicht nur eines der modernsten Fertigungswerke für die Luftfahrtindustrie in Europa, sondern auch ein Vorzeigemodell für eine CO₂-neutrale Produktion. Darin verzichten wir gänzlich auf fossile Brennstoffe und setzen stattdessen auf nachhaltige Energiequellen. Im Werk können wir Bauteile für moderne Strahltriebwerke in großen Stückzahlen fertigen. Zudem haben wir darin sehr viele Spezialprozesse zugelassen, um auch die lokale Wertschöpfung zu steigern und allzu lange Logistikketten zu umgehen. Die Erfahrung aus Corona hat uns gelehrt, wie rasch die Supply Chain am Boden liegen kann. Die Produktion der Rotorsysteme läuft parallel in den bestehenden Fertigungshallen. Der Markt wird hier zwar weiterwachsen, im einstelligen Prozentbereich, aber das größere Wachstum sehen wir für uns im Triebwerksmarkt. Wir haben die Eintrittsmöglichkeiten in den US-Markt erfolgreich genutzt. Wir sehen aber, dass die Kunden immer kostensensibler werden und sind jetzt damit konfrontiert, deutlich höhere Lohnkosten stemmen zu müssen – rund 20 Prozent Lohnkostensteigerung in zwei Jahren. Das müssen wir durch Effizienzsteigerung, aber auch Preisanpassungen kompensieren. Die großen Herausforderungen für uns sind Wettbewerbsfähigkeit, Materialverfügbarkeit sowie Human Resources. Unsere Fachkräfte bilden wir möglichst lokal aus. Daher eröffnet nächstes Jahr die Pankl Academy als neues Ausbildungszentrum für den Konzern.

Inwiefern ist auch der Flughafen Graz im Aufwind?
GRIMUS: Der Flughafen Graz ist absolut im Steigflug und freut sich über eine stete Zunahme an Passagieren nach dem Corona-Schock. Wir waren bereits bei etwas mehr als einer Million Passagiere im Jahr 2019. Dann der freie Fall auf unter 200.000 im ersten Corona-Jahr. Längst sind wir wieder auf gutem Weg – und lagen im Vorjahr bei über 730.000 Passagieren. In diesem Jahr halten wir, Stand Oktober, bei plus 15 Prozent an Passagieren und werden bis Jahresende im Bereich 820.000 bis 830.000 Passagiere landen. Das Wachstum ist aber differenziert zu betrachten. Während wir im Privatreisesegment bereits deutlich über 2019 liegen, liegt der Geschäftsreiseverkehr nach wie vor darunter. Und das wird wohl noch eine Zeit so bleiben. Zum einen weil sich das Reiseverhalten stark verändert hat. Viele Meetings finden nicht mehr faceto-face statt, sondern in der virtuellen Welt. Zudem sparen Unternehmen bei Reisekosten und auch das Thema Nachhaltigkeit hält Firmen teilweise davon ab, Dienstreisen auf dem Flugweg durchzuführen.

Wie entwickelt sich die Luftfahrt-Forschung in der Steiermark?
AMANCIO: Wir sind sicherlich in einer herausfordernden Situation – in der Forschung, aber auch in der Lehre, da die Anzahl der Studienanfänger in unserem Bereich seit Jahren zurückgeht. Das betrifft das Studium Maschinenbau. In Österreich haben wir – was ich sehr schade finde – im Moment kein Universitätsstudium im Bereich Luftfahrtingenieurwesen. Es braucht parallel zur anwendungsorientierten Forschung immer auch die Grundlagenforschung, gerade im Bereich der Materialentwicklung und Fertigungstechniken. Die Bedingungen für unsere Grundlagenforschung sind schwieriger geworden – wir haben derzeit zu wenig Mittel zu Verfügung. In vielen Ländern kommt die Unterstützung zum Groß-teil vom Staat. In Österreich ist es ein Mix aus staatlicher Unterstützung und Mitteln aus der Industrie. Durch die Krise geht das Interesse an Investition seitens der Industrie in neue Technologien zurück, sowohl im Bereich Aerospace als auch bei Automotive. Es ist wird immer schwerer, industrieller Partner für Projektanträge zu gewinnen. Unsere Forschung an der TU Graz beschäftigt sich mit neuen Technologien bzw. der Entwicklung neuer Materialien, die weit in die Zukunft reichen. Der Technologietransfer in die Industrie findet typischerweise in 10 oder 15 Jahren statt. Aber die Luftfahrtzuliefererindustrie in Österreich ist genau auf solche Entwicklungen angewiesen, wenn sie nachhaltig bestehen will.

BRUNNER: Das Problem ist, dass die Flugzeugindustrie bei diesen Themen voll in die Vorfinanzierung gehen muss. Und das bekommt man nicht bezahlt bzw. kann man erst refinanzieren, wenn man seine innovativen Produkte auf den Markt bringt. Und in Zeiten wie diesen schauen natürlich alle Firmen, dass sie finanziell über die Runden kommen. Darunter leiden natürlich Universitäten, die früher von der Industrie Forschungsaufträge erhalten haben. In anderen europäischen Ländern, vor allem Frankreich oder Deutschland, gibt es wesentlich höhere Mittel von staatlicher Seite, die Betriebe bei diesen Vorfinanzierungen unter die Arme greifen. Davon gibt es in Österreich einfach zu wenig. Dazu kommt die unsichere politische Situation, da sich Österreich zum Ziel gesetzt hat, bereits 2040 – statt wie von der EU gefordert erst 2050 – klimaneutral sein zu müssen. Für unsere Branche ist das beinahe unmöglich. Leider haben viele politisch Verantwortliche einfach nicht das nötige Verständnis für Technologie – dann schaffen sie Regularien mit Strafzahlungen, die uns gegenüber China und USA wirtschaftlich einen Riesennachteil bescheren.

AMANCIO: In der Luftfahrtindustrie muss man einfach in die Zukunft investieren – ohne die Forschung, ob universitär oder außeruniversitär, geht es nicht. Als ich vor sechs Jahren als Stiftungsprofessor nach Graz berufen wurde, war die Luftfahrt gerade ein heißes Thema bei der Regierung, seit Corona ist das anders – und die jüngste Regierung hat andere Schwerpunkte gesetzt, etwa im Bereich Künstliche Intelligenz. Hier wird sehr viel investiert, in Stellen, Gebäude und Infrastruktur, während ich seit Jahren vergeblich um ein Labor für Fertigungstechnik in der Luftfahrt kämpfe. Gott sei Dank haben wir Kooperationen mit dem Ausland – ich bin etwa auch außerordentlicher Professor an der Ohio State Universität, einer der besten Universitäten weltweit im Bereich Fügetechnik, wo unter anderem Boeing oder die NASA viel Geld in Grundlagenforschung investieren. Auch mein Netzwerk an Universitäten in Brasilien und die langjährige Zusammenarbeit mit Embraer helfen mir, junge, hochqualifizierte Spitzenforscher nach Österreich zu holen. So kann ich die angewandte Grundlagenforschung in der Luftfahrt in Graz weiterbetreiben. Wir haben in den vergangenen Jahren viele internationale Preise für unsere Forschung gewonnen. Dennoch weiß ich nicht, wie es langfristig weitergeht. Wenn die Finanzierung fehlt, kann ich meine Arbeit nicht erfolgreich fortsetzen.

Bei Ihnen in der Forschung geht es zentral um das Thema Leichtbau?
AMANCIO: Ja, ein absolutes Zukunftsthema. Wir forschen seit vielen Jahren im Bereich Leichtbaustrukturen und entwickeln die entsprechende Fertigungstechnik. Dabei geht es um Verbundwerkstoffe aus Thermoplasten und Leichtmetallen – sogenannte Hybridmaterialien. Dafür entwickeln wir die nötigen Techniken, um Verbundwerkstoffe und Hybridmaterialien schweißen, fügen und 3D-drucken zu können. Damit können wir Kunststoffteile mit Teilen aus Metall, Keramik oder sogar Holz zusammenfügen und somit künftig auf Nieten und Klebstoff verzichten. Das bringt viele Vorteile für den Bau und Betrieb eines Flugzeugs – etwa Gewichtseinsparungen. Ein Airbus A380 hat etwa über eine Million Nieten und andere Verbindungselemente in der Struktur, ein Boeing 747-Flugzeug sogar zwei Millionen. Diese wiegen zwischen 5 Gramm und 30 Gramm. In Summe sind das absolut relevante Mengen. Denn jedes Kilo, jedes Gramm zählt im Luftverkehr.

Wo liegen die größten Herausforderungen für die Luftfahrtbranche derzeit?
ZENGERER: Die größte Herausforderung für unsere Betriebe ist die wirtschaftliche Situation und die schwierige Position, in der sich Europa befindet. In diese haben wir uns leider selbst hineinmanövriert – mit dem Dickicht an Regularien, das niemand mehr durchblickt. Gerade auf die vielen KMU kommt eine Lawine zu, von der viele nicht wissen, wie sie diese bewältigen sollen, Stichwort Nachhaltigkeitsberichterstattung, Lieferkettengesetz etc. Die Steiermark ist zum Glück super aufgestellt, was Forschung, Entwicklung und Innovation betrifft. Hier sind wir beispielhaft dank der herausragenden Kooperation zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Hand. Dennoch müssen auch die Rahmenbedingungen rundherum passen. Wir müssen so innovativ sein, um Kostennachteile durch Innovation irgendwie ausgleichen zu können. Aber das geht nur bis zu einem gewissen Punkt, alles hat seine Grenzen. Wir müssen allergrößte Anstrengungen unternehmen, dass wir den Produktionsstandort Österreich nicht verlieren, weil unser Wohlstand der letzten Jahre basiert auf der Industrie – das dürfen wir nie vergessen. Es passiert derzeit leider, dass immer mehr Produktionen geschlossen und ins Ausland verlagert werden. Ein Alarmzeichen! Hier braucht es dringend eine Trendwende und wir alle – in Wirtschaft und Politik – sind aufgerufen, den Produktionsstandort Österreich wieder zu stärken. Daran hängt alles – das muss uns bewusst sein!

GRIMUS: Auch uns als Flughafen treffen überbordende EU-Regularien. So sehen Vorgaben aus Brüssel künftig etwa die verpflichtende Einführung von Entry/Exit-Systemen oder Körperscannern für die Passagierkontrolle vor – unabhängig von der Größe des Flughafens. Damit sind Investitionsvolumen verbunden, die man als kleinerer Flughafen erst einmal stemmen muss. Generell muss man sagen: Der Flughafen Graz nimmt eine zentrale Rolle für die steirische Wirtschaft und Industrie sowie für den Tourismus in der Steiermark ein. Die exportorientierten steirischen Firmen brauchen Konnektivität. Ein Flughafen ist ein wichtiger Standortfaktor für Unternehmen – daher sehe ich unsere Nummereins-Herausforderung darin, die Linienverbindungen aufrecht zu erhalten und möglichst weiter ausbauen – vor allem die Verbindung zu den großen Umsteigeflügen wie Frankfurt, München, Zürich und Wien muss gesichert sein. Das Netz auszubauen ist eine Herausforderung. Denn die Steiermark ist unter anderem ein Automotive-Standort und die Krise der Branche erhöht auch für Airlines den Druck, die Wirtschaftlichkeit von Verbindungen genau zu prüfen. Eine weitere Herausforderung ist eigentlich eine positive: Nämlich, dass wir mit der Area Süd, mit dem Zusammenwachsen der beiden Wirtschaftsräume Kärnten und Steiermark, eine Riesenchance bekommen, die wir auch nützen sollten. Damit kann der Flughafen Graz sein Einzugsgebiet sicherlich weiter ausweiten. Wir werden künftig vermehrt Passagiere aus dem Kärntner Raum sehen. Ich gehe davon aus, dass auch bei der Flughafen-Haltestelle der Koralmbahn das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Es grenzt an einen Schildbürgerstreich, den Flughafen Graz nicht gleich mit der Bahn zu vernetzen. Wir arbeiten aber weiter gemeinsam mit den politischen Entscheidungsträgern und der ÖBB an einer Lösung für das Problem.

BRUNNER: Die Politik und vor allem auch die Sozialpartnerschaft haben bis jetzt nicht verstanden, dass bereits eine schleichende Abwanderung produzierender Betriebe im Gange ist. Ich kenne einige Betriebe, die hier Produktionen schließen und diese etwa nach Rumänien verlagern. Wir müssen wieder zur Realität zurückkehren und zu dem Punkt, dass es sich wieder lohnt zu arbeiten – wenn wir unseren Wohlstand retten wollen. Die meisten KMU wissen auch noch gar nicht, was mit Regulativen wie NIS2 auf sie zukommen wird. Wir mussten auf Betreiben eines unserer größten Kunden hier bereits ein Cybersecurity-Zertifikat erwerben – eine echte Investition, von neuer Hardware bis zur Schulung des Personals. Das sind alles Mehrkosten, die einem niemand zahlt. Und mit den Nachhaltigkeitszertifikaten kommt schon die nächste Welle auf uns zu. Die zweite große Herausforderung für uns derzeit ist die Frage der Materialversorgung. Wir haben massive Probleme bei gewissen Stählen – und bis zu 40 bis 60 Wochen Lieferzeit. Die produzierende Industrie ist derzeit nicht in der Lage, diesen Engpass zu schließen.

AMANCIO: Eine aktuelle Herausforderung für uns: Mit unserem neuen Fertigungsverfahren konnten wir bereits die erste Hürde auf dem langen Weg in die Anwendung überwinden. Aber jetzt brauchen wir die Anwender, das heißt, Partner aus der Industrie. Wir sind auf der Suche nach visionären Industriepartnern, die gemeinsam mit uns die Zukunft gestalten wollen. Denn nur gemeinsam können wir diese neuen, aufregenden Technologien von morgen schon heute entwickeln. Aber die Herausforderung ist, die Fachexperten aus der Industrie zu überzeugen, Geld in Technologie zu investieren, deren Anwendung noch weit in der Zukunft liegt. Viele Betriebe investieren lieber in die Grundlagenforschung im Ausland, etwa in Deutschland, weil es da schon eine große Infrastruktur gibt und mehr Geld fließt. Wir müssen uns besser vermarkten und zeigen, was wir hier in Österreich ganz tolle Sachen machen. Unsere Forschungsarbeit ist im Ausland anerkannt. Wir haben bereits über 35 erteilte und 14 angemeldete Patente.

KASTENHUBER: Bei Pankl schauen wir immer, dass wir das Beste aus jeder Situation machen und alle Prozesse so effizient wie möglich im Unternehmen umsetzen. Ein zunehmend wichtiger Schwerpunkt im Unternehmen ist die Automatisierung. Automatisieren heißt aber nicht, dass wir keine Mitarbeiter mehr brauchen – im Gegenteil. Wir sehen, dass die Mitarbeiter, die gut ausgebildet sind, immer weniger Interesse haben, im Dreischichtbetrieb zu arbeiten bzw. an der Maschine zu stehen. Das heißt, wir müssen diesen gut ausgebildeten Mitarbeitern Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Etwa indem sie, künftig nicht nur Maschinen bedienen, sondern CAD programmieren. Da haben wir wirklich große Herausforderungen zu meistern. Das ist ein Transformationsprozess, der nicht von heute auf morgen passiert. Dafür brauchen wir Universitäten und Ausbildungseinrichtungen, um die Spezialisten von morgen auszubilden. Wir brauchen in der Zukunft vermehrt Automatisierungstechniker, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

BRUNNER: Daher haben wir das Berufsbild des digitalen Fertigungstechnikers entwickelt, der vieles beinhaltet, was den klassischen Fertigungstechniker aufwertet und attraktiver macht. Man muss aber sagen: Irgendwann ist die Optimierung beendet. Alles hat Grenzen, auch die Robotisierung und Automatisierung – vor allem für KMU. Denn naturgemäß tut sich ein Industriebetrieb mit Massenfertigung leichter beim Automatisieren als ein Betrieb mit Prototypen-Einzelserienfertigung.

Klimaneutrale Luftfahrt bis 2050 – Vision oder Utopie?
BRUNNER: Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass sich unsere Branche besser verkaufen muss. Denn die Betriebe der Luftfahrtindustrie haben in den vergangenen Jahren großartige Arbeit geleistet – gerade auch im Bereich der Nachhaltigkeit. Die Branche wird als Bösewicht getadelt – völlig zu Unrecht. Unser Unternehmen Antemo etwa versorgt sich bereits zu 50 Prozent mit Photovoltaik – wir leisten aktiv unseren Beitrag zum Umweltschutz und übernehmen Verantwortung für eine grünere Zukunft. Was die Hersteller in Zukunft brauchen, sind klare Rahmenbedingung. Denn klar ist, nur mit batteriebetriebenen Passagierflugzeugen werden wir nicht weit kommen. Und bei E-Fuels bringen wir aus aktueller Sicht die Menge bis 2050 nicht zusammen. Die meisten Menschen haben keine Vorstellung, welche Mengen im globalen Luftverkehr nötig sind. Auch beim Wasserstoff braucht es noch Jahrzehnte an Entwicklungszeit. Meiner Meinung wird es zu einer Fragmentierung kommen. Für kleine und mittlere Flugzeuge wird es andere Lösungen geben als bei großen Passagierflugzeugen, wo man in ferner Zukunft vielleicht mit Wasserstoff fliegen wird. Aber das geht alles nicht von heute auf morgen.

GRIMUS: Die Ökologisierung wird wohl über Sustainable Aviation Fuel (SAF) gehen. Es gibt zumindest einen klaren Pfad bezüglich der Beimischungsquote. Das beginnt im nächsten Jahr mit 2% und steigt dann bis 2050 auf 63% an. Aber auch hier gilt: Das ist eine Frage der Verfügbarkeit. Und ich höre von allen Seiten, dass die Mengen nicht gegeben sein werden. Schließlich bräuchten wir enorme Mengen an Bio-Treibstoff. Elektro wird im 20- oder 30-sitzigen Bereich möglich sein, aber sicher nicht bei Mittel- und Langstreckenflugzeugen mit 250 Sitzen. Aber auch die Ökologisierung des Flugbetriebs ist eine große Herausforderung. Wir wollen den Betrieb des Flughafen Graz bis 2030 möglichst CO2-neutral führen. Dafür sind viele Investitionen erforderlich. Wir machen bereits viel im Bereich Photovoltaik und stellen unsere Flotte sukzessive auf E-betriebene Fahrzeuge und Gerätschaften um – soweit möglich. Denn nicht alles lässt sich so einfach elektrisch lösen. Verbliebe ne dieselbetriebene Fahrzeuge haben wir heuer auf synthetischen HVO 100 Diesel umgestellt.

AMANCIO: Grundsätzlich ist es gut, eine Vision zu haben. Klar, Kerosin belastet Umwelt und Klima. Nicht so viel wie andere Bereiche, etwa Gebäude oder die Schwerindustrie, die ein Vielfaches verbrauchen. Die CO2-Ausstöße der Luftfahrt liegen etwa bei 3% aller Emissionen weltweit. Im Moment verkaufen wir Flugzeuge an die Baby Boomer. In 20, 30 Jahren, bei den Millennials und der GenerationZ wird es wohl schwieriger, wenn wir mit Flugzeugen unterwegs sind, die Klima und Umwelt belasten. Ich gebe Herrn Brunner Recht, es wird ja nach Flugzeugtyp bzw. -größe unterschiedliche Lösungen geben – von elektrisch bis Wasserstoff und SAF sowie hybride Antriebslösungen.

KASTENHUBER: Alles ist aber immer eine Frage der Leistbarkeit. Die Treibstoffkosten machen ungefähr ein Drittel der Gesamtkosten pro Flugstunde aus. Eine spürbare Erhöhung hätte unmittelbare Auswirkungen auf die Leistbarkeit. Es hat ja bereits Flüge über den Atlantik mit Synthetik-Fuel gegeben – das Triebwerk verwertet diesen Energieträger genauso wie einen fossilen Treibstoff. Man hat also nachgewiesen, dass es technologisch funktioniert – die Frage ist nun, wie man es kommerziell leistbar machen kann und in welchem Zeitraum. Man muss auch dazu sagen: Auch die Triebwerkstechnik hat sich weiterentwickelt. Wir haben beim Treibstoffverbrauch in den vergangenen zwanzig Jahren rund 30 % Treibstoff eingespart.

ZENGERER: Ich bin überzeugt, wir müssen das Image der Industrie, speziell der Mobilitätsindustrie und der Luftfahrt, wieder ins richtige Licht rücken. Medial wird es oft so dargestellt, als hätte die Gesellschaft erst jetzt begriffen, dass wir für die Umwelt etwas tun müssen. Aber unsere Unternehmen machen das schon seit vielen Jahrzehnten – an allen Fronten: im Bereich der Antriebstechnologie, der Materialien, der Fertigungstechnologien etc. Nachhaltigkeit ist für uns keine Neuerfindung. Ganz im Gegenteil, unsere Industrie arbeitet seit Jahrzehnten daran, die Umwelt zu schonen und CO2 einzusparen. Unsere Aufgabe als Cluster ist es, diese Bestrebungen der Industrie weiterhin aufzuzeigen und zu kommunizieren. Wir haben hervorragende Forschungseinrichtungen, wir haben hervorragende Unternehmen und wir haben weiterhin gut Chancen, global wettbewerbsfähig zu bleiben, wenn wir unsere Hausaufgaben machen.

Fotos: Oliver Wolf, iStock

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