Gehen, wenn es am schönsten ist? Mit kommendem Jahr zieht sich Gerald Gollenz, langjähriger Obmann der Fachgruppe der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer Steiermark, aus seiner ehrenamtlichen Funktion zurück. Gelegenheit, um Bilanz zu ziehen.
Seit fast einem Vierteljahrhundert engagiert sich Gerald Gollenz, seit 2016 Kommerzialrat, in der beruflichen Standesvertretung. 2000 wurde der Immobilienexperte in den Ausschuss der Fachgruppe der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer Steiermark berufen. Seit 2005 fungiert er als Fachgruppenobmann. 2010 wurde er zum Obmannstellvertreter des bundesweiten Fachverbands gewählt, seit 2022 ist er dessen Obmann. Außerdem gehört er dem „Steirischen Wirtschaftsparlament“ an. Mit dem Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters zieht sich Gollenz nun aus seinen ehrenamtlichen Funktionen in der Wirtschaftskammer Steiermark zurück. Im Gespräch mit dem SPIRIT zieht der Unternehmer, der sich nach Engagements als Spitzenmanager bei führenden Branchenunternehmen 2012 als Projektentwickler selbstständig machte, Bilanz.
Herr Kommerzialrat Gollenz, es gibt ja diesen Spruch vom Aufhören, wenn es am schönsten ist. Gar so rosig stellt sich die Lage in der Immobilienbranche derzeit aber nicht dar.
GERALD GOLLENZ: Die Branche hat aktuell mit widrigen Bedingungen zu kämpfen. Ausgelöst durch die multiplen Krisen von Pandemie bis Krieg mit den bekannten Folgeerscheinungen: Inflation, enorm gestiegene Kosten und damit auch explodierende Baukosten. Dazu kommen aber auch weitere Faktoren: die überbordende Bürokratie mit ihrer Normierungswut, die immer längere Dauer von Verfahren und nicht zuletzt die KIM-Verordnung, mit der die Vergabe von Krediten für die Schaffung von Eigentum so gut wie zum Stillstand gekommen ist. Und schließlich hat das sogenannte Bestellerprinzip bei den Provisionen der gewerblichen Immobilienmakler zu teilweise existenzbedrohenden Einbußen geführt – mit dem Kollateralschaden für den gesamten Markt.
Die KIM-Verordnung ist nun ja immerhin Geschichte.
Wir haben uns bei zahllosen Gelegenheiten – ich hatte erst einige Tage vor der Entscheidung ein Gespräch im Finanzministerium – vehement und ganz entschieden für eine Abschaffung dieser Verordnung ausgesprochen. Dass die KIM-Verordnung nun tatsächlich nicht verlängert wird und endlich ausläuft, ist erfreulich und sicher auch ein Erfolg dieser Bemühungen.
Die Baukosten sind in letzter Zeit gefühlt ins Astronomische gestiegen.
Wir müssen überall für Entlastung sorgen, wo es möglich ist. Wir haben z. B. bei jedem Projekt über 5000 Normen, die wir einhalten müssen. Dazu kommen noch die unterschiedlichen Baugesetze der Bundesländer. Wir arbeiten gemeinsam mit der Bauinnung und der Kammer der Ziviltechniker gerade daran, eine Gebäudeklasse E, also einen Standard für einfaches – E wie einfach – Bauen zu definieren. Allein damit wären Einsparungen von etwa 25 bis 30 Prozent der Baukosten zu erwarten. Das bedeutet: Es wird nicht mehr nur nach Normen gebaut, sondern nach dem Stand der Technik. Und zwar ohne jeglichen Verlust an Qualität und Sicherheit. Ein anderer Punkt: die Stellplatzverpflichtung. Auch das verteuert den Wohnbau massiv.
Gerald Gollenz
64, seit 2016 Kommerzialrat, stammt aus dem südoststeirischen Klöch, wo er heute lebt. Nach dem Besuch der HTL in Graz Studien des Bauingenieurwesens sowie der Betriebswirtschaftslehre (BWL), Projektleiter Immorent Süd GesmbH mit Gewerbeprojekten in Graz und Klagenfurt (1986–1990), Geschäftsführer LB-Bauconsult GesmbH mit Wohnanlagen und Gewerbeprojekten in Wien, St. Pölten und jenseits der österreichischen Grenzen (1991–1995), Geschäftsführer Acoton Projektmanagement und Bauträger GesmbH mit Eigentumswohnungen und Gewerbeprojekten in Graz, Salzburg, Wien sowie weiteren Bundesländern und außerhalb Österreichs (1996–2012). Seit 2012 ist Gollenz als selbstständiger Projektentwickler vorwiegend in Graz tätig.
Seit 2000 engagiert sichGollenz ehrenamtlich in der beruflichen Standesvertretung. Seit 2005 fungiert er als Obmann der Fachgruppe der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der Wirtschaftskammer Steiermark, am 22. November 2022, wurde er nach 12 Jahren als Stellvertreter zum Obmann des Fachverbandes der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der Wirtschaftskammer Österreich gewählt. Zudem gehört er dem „Steirischen Wirtschaftsparlament“ an.
Zumindest die Funktion als steirischer Fachgruppenobmann gibt Gollenz, der weiterhin unternehmerisch tätig sein wird, nun ab.
Zu den markantesten Projekten in Graz, die unter seiner Ägide entstanden sind, zählen die Aufstockung der Thalia, die Entwicklung des Andreas-Hofer-Platzes, die Murgalerien und eine Vielzahl an Wohnprojekten mit über 500 Einheiten wie das orange Haus in der Maiffredygasse.
Welche positiven Tendenzen können Sie trotz der gegenwärtigen Krisen in der Branche wahrnehmen?
Wir können in der Steiermark auf eine Branche verweisen, die trotz aller Krisen im Großen und Ganzen auf einem gesunden Fundament steht. Der Mix aus größeren und kleineren Unternehmern funktioniert sehr gut. Unsere Unternehmen sind regional verankert, kennen den Markt und ergänzen einander. Speziell das Bevölkerungswachstum in bzw. rund um Graz hat dazu geführt, dass zahlreiche Unternehmen gegründet wurden, die sich auf innovative Weise mit den Anforderungen des Marktes auseinandersetzen. Die Anzahl der Mitglieder der Fachgruppe hat sich in meiner Zeit fast verdoppelt. Und was mich besonders freut: Wir haben innerhalb der Branche über alle Berufszweige hinweg einen sehr guten Zusammenhalt. Das spüren wir auch bei unseren Branchenveranstaltungen und darauf bin ich stolz. Stolz bin ich auch darauf, dass es uns gelungen ist, das Image der Branche, der Makler, Verwalter und Bauträger, im Laufe der Jahre konsequent anzuheben. Wir sind uns dessen bewusst, dass wir in einem besonders sensiblen Bereich tätig sind und eine hohe Verantwortung tragen. Auch wenn das eine oder andere Unternehmen mit den schwierigen Umfeldbedingungen zu kämpfen hatte, hat es in den vergangenen Jahren kaum eine Insolvenz gegeben und auch kaum Beschwerden. Hinter dieser positiven Bilanz steht auch eine strenge Prüfung für die Zulassung zum Gewerbe. Wir haben es in den letzten 20 Jahren geschafft, die Immobilienbranche auf ein Level zu bringen, das wirklich nahezu perfekt ist.
„Oft sind die ersten Entwürfe architektonisch die spannendsten – bevor sie von den Schützern und Bewahrern zurechtgestutzt werden.“
GERALD GOLLENZ
IMMOBILIENENTWICKLER
Das alles schafft man nicht allein, oder?
Natürlich nicht. Ich wurde vom Büro der Fachgruppe immer perfekt unterstützt. Danke an den Geschäftsführer Herwig Kovac und seine Assistentin Veronika Ploteny, die eine hervorragende Arbeit machen. Besonderer Dank gebührt meinen beiden Stellvertretern Patricia Reisinger und Erwin Dorfer und sowie allen Ausschussmitgliedern, die mich großteils über die gesamte Zeit begleitet haben. Man darf nicht vergessen, dass wir ja alle nur ehrenamtliche Funktionäre sind und daneben noch einen Brotberuf ausüben, das ist manchmal ganz schön herausfordernd.
Ihre berufliche Laufbahn verlief abwechslungsreich.
Nach der Matura begann ich ein Bauingenieurstudium, nach dem ersten Abschnitt wechselte ich zu BWL. Meine zunehmende Berufstätigkeit führte dazu, dass ich das Studium nicht beendete. Doch der Mix aus wirtschaftlichem und technischem Know-how kam mir in meiner beruflichen Entwicklung immer zugute. Beruflich war ich zuerst als Projektleiter bei der Immorent Süd, der Leasingtochter der österreichischen Sparkassen, tätig, ging dann als Geschäftsführer der LB-Bauconsult, eines Tochterunternehmens der damaligen Länderbank, nach Wien und kehrte 1996 als Geschäftsführer der Acoton, eines Unternehmens des Alpine-Konzerns, nach Graz zurück.
Große Unternehmen, die entsprechende Volumina bewegten.
Wenn ich heute an Bauwerken vorbeikomme, die unter meiner Verantwortung errichtet wurden, darun ter wirklich tolle Projekte wie etwa die Aufstockung der Thalia, die Murgalerien und das Kai-Center in Graz sowie viele andere Objekte in Wien, Graz und Salzburg, erfüllt mich das nach wie vor mit Freude. Das sind Werte, die bleiben, Projekte, die Menschen Raum bzw. ein Zuhause geben. Das ist das Schöne an der Immobilienbranche: dass man daran mitwirkt, etwas Bleibendes entstehen zu lassen. Diese Branche hat mir alles gegeben.
2012 haben Sie sich mit einem Immobilienmanagement-Unternehmen selbstständig gemacht. Warum in Graz?
Weil ich mich in Graz gut auskenne und beruflich daheim bin. Durch das Vertrauen, das ich hier genieße, werden immer wieder attraktive Entwicklungsprojekte an mich herangetragen.
Man hört immer wieder, in Graz bestehe die Gefahr einer Immobilienblase.
Eine Blase kann es nur geben, wenn eine Grundvoraussetzung gegeben ist: nämlich keine Nachfrage. Die Nachfrage ist da, ungebrochen. Es deutet vieles darauf hin, dass wir durch den derzeitigen Stillstand in wenigen Jahren sogar einen massiven Engpass erleben werden.
Wie können wir dem begegnen?
Indem wir es schaffen, günstiger und rascher zu bauen. Und indem wir Wohnbauprojekte ermöglichen und umsetzen und im Bestand nachverdichten, etwa noch Stockwerke draufsetzen. Da gibt es enormes Potenzial.
Dagegen haben viele etwas: Altstadtschützer, Welterbeverwalter und Co.?
Gollenz: Wir brauchen Mut, auch Neues und Veränderung zuzulassen. Davon bin ich überzeugt. Und oft sind die ersten Entwürfe architektonisch die spannendsten – bevor sie von den Schützern und Bewahrern zurechtgestutzt werden. Ich werde mich mit meinem Unternehmen jedenfalls weiter in den Dienst des leistbaren Bauens stellen.
In Kooperation mit der FG der Immobilien- und Vermögenstreuhänder WKO
Fotos: Oliver Wolf