Kostenexplosion, Fachkräftemangel, Regulierungswut und Co.: Unter der Devise „Damit sich Leistung lohnt“ erheben steirische Unternehmer ihre Stimme. Gerd Zuschnig, Obmann der Fachgruppe der gewerblichen Dienstleister, und Martin Ritzer, geschäftsführender Gesellschafter der MEINDEPOT R&R GmbH sowie GEPA-Geschäftsführer, warnen vor Wohlstandsverlust und fordern unverzügliche Maßnahmen für die Konkurrenzfähigkeit von Unternehmen und Standort.
Lohnnebenkosten runter, Vollzeitarbeit und Weiterarbeiten im Ruhestand attraktivieren, Mehrarbeit und Überstunden entlasten, Steuersystem vereinfachen, die überbordende Bürokratie endlich abbauen, dem Fach- und Arbeitskräftemangel gegensteuern, Infrastruktur ausbauen und modernisieren, Aufwand-Ertrag-Verhältnis im Bildungssystem verbessern und, und, und. So manche dieser Forderungen scheinen schon einen relativ langen Bart zu haben.
GERD ZUSCHNIG: Das ändert nicht das Geringste an der Notwendigkeit, diese zentralen Anliegen der Unternehmen und der Wirtschaft endlich in Angriff zu nehmen und unsere tatsächlich oft schon seit vielen Jahren erhobenen Forderungen nun ohne weiteren Zeitverlust umzusetzen. Ich will nicht ungerecht sein. Es ist ja das eine oder andere geschehen, etwa die Abschaffung der kalten Progression. Doch um zentrale Anliegen der Wirtschaft wurde bis heute ein Bogen gemacht – und das rächt sich jetzt bitter. Den Unternehmen geht die Luft aus. Die Krisen – zuerst die Pandemie dann der Ukrainekrieg mit seinen Folgen – haben die Situation noch verschärft. Doch die Gründe für den strukturellen Stillstand liegen tiefer: Es geht darum, wie wir mit den Grundlagen unseres Wohlstands, den Unternehmen und der Wirtschaft, umgehen.
MARTIN RITZER: Wir sind Zeugen einer dramatischen Entwicklung. Allerdings nicht erste Reihe fuß-frei – weil wir als Unternehmerinnen und Unternehmer nämlich selbst davon massiv betroffen sind. Und wenn Politik und Öffentlichkeit weiterhin die Augen davor verschließen, dann wird uns das noch alle teuer zu stehen kommen. Nur ein kleines Rechenbeispiel: Jeder unserer Arbeitnehmer bzw. jede unserer Arbeitnehmerinnen, die wir in unseren Unternehmen beschäftigen, ist in den letzten beiden Jahren durch die kollektivvertraglichen Lohn- und Gehaltserhöhungen um etwa 20 Prozent teurer geworden. Welches Unternehmen kann eine dermaßen eklatante Kostensteigerung so mir nichts, dir nichts wegstecken? Natürlich ist es zu begrüßen, wenn Mitarbeiter mehr verdienen, jedoch kommt leider nur ein Bruchteil der Erhöhung auch dort an.
ZUSCHNIG: Und die Arbeitskosten sind ja längst nicht alles: Dazu kommen dramatisch gestiegene Preise für Energie und Kostensteigerungen entlang der Lieferketten – eine echte Kostenexplosion.
RITZER: Wir haben hier in Österreich mittlerweile Kosten, die im internationalen Vergleich einfach nicht mehr konkurrenzfähig sind – und das ist zu einem erheblichen Teil hausgemacht. Das hat natürlich Konsequenzen, die wir leider ja schon klar erkennen können. Zunehmend ziehen Unternehmen ihre Produktions- und Wirkungsstätten aus Österreich ab und verlagern sie an kostengünstigere Standorte. Und zwar nicht, weil sich die Unternehmer etwas in die eigene Tasche wirtschaften wollen, wie es häufig dargestellt wird, sondern weil sie mit den Stückkosten, zu denen sie hier produzieren müssen, einfach nicht mehr konkurrenzfähig sind.
ZUSCHNIG: Noch ein Aspekt: Unsere Wirtschaftskraft beruht zu einem erheblichen Teil auch auf Niederlassungen großer internationaler Konzerne. Dort hat man die Stückkosten natürlich genau im Auge. Und wenn es sich einfach nicht mehr ausgeht, ist die Produktion weg. Und das trifft wiederum nicht nur die Beschäftigten, sondern auch unsere KMU, die damit Aufträge verlieren.
RITZER: Eine Spirale, die sich in eine bedenkliche Richtung dreht, nämlich nach unten.
ZUSCHNIG: Das heißt für mich ganz klar: Die Kosten müssen runter. Speziell der Faktor Arbeit gehört endlich massiv entlastet, sprich: Senkung der im europäischen Vergleich viel zu hohen Lohnnebenkosten.
RITZER: Ich will hier aber noch ein Thema ansprechen: den Fach- und Arbeitskräftemangel. Unseren Unternehmen gehen die Mitarbeiter aus. Auch davor warnen wir seit Langem, doch die Schere zwischen Bedarf und Verfügbarkeit geht immer dramatischer auseinander und hindert uns zunehmend daran, Potenziale zu nutzen. Work-Life-Balance ist etwas Schönes und Menschen sollen sich gerne aussuchen können, wie viel sie arbeiten wollen. Aber es kann nicht sein, dass wir in Zeiten des Fach- und Arbeitskräftemangels und des drohenden Wohlstandsverlusts ein System aufrechterhalten, das mehr zu arbeiten tendenziell eher bestraft als es zu fördern.
ZUSCHNIG: Mehr zu arbeiten muss sich für die, die dazu bereit sind, wieder lohnen. Das betrifft Vollzeitarbeit ebenso wie Überstunden und längeres Arbeiten im Alter bzw. Arbeiten im Ruhestand. Es wären viele dazu bereit, auch junge Menschen – wenn sie nur den Eindruck hätten, dass es sich für sie lohnt. Das ist aber wegen der enormen Steuerbelastung leider nicht der Fall. Und: Wir müssen auch die bürokratischen Endloshürden etwa bei der Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen auf ein bewältigbares Maß reduzieren. So sind wir für qualifizierte Fachkräfte, die wir in vielen Bereichen brauchen, nicht interessant und sie gehen überall hin, nur nicht nach Österreich.
RITZER: Bürokratie ist eine Never-Ending-Story. Ein Monster, das sich immer weiter ausbreitet und uns das Leben in allen Bereichen laufend nur noch schwerer macht. Jedes noch so kleine Projekt mündet in endlose Behördenverfahren. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht: Schließlich haben wir einen Anwalt gebraucht, um unser Projekt überhaupt durchzubringen. Das kann es nicht sein.
DIENSTLEISTER-TABLE – RUNDE 8
Im Dienste von Unternehmen und Wirtschaft: Die gewerblichen Dienstleister repräsentieren zahlreiche besonders wirtschaftsaffine Berufsgruppen. Obmann der Fachgruppe der gewerblichen Dienstleister in der WKO Steiermark ist KR Mag. Gerd Zuschnig (Foto). In dieser Talk-Serie beleuchten namhafte Berufsgruppenvertreter die aktuelle Lage in ihrer Branche. Am Dienstleister-Table: Mag. Gerd Zuschnig, Unternehmer (Freiraum GmbH & Co KG) und Obmann der Fachgruppe der gewerblichen Dienstleister in der WKO Steiermark, sowie Martin Ritzer, Co-Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der MEINDEPOT R&R GmbH sowie GEPA-Geschäftsführer.
www.dienstleister-stmk.at
www.meindepot-graz.at
www.gepa-pictures.com
www.freiraum.at
ZUSCHNIG: Oder die Steuerbürokratie: Überall anders gibt es – nur ein Beispiel – die Möglichkeit, betrieblich genutzte Fahrzeuge abzuschreiben, bei uns wird der Vorsteuerabzug für ein Firmenfahrzeug zur Wissenschaft. Auch das gehört endlich vereinfacht und vereinheitlicht. Auch das Übererfüllen von EU-Regeln, das Gold-Plating, muss ein Ende haben. Es ist Feuer am Dach.
Foto: Oliver Wolf, Mias Photoart