Die „ADA Möbelwerke“ im oststeirischen Anger zählen zu den großen steirischen Traditionsbetrieben. Als neuer CEO soll der erfahrene Industriemanager Nikolaus Szlavik den renommierten Möbelhersteller nun mit neuer Marken- und Marktenergie aufladen.
Wer von Weiz nach Birkfeld unterwegs ist, gelangt nach etwas mehr als der halben Wegstrecke nach Anger. Die Marktgemeinde an der steirischen Apfelstraße darf sich mit Fug und Recht als Kleinod bezeichnen. Bäcker und Fleischhauer würden hier, so heißt es in der Beschreibung der steirischen Tourismusgesellschaft, regionale Rohstoffe zu erstklassigen Spezialitäten verarbeiten, bei den Produzenten könnten herkunftsbewusste Feinschmecker Delikatessen verkosten und im Gasthaus Thaller mit dem 3-Hauben-Restaurant „Der Luis“ werde dem wohlschmeckenden regionalen Angebot der letzte kulinarische Schliff verliehen. So weit, so gut.
Was in dieser Ode an Anger – und erstaunlicherweise auch im einschlägigen Eintrag der Onlineenzyklopädie Wikipedia – keine Erwähnung findet, ist der Umstand, dass Anger auch einen der renommiertesten steirischen Handwerks- und Industriebetriebe beherbergt, nämlich die „ADA Möbelwerke“. Dabei lässt sich der im Angerer Ortsteil Baierdorf ansteigend in den Hang gebaute burgenartige Gebäudekomplex mit seinen insgesamt vier Hallen, Büro-, Lager- und Logistikflächen sowie dem markanten, als Stahl-Glas-Konstruktion inszenierten Penthouse-Showroom eigentlich nicht wirklich übersehen.
„Lohnerhöhungen von kumulativ 17 Prozent in zwei Jahren muss man als Unternehmen erst einmal verdauen.“
NIKOLAUS SZLAVIK
CEO ADA MÖBELWERKE HOLDING AG
Nikolaus Szlavik: Der erfahrene Automotive-Manager soll die ADA Möbelwerke als Branchenquereinsteiger mit frischer Markt- und Markenenergie aufladen.
ALOIS AUS ANGER
1957 von Alois Derler in Anger – die Bezeichnung ADA setzt sich aus den drei Anfangsbuchstaben des Namens des Gründers und seines Heimatorts zusammen – aus einer seit 1900 bestehenden Unter nehmenstradition unter dem heutigen Namen gegründet, entwickelte sich das Unternehmen im Laufe der Jahrzehnte zu einem der bedeutendsten Polstermöbelhersteller Europas nach Quantität und Qualität mit Umsätzen deutlich im dreistelligen Millionenbereich. Die hochwertigen Sitz- und Polstermöbel sowie Betten und Matratzen wurden und werden – teils unter eigenen Marken und Labels, teils als White-Label-Erzeugnisse, also unter Eigenmarken der Händler – über den Möbelfachhandel sowie in der sogenannten „Fläche“, also über große Möbelhandelsketten wie etwa Lutz und Kika/ Leiner vertrieben. Rund 90 Prozent der Produktion werden im DACH-Raum – Deutschland, Österreich und Schweiz – abgesetzt, der Rest verteilt sich vorwiegend auf osteuropäische Länder sowie Belgien und die Niederlande. Der in den Angerer ADA-Hallen seit jeher und ungebrochen zelebrierte hohe Qualitätsanspruch bei der zum überwiegenden Teil nach wie vor handwerklichen Möbelherstellung ließ die ADA Möbelwerke aber auch zu einem gefragten Fertigungspartner für internationale Lifestylemarken werden: So stammen etwa Sitzmöbel und Betten der beiden Toplabels Joop! und Birkenstock, Letzterer mehrheitlich im Besitz einer französisch-amerikanischen Beteiligungsgesellschaft, hinter der wiederum unter anderem der französische Luxusgüterkonzern „Moët Hennessy – Louis Vuitton SE“ (LVMH) steht, aus ADA-Hand. Jüngst erst, freut sich Nikolaus Szlavik, seit März 2024 CEO der ADA Möbelwerke Holding AG, sei es wieder gelungen, dieses Renommee in die Waagschale zu werfen und eine weitere, überaus prestigeträchtige Kooperation aus der Taufe zu heben: Für den traditionsreichen und rund zwei Dollar-Umsatzmilliarden „schweren“, in Monroe, Michigan, ansässigen US-amerikanischen Möbelhersteller „La-Z-Boy“ stellt ADA dessen Kernprodukt, einen für den europäischen Markt adaptierten Fernsehpolstersessel, her.
ADA
wurde 1957 von Alois Derler in Anger bei Weiz gegründet. Neben Stammsitz und Produktion in Anger sowie einem Office-Standort im Technopark Raaba unterhält die ADA Möbelwerke Holding AG weitere Produktionsstätten in Körmend, Zalaegerszeg und Nova (Ungarn) sowie im rumänischen Salonta.
Zum qualitativ hochwertigen ADA-Sortiment zählen Betten, Lattenroste, Matratzen und Topper („Sleeping“) ebenso wie Polstermöbel („Seating“) sowie Tische und Sessel/Essgruppen („Dining“). Das Flagship, die jüngst gelaunchte Marke „ADA Mindful Living“ mit einem nachhaltig erzeugten, hochwertigen Möbelsegment, wird exklusiv über Partner im Möbelfachhandel vertrieben. Darüber hinaus beliefert ADA aus seinen Herstellungsstätten auch die bedeutenden Möbelhandelsketten vorwiegend mit White-Label-Produkten, darunter Lutz und Kika/ Leiner. Ein wichtiges und prestigeträchtiges Standbein sind zudem Produktionen für internationale Topmarken wie Birkenstock, Joop! und La-Z-Boy.
Je 40 Prozent der Produktion entfallen auf Sitzmöbel und Betten, 15 Prozent auf Matratzen. Der mit Abstand stärkste Markt ist die DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) mit fast 90 Prozent. Weitere Märkte: Osteuropa, Belgien, Niederlande. Größter Einzelkunde: Lutz, gefolgt von Kika/Leiner.
Unter dem Label „Symphonic by ADA“ ist das Unternehmen auch erfolgreich im Hotel- und Objektgeschäft vertreten.
Die ADA Möbelwerke Holding AG steht im Besitz der Gemini Privatstiftung aus dem Umkreis der Gründerfamilie. Seit März 2024 fungiert Nikolaus Szlavik als CEO der Holding und verantwortet das Gesamtgeschäft der ADA. Mit ca. 1.500 Beschäftigten konzernweit soll das Unternehmen heuer einen Umsatz von ca. 150 Mio. Euro erreichen.
SCHLEPPENDE KONJUNKTUR
Und doch befinde sich, so Nikolaus Szlavik, das Unternehmen mit seinem Hauptsitz in Anger und den vier weiteren Produktionsstätten in Körmend, Zalaegerszeg und Nova (Ungarn) sowie im rumänischen Salonta derzeit in einem einschneidenden Strategie- und Veränderungsprozess. Unmittelbarer Anlass dafür seien die schmerzhaften Absatzrückgänge, die nicht nur ADA, sondern den gesamten Möbelhandel insbesondere seit 2023 getroffen hätten; zurückzuführen auf die krisenhafte Entwicklung der vergangenen Jahre. Zuerst die Vorzieheffekte in der Coronapandemie, die der Branche 2021 zu einer Sonderkonjunktur verhalfen, danach aber einen Einbruch bescherten; dann der Angriff auf die Ukraine mit den bekannten Folgen, Inflation, explodierende Preise und damit Kosten bei Energie sowie Rohstoffen und nicht zuletzt die massiv gestiegenen Löhne. „In den vergangenen zwei Jahren mussten wir kumulativ enorme 17 Prozent Lohnerhöhungen hinnehmen“, präzisiert Szlavik, „das muss man erst einmal verdauen.“ Dazu die beinahe zum Erliegen gekommene Baukonjunktur; wenn nicht neu gebaut werde, würden auch weniger Möbel verkauft. Irgendwie logisch.
Doch Szlaviks Auftrag reicht viel weiter, als eine konjunkturelle Delle zu durchtauchen. Der 59-jährige Management-Routinier wurde vielmehr ganz bewusst als Mann von außen und bislang Möbelbranchenfremder an die operative Spitze der Holding-AG, die im Besitz einer die Nachfahren des Gründers begünstigenden Stiftung steht und dessen Aufsichtsrat Top-Unternehmer wie der Constan tia-Industries-AG-CEO Erlfried Taurer angehören, berufen, um das Unternehmen von Grund auf neu zu denken; scheinbar altbewährte und doch – oder gerade deswegen – in die Jahre gekommene Strukturen, Abläufe, Verhaltensweisen zu hinterfragen und aufzubrechen. Mit komplexen und herausfordernden Situationen ist Szlavik jedenfalls vertraut, gilt der gebürtige Grazer und Absolvent eines Studiums des Wirtschaftsingenieurwesens und Maschinenbaus an der TU Graz doch nach einer Laufbahn, die ihn über ATB Austria Antriebstechnik AG, Magna Powertrain sowie Opel an die Spitze der Austria Druckguss GmbH und zuletzt auf den Chefsessel der PIA Automation Austria geführt hatte, nicht nur als ausgewiesener (Automotive-)Industriefachmann, sondern auch als Sanierungsexperte.
Bei Polstermöbeln und Betten europaweit ganz vorne dabei: Der hohe handwerkliche Qualitätsanspruch schreibt die ADA-Erfolgsgeschichte seit ihren Anfängen im Anger der 50er-Jahre.
UMFASSENDE RESTRUKTURIERUNG
Das mit dem Begriff „Sanierer“ gemeinhin assoziierte Image eines Peitschenknallers weist Szlavik dabei gleich einmal von sich: „Ich bin mit Sicherheit nicht das, was man unter einem klassischen Sanierer versteht, keiner, der reingeht und einfach mal über den Kamm geschoren Kosten cuttet. Das würde diesem sensiblen Organismus hier auch nicht gerecht.“ Vielmehr versuche er, wenn auch zügig und konsequent, behutsam vorzugehen, mehr im Stile eines Coaches als in dem eines Managers fürs Grobe. In den höchsten Tönen lobt er dabei nicht nur das Know-how und die Erfahrung der Angerer Polsterer und Möbelbauer, sondern auch das ihm zur Seite stehende Managementteam: „das beste, das ich je hatte“. Für ihn als Branchenquereinsteiger besonders wertvolle Assets. „Ich bin gerade dabei, mir mein Netzwerk aufzubauen, in der Möbelbranche läuft vieles über persönliche Kontakte, wesentlich mehr als in der Autoindustrie.“
Wenn auch die Peitsche im Schrank bleibt, Einschnitte und Veränderungsprozesse sind – ganz besonders für den Gründungsstandort Anger – tiefgreifend und weitreichend. In Anger werden von nun an hochwertige Betten für die Eigenmarke „ADA Mindful Living“, die Lizenzpartner und den White-Label-Bereich gefertigt. Das Anfang des Jahres gelaunchte Sortiment der Eigenmarke ADA Mindful Living, exklusiv über ein Netz von Fachhandelspartnern vertrieben, deckt die Bereiche Schlafen (Betten), Wohnen (Polstermöbel) und nun auch Dining (Tische, Stühle) ab. Um den Standort Anger als traditionelle High-End- und Premiumproduktionsstätte des Unternehmens zu bewahren, wurde die Produktion auf eine der vier Hallen konzentriert und auch der Mitarbeiterstand angepasst. Die restlichen Flächen, darunter drei Hallen, sollen, so Szlavik, veräußert werden. Konkretes Interesse gebe es. Rund 200 Menschen arbeiten zurzeit am steirischen Stammsitz des Unternehmens, vor Zeiten seien es schon mal bis zu 900 gewesen. An einem zweiten steirischen Standort im Technopark Raaba bei Graz sind weitere Abteilungen des Unternehmens angesiedelt.
COOLER PLAYER
„ADA Mindful Living“ sei gleichsam die neue Flagship-Marke, die das ganze Unternehmen mit neuem Spirit auflade, skizziert Szlavik. Dahinter aber gelte es, den Rückstau an längst nötigen Veränderungen wettzumachen, der sich in den vergangenen Jahren in einem, wenn auch durchaus erfolgreichen Unternehmen gebildet habe, etwa bei der Digitalisierung der Prozesse von den Kunden bis in die Produktion, beim Sortiment, im Vertrieb, bei der Anpassung und Modernisierung des ERP-Systems – das seien die „Hausaufgaben“. Das alles mit dem Ziel, mit dem „Selbstbewusstsein eines gut aufgestellten, coolen, sich seiner Traditionen bewussten mittelgroßen Players“ in einem äußerst kompetitiven Marktumfeld nicht nur zu bestehen, sondern nachhaltig erfolgreich zu sein. „Wir befinden uns mitten in diesem Umstrukturierungsprozess. Die Weichen sind gestellt, wir haben die notwendigen Maßnahmen ergriffen. 2025 wird aber sicher noch ein sehr forderndes Jahr für uns und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Doch trotz des nach wie vor schwierigen Marktumfeldes bekommen wir bei Kunden und Partnern, auf Branchenveranstaltungen und Messen bereits viel positives Feedback für unseren neuen Auftritt“, zieht Nikolaus Szlavik eine zuversichtliche Zwischenbilanz – und fügt noch hinzu, er wolle ADA wieder fliegen sehen.
FOTOS: © ADA