Spirit of Styria

Vom Birkhuhn und dem KLIMAWANDEL

Rechtliches Know-how für die Energiewende: Der renommierte Grazer Anwalt Georg Eisenberger zählt zu Österreichs führenden Experten im Bereich Öffentliches Recht und Genehmigungsverfahren. Im Gespräch mit „SPIRIT of Styria“ kritisiert er, dass NGOs Windparks mit Birkhühnern verhindern können.

Die Geschichte ist tatsächlich einigermaßen skurril. Und man würde sie vielleicht auch nicht glauben, wenn sie Georg Eisenberger nicht selbst erlebt hätte. In einem UVP-Verfahren für Windräder monierten Umweltorganisationen, dass der Windpark den Tod für die ortsansässigen Birkhühner bedeuten könnte. Die streng geschützten Vögel sehen schlecht und würden gegen die grauen Stützen fliegen. Der Windpark könne deshalb nicht gebaut werden. Georg Eisenberger hatte eine Idee, wie eine Koexistenz von Vögeln und Windrädern möglich wäre. „Ich habe vorgeschlagen, die Stützen einfach braun zu streichen. Damit heben sich die Stützen wie Bäume von der Umgebung ab und die Vögel fliegen nicht mehr dagegen“, erinnert er sich. Eisenberger hatte sich zu früh über die rettende Idee gefreut, denn der Landschaftsschutz fand braun gestrichene Stützen nicht in Ordnung.

Georg Eisenberger mit seinem Objekt Life is Beautiful.

Die Geschichte illustriert in den Augen des Anwalts anschaulich, was bei den österreichischen Umweltverträglichkeitsverfahren schiefläuft. „Mit der Einbindung von Bürgern und Nichtregierungsorganisationen wollte der Gesetzgeber die gesellschaftliche Akzeptanz von Projekten erhöhen“, erklärt Georg Eisenberger. „Tatsächlich haben manche NGOs aber nur ein Ziel, nämlich Projekte zu verhindern.“ Ein schwerer Vorwurf, den Eisenberger mit seinen anwaltlichen Erfahrungen in rund hundert Verfahren untermauert.

Große Projekte werden inzwischen nicht mehr nur rechtsstaatlich bekämpft, sondern auch mit Strafanzeigen, Medienkampagnen und mit heimlich aufgenommenen Filmmitschnitten.

GEORG EISENBERGER, ANWALT

Die Pumpspeicherkraftwerksprojekte auf der Koralm und im Tiroler Kaunertal, große Infrastrukturprojekte drohen in Österreich regelmäßig an NGOs zu scheitern, oder besser gesagt, an bedrohten Tier- oder Pflanzenarten. Dass das streng geschützte Birkhuhn die Auswirkungen der Erderwärmung vielleicht nicht überleben wird können, spiele dann keine Rolle. Was Eisenberger stört, ist, dass eine gut organisierte, vergleichsweise kleine Gruppe Projekte verhindert, die die Allgemeinheit für die Energiewende und den Kampf gegen den Klimawandel braucht. Und das sei seiner Meinung nach nicht im Sinne des Gesetzgebers. „Das Ziel der Beteiligung von NGOs und Bürgerinitiativen müsste es eigentlich sein, ein Projekt im Sinne des Natur- und Umweltschutzes zu verbessern“, betont er. „Aber in den letzten Jahren geht es viel zu oft nur ums Verhindern und daran verzweifelt man.“ Der erfahrene Anwalt sieht auch, dass in diesen Verfahren inzwischen mit sehr harten Bandagen gekämpft wird. „Verfahren für große Projekte werden inzwischen nicht mehr rechtsstaatlich geführt, sondern mit Strafanzeigen, Medienkampagnen und mit heimlich aufgenommenen Filmmitschnitten.“ Die Stimmung bei den Verfahren sei aggressiv geworden, es vergehe ihm die Lust, diese Verfahren zu begleiten. „Vielleicht muss man jünger sein, um das noch auszuhalten“, sagt er. Wie er würden inzwischen viele seiner Kollegen denken.

Eisenberger Experts in Public Law & Policy
1995 Partner in der Rechtsanwaltskanzlei Eisenberger & Herzog 2020 Gründung der Kanzlei Eisenberger & Partner Büros in Wien, Graz und Brüssel
Seit 1997 lehrt Eisenberger Bau- und Raumplanungsrecht an der Technischen Universität Graz
2013 Verleihung des Titels „Ehrenprofessor“ durch die TU Graz

Seit 2015 Professur für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft an der Universität Graz
Im Trend-Anwaltsranking seit mehr als zehn Jahren unten den zehn führenden Anwälten Österreichs gereiht.
2019 bester Anwalt im Bereich Öffentliches Wirtschaftsrecht

5.000 SEITEN PRO JAHR
Georg Eisenberger ist einer, der sich Gedanken macht zur Entwicklung des Rechts. Das ist mit ein Grund dafür, dass er seit 1997 Bau- und Raumplanungsrecht an der TU Graz und seit 2015 Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Universität Graz unterrichtet.

Probleme in der Rechtsentwicklung sieht er auch im Öffentlichen Recht: 5.000 Seiten Gesetzestext produziert der österreichische Gesetzgeber pro Jahr. 80 Prozent davon fallen unter Öffentliches Recht. Eine stattliche Menge, selbst für einen Spezialisten wie Georg Eisenberger. Den Überblick zu bewahren und die Komplexität der Gesetzesmaterie zu durchdringen, wird zur Herausforderung. „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem es mir mit meinen dreißig Jahren Erfahrung passiert, dass ich Gesetze nicht mehr verstehe“, sagt Eisenberger. Ein besorgniserregender Befund, der die Grundfesten der demokratischen Ordnung bedroht. Denn Bürger sollen Gesetze nicht nur kennen, sondern auch verstehen können. „Diese Forderung ist zur Illusion geworden“, betont er.

Seit 1995 ist Eisenberger als Anwalt tätig. In diesen knapp drei Jahrzehnten seien Gesetzestexte qualitativ nicht besser geworden. Er erinnert sich an seine ersten Jahre und an die Lektüre von Unterlagen aus Verfahren vor dem Verfassungsgericht: „Das waren schlüssige Texte, die Beschwerde, die Äußerung des Verfassungsdienstes, aber auch das Erkenntnis des Gerichts“, sagt er. Dass dies heute anders sei, habe auch mit gesellschaftlichen Zusammenhängen zu tun, die immer komplexer werde.

Feromontana
Georg Eisenberger ist auch international anerkannter Künstler. Der Künstlername Feromontana ist die Latinisierung seines Nachnamens. Seine Bilder und Skulpturen werden von Galerien unter anderem in New York, Madrid, Tokio und Berlin ausgestellt. 
2019 war Georg Eisenberger mit seinen Werken, zum Beispiel mit der Skulptur „Angel of Commerce“auf der Biennale von Venedig vertreten. In Graz wird sind die Arbeiten von Georg Eisenberger in der Bakerhouse Gallery und in den Räumen der 
Kanzlei zu sehen. 

Eisenbergers Spot Paintings:
Damien Hirst als Inspiration.

BESCHLAGNAHMTE HANDYS
Grund zur Sorge sieht Georg Eisenberger aber nicht nur bei den Umweltverfahren, sondern auch dann, wenn die Staatsanwaltschaft Handys beschlag nahmt und die darauf gespeicherte Korrespondenz selbst dann ihren Weg in die Medien findet, wenn diese überhaupt nicht mit den eigentlichen strafrechtlichen Vorwürfen in Verbindung steht. Was unter anderem einem der höchsten Beamten des Justizministeriums, Sektionschef Christian Pilnacek, passiert ist. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hatte dem Spitzenbeamten vorgeworfen, in der Causa Heumarkt-Projekt interne Informationen der WKStA verraten zu haben.
Pilnacek wurde vor den ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss geladen, die Mitglieder des parlamentarischen U-Ausschusses konfrontierten den Sektionschef mit Chat-Nachrichten, die Transkription der Textnachrichten lag den Abgeordneten vor. Nicht jedoch dem Geladenen und dessen Anwalt Eisenberger. „Jeder soll einmal darüber nachdenken, ob er sich daran erinnert, was er vor Jahren ins Handy getippt hat“, kritisiert Eisenberger. „Wenn man in einem Verfahren darüber eine Aussage unter Wahrheitspflicht machen muss, ist die Gefahr groß, eine Falschaussage zu machen.“ Für Georg Eisenberger ist diese Waffenungleichheit demokratiepolitisch heikel. Aber nicht nur das. Die Beschlagnahmung von Korrespondenz ist für ihn auch eine Verletzung des Briefgeheimnisses und der Europäischen Menschenrechtskonvention, die das Privat-leben schützt. „Ich konnte meinem Mandanten nur raten, nichts auszusagen, solange wir die Transkription nicht haben.“

Eisenbergers Beitrag zur Biennale 2019 „Angel of Commerce“: Mit einem Koffer in Venedig.

Eisenberger hat sich zu diesen heiklen Fragen wiederholt öffentlich geäußert und gemeinsam mit seinen Kanzleipartnern das Buch „Richtiges Verhalten vor dem Untersuchungsausschuss“ veröffentlicht. Eisenberger würde sich wünschen, dass sich mehr Anwälte kritisch zu Fragen äußern würden, die Demokratie und Grundrechte berühren. Auch wenn sie sich damit in den Online Diskussionsforen nicht immer beliebt machen. Der Prozess gegen den Schauspieler Florian Teichtmeister war so ein Fall. Demonstranten hatten vor dem Haus seiner Eltern und vor dem Gerichtsgebäude einen Galgen aufgestellt. „Aufrufe zur Lynchjustiz haben in einem Rechtsstaat keinen Platz“, sagt Eisenberger. „Es ist auch die Aufgabe von Anwälten, das aufzuzeigen.“

Fotos: Oliver Wolf

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