Spirit of Styria

Umziehen mit dem EIGENHEIM

Mit ihrem Kiubo-Konzept macht das Architekturbüro Hofrichter-Ritter aus Immobilien mobile und flexibel gestaltbare Wohnräume. In der Grazer Smart City zeigen sie, wie diese revolutionäre Form den Boden- und Ressourcenverbrauch senken kann.

Es ist schon eine revolutionäre Idee, mit der Hofrichter-Ritter Architekten Immobilien ortsungebunden machen. Kiubo heißt dieses Konzept, das aus zwei Komponenten besteht: Aus einem Fertigteilrohbau und aus mobilen Wohneinheiten, die in den Rohbau hineingeschoben werden können. Was nichts anderes bedeutet, als dass der Eigentümer des Wohnmoduls mit seinen eigenen vier Wänden umziehen und sie erweitern kann. „Wir trennen mit diesem Konzept den Rohbau vom Ausbau“, erklärt Gernot Ritter. „Damit machen wir Immobilien flexibel. Der Innenausbau, also die Module lassen sich austauschen und unterschiedlich nutzen, als Wohnraum ebenso wie als Büro. „ Damit soll der Bodenverbrauch gebremst werden, aber nicht nur das: Ein wesentliches Problem, wenn es um leistbaren Wohnraum geht, seien die Grundstückspreise und die damit verbundene Spekulation mit Grund und Boden. Wer ein Kiubo-Modul kauft, erspart sich den Erwerb eines Grundstücks. Für seinen Stellplatz im Terminal zahlt man nämlich nur eine Stellgebühr. „Wir reden also bei diesem System über einen gestapelten Campingplatz.“ Oder anders gesagt, über eine hybride Form von Eigentum und Miete.

Wir machen mit Kiubo Immobilien flexibel. Der Innenausbau, also die Module lassen sich austauschen und unterschiedlich nutzen, als Wohnraum ebenso wie als Büro.

VERONIKA HOFRICHTER RITTER
UND GERNOT RITTER

Was das Konzept, das das Architektenpaar Veronika Hofrichter-Ritter und Gernot Ritter gemeinsam mit der Wohnbaugenossenschaft ÖWG und der Kiubo GmbH auf dem Immobilienmarkt etablieren will, gerade für junge Menschen so attraktiv macht, sind seine geringen Kosten. Das 25 Quadratmeter große Basismodul mit allen sanitären Einrichtungen kostet weniger als 100.000 Euro.

LEISTBARES EIGENTUM
Leistbares Eigentum zu schaffen, das war nämlich der Ausgangspunkt für die Kiubo-Architekten. „Wenn wir mit jungen Kollegen über ihre Zukunftsvorstellungen gesprochen haben, ob sie eine Familie gründen wollen, haben wir immer wieder gehört, dass sie sich eine Wohnung für eine Familie einfach nicht leisten können“, erinnert sich Hofrichter-Ritter. „Das war die Initialzündung für uns“, ergänzt Ritter. „Denn wenn es eine Gesellschaft nicht schafft, leistbaren Wohnraum für Junge zu schaffen, dann ist das eine Bankrotterklärung.“

Kiubo-Pilotprojekt in der
Grazer Smart City: Flexible
Module passen sich den Anforderungen der Eigentümer an
und können übersiedelt werden.

Gemeinsam mit Hans Schaffer, dem CEO der ÖWG Wohnbaugenossenschaft, machten sich die beiden auf die Suche nach Möglichkeiten, wie man kostengünstig, aber auch flexibel bauen kann. Fündig wurden sie bei einem der größten Architekten und Stadtplaner des 20. Jahrhunderts: bei Le Corbusier. Er hatte 1914 das Maison Dom Ino präsentiert, das ein Gebäude auf Decken, Böden, Stützen und eine die Geschoße erschließende Treppenanlage reduziert. Einen ähnlichen Weg ging auch das britische Architektenkollektiv Archigram mit ihrer Plug-In-City in den 1960er Jahren und Günther Domenig und Eilfried Huth, die Begründer der Grazer Schule, mit ihrem Konzept „Neue Wohnform Ragnitz“. Gebaut wurden diese innovativen Konzepte allerdings nie. Die Öffnung eines Gebäudes für eine flexible Nutzung war aber genau das, wonach die Erfinder von Kiubo gesucht haben. „Wir sehen in diesen Utopien neben den flexiblen Nutzungseinheiten vor allem das urbane, städtebauliche Potenzial. Es ist eine hybride und dynamische Alternative zu den vorherrschenden starren Masterplänen. Man muss Gebäude also nicht als unveränderlich denken“, erklärt Gernot Ritter. Bisher habe man Gebäude an einem bestimmten Ort für eine bestimmte Nutzung errichtet. Wenn Ort und Nutzung nach 20 Jahren nicht mehr den Anforderungen entsprochen haben, dann habe man das Gebäude abgerissen. Was ökologisch nicht sinnvoll sei.

ALTERNATIVE ZUM EINFAMILIENHAUS
Das Einfamilienhaus ist ein gutes Beispiel dafür, warum Flexibilität und Mobilität ein Gebot der Stunde sind. In Österreich stehen tausende Einfamilienhäuser leer. Die Kinder der Häuslbauer sind längst ausgezogen, die zurückgeblieben Eltern sind betagt und mit der Erhaltung des viel zu großen Hauses mit Garten überfordert. „Man könnte alle Wohnungssuchenden Österreichs locker in diesen leerstehenden Häusern unterbringen“, sagt Ritter. „Sie stehen leer, weil sie am falschen Ort stehen, oder weil sie so gebaut worden sind, dass sie für andere Bewohner nicht nutzbar sind.“

Mit den Kiubo-Modulen würde nicht nur der Zersiedelung Einhalt geboten, sondern auch der Vernichtung von Kapital. „Unser Modulsystem lässt sich mühelos an die Bedürfnisse der Eigentümer anpassen“, betont Hofrichter-Ritter und nennt ein Beispiel, wie eine Kiubo-Eigentümer-Karriere aussehen könnte: „Nehmen wir einmal an, jemand geht zum Studieren nach Graz. Eine günstige Mietwohnung in einer Universitätsstadt zu finden, ist nicht einfach. Also beschließen die Eltern, wir kaufen dem Sohn ein Basismodul, geben ihm damit ein Startkapital und ersparen ihm die Mietkosten für eine Wohnung. Miete zahlt er nur für seinen Stellplatz. Nimmt er nach dem Studium einen Job in einer anderen Stadt an, dann übersiedelt er ganz einfach mit seinem Basismodul. Gründet er eine Familie, dann kauft er einfach ein oder mehrere Module dazu.“

Missing Link: Brücke verbindet
zwei Schulen in Knittelfeld
.
Die Stahl-Fachwerkkonstruktion
ermöglicht ein dynamisches
Erscheinungsbild.

Einsegnungshalle am Steinfeldfriedhof in Graz:
Die geschwungenen Linien des Baukörpers als architektonische Übersetzung der Bibelstelle: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände“.

Schiterminal Planai-Bahnen: 74 diagonale
Säulen tragen den „Loop“, der das Gebäude umfasst.

Wohnprojekt Haus Rafael der Diözese
Graz Seckau: Hausgemeinschaft als Antwort auf
Einsamkeit im Alter.

Projekte
Blus Box Halle Graz
Zielstadion Planai Chapel of Rest
Steinfeldfriedhof Graz Einsegnungshalle
St. Peter Friedhof Graz
Kirche Bruckneudorf
Missing Link Fußgängerbrücke Knittelfeld
Sozialer Wohnbau „Wohnen in Kalsdorf“
Gesundheitszentrum Mureck
Haus Isopp, Klagenfurt

MODULE AUS HOLZ
Weil ein Kiubo-Modul aus Holz gerade einmal zwölf Tonnen wiegt, kann es mit einem Tieflader zum Terminal transportiert werden. Dort hebt es ein Kran auf seinen Stellplatz.

In gerade einmal drei Stunden ist das Modul mit allen seinen Anschlüssen im Terminal angeschlossen.

Worum es jetzt geht, dürfte etwas schwieriger sein. Kiubo muss am Markt etabliert werden. „Marktuntersuchungen zeigen uns, dass es für diese flexible Eigentumsform gerade bei jungen Menschen eine Nachfrage gibt“, betont Hofrichter-Ritter. Kiubo passt ihrer Meinung nach zu deren Lebensstil: Man ist nicht ortsgebunden, ist weniger interessiert an Statussymbolen und bereit, mit anderen zu kooperieren. Die Kiubo GmbH arbeitet derzeit an einem Plattformmodell, das dieses neue Betreibermodell abbildet und die Wirtschaftlichkeit gewährleistet. Gerade letzteres ist Voraussetzung dafür, dass Kiubo funktioniert. „Die Bewohner müssen schon zu einer Gemeinschaft werden“, betont Hofrichter-Ritter. „Die Betreibergesellschaft bietet in jedem Terminal bestimmte Features, wie zum Beispiel Gemeinschaftsterrassen, Raum für Urban Gardening oder eine Kindergruppe im Erdgeschoß an. Die Bewohner müssen sich also verständigen.“ Miteinander reden müssen sie die Bewohner auch dann, wenn sich ein Bewohner vergrößern will, aber auf dem angrenzenden Stellplatz jemand anderer wohnt. Und das ist durchaus im Sinne der Erfinder. Kiubo steht nämlich auch für ein auf Gemeinschaft ausgerichtetes gesellschaftspolitisches Konzept.

In der Grazer Smart City hat die Wohnbaugenossenschaft ÖWG einen Kiubo-Prototyp errichtet. Jetzt geht es darum, die Markteinführung zu schaffen und genügend Interessenten zu finden, die den Bau weiterer Terminals ermöglichen. So richtig funktionieren kann diese Form des ortsungebundenen Eigenheims nämlich nur dann, wenn es eine Reihe von Terminals an attraktiven Standorten gibt, wie Studien im Auftrag der Kiubo-Betreiber erhoben haben.

Damit Kiubo richtig abheben kann, muss das flexible, mobile Eigenheim Interessenten finden. „Jetzt sind die Verkäufer am Zug“, sagt Ritter. Angst davor, dass sein Herzensprojekt nicht genug Käufer begeistern kann, hat er nicht. „Wer hätte vor ein paar Jahren noch gedacht, dass Menschen Kaffee in Kapseln kaufen“, sagt er lächelnd.

Hofrichter Ritter Architekten
Gegründet 2003 von Veronika Hofrichter-Ritter und Gernot Ritter
sieben Mitarbeiter
Gernot Ritter ist Vorstandsvorsitzender des Hauses der Architektur Graz Lehraufträge FH Salzburg und FH Joanneum

www.hofrichter-ritter.at
www.kiubo.eu

FOTOS: OLIVER WOLF, BEREITGESTELLT HOFRICHTER RITTER ARCHITEKTEN

Folgt uns

Tretet mit uns in Kontakt, folgt uns auf unseren Social Media Kanälen. Wir freuen uns!