Spirit of Styria

KI aus GÖSSENDORF

Künstliche Intelligenz (KI), die Roboter selbstständig komplexe Aufgaben auch in schwierigstem Gelände ausführen lässt: Damit sorgt das in Gössendorf bei Graz ansässige Technologie-Start-up „ARTI – Autonomous Robot Technology“, Zweitplatzierter beim jüngsten SPIRITStart-up-Award, auch international für Furore.

Wer würde, wenn er sein Gefährt auf dem Parkplatz abstellt, gleich vermuten, dass sich im „Business Center Süd“ neben zahlreichen anderen Unternehmen und dem Gössendorfer Gemeindeamt auch die derzeit viel diskutierte künstliche Intelligenz (KI) – englisch: „Artificial Intelligence“ (AI) – angesiedelt hat?

Ein Lokalaugenschein in den Räumlichkeiten der „ARTI – Autonomous Robot Technology GmbH“ lässt nichts Verdächtiges erkennen. Ein in künstliches Licht getauchter Gang, ein paar Räume, einer davon ein Meetingraum mit Tisch und Stühlen, ein anderer beherbergt ein technisches Labor – sonst die für Softwareschmieden übliche Optik: Menschen, Bildschirme und diese typisch entspannt konzentrierte, man könnte auch sagen nerdige IT-Arbeitsatmosphäre. In einem der Räume dann doch eine überraschende Begegnung: ein quaderförmiges, fast kniehohes, an seiner Oberseite flaches Ding auf Rädern: die Roboterplattform CHASI. Ihre Autonomie ist dieser Plattform, wenn sie so vor sich hindöst, zwar nicht gleich anzusehen, doch wir ahnen: Sie könnte sich sogleich in Bewegung setzen, um die nähere und weitere Umgebung ihres Standorts auf sich allein gestellt zu erkunden und dabei auch noch die unterschiedlichsten Aufgaben zu bewältigen.

Tatsächlich, bestätigt Konstantin Mautner-Lassnig, CEO und einer der vier Gründer des Startups, würde der Roboter nicht nur inhouse zu Forschungs- und Entwicklungszwecken genützt, sondern dürfe sein Können auch immer wieder outdoor, etwa am weniger frequentierten Parkplatz hinter dem Businesscenter, demonstrieren. Interessenten kämen mittlerweile nicht mehr bloß aus Deutschland und Österreich. „Wir erhalten immer öfter Anfragen aus diversen europäischen Ländern, etwa Norwegen und England, neulich sogar aus den USA, was uns selbst ein bisschen gewundert hat.“ Gar so verwunderlich sei das aber dann doch wieder nicht, sondern zeige nur, mit welchem Nachdruck derzeit in den verschiedenen Anwendungsbereichen weltweit nach herausragenden KI-Lösungen gefahndet werde.

„Ihre“ künstliche Intelligenz ermöglicht Robotern autonome Orientierung:
Konstantin Mautner-Lassnig (l.) und Alexander Buchegger.

RETTUNG DURCH ROBOTER
Längst erfüllen die anfangs im „Science Park Graz“, nunmehr an der Gössendorfer Bundesstraße entwickelten KI-Softwaremodule, von den Entwicklern selbst als AI-Kits bezeichnet, ihre Mission in den Erzeugnissen namhafter Herstellerpartner vorwiegend in Deutschland und Österreich, so zum Beispiel in den oft tonnenschweren Seitenstaplern und Flurförderzeugen des im deutschen Fulda ansässigen und in seinem Sektor zu den international führenden Unternehmen zählenden Spezialtransportmaschinenherstellers Hubtex. Ein Hightechunternehmen mit mittlerweile rund 450 Mitarbeiter*innen und zahlreichen Vertriebs- und Servicestandorten weltweit. Weitere renommierte Unternehmenspartner und Kunden des steirischen Start-ups sind etwa die Rosenheimer Scaliro GmbH, selbst ein Software-Start-up, sowie die in Oberösterreich ansässigen Automatisierungsunternehmen GER4TECH und KEBA.

Zudem war und ist das Unternehmen in zahlreiche hochkarätig besetzte Forschungsprojekte involviert, die sich dem Einsatz künstlicher Intelligenz bei autonomen Robotern widmen, zuletzt etwa – gemeinsam mit Partnern wie der Technischen Universität Graz und dem „Disaster Competence Network Austria“ (DCNA) – in das Projekt „Robo-Nav“. Ziel der Forschungen: Robotern etwa für den Einsatz in Katastrophenfällen ein selbstständiges Navigieren und Vorankommen in schwierigem, zum Beispiel alpinem Gelände zu ermöglichen. Ein Projekt, das, wie Mautner-Lassnig schildert, ihn und seine Mitgründer Alexander Buchegger, Clemens Mühlbacher und Stefan Loigge neben seinem forschungspraktischen Mehrwert auch emotional wieder zurück zu ihren Start-up-Wurzeln geführt habe.

In Wettbewerben wird dir schonungslos vor Augen geführt, was deine Lösung wert ist.

KONSTANTIN MAUTNER – LASSNIG, ALEXANDER BUCHEGGER
ARTI-GRÜNDER UND START-UP-UNTERNEHMER

Denn, was die vier späteren Gründer schon während ihres Studiums am Institut für Softwaretechnologie der TU Graz zusammengeführt und letztlich auch den späteren Forschungs- und Entwicklungsfokus beeinflusst hatte, war ihre Begeisterung für KI-gestützte Rettungsrobotik und ihr gemeinsames Engagement im Rahmen einschlägiger Projekte. Daraus hätten sich dann, auch beflügelt vom damaligen Hype um das autonome Fahren, immer gewichtigere Überlegungen zu einer gemeinsamen Unternehmensgründung entwickelt – und ein über vorherrschende intralogistische Fragestellungen hinausweisender Horizont: „Wir wollten ins Freie.“ Ins herausfordernde, schwierige Gelände – outdoor und offroad.

ARTI – AUTONOMOUS ROBOT TECHNOLOGY GMBH

2019 gründeten Konstantin Mautner-Lassnig, Alexander Buchegger, Clemens Mühlbacher und Stefan Loigge, alle Absolventen des Studiums der Softwaretechnologie an der TU Graz, die „ARTI – Autonomous Robot Technology GmbH“. 
Nach einer Inkubationsphase im Science Park Graz ist das Startup nun im "Business Center Süd" in Gössendorf ansässig und beschäftigt insgesamt 
14 hochqualifizierte Mitarbeiter*innen.

Entwickelt werden auf künstlicher Intelligenz beruhende Software-Kits, die es Robotern erlauben, sich auch in unbekanntem Gelände zu orientieren und selbstständig zu bewegen.

Sogenanntes „Deep Learning“ ermöglicht den Robotern die Umgebung zu verstehen und Objekte zu erkennen.

Die Anwendungsgebiete sind vielfältig und reichen von anspruchsvoller Intralogistik mit Spezialtransportmaschinen und Staplern über intelligente extralogistische Paketzustellroboter bzw. Mähroboter bis zu 
Rettungsrobotern etwa für den Einsatz bei Erdbeben und alpinen Katastrophen.

Das Portfolio umfasst maßgeschneiderte forschungsbasierte Software-Dienstleistungen für die Bereiche autonome Navigation, Kartierung und Lokalisierung ebenso wie fertige AI-Kits. 
Außerdem wird eine große Bandbreite an Consultingleistungen angeboten.

FORSCHUNGSBRILLE ABNEHMEN
„Wir hatten uns gefragt: In welche Richtung könnten wir uns sinnvollerweise entwickeln?“, lässt Mautner-Lassnig die damalige Entscheidungsphase Revue passieren. „In diversen Wettbewerben und Challenges hatten wir einen guten Über-blick bekommen und bemerkt, dass auch Leute aus US-Topforschungsinstitutionen wie Stanford oder dem Massachusetts Institute of Technology nur mit Wasser kochen und wir auf Augenhöhe waren.“ Bewerbe seien ein schonungsloses Pflaster: „Da siehst du sofort, was deine Lösung wert ist. Und so begannen wir, uns als Team selbst Challenges zu setzen.“

In diese Zeit, so um 2016, 2017, fielen auch die ersten Projekte mit direktem Unternehmensbezug. Die zukünftigen Gründer wurden eingeladen, ihre KI-Kompetenz in von heimischen Logistik- und Kommunaldienstleistern lancierte Projekte einzubringen. Doch den Schritt aus der Forschung ins Unternehmertum brachten die Projektbeteiligungen noch nicht. „Es war gar nicht so einfach, in dieser Phase vorwärtszukommen“, blickt Mautner-Lassnig zurück. „Wir hatten zwar Expertise und Know-how, aber noch nicht gegründet, was wiederum unsere Möglichkeiten bei potenziellen Kunden limitierte. Du bewegst dich irgendwie im Kreis.“ Um dieser mäandernden Henne-Ei-Thematik zu entrinnen, hätten sie sich Anfang 2019 entschlossen, ARTI zu gründen.

Chices Logo für die künstliche Intelligenz: ARTI entwickelt Software-Kits,
die es Robotern gestatten, sich selbstständig zu orientieren und autonom zu bewegen.

In dieser Inkubationsphase wurde ARTI auch in den „Science Park Graz“ aufgenommen. Dort, so Mautner-Lassnig, hätten sich Netzwerk sowie unternehmerisches und strategisches Know-how signifikant verdichtet. „Wir haben uns als Techniker verstanden und die Dinge durch die Forschungsbrille gesehen. Wie man ein Unternehmen aufbaut und am Markt auftritt, davon hatten wir anfangs noch nicht so viel Ahnung.“ Auch Gespräche mit potenziellen Investoren seien bald an der Tagesordnung gestanden – „gute Gespräche“. Doch schließlich überwog der gemeinsame Wille, es ohne Kapitalgeber durchzuziehen. Die vier Gründer Loigge, Mühlbacher, Buchegger und Mautner-Lassnig halten nach wie vor jeweils 23,75 Prozent der Gesellschaftsanteile, die restlichen fünf befinden sich im Besitz zweier verdienter Mentoren. Eine geradezu dialektische Logik wohnte dem ersten bedeutenden unternehmerischen Durchbruch des neu gegründeten steirischen Start-ups inne: Die Kooperation mit einem innovativen deutschen Technologie-Start-up, das bereits führende Logistik- und Automobilunternehmen zu seinen Kunden zählte, entwickelte sich höchst erfolgreich – bis das deutsche Start-up die Segel streichen musste. „Natürlich ein herber Rückschlag für uns“, so Mautner-Lassnig, „doch letztendlich profitierten wir davon, dass viele der Mitarbeiter*innen zu anderen Firmen wechselten und uns dort weiter-empfahlen.“ Woraus auch einige der aktuellen Geschäftsbeziehungen resultieren.

Die vier ARTI-Gründer:
Stefan Loigge, Konstantin Mautner-Lassnig, Clemens Mühlbacher und Alexander Buchegger (v. l.)

NOCH EINFACHER MACHEN
Weiterempfehlung, Vorreiterrolle und Vernetzung in der weltweiten KI- und Robotic-Forschungscommunity, aus der Challenge- und Wettbewerbsphase weiterbestehende Netzwerke, Präsenz bei bedeutenden Fachmessen wie der „LogiMAT“ in Stuttgart oder der „Automatica“ in München, aber auch Einbettung in und gute Beziehungen zu heimischen Forschungszentren und -clustern wie Silicon Alps, Virtual Vehicle Research, Austrian Institute of Technology – all das eröffnet ARTI heute Wachstums- und Entwicklungschancen. Nicht zu vergessen: der unbedingte Wille, nicht nur an der KI-Entwicklungsspitze zu schweben, sondern Kund*innen und Nutzer*innen mit der künstlichen Intelligenz Lösungen in die Hand zu geben, die sie auch tatsächlich zu ihrem Vorteil nutzen können. „Denn wir wachsen“, benennt Mautner-Lassnig den aktuell dynamischsten Expansionstreiber, „mit unseren Kunden mit.“

Die KI für die Herausforderungen ihrer Einsatzgebiete resilient zu machen, sei das Um und Auf. Das reiche von deren Fähigkeit, Objekte und Umgebungen zu verstehen und richtig einzuschätzen, bis zur Usability. Denn es bringe nicht viel, einen noch so intelligenten Roboter zu haben, dessen Sensorik nichts mehr erkenne, weil sie verschmutzt oder falsch gewartet worden sei. „Wie können wir es noch besser und noch einfacher machen? Das ist die Herausforderung, der wir uns täglich stellen.“ Und die gar keine Zeit lasse, an Nebensächliches wie etwa einen möglichen Exit zu denken. „Wir haben das Privileg, dass wir mittlerweile auch als Arbeitgeber für ambitionierte High Potentials sehr attraktiv sind. Das ist ein tolles Gefühl und gibt uns die Möglichkeit, an unseren spannenden Themen dranzubleiben.“

Beim SPIRIT-STARTUP-AWARD 2023
wurde ARTI mit dem 2. PREIS ausgezeichnet.

Fotos: OLIVER WOLF, @FOTOCRAFIE

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