Spirit of Styria

Play it again, NICK

Mit wohlklingenden Hightech-Mundstücken und -Rohrblättern für Holzblasinstrumente wie Klarinette, Sax und Co. hat sich Nick Kückmeier von Höf-Präbach in eine weltweite Qualitätsnische gespielt. Doch dabei will er es nicht belassen.

Von Graz über die Ries Richtung Gleisdorf, nach dem imposanten Kainbacher Kreisverkehr noch ein paar Schlüsselstellen, dann rechts auf eine rampenartig hinabführende Straße – und schon sind wir in Lembach, einem Ortsteil des im Zuge der Strukturreform in die Großgemeinde Eggersdorf integrierten Ortes Höf-Präbach. Ein paar Häuser, ein Sportplatz, grasende Ziegen. Und als auffälligstes Objekt sticht das Abfallsammelzentrum mit seinen über das Erdgeschoss und den Hof verteilten Sammelfraktionen aus dem ländlichen Idyll heraus.

Nick Kückmeier aus Lembach, Gemeinde Eggersdorf, transformierte das Unbehagen am Holzblasequipment in eine ausgefeilte Technologie zur Herstellung von Mundstücken und Rohrblättern mit konstanter High-End-Performance und bespielt damit Orchestergräben und Bühnen weltweit.

Wir lassen uns von dem alten Gerümpel nicht abschrecken, sondern gelangen über eine Treppe in das ausgebaute Dachgeschoss – und damit in eine andere Welt; eine Welt der Musik, der Instrumente, des Wohlklangs. Hier befindet sich die Schaltzentrale der „Playnick GmbH“. Und hier begrüßen Nick Kückmeier, Gründer und Eigentümer des Unternehmens, und seine Frau Carina als Geschäftsführerin übers Jahr verteilt Kundinnen und Kunden aus aller Welt, darunter Musikerinnen und Musiker renommiertester internationaler Orchester wie etwa der Wiener und Berliner Philharmoniker, Klarinettisten, Saxofonisten, Fagottisten. Hier hat Kückmeier 2019 auch die Zusammenarbeit mit dem in Ridgefield, New Jersey, beheimateten, unter dem Dach der „BK & Sons Corporation“, einer Kapitalholding, firmierenden US-Unternehmen „Silverstein Works“ vereinbart. Auf dem Besprechungstisch bieten sich dem Auge in schmucken Präsentationskassetten ganze Staffeln von Mundstücken und Rohrblättern dar, geschaffen zur definiert wohlklingenden Verwendung bei diversen Holzblasinstrumenten in all ihren Bauarten. Absolute Hightechprodukte, die Nick Kückmeier in den vergangenen Jahren in hartnäckigster Entwicklungsarbeit zur Serienreife gebracht hat.

UNBEHAGEN AN DER AUSRÜSTUNG
Begonnen hat alles vor mehr als 20 Jahren. Kückmeier, studierter Klarinettist und Musiker in philharmonischen Orchestern, unterrichtete am Johann-Joseph-Fux-Konservatorium in Graz angehende – und wenigstens anfangs auch noch hoff-nungsvolle – Klarinettistinnen und Klarinettisten. Und das, was er an seinen Schülerinnen und Schülern wahrnahm, korrespondierte mit seinem eigenen Unbehagen an der Macht der Mundstücke und Rohrblätter. „Die wenigsten sagen es offen, aber viele werfen Klarinette oder Sax hin und hören mit der Instrumentalmusik überhaupt auf oder wechseln zu anderen Instrumenten.“ Die Crux: Mundstücke und Rohrblätter. Befeuchten, einspielen: „Da geht unglaublich viel Zeit drauf, in der andere schon längst spielen.“ Und die Suche nach wohltönendem Equipment selbst komme mangels Reproduzierbarkeit verlässlicher Qualitäten einer Lotterie gleich. „Und so klingen viele viel schlechter, als es ihren Fähigkeiten entsprechen würde, weil sie einfach nicht über adäquates Material verfügen. Wir verlieren täglich Instrumentalisten, weil dieses ganze Setting so unattraktiv und archaisch ist.“ „Das kann’s nicht sein“, habe er sich geärgert, erzählt Kückmeier, und beschlossen zu handeln. „Wir fliegen ins Weltall, aber Mundstücke und Rohrblätter in konstant höchster Klangqualität zu reproduzieren, das gelingt uns nicht?!“, so seine impulsgebende Ausgangsfrage. Damit stellt sich Kückmeier einer überaus komplexen Herausforderung, deren Tragweite er damals noch nicht in aller Klarheit erkannt habe. „Ich habe“, lässt er einmal einfließen, „anfangs nicht damit gerechnet, dass ich mich über eine so lange Zeit so intensiv mit einem Thema beschäftige und dass der Weg zu diesem heutigen Niveau so beschwerlich sein würde.“

„Ich will so viele Musikerinnen und Musiker wie möglich an dem Standard teilhaben lassen, den wir mit unseren Entwicklungen geschaffen haben.“

NICK KÜCKMEIER, Playnick GmbH

INNOVATION MIT INTUITION
Immer wieder greift Kückmeier zur Klarinette, um die in der Tat beeindruckenden und sich auch dem Laien erschließenden Unterschiede zwischen herkömmlichen Commodity-Mundstücken („Du gehst im Frack auf die Bühne und bläst in irgendwelche Billigplastikteile“) und Playnick-Produkten zu demonstrieren. Begonnen habe es mit höchst komplizierten mathematischen Berechnungen zu den Geometrien des Klarinettenmundstücks, an denen sich einige Koryphäen die Zähne ausgebissen hätten, erinnert sich Kückmeier. Bis er auf einen Mathematiker – „ein echtes Genie“ – gestoßen sei, der ihm die Formeln hergeleitet habe. Auf Basis der Berechnungen sei schließlich jene Software entwickelt worden, mit der er mittels einer ersten, selbst erworbenen CNC-Maschine mit der Herstellung der Mundstücke begonnen habe – im Keller. „Wirkliche Tiefenkompetenz“, holt Kückmeier zu einem kurzen innovationsphilosophischen Exkurs aus, „entsteht erst, wenn man über den eigenen Zaun hinausblickt. Das machen nicht viele, die meisten bewegen sich nicht aus ihrer Box heraus.“ Er habe sein Projekt von Beginn an fächerübergreifend interpretiert. „Ich verstehe mich als Vermittler zwischen Musik und Technik. Meine Kardinalfrage: Wie kann ich technisch optimale, reproduzierbare Bedingungen zur Erzeugung von musikalischem Ausdruck herstellen?“

High-End und Hightech von Playnick: Rohrblätter und Mundstücke für sogenannte Holzblasinstrumente wie Klarinette, Sax oder Fagott, made in Styria.

PLAYNICK 
Seit ca. 2000 entwickelte der Orchesterklarinettist und Klarinettenlehrer Nick 
Kückmeier (50) seine bahnbrechende Technologie zur Herstellung von 
High-End-Mundstücken für Klarinetten, Saxofone und weitere Holzblasinstrumente. 2008 gründete er die Playnick GmbH mit Sitz in Höf-Präbach. Zu den Mundstücken (Ausgangsmaterial: Naturkautschuk) kamen in der Folge auch polymerbasierte Hightech-Rohrblätter. An der Innovations- und Lieferkette sind neben einem mittelständischen deutschen Kunststoffspezialisten renommierte steirische Unternehmen wie die auf CNC-Fertigungstechnik fokussierte Resch GmbH (St. Stefan im Rosental) sowie die auf Kunststoffspritzguss und -verarbeitung spezialisierte Grazer MC Kunststofftechnik beteiligt. Das Finishing erfolgt nach wie vor bei Playnick selbst.

Musikerinnen und Musiker weltweit, darunter Mitglieder namhaftester 
Orchester, Solist*innen sowie Stars der Jazz- und Unterhaltungsmusikszene verlassen sich mittlerweile auf Playnick-Qualität made in Styria. Abnehmer der wohlklingenden Ware sind aber auch Blasmusikkapellen und angehende Instrumentalist*innen an den musikalischen Ausbildungsstätten. Seit 2019 besteht eine Kooperation mit dem US-amerikanischen Hersteller „Silverstein Works“. Vertrieben wird das Equipment auch vom führenden europäischen Onlineanbieter „Thomann“ sowie über den Playnick-Webshop.

Es bedurfte Jahre weiterer beharrlicher Bemühungen, bis Kückmeier sein Paket aus Produkten, Materialien und Produktionsschritten geschnürt und auf höchstem Qualitätslevel reproduzierbar gemacht hatte, geleitet von seiner Intuition und unterstützt von Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionspartnern. Für die Mundstücke: indonesischer Naturkautschuk – eine eigens für ihn komponierte Mischung –, den er aus Hamburg bezieht und der in den CNC-Maschinen der in St. Stefan im Rosental ansässigen „Resch GmbH“ gedreht und gefräst wird, um schließlich nach wie vor von Kückmeier höchstpersönlich den (geheimen) letzten Schliff zu bekommen. Für die Rohrblätter: ein von einem mittelständischen deutschen Unternehmen geliefertes polymeres Ausgangsmaterial, das in einem gemeinsam mit der Grazer „MC Kunststofftechnik“ erarbeiteten hochkomplexen Spritzguss- und Bearbeitungsverfahren veredelt wird, was den Blättern in den unterschiedlichsten Varianten Beständigkeit, Bearbeitbarkeit und Elastizität gleichermaßen beschert. Mittlerweile hält Kückmeier vier Patente.

MUNDPROPAGANDA FÜR MUNDSTÜCKE
2008 gründet Kückmeier die Playnick GmbH, 2010 beendet er seine Unterrichts- und Konzerttätigkeit, um sich fortan ungeteilt seiner unternehmerischen Mission zu widmen. Der ehemalige Orchesterklarinettist nutzt von Anfang an sein musikalisches Netzwerk, um seine Innovation unter die Leute zu bringen. „Meine Kunden sind über den ganzen Globus verteilt, New York, Paris, Berlin, Tokio, Peking.“ Die Mundstücke verbreiten sich – über Mundpropaganda. Häufig, ergänzt Carina Kückmeier, wie ihr Mann „gelernte“ Orchesterklarinettistin, sei an den Bestellungen zu erkennen gewesen, wo die jeweiligen Musiker mit ihren Orchestern gerade Station machten. Dieselben Instrumentalisten wiederum wirken als Unterrichtende an Musikschulen und -universitäten als Multiplikatoren – in der Überzeugung, den Studierenden mit dem Playnick-Equipment aus eigener Kenntnis ein Tool empfehlen zu können, das sie in ihrer Entwicklung weiterbringt. Auf Fachmessen und bei unzähligen Workshops weltweit gelingt es Kückmeier, seinen qualitätsbedingt logischerweise in einem höheren Preissegment angesiedelten Innovationen in einem tendenziell konservativen und beharrlichen Umfeld namhafte Nischen zu erschließen.

AUS DER NISCHE ZUM STANDARD?
Mit Thomann, Europas größtem Onlineanbieter für Musikerbedarf, gewinnt Kückmeier einen starken Vertriebspartner. Schließlich kommt der US-amerikanische Anbieter Silverstein Works, ein Spezialist für Mundstücke, Rohrblätter und Ligaturen, von sich aus auf ihn zu. 2019 wird eine Kooperation vereinbart, allerdings, wie Kückmeier betont, per Handschlag. „Es gibt keinen schriftlichen Vertrag, ich habe auf eine freie Kooperation bestanden. Wenn es funktioniert, super. Wenn nicht, soll man sich jederzeit trennen können.“ Silverstein nehme sich vor allem der wichtigen amerikanischen und asiatischen Absatzgebiete an und vertreibe die steirischen Mundstücke auf seinen angestammten Märkten auch unter dem eigenen Label „Ambipoly“.

Die vergangenen Jahre – der coronabedingte Still-stand, jetzt der Ukrainekrieg mit dem Abschied aus dem bedeutenden russischen Markt – seien für sein Unternehmen wie für die gesamte Aufführungs- und Musikszene alles andere als ein Booster gewesen. Der Musik drohe eine ganze Generation verloren zu gehen. „Und um die Musik geht es mir“, wird Kückmeier fast ein wenig pathetisch. Denn verstumme sie, werde es finster in unserer Gesellschaft. „Ich will“, gibt Kückmeier den Weg vor, „so viele Musikerinnen und Musiker wie möglich an dem Standard teilhaben lassen, den wir mit unseren Entwicklungen geschaffen haben.“ Dafür, deutet er an, könne er sich auch Kooperationen mit Branchengrößen vorstellen, die seine Fortschritte eben noch mit Argusaugen betrachtet hätten.“ Gespräche gebe es bereits. Gut möglich, dass die Playnick-Innovationen bald aus ihrer Nische heraustreten und zum globalen Premiumstandard werden. Und wenn nicht? „Dann machen wir so weiter, klein und fein. Meine Frau, ich, eine Handvoll Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es gibt so viele da draußen, die auf uns zählen.“

Fotos: Oliver Wolf

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