Hat das Warten ein Ende? Tatsächlich rücken die beiden Start-up-Gründer Katharina Feiertag und Armin Dax-Sinkovits mit „Quickticket“ unnötiger Wartezeit in Arztpraxen zu Leibe. Die Nachfrage nach der smarten Warteliste, die bei Patienten, Ärzten und Praxispersonal Stress reduziert, steigt stetig. Damit sicherte sich Quickticket auch den Award-Sieg in der Kategorie „Start-ups“. Die beiden Innovatoren über einen neuen Investor, „heimliche“ Vertriebsmitarbeiter, den Einsatz von KI und was ihr System mit Netflix gemeinsam hat.
Ein sinnierender Nikola Tesla, ein kraftstrotzender Arnold Schwarzenegger, ein marketingbewusster Bill Gates – dazu weitere Ikonen der jüngeren Geschichte wie Hedy Lamarr, Albert Einstein, Marie Curie, Winston Churchill oder Steve Jobs. Die „Wall of Fame“ im Besprechungsraum der Quickticket GmbH am Grazer Glacis könnte kaum hochkarätiger sein. Die Riege der Geistes- und Businessheroen auf den kleinen quadratischen Leinwänden lässt bereits vermuten, was sich kurz darauf im Interview bestätigen wird: Hier wird groß gedacht. Das „Think Big“ eines bodenständigen Business-Duos. „Wir haben Persönlichkeiten ausgewählt, die allesamt enorme Widerstände überwinden mussten, ehe sie ihre Ziele erreichten. Als Start-up-Unternehmen wissen wir, dass es extremen Willen und Beharrlichkeit braucht, wenn man es wirklich schaffen will“, erklären Katharina Feiertag und Armin Dax-Sinkovits unisono. Davon können auch die beiden Quickticket-Gründer bereits ein Lied singen. „Wenn es läuft, ist alles super – aber in den schwierigen Phasen, wenn die Zweifel kommen, braucht es viel Selbstmotivation. Dann ist man gefordert, dran-zubleiben und darf seine Vision nicht aus den Augen verlieren.“
COUCH STATT WARTEZIMMER
Die Vision des Grazer Start-ups? Im Zentrum des Geschäftsmodells steht die Zeit. Und zwar jene Zeit, die uns Menschen am unproduktivsten und frustrierendsten erscheint: die Wartezeit.
Mit Quickticket schufen Feiertag und Dax-Sinkovits eine smarte Warteliste für die Arztpraxis, mit der Patienten ihr (Warte-)Zeitmanagement optimieren und Ordinationen ihre Abläufe verbessern können. Konkret: Patienten lösen online von Zuhause aus ein „Quickticket“ für die Anmeldung beim Arzt, erhalten eine Zeitprognose auf ihr Smartphone und betreten erst dann die Praxis, wenn sie wirklich an der Reihe sind – statt im Wartezimmer Zeit totzuschlagen. „Eine Zeit, die man produktiv nutzen kann, um Erledigungen zu machen, sein Kind in die Schule zu bringen oder länger gemütlich zuhause auf der Couch zu verbringen, wenn man sich unwohl fühlt“, nennt Feiertag praktische Beispiele. „Zudem macht der Einsatz von Künstlicher Intelligenz die Zeitprognose immer genauer“, betont IT-Experte Dax-Sinkovits. Besonderer Clou: Quickticket hat es – als bislang Einziger am Markt – geschafft, Akut- und Terminpatienten in einem System zu verknüpfen. „Das verbessert nicht nur die Zeitprognose, sondern erhöht auch den Nutzen für die Ärzte bzw. Assistenten – diese haben alle Patienten im Blick und dadurch weniger Stress.“ Entlastung für das Praxispersonal ist auch für Katharina Feiertag ein zentraler Benefit von Quickticket. „Wir haben es in der jüngsten Grippewelle wieder gesehen: Ein Ordinationsalltag wird rasch zur Nervenprobe. Permanent läutet das Telefon, ständig fragen Patienten, wann sie drankommen. Unser System hilft Patientenströme zu kanalisieren und reduziert auf diese Weise Stress für das Personal – gerade in Zeiten von Fachkräftemangel ein wichtiger Faktor“, so die Absolventin der Gesundheitsinformatik/ehealth an der FH Joanneum. „Wichtig ist für uns auch, den Service älteren, nicht digital-affinen Patienten zu ermöglichen“, betont sie. Daher stellt Quickticket den Einsatz eines Kiosks vor Ort in den Praxen bereit, der es erlaubt, sich vor Ort anzumelden und eine Warten-listen-Nummer in Papierform zu ziehen. Auch per QR-Code ist eine Anmeldung vor Ort möglich.
Die Quickticket-Gründer Katharina Feiertag und Armin Dax-Sinkovits im Besprechungsraum ihres Altbaubüros in Graz.
QUICKTICKET GMBH Gegründet 2020 von Katharina Feiertag und Armin Dax-Sinkovits sowie Jakov Gushchin Quickticket: Die smarte Warteliste für die Arztpraxis. Patienten ziehen ein digitales Ticket und wissen damit genau, wann sie an der Reihe sind. So werden Wartezeiten vermieden, Stress reduziert und das Personal entlastet. Im Zentrum steht eine KI-optimierte Zeitprognose. Patienten können automatisch per SMS an Termine erinnert und bei Zeitverzögerung informiert werden. Ebenso möglich: Sondierungsfragen, die die Patienten zuordnen (z. B. Untersuchung, Blutabnahme, Rezeptabholung) und den Patientenfluss steuern.
DER HEIMLICHE VERTRIEB
Patienten aller Altersstufen sind es, die derzeit die wichtigste „Vertriebsarbeit“ für Quickticket übernehmen. „Jedes Mal, wenn ein Artikel über uns erscheint, werden wir nicht nur von Ärzten kontaktiert, sondern von Patienten regelrecht mit Anfragen bombardiert. Dabei wollen sie wissen, wo dieses System bereits im Einsatz sei und betonen, es ihrem eigenen Hausarzt ans Herz legen zu wollen. Dadurch sind Patienten ganz wichtig für unsere Verbreitung. Aber auch die Ärzte untereinander sind bestens vernetzt und empfehlen uns weiter“, so Feiertag. Da die Medienpräsenz zuletzt hoch war – rund um Katharina Feiertags Nennung in der Forbes-Liste „30under30“ -, seien auch die Anfragen explodiert. „Es ist unglaublich, was sich gerade tut. Wir sehen jeden Tag neue Ärzte, die sich bei uns registrieren“, bestätigt Feiertag. Ärzte aus Österreich, Deutschland und der Schweiz – vorwiegend praktische Ärzte, aber auch Kinderärzte und Zahnärzte. Überall dort also, wo man Akutpatienten und Terminpatienten koordinieren muss und Wartezeiten entstehen. „Unser erster Kunde war eine Gruppenpraxis in Baden-Württemberg. Zuletzt kamen wir eine Anfrage vom Medical Center am Flughafen Zürich“, freut sich die gebürtige Södingerin. Mehr als 20 Praxen sind bereits Kunden, Tendenz rasch steigend. 20.000 Patienten hatten bis Ende Jänner bereits ein Ticket gelöst. „Das entspricht rund 18.000 Stunden Wartezeit, die diese Menschen für sich produktiv nutzen konnten, statt sie in Wartezimmern zu versitzen“, rechnet Dax-Sinkovits vor.
„Unser Ziel ist rasches Wachstum. Wir wollen uns wie ein Lauffeuer verbreiten und flächendeckend in Österreich und Deutschland bei allen Kassenärzten vertreten sein. Daher sind wir mit unserem Monats-Abo von 49 Euro auch sehr günstig. Damit wollen wir der Standard in der Branche werden – ähnlich wie Netflix in der Unterhaltungsbranche“, so die Unternehmerin, die künftig auch Krankenhäuser und Ambulanzen als Einsatzgebiete für Quickticket sieht. Zur noch rascheren Verbreitung sollen die Hersteller von Arztverwaltungssoftware beitragen. „Quickticket lässt sich ganz einfach an diese bestehenden Systeme anbinden. Nach der Registrierung kann eine Praxis seinen Patienten Quickticket sofort auf der eigenen Homepage zur Verfügung stellen.
Diese brauchen keine App oder dergleichen, sondern ziehen ihr Ticket ganz einfach auf der Website des jeweiligen Arztes“, so Dax-Sinkovits über die Cloud-Lösung. „Dafür sind wir auch mit allen relevanten Arztsoftware-Herstellern in Kontakt bzw. beginnen erste Kooperationen. Diese sind wichtige Multiplikatoren für unseren Vertrieb“, betont er.
Die Web-Software funktioniert als Cloud-Lösung. Ärzte registrieren ihre Praxis bei Quickticket und können die Funktionen – auf Wunsch auch individualisiert – sofort nutzen. Quickticket lässt sich einfach in jedes bestehende Arztinformationssystem integrieren. Zielgruppe: Arztpraxen (vorwiegend Hausärzte, Kinderärzte und Zahnärzte), aber auch Ambulanzen sowie weitere Einrichtungen des Gesundheitswesens Kernmärkte: Österreich, Deutschland und die Schweiz Feiertag (26) ist Absolventin der Gesundheitsinformatik/e-health an der FH Joanneum. Dax-Sinkovits (32) absolvierte die HTL Pinkafeld und ist Gründer der IT-Firma Intucom mit Sitz in Graz. Die Software-Kompetenz im eigenen Haus sichert Quickticket eine rasche und flexible Produktentwicklung. Jakov Gushchin ist Mitinhaber von Quickticket und CEO der StraightUp Consulting, einer Skalierungsagentur für Tech-Unternehmen im Bereich Marketing und Vertrieb. https://quickticket.io
So funktioniert‘s: Quickticket-Nummer auf der Website des Arztes ziehen und schon hat man die Zeitprognose am Smartphone. Analoge Alternative: Quickticket kann auch via Kiosk vor Ort in den Praxen genutzt werden.
NEUER INVESTOR AUS DEUTSCHLAND
Ein regelrechter Boost für die Anwendung könnte nun in Deutschland unmittelbar bevorstehen. Die Gründer stehen knapp vor Abschluss eines Vertrags mit einem deutschen Konzern aus dem Gesundheitswesen, der als strategischer Investor bereit stünde. „Damit bekommen wir Zugang zu Krankenhäusern und Ambulanzen in ganz Deutschland – ein Riesenmarkt!“ Neben der Marktexpansion liegt ein weiterer Schwerpunkt auf der technischen Weiterentwicklung der Software. „Wie arbeiten stetig an Optimierungen des Systems und nutzen dafür das Feedback unserer Kunden, die uns wertvolle Inputs liefern. Unser höchstes Credo ist, den besten Service zu bieten.“
„Zudem haben wir noch viele weitere Ideen“, sprudelt es aus den beiden förmlich heraus. Längst werden neue Anwendungen innerhalb und außerhalb des Gesundheitssystems angedacht. So tüfteln die beiden bereits an einem revolutionären Self-Check-in für Arztpraxen, gleichzeitig werden auch Quickticket-Anwendungen in ganz anderen Branchen überlegt. „Egal, ob Handwerker oder mobile Service-Teams von Energieunternehmen – es gibt unzählige Bereiche, die mit unserer Lösung ihren Kundenservice verbessern könnten“, so Dax-Sinkovits. Branchenfremd war schließlich auch die Ursprungsidee. „Am Beginn unserer Zusammenarbeit stand die Idee, ein Tool zu entwickeln, das die Wartezeit für Bestellungen in der Gastronomie verkürzen sollte. Rasch haben wir uns aber auf das Gesundheitswesen fokussiert – zum Glück“, lacht der gebürtige Südburgenländer. Anfang 2020 ging’s los. Dann kam Corona, dann ging erst mal gar nichts – stattdessen Zweifel und eine Sinnkrise. „Aber letztlich war Corona sogar ein Wendepunkt, weil die Praxen in dieser Zeit immer digitaler wurden – siehe E-Rezept & Co – und zum anderen gesehen haben, wie wichtig es ist, Personal zu entlasten und die Patientenströme im Griff zu haben.“ Gewissermaßen aus der Krise eine Chance. „Nicht entmutigen lassen, trotz Rückschlägen niemals aufgeben – an sich und das Produkt glauben, auch wenn es schwer ist. Nur so kommt man ans Ziel und hat langfristig Erfolg. Das kann ich nur jedem Start-up raten“, lässt Feiertag ihren Blick noch einmal über die „Wall of Fame“ schweifen. Bill Gates, Steve Jobs & Co. lächeln wissend.
Fotos: Oliver Wolf