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Universität Graz fördert Frauen AUF DEM WEG NACH OBEN

Die Universität Graz hat im Vergleich zu den anderen österreichischen Hochschulen die meisten Frauen in Führungspositionen. Geht die Entwicklung so weiter, könnte bis 2030 eine Geschlechterparität erreicht sein. Ein Gespräch mit dem Rektor der Universität Graz, Peter Riedler, und der Vizerektorin Mireille Van Poppel.

Wenn man von Karriere im Wissenschaftsbereich spricht, was hat sich hier verändert? Ist es nicht schon per se ein erreichtes Karriereziel, wenn man in der Wissenschaft tätig ist?
MIREILLE VAN POPPEL: Als ich vor 20 Jahren in der Wissenschaft begonnen habe, war der Karrierebegriff mit der Erreichung einer Professur verbunden. Heute beginnt die Idee der Karriere schon früher. Viele Studierende überlegen schon in der PhD-Phase, wohin ihr Karriereweg sie noch führen könnte.

Mireille Van Poppel
Vizerektorin der Universität Graz

Wie misst man überhaupt Karriere? Zählt hier die Zahl der Publikationen oder wie oft man international zitiert wird?
VAN POPPEL: Was Karriere für die einzelnen Studierenden bedeutet, wird individuell wahrscheinlich sehr unterschiedlich sein. Pauschal würde ich sagen, dass Karriere mit Anerkennung verbunden ist, die man für die geleistete Arbeit erhält. Ja, in vielen Bereichen zählen nur die Publikationen, das wird sich hoffentlich ändern. Es gibt andere Leistungen, die künftig stärker anerkannt werden müssen. Die Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit oder die Arbeit mit Stakeholdern. Das wiederum ist stark mit Netzwerken verbunden.

PETER RIEDLER: Es gibt sie nach wie vor, die objektiv messbare Karriere. Je höher die Hierarchie, desto schwieriger wird es für Frauen. Natürlich ist das von Wissenschaftszweig zu Wissenschaftszweig unterschiedlich. Allgemein gilt aber, dass es wichtig ist Wissenschaftlerinnen in Führungspositionen, das heißt vor allem auch in Professuren zu bringen.

Wie sieht es mit strukturellen Hürden aus, Karriereknick durch das erste Kind etc.?
VAN POPPEL: Zeitlich fällt oft das erste Kind zusammen mit dem Schritt vom PhD Richtung Post-Doc-Stelle. Hier fallen die meisten persönlichen Entscheidungen über die Karrieren.

RIEDLER: An dieser Stelle möchte ich betonen, dass die Universität Graz als familienfreundlicher Betrieb ausgezeichnet wurde, wir haben gute Möglichkeiten, was beispielsweise die Kinderbetreuung betrifft. Wir bieten Rahmenbedingungen, die es organisatorisch ermöglichen, Kind und Karriere vereinbaren zu können – und zwar geschlechtsneutral, was wichtig ist, diese Themen betreffen ja nicht nur Frauen. Unser Wunsch wäre, dass diese Angebote genauso von Männern in Anspruch genommen würden.

Was sind die von Ihnen, Frau Vizerektorin, vorhin erwähnten persönlichen Entscheidungen, die manche Frauen von größeren Karriereschritten abhalten?
VAN POPPEL: Frauen achten stärker auf die Work-Life-Balance als Männer. Auch wenn wir als Universität Graz Vorreiter etwa bei Kinderbetreuungsangeboten sind, so sind es doch die Frauen, die in der Regel mehr der Care-Arbeit in der Familie übernehmen als die Männer. Frauen sind schon aus diesem Grund stärker gezwungen, mehr auf die Work-Life-Balance zu achten.

RIEDLER: Als Mann ist man ja meist konfrontiert mit dem Vorwurf, bis spät nachts mit Netzwerken zuzubringen und so einfach zu Konferenzen weg-zufliegen. So unberechtigt ist das alles nicht. Männer setzen vermutlich andere Lebensprioritäten als Frauen. Es bräuchte hier männliche Role Models, die sich mehr mit der Work-Life-Balance der Familie auseinandersetzen. Ich bin ja halber Finne und muss sagen, dass man das in Nordeuropa selbstverständlicher sieht als bei uns. Da sind wir wieder bei den klassischen gesellschaftlichen Rollen und Bildern, wir als Universität sind ein Teil davon. Für uns stellt sich deshalb die Frage, was wir begleitend tun können, Konferenzformate, die mit dem Familienleben besser vereinbar sind zum Beispiel oder dass Meetings nicht mehr nach 16 Uhr stattfinden.

VAN POPPEL: Ich denke, das ist ein ganz wichtiges Thema: Es braucht männliche Role Models genauso wie weibliche. Das wird meiner Meinung nach unterschätzt. Daher bin ich auch eine Verfechterin der Väterkarenz und ähnlicher Angebote. Das gilt es, positiv zu unterstützen, Männer sollten auch anderen Männern gegenüber Stellung beziehen.

Peter Riedler
Rektor der Universität Graz

Welche spezifischen Förderungen bietet die Universität Graz für Frauen?
VAN POPPEL: Wir hatten zuletzt beispielsweise ein Programm, um Frauen zu empowern und zu ermutigen, Führungsrollen zu übernehmen. Das war recht erfolgreich. Frauen trauen sich mitunter weniger zu als Männer. Während ein Mann schnell sagt: Ich mache das!, zweifelt eine Frau stärker daran, ob sie wohl ausreichend über die geforderten Skills verfügt. Unser Führungskräfteprogramm hat genau hier angesetzt: Vertrauen zu schaffen, zu empowern, um letzten Endes sagen zu können: Ich schaffe das. Der logische nächste Schritt kann durchaus ein Karrieresprung sein. Mehr Frauen in Führungspositionen bedeutet auch mehr Role Models für andere Frauen. Wenn es zur Norm wird, dass Männer und Frauen gleichermaßen Führungstätigkeiten übernehmen, nimmt das den nachkommenden Generationen die Angst und vor allem Hürden.

RIEDLER: Wir haben auch andere Lehrveranstaltungen, etwa für Entrepreneurship, wo erfolgreiche Frauen in Seminaren mit weiblichen Studierenden ins Gespräch kommen. Die Studierenden sind überwiegend beeindruckt von der Vorbildwirkung der Unternehmerinnen, das bekommen wir zumindest rückgemeldet. Als Uni Graz bekennen wir uns zu spezifischen Förderungen und Unterstützungen für Frauen. Das beginnt beim Zuspruch, sich auf höhere Posten zu bewerben, aber auch die Netzwerkfrage spielt hier eine große Rolle. So lange Frauen in Führungspositionen in der Minderheit sind, sind auch ihre Netzwerke schlechter ausgeprägt. Durch Förderung lässt sich ein fairer Wettbewerb schaffen, wobei sich am Ende des Tages die am besten qualifizierten Personen durchsetzen werden, egal ob Mann oder Frau.

VAN POPPEL: Die Universität Graz hat österreichweit die höchste Zahl an Frauen in Professuren, darauf dürfen wir stolz sein. Das zeigt aber auch, dass die Förderprogramme erfolgreich waren. Geht die Entwicklung weiter, werden wir wahrscheinlich bis 2030 auf 50 Prozent kommen. Der Frauenanteil beim wissenschaftlichen Personal liegt bei 48 Prozent und im allgemeinen Personal bei 62 %, basierend auf Vollzeitäquivalenten. Unter den Studierenden beträgt der Frauenanteil 62 Prozent.

Was würde es der Gesellschaft bringen, wenn durchwegs eine ausgewogene Geschlechterteilung gegeben wäre?
VAN POPPEL: Ich bin in verschiedenen Gremien tätig und kann sagen: Es sind nicht nur Frauen, die stärker einbezogen gehörten. Es benötigt einfach eine Vielfalt oder Diversität von Menschen, damit Prozesse kreativ werden. Ich glaube, deswegen ist eine Mischung in Bezug auf Gender, Herkunft, Gruppe enorm wichtig. Nur so bekommt man alle unterschiedlichen Perspektiven auf den Tisch und damit auch ein besseres wie schöneres Ergebnis.

RIEDLER: Wir bekennen uns dazu, entsprechend faire und gleiche Rahmenbedingungen zu schaffen, die mehr Gleichberechtigung fördern und Frauen ermutigen, sich auf höhere Positionen zu bewerben und sich dort zu engagieren. Da sehen wir schon eine gewisse federführende Rolle im Sinne unseres gesellschaftlichen Auftrags. Und letztlich sollte Gleichstellung eine Selbstverständlichkeit sein. So lange das nicht erreicht ist, sind unterstützende Maßnahmen absolut legitim und wichtig.

Fotos: Thomas Luef, Manuel Schaffernak

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