Spirit of Styria

Wie krisenfest sind unsere START-UPS?

Poly-Krise, Verunsicherung, Kapitalnot: Wie gut können sich steirische Start-ups angesichts aktueller Krisenerscheinungen behaupten? Wie verändern sich die Erwartungen der Investoren? Und wie gerüstet ist der Start-up-Standort Steiermark? Fragen, die wir mit Protagonisten und Kennern der heimischen Start-up-Szene am Roundtable unserer Redaktion diskutierten.

Angeregte Diskussion über die Zukunft heimischer Start-ups in den Räumlichkeiten von
„SPIRIT of Styria“ mit Herausgeber Siegmund Birnstingl und CR Wolfgang Schober
TALK AM RING 
ist ein Diskussionsformat
von SPIRIT of Styria. Jeden Monat laden
wir Expertinnen und Experten zur Diskussion über ein spannendes Wirtschaftsthema an den Runden Tisch in die Redaktion am Grazer Opernring. 

Europa im Krisenmodus: Wie gut können sich steirische Start-ups behaupten?
LUDWIG: Krisenzeiten sind Gründerzeiten. Derzeit spüren wir in der SFG einen verstärkten Drang hin zu Unternehmensgründungen. Wir sehen aber, dass Start-ups – bedingt durch die hohen Zinsen – auf eine gewisse Zurückhaltung bei Investoren stoßen. Umso mehr versuchen wir, in dieser schwierigen Phase mit unseren Instrumentarien im Förderungs- und Finanzierungsbereich zu unterstützen. Allein im Vorjahr haben wir uns an 14 Unternehmen beteiligt – als stille Beteiligung oder mit Venture Capital. In guten Zeiten dienen diese Instrumente dazu, um ein gewisses Marktversagen im Bereich Venture Capital auszugleichen – in der derzeitigen Phase sind es tatsächlich auch Krisen am Markt, die die Nachfrage spürbar steigen lassen. Bei Finanzierungen ist es immer unser Ansatz, Kapital privater Investoren anzureizen. Wir präferieren den Einstieg gemeinsam mit einem privaten Partner – und ziehen uns wieder zurück, wenn wir nicht mehr gebraucht werden.

ZENKER: Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Zeiten der Krise mit ihren großen gesellschaftlichen Herausforderungen auch ein riesiger Motor für Innovation sind. Wenn sich viele kluge Köpfe damit beschäftigen, wie wir die großen Probleme lösen können, belebt das die Gründerszene. In unserer Beteiligungsgesellschaft denken und agieren wir generationsübergreifend – das macht unsere Kernwerte aus. Wenn wir in ein Unternehmen bzw. in ein Gründerteam investieren, dann achten wir darauf, ob das Geschäftsmodell auch für unsere Kinder bzw. für die nachfolgenden Generationen gut und wichtig ist. Die Werte stehen für uns an erster Stelle – genauso wie die handelnden Personen im Team. Welchen Beitrag wollen diese für einen gesellschaftlichen Wandel leisten und welchen Beitrag können wir für das Unternehmen leisten.

DIE TEILNEHMER:INNEN

Dagmar Eigner-Stengg
Leiterin GründerCenter
Steiermärkische Sparkasse

Christoph Ludwig
Geschäftsführer Steirische
Wirtschaftsförderung SFG

Maximilian Seidel
Gründer und Geschäftsführer
Situlus Holding, Beteiligungsgesellschaft
mit einem Portfolio von rund 10 Start-ups (z.B.
SanSirro, NECharge, teamazing)

Bernhard Weber
Geschäftsführer „UNICORN
Start-up & Innovation Hub“
der Universität Graz

Kathrin Zenker
Gründerin und Gesellschafterin
ZEN11 Holding, Beteiligungsgesellschaft
mit einem Portfolio von rund 20 Start-ups (z.B.
SmaXtec, Probando, Busfinder)

WEBER: Was wir derzeit erleben, ist meiner Ansicht nach das Erwachsenwerden der Start-up-Szene. Ein Prozess, der durch die Krise beschleunigt wird. Bis vor Kurzem schien es ja teilweise so, dass man ein Start-up gründet, weil es cool ist und einem Lifestyle entspricht – diese Haltung wird spürbar weniger. Gleichzeitig braucht ein Standort eine breite Basis an unternehmerisch agierenden jungen Menschen. Zum Glück verzeichnen wir bei uns auf den Universitäten steigende Zahlen. Dabei sind wir aber immer noch am Anfang der Entwicklung. Was Spin-off-Gründungen betrifft, ist noch viel Luft nach oben. Entscheidend ist für uns, beim ersten Schritt zu unterstützen. Denn wenn eine Forscherin oder ein Forscher überall hört, dass die Finanzierung so schwie rig ist, warum sollte er oder sie dann seine Laufbahn aufgeben, um ein risikoreiches Unterfangen zu starten? Daher sind öffentliche Finanzierungsmöglichkeiten ganz elementar. Im Spin-off-Bereich hat die SFG gerade ein neues Programm aufgelegt, das uns hier sehr helfen wird. Damit nimmt man den Forschenden Druck und Risiko. Denn ein Spin-off ist ein Fulltime-Job und nichts, das man am Abend zwischen 22:00 und 23:00 Uhr nebenher macht, wenn die Kinder schon schlafen.

LUDWIG: In der SFG haben wir uns entschieden, mit diesem neuen Spin-off-Programm ein weiteres Instrumentarium aus der Taufe zu heben, um aus der traditionell hohen steirischen F&E-Quote einen noch höheren Output zu erzielen – und damit Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu generieren. Ein entscheidender Weg dazu führt über Spin-offs. Damit wollen wir Forschende an Uni-Instituten oder Forschungszentren dabei unterstützen, aus einer Idee ein Produkt bzw. ein Unternehmen zu formen. Ich bin sicher, wir bieten damit ein sehr umfangreiches und praxistaugliches Programm – als Förderpartner finanzieren wir hier den gesamten Prozess der Unternehmenswerdung inklusive der Nutzung der Labore, der Büroinfrastruktur bzw. des Equipments an den Uni-Instituten. Ein spannendes Förderungsprogramm, mit dem wir gründungswilligen Forscherinnen und Forschern ein tolles Sicherheitsnetz bieten und durch das wir uns substanzielle neue Start-ups erhoffen.

Haben die Herausforderungen zugenommen?
ZENKER: Mit Sicherheit. Umso mehr braucht es eine starke Besinnung auf das Wesentliche. Manchmal muss man dabei einen Schritt zurückgehen, um dann wieder Schwung zu holen. Dieses Reduzieren kann eine Stärke sein, wo man sich im Kernteam neu formiert und noch einmal neue Energie und Willenskraft aufbringt, um die Vision voranzutreiben. Dann braucht es den berühmten „langen Atem“ – nicht nur finanziell, sondern auch von der Motivation und Ausdauer her. In Zeiten der Krise wird man auf den Prüfstand gestellt und muss seine Resilienz beweisen.

WEBER: Die Wahrnehmung vieler Gründer ist derzeit, dass sich alles länger hinauszieht. Das Fundraising dauert jetzt im Schnitt etwa drei Monate länger. Auch die Zahl der notwendigen Kontakte, die ein Team benötigt, um eine Finanzierungsrunde zu bekommen, hat sich deutlich erhöht. Das Umfeld ist härter geworden – im Vergleich zu den überhitzten Phasen in der Vergangenheit, wo Bitpanda und Co. scheinbar spielend Millionen abgeholt haben. Zumindest ist das das Feedback aus meiner engeren Umgebung. Und drei Monate länger auf Geld warten zu müssen – das kann rasch existenzbedrohend sein. Da kumulieren sich dann rasch die Probleme, die man überbrücken muss. Insgesamt mehr Start-up-Spirit in die akademische Welt zu bringen, ist unser Kerngeschäft. Wir haben das Glück, dass dieses Ziel bei uns vom Rektorat unterstützt wird – daher wollen wir künftig mehr unternehmerische Ausgründungen schaffen. Bei rund 3.500 Forscherinnen und Forschern einer Allgemein-Uni sollten im Jahr schon drei, vier Spin-off-Projekte möglich sein. Das muss das Ziel sein. Aber wie gesagt: Wenn man in der Früh eine Zeitung aufschlägt und nur von Krisen liest, dann fragen sich Forschende vielleicht, ob man die Laufbahnstelle am Institut wirklich aufgeben soll. Hier sind wir in der Verantwortung, Mut zu machen, ohne jemanden mutwillig in etwas hineinzustoßen. Am Ende muss die Person immer selbst entscheiden. Die Leidenschaft sollte schon brennen, sonst tut man sich auch als Mentor schwer. Unser Support ist jedenfalls abrufbar.

EIGNER-STENGG: Ich schließe mich an: Krisenzeiten sind Gründungszeiten. Wir verzeichnen auch gerade eine große Anzahl an Anfragen. Wir haben immer mehr Start-ups im Bereich Nachhaltigkeit – also z.B. Energie-Start-ups, die einen Beitrag leisten wollen, um die Klima- und Energiekrise zu bewältigen. Sie entwickeln zum Beispiel Lösungen für Batterien, Ladesysteme oder Windanlagen. Was uns natürlich freut, weil wir als Finanzinstitut immer stärker auf nachhaltige Finanzierungen achten bzw. auch achten müssen. Wir sehen uns im GründerCenter auch als kritischer Feedbackgeber für die Gründerinnen und Gründer – diese kommen mit ihren Ideen zu uns und wir analysieren diese gemeinsam und bringen unsere Erfahrungen und Vorschläge ein. Gerade bei Start-ups sind wir in der ersten Startphase weniger Finanzierungspartner, sondern bieten eine Plattform, durch die wir die Gründer mit den verschiedenen Playern, wie z.B. der SFG oder anderen Investoren, vernetzen können.

Eine etwaige Bank-Finanzierung erfolgt erst zu einem späteren Zeitpunkt?
EIGNER-STENGG: Als Bank sind wir mit einer Finanzierung erst bei einem Markteintritt zur Stelle bzw. wenn es bereits einen Investor oder eine AWS-Finanzierung gibt. Dennoch ist es auch zu Beginn ratsam, auf uns zuzukommen, weil wir ein umfassendes Service anbieten und ein sehr großes Netzwerk haben. Das hat sich mittlerweile auch in der Start-up-Szene herumgesprochen – die Gründerinnen und Gründer kommen zu uns, weil sie unser wertvolles Feedback und unsere Inputs schätzen. Es ist unser Anliegen, neue Projekte zu unterstützen und möglichst viele Start-ups bei uns in der Steiermark zu begleiten

Wie schätzen Sie die Lage ein, Herr Seidel?
SEIDEL: Ich fürchte, ich bin hier der Stimmungskiller. Ich sage offen: Wir leben in sehr herausfordernden Zeiten. Und das gilt nicht nur für die Startup-Welt, sondern für jedes Unternehmen. Insofern leben wir auch in einer Zeit des neuen Realismus. Tatsächlich war es vor zwei Jahren noch hipp und fancy, in ein Start-up zu investieren. Da hat man fast gemeint, ein Start-up wäre ein eigenes Produkt und das Start-up selbst schon die Innovation. Ich glaube, mittlerweile hat man erkannt, dass ein Start-up auch nichts anderes ist als ein normales Unternehmen mit Organisationsstrukturen, Produkten und Märkten, die funktionieren müssen. Und diese Märkte befinden sich derzeit in einem brutalen, herausfordernden Umfeld. Was mir am meisten Sorgen bereitet, ist, dass im Gegensatz zu früher, als es Konjunkturzyklen gab, die typischerweise kamen und gingen, wir jetzt eine Krise haben, die meiner Ansicht nach politisch gewollt ist. Die Inflation kommt nicht von irgendwo, sondern sie ist erzeugt worden. Die Zinsen sind und bleiben auf einem hohen Niveau. Die Amerikaner sagen „America first“ und die Russen machen sich mit den Chinesen gemein, während die Europäer irgendwo in der Mitte übrig bleiben. Durch den ausgeprägten Föderalismus in Europa tun wir uns mangels geeinter Stimme politisch und wirtschaftlich schwer, uns vor diesem Hintergrund zu behaupten. Daher bin ich sehr zurückhaltend, was die Zukunft betrifft, und sehe nicht, wie wir zeitnah gestärkt aus dieser Situation hervorgehen werden.

Innovationen werden dennoch weiter maßgeblich sein?
SEIDEL: Innovation ist die Daseinsberechtigung für uns in Europa. Ich bin auch überzeugt davon, dass sich die innovativsten und besten Unternehmen durchsetzen werden. Aber das wird ein schwindend kleiner Teil sein im Vergleich zu früher. Der Anteil von Start-ups, die aus dieser Krise hervorgehen werden, wird kleiner werden. Hier wird sich tatsächlich die Spreu vom Weizen trennen. Politik und Wirtschaft sind untrennbar miteinander verbunden. Daher tun wir uns keinen Gefallen, wenn wir bloß in einer Start-up-Bubble diskutieren und so tun, als gäbe es die externen Einflussfaktoren nicht. Grundsätzlich bin ich ein sehr positiver Mensch und versuche im Rahmen meiner Möglichkeiten, Dinge voranzubringen und zu gestalten. Aber derzeit erlebe ich viel negative Stimmung. Die Menschen haben Angst und das wirkt sich auf das Investitionsklima aus.

LUDWIG: Ich kann verstehen, dass es im Moment schwer ist, allzu optimistisch zu sein. Dennoch gibt es auch viele positive Dinge, die wir sehen müssen. Unser Wirtschaftsminister, ein Ökonom und sehr intelligenter Mensch, hat unlängst bei einem Treffen gemeint: „Die Stimmung ist schlechter als die Zahlen in den Wirtschaftsdaten.“ Und ich denke, damit hat er nicht ganz unrecht. Klar, die Zinsen sind hoch, aber sie sinken – die Zinswende ist bereits eingeläutet. Auch die Inflation geht immer weiter zurück. Die Maßnahmen der EU zur Dämpfung von Konsum und Investition sind immer weniger notwendig. Die heimische Politik setzt Anreize – ob Investitionsbonus, Wohnbaupaket oder Handwerkerbonus. Auch wir als SFG haben Mittel des Landes für eine eigene kleine Bauoffensive bereitgestellt. Wir haben derzeit mehrere interessante Betriebsansiedlungsprojekte am Tisch, wo die Steiermark mitpitcht und gut im Rennen liegt. Viele Projekte, die an die SFG herangetragen werden, werden erst in ein oder zwei Jahren wirksam, aber sie zeichnen sich bereits ab. Es werden derzeit Milliarden Investitionen in Betriebe in der Steiermark getätigt, weitere Milliarden sind in der Pipeline – siehe die jüngste Ankündigung von ams-OSRAM, knapp 600 Millionen am Standort Premstätten zu investieren. Daher ersuche ich bei all den negativen Entwicklungen, von denen wir jeden Tag in den Medien lesen, auch daran zu denken, dass es auch positive Dinge gibt und dass es wieder aufwärts geht.

WEBER: Eine wesentliche Aufgabe der Politik sehe ich neben der Gesetzgebung in der Kommunikation. Politik muss ehrlich und authentisch kommunizieren, aber grundsätzlich positiv und motivierend – diese Verantwortung der Politik ist nicht zu unterschätzen. Daher würde ich mir von der Politik insgesamt mehr Mut und mehr Optimismus wünschen.

Ist die Unterstützung der Politik für Start-ups ausreichend?
WEBER: Eine wichtige Gesetzesänderung für Startups gelang – nach langer Forderung – zuletzt mit der Einführung der neuen flexiblen Kapitalgesellschaft FlexKapG und der Mitarbeiterbeteiligung. Jetzt müssen wir schauen, was wir daraus machen und das Werkzeug auch nutzen. Darüber hinaus braucht es weitere Maßnahmen, die politisch geregelt werden könnten – etwa Steuerincentives für Beteiligungen und Ähnliches. Damit könnte man sicher etwas bewegen. Der politische Rahmen ist extrem wichtig. Wir können im Operativen tun, was wir wollen – wenn das Big Picture nicht passt, tun wir uns schwer.

LUDWIG: Ich bin sicher, dass die FlexKapG einen Mehrwert mit sich bringt – wie mir Gespräche mit Steuerberatern und Anwälten bestätigen. Es gibt kaum Nachteile zur GmbH, aber durchaus Vorteile. Ich denke, dass in der Zukunft kaum noch jemand eine GmbH gründen wird, sondern es wird in Richtung FlexKapG gehen. Generell könnte die Gesetzgebung für Start-ups sicher noch mehr leisten. Dazu haben wir auch unsere Forderungen in der „Startupmark“ formuliert. Entscheidend ist, dass es jetzt in die Parteiprogramme kommt – und danach in die Koalitionsvereinbarungen.

Wie gut sind die Rahmenbedingungen für Start-ups in der Steiermark?
SEIDEL: Generell sehe ich die Steiermark sehr gut aufgestellt. Ich möchte betonen, dass das Land Steiermark bzw. die SFG für uns und die Start-up-Szene sehr viel Positives geleistet hat – und nach wie vor leistet. Die Steiermark ist eines der innovativsten, wenn nicht das innovativste Bundesland Österreichs. Das gibt uns die Möglichkeit, Sichtbarkeit zu erzeugen. Ein großes Ziel von mir seit Jahren ist es, verstärkt internationale Kapitalgeber anzusprechen und damit gerade jene, die derzeit noch investitionsfreudiger sind, in die Steiermark zu holen – etwa Kapitalgeber aus den USA, die eine Krise, wie wir sie haben, derzeit nicht kennen. Diese hätten die Chance, zum aktuellen Zeitpunkt relativ billig einzusteigen.

ZENKER: Die Steiermark ist ein Bundesland, das Start-ups versteht – sowie auch das gesamte Umfeld, das Innovations-Ökosystem mit seinen Hochschulen, Inkubatoren und Zentren wie dem Unicorn, dem Science Park Graz, dem Social Business Hub etc. Auch die steirischen Cluster gehören dazu. Daher ist die Steiermark definitiv ein Vorreiter, nicht nur in Österreich. Wichtig ist jetzt die Vernetzung zu anderen Standorten und Start-up-Hotspots in Europa wie München oder Berlin. An einem Strang zu ziehen, ist der richtige Weg für Europa, statt innerhalb der EU zu viel im Alleingang zu versuchen. Wir müssen uns in Europa gemeinsam als Start-up-Hub positionieren – als Alternative zu China und Amerika.

LUDWIG: Die Steiermark ist das innovativste Bundesland in Österreich – mit großem Abstand zu Oberösterreich und Wien. Wir ziehen damit auch die österreichische F&E-Quote hinauf – wodurch Österreich eines der innovativsten Länder der EU ist. Wir sind in den vergangenen Jahren immer Top 3 gewesen. Als Land Steiermark wollen an die erste Position. Wir pflegen traditionell eine sehr gute Kooperationskultur zwischen den Betrieben, den Forschungs- und Ausbildungszentren und den Universitäten. Zentraler Faktor sind auch die Kompetenzzentren. Nicht weniger als 60 % aller COMET-Zentren Österreichs haben ihren Sitz in der Steiermark. 1.500 Forscherinnen und Forscher arbeiten hierzulande in diesen Zentren. Zudem beherbergen wir Einrichtungen wie JOANNEUM RESEARCH und die Silicon Austria Labs, das drittgrößte außeruniversitäre Forschungszentrum Österreichs, an dem die SFG auch beteiligt ist. Dort arbeiten mittlerweile 350 Forscherinnen und Forscher, künftig sollen es 600 sein. Damit werden wir im Bereich Mikroelektronik europaweit zum sichtbaren Leuchtturm – als eine von drei Top-Regionen Europas. Daher sehe ich unser Innovations-Ökosystem hervorragend aufgestellt – mit der Initiative „Startupmark“ sind wir dabei, die Aktivitäten im Bereich Start-ups noch besser zu bündeln und die Position der Steiermark für Gründerinnen und Gründer weiter zu verbessern.

Wie lange finanzieren Investoren ein Start-up? Wie lange reicht der „lange Atem“?
SEIDEL: Man bleibt so lange engagiert, so lange man daran glaubt, dass das Unternehmen erfolgreich bleibt oder wird. Entscheidend ist der Glaube an eine Idee oder an ein Team und gerade in Zeiten, wo die schlechten Rahmenbedingungen dafür verantwortlich sind, dass sich Businesspläne verzögern, ist man eher bereit, weiter zu finanzieren – sofern alles plausibel und erklärbar ist. Wenn man aber zu dem Punkt kommt, dass man zwar alles probiert hat, aber am Ende einsehen muss, dass der Markt das Produkt einfach nicht annimmt, wird man die Konsequenzen ziehen. Niemand finanziert etwas, nur um es am Leben zu halten. Dann versucht man eine Lösung zu finden. Vielleicht braucht es die Integration in ein größeres Unternehmen. Nicht weiter finanzieren heißt ja nicht automatisch, zusperren zu müssen.

ZENKER: Wir investieren in erster Linie in die Gründerteams. Manchmal merkt man, dass man an seine Grenzen stößt. Dann geht es darum, wie schnell das Team reagieren kann, wie agil es ist, wie schnell es sich auf verändernde Märkte und auf Krisen einstellt. Findet es die passenden Lösungen? Dabei trennt sich für uns dann die Spreu vom Weizen. Und dann investieren wir auch weiter, wenn wir an das Gründerteam glauben und überzeugt sind, dass sie es schaffen können. Dabei leisten auch wir unseren Beitrag und unterstützen falls nötig mit ergänzen den Kompetenzen. Vielleicht braucht es einen zusätzlichen Manager, der bestimmte Bereiche vorantreibt. Die Frage lautet: Wie kann man gemeinsam das Beste für das Unternehmen erreichen?

EIGNER-STENGG: Wir begleiten Gründerinnen und Gründer eher in einer frühen Phase des Unternehmertums und merken dabei, dass Investoren und Geldgeber gerade jetzt in diesen Krisenzeiten durchaus bereit sind, finanzielle Mittel nachzuschießen. Aber wie bereits erwähnt wurde, müssen auch Investoren an die Geschäftsidee glauben. Ansonsten ergeben sich weitere Möglichkeiten, zum Beispiel zusätzliche Investoren an Bord zu holen oder die Eingliederung in andere Unternehmen vorzunehmen.

Wie groß ist die Bereitschaft für neue Investments derzeit?
SEIDEL: Das herausfordernde Umfeld trifft mein Portfolio natürlich genauso, daher konzentriere ich mich derzeit voll auf meine bestehenden Beteiligungen – und bin nicht auf der Suche nach neuen Investments.

ZENKER: Wir sind weiterhin offen und prüfen, wenn wir etwas spannend finden. Ein Start-up braucht heute mehr denn je ein Geschäftsmodell, das sehr durchdacht und überzeugend ist. Selektiv waren wir aber immer schon. Wir steigen erst in einer Phase ein, wo die Marktfähigkeit schon erwiesen ist und erste Umsätze erzielt werden – und investieren dann ins Wachstum.

Welche Technologiefelder sind derzeit besonders spannend?
ZENKER: Am besten fangen Gründer bei einem Problem an, das sie selbst am meisten stört. Denn wenn man ein Problem für sich und die Gesellschaft lösen möchte, ist die Motivation dahinter besonders groß. Einen Sinn in seinem Tun zu sehen, ist sicher der stärkste Treiber.

EIGNER-STENGG: Aus diesem Grund gibt es derzeit auch so viele Unternehmen, die im Bereich Nachhaltigkeit gründen, weil sie dort Sinn sehen und alles daransetzen, Lösungen zu finden. Viele beschäftigen sich jetzt auch mit Künstlicher Intelligenz. Meiner Einschätzung nach werden nur ganz wenige damit den Durchbruch schaffen, dennoch bin ich davon überzeugt, dass KI viel verändern wird. Die Start-ups, die hier am Puls der Zeit sind, werden eine aussichtsreiche Zukunft haben.

SEIDEL: Ob es uns freut oder nicht – aus meinen Erfahrungen sehe ich noch einen anderen großen Trend: Ich bin sicher, dass künftig vermehrt Ideen und Innovationen im Bereich „Dual Use“ nachgefragt werden. Früher war alles, was militärischen Bezug hatte, so ein bisschen in der Schmuddelkiste. Heute ist es Bestandteil der neuen Realität. Jüngst hatte ich einen Call mit Investoren aus Skandinavien. Die leben sehr nah an der russischen Grenze und machen sich über Sicherheit große Gedanken – ob im Bereich Defense, Datensicherheit oder Drohnentechnologie. Bedauerlicherweise leben wir in Zeiten, in denen diese Themen sehr stark nachgefragt werden und wo sehr viel Geld hinwandern wird. Davor werden wir uns nicht verschließen können. Der Markt wird sich in diese Richtung entwickeln.

Ihr abschließender Wunsch?
WEBER: Ein Aspekt, der mit sehr am Herzen liegt, betrifft das Thema „Female Founder“. Leider mussten wir beim Gründerinnen-Anteil zuletzt einen Rückgang verzeichnen. Damit lassen wir einen großen Teil der Gesellschaft mit viel Power und viel Umsetzungskraft ungenützt – das ist in vielfacher Hinsicht schade. Wir haben auf der Uni rund 60 Prozent weibliche Studierende, aber der Anteil der Gründerinnen liegt nur bei etwa 15 Prozent – das müssen wir ändern, indem wir Frauen motivieren, unterstützen und die notwendigen Rahmenbedingungen, z. B. in der Kinderbetreuung, schaffen.

EIGNER-STENGG: Das liegt wohl auch in der Natur der Sache, weil viele Start-ups im Technologiebe reich angesiedelt sind, in dem immer noch zu wenige Frauen tätig sind. Die Frauenquote in technologischen Studien ist relativ gering. Das heißt, hier müssten wir wohl früher ansetzen, indem wir Mädchen und junge Frauen für MINT-Fächer bzw. technische Fächer begeistern.

ZENKER: In der Steiermark sind wir bei technischen Innovationen sehr stark. Darüber hinaus, glaube ich, dass wir auch gesellschaftlichen Innovationen, mit denen sich gerade Frauen stark beschäftigen, mehr Augenmerk schenken sollten. Auch in diesem Bereich könnten wir die Steiermark zu einem Vorreiter machen. Personen, die in diesem Bereich gründen, sollten daher ebenso unterstützt werden wie Hightech-Firmen. Wenn wir diesen Bereich fördern, dann fördern wir gleichzeitig auch die Gründungsbereitschaft von Frauen generell. Abschließend – für mich noch ein entscheidender Punkt in der Steiermark ist der ausgeprägte Geist der Kooperation. Wir schätzen die Vernetzung in der Steiermark sehr, mit allen unseren Partnern, ob SFG, Co-Investoren, Beratern oder weiteren. Durch dieses Zusammenspiel entsteht eine gemeinsame Vision für die Region und darüber hinaus.

EIGNER-STENGG: Das GründerCenter gibt es nun bereits seit 2001. Vor dieser Zeit waren Banken gegenüber Gründern und Start-ups eher zurückhaltend. Wir haben uns damals bewusst dafür entschieden, dass wir Unternehmensgründerinnen und
-gründer bei ihren ersten Schritten in die Selbstständigkeit unterstützen wollen, da diese gerade in dieser Phase Know-how und Betreuung brauchen. Wir nehmen uns wirklich Zeit für diese Menschen und freuen uns, wenn sie später zu erfolgreichen Firmenkunden reifen. Wir haben auch ein umfassendes Förderservice im Angebot, wo wir zu Förderungen von SFG, AWS, FFG oder der Kommunalkredit beraten. Aber wir unterstützen im GründerCenter nicht nur Start-ups, sondern auch viele kleine Gewerbebetriebe und Dienstleistungsbetriebe – ob Friseure, Tischler oder IT-Firmen. Diese brauchen genauso einen Partner für ihre finanziellen Angelegenheiten. Es ist schön zu sehen, wenn sich Menschen dafür entscheiden, sich selbstständig zu machen und damit selbst ihren Arbeitsplatz schaffen – und später hoffentlich eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufnehmen. Das ist ein wichtiger Teil der Gesellschaft. Daher wünsche ich mir weiterhin viel positiven Gründergeist.

Fotos: Oliver Wolf, iStock

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