Vom Wunsch zur Wirklichkeit: Knapp 40 Prozent der CO2-Emissionen entfallen auf den Bau und Betrieb von Gebäuden. Um die Klimawende zu schaffen, braucht es daher dringend Lösungen, die über den Einsatz des Öko-Baustoff Holz hinausgehen. Forscher, Experten und Vertreter der Baustoffindustrie präsentieren in „SPIRIT of Styria“ Innovationen und teils radikal neue Ansätze, damit die gebaute Zukunft nachhaltig stattfinden kann. Betongraue Theorie oder echte Klimachance?
Surrend fährt der Arm von einer Seite auf die andere – und wieder retour – und drückt dabei unablässig eine Endlos-Schnur weicher Masse aus der Düse. Schicht für Schicht wächst das gerillte Gebilde im Roboter Design Labor der TU Graz zum fertigen Objekt heran – sofort einsatzbereit für die Baustelle. Soeben entstand in weniger als 10 Minuten ein Bauteil aus einem 3D-Betondrucker. „Das Objekt entspricht allen gängigen Normen und Richtlinien und kann ohne Bedenken im Hochbau eingesetzt werden“, erklärt Andreas Trummer, Professor am Institut für Tragwerksentwurf der TU Graz, der gemeinsam mit einem Team aus Architekten und Bauingenieuren sowie dem Baustoffunternehmen Baumit am zukunftsträchtigen Thema „3D-Druck mit Beton“ forscht. „Damit können wir erstmals seit fast 150 Jahren Betonbaugeschichte ohne Schalung, also ohne Gussformen, Betonbauteile herstellen und auch dünnwandige, filigrane Elemente in neuen, statisch tragfähigen Geometrien drucken.“
Ein Verfahren mit einem unschlagbaren Nutzen: Es spart massiv Material ein. „Während Forscherkollegen in anderen Teilen der Welt, vor allem in Dänemark und Deutschland, sich mit dieser Technologie auf das Drucken von Hauswänden konzentrieren, forschen wir schwerpunktmäßig im Bereich der Deckenkonstruktion“, so Trummer. Aus einem logischen Grund. „In Österreich werden jedes Jahr nicht weniger als fünf Millionen Quadratmeter Geschoßdecke betoniert, das entspricht 70 % des im Hochbau verwendeten Betons. Hier liegt also der größte Hebel, um den maximalen Impact in kürzester Zeit erzielen.“ Zum Verständnis: „Die Massivität einer Betondecke hat in der Regel keine statischen, sondern prozessbedingte Gründe. Das relativ kostengünstige Material verleitet zu einem verschwenderischen Umgang mit Ressourcen“, so Trummer, dessen Team sich zu diesem Zweck Anleihen an Rippendecken-Konstruktionen der 70er Jahre – der Zeit der Energiekrise – nahm. „Dabei wird das Material nur dort eingesetzt, wo es statisch wirklich notwendig ist.“ Auch der 3D-Druck folgt diesem Prinzip. 3D-gedruckte Betonboxen werden in diesem System in konventionelle Decken integriert – mit erheblichen Effizienzpotenzial. „Damit können wir rund 30 % Material einsparen – durch das geringere Gewicht sowie den geringeren Bedarf an Bewehrungsstahl sind es in CO2-Äquivalenten sogar bis zu 35 %.“
Leichter Bauen mit Beton: Andreas Trummer
vom Institut für Tragwerksentwurf der
TU Graz mit Bauteilen aus dem Beton-3D-Drucker, der Material und
CO2 spart
Längst geht die F&E-Arbeit des Teams über beton-graue Theorie hinaus. Eine Reihe von Best-Practice-Projekten beweist die Praxistauglichkeit der Innovation. „Schließlich wollen wir die Technologie nicht nur im Labor erforschen, sondern diese in erprobte Bauprozesse integrieren“, betont Trummer. Nach einem Demonstratorenprojekt an der TU Graz sowie der Errichtung eines Atelierdachs für das Schloss Seehof in Lunz sammelte das Team auch bereits Erfahrung unter ganz realen Baustellenbedingungen: Bei einer Decke einer Tiefgaragenabfahrt für eine Wohnsiedlung im bayerischen Nördlingen kamen die vorgefertigten Beton-Leichtbauelemente zum Einsatz. „Das Projekt wurde in Kooperation mit einem örtlichen Bauunternehmen in nur wenigen Wochen fertiggestellt. Die Fertigung der gedruckten Betonteile lag hier erstmals direkt bei der ausführenden Firma. Wir kümmerten uns um Planung, Entwurf und die Projektbegleitung“, so Trummer, der derzeit mit seinem Team ein vergleichbares Bauprojekt in Vorarlberg berät – dort werden 600 m2 Dachfläche errichtet. „Dafür werden 650 Aussparungskörper vor Ort gedruckt und eingesetzt. Die Logistik ist eine große Herausforderung, die einzelnen Teile müssen möglichst effizient – einem Puzzle gleich – am jeweils richtigen Ort platziert werden. Ebenso ist der optimale Einsatz digitaler Werkzeuge für den Erfolg entscheidend – wir lernen mit jedem Projekt dazu und teilen unsere Erfahrungen mit Kooperationspartner Baumit. Ziel ist es, das Verfahren so rasch wie möglich in die Breite zu bringen.“ Auch wirtschaftlich, ist Trummer überzeugt, wird sich der Beton aus dem 3D-Druck bald rechnen. „Noch ist unsere Methode etwas teurer, aber die Energiekrise spielt uns in die Karten. Und spätestens wenn zunehmende CO2-Steuern Zement & Co. belasten, ist der 3D-Druck auch kostenseitig im Vorteil.“
DAS TEAM „BETON-3D-DRUCK“ Stefan Peters (Institutsleiter) sowie Georg Hansemann, Robert Schmid, Christoph Holzinger (Universitätsassistenten) vom Institut für Tragwerksentwurf an der TU Graz Eduard Artner, Peter Weissmann, Oliver Balog von Baumit Beteiligungs GmbH Wolfram Uhl von Eigner Bauunternehmung GmbH, Nördlingen
Purer Erfindergeist stand am Beginn. Vor sechs Jahren entstand die Forschung zum 3D-gedruckten Beton aus der Masterarbeit eines Studierenden. „Der erste Prototyp entstand im Selbstbau, wir verbanden damals eine Mörtelpumpe mit einem Gartenschlauch und einer selbst programmierten Steuerung für den Roboter“, erinnert sich Trummer schmunzelnd an den garagenorientierten Innovationszugang. „Der Clou beim 3D-Drucken: Das Material wird binnen einer Minute fest, statt in ein oder zwei Tagen wie beim konventionellen Beton. Das ist also echtes Rapid Prototyping.“ Vor zwei Jahren folgte schließlich der nächste entscheidende Schritt: der Start einer Kooperation mit Baumit, das zeitgleich an dem Thema forschte und einen 3D-Druck Roboter entwickeln ließ. Dieser ist nun am Institut der TU Graz im Einsatz, um die Forschungen voranzutreiben und Tests durchzuführen. „Auch wenn die Baubranche als konservativ gilt, gibt es zum Glück auch echte Vorreiter, die in die Zukunft schauen. Das Potenzial des Beton-3DDrucks ist enorm und gemeinsam mit Architekten, Bauingenieuren und den Baufirmen wollen wir dieses auch nutzen.“
Darüber hinaus forscht die TU Graz an einer weiteren Methode, um Beton, das weltweit meist verwendete Baumaterial, klimafreundlicher zu gestalten. Im Mittelpunkt stehen dabei neue Betonrezepturen, die mit weniger Zement auskommen. Konkret geht es darum, Zementklinker, den gebrannten Bestandteil des Zements, der für die hohen CO2-Emissionen verantwortlich ist, durch Gesteinsmehle zu ersetzen. Ein Viertel der Treibhausgase kann mit diesem Öko-Beton eingespart werden. Zuletzt forschte das Institut für Materialprüfung und Baustofftechnologie sogar an Betonmischungen, die gänzlich ohne Zement auskommen. Zum Einsatz kommen dabei Reststoffe der Industrie wie Schlacken und Aschen.
GRÖSSTER KLIMA-HEBEL IN DER SANIERUNG
Die Notwendigkeit zu drastischen Maßnahmen bekräftigt auch Alexander Passer, Inhaber des jüngst gestifteten Lehrstuhls für „Nachhaltiges Bauen“ an der TU Graz. Der Uni-Professor ist auch Vorstand des Climate Change Center Austria (CCCA) und gehört dem wissenschaftlichen Beirat des „Klimarats der Bürgerinnen und Bürger“ des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation an. „Rund 40 Prozent des EU-weiten Energieverbrauchs und etwa 36 Prozent der CO2-Emissionen können dem Bausektor zugerechnet werden. Das ist viel mehr, als etwa der Verkehr verursacht“, so Passer. Eine Reihe von Maßnahmen hat der Experte dem Klimarat zuletzt vorgestellt. „Der größte Hebel liegt in der klimafreundlichen Sanierung und Nutzung von Bestandobjekten.
„Anstelle von Neubauten
bestehende Wohngebäude weiternutzen“,Alexander Passer, Professor für „Nachhaltiges Bauen“
an der TU Graz
Diese müssen wir auf eine bestmögliche energetische Qualität bringen und den Restenergiebedarf mit Erneuerbaren decken“, betont Passer. „Wenn wir anstelle von Neubauten bereits bestehende Wohngebäude weiternutzen, erzielen wir den größten Klimaschutzbeitrag.“ Daher gehe es darum, zum einen vorhandene Leerstände zu aktivieren und zum anderen den Gebäudebestand für zukünftige Anforderungen zu verbessern. „Im Zuge der Sanierung sollen Treibhausgasemissionen vermindert oder bestenfalls vermieden werden – durch den Einsatz neuer Technologien, den Wechsel zu regenerativen Energiequellen oder die Steigerung der Energieeffizienz.“ Entscheidend sei eine Lebenszyklusbetrachtung. „Diese geht weit über die Errichtungsphase hinaus und umfasst das Gebäude mit all seinen Prozessen in der Planungs- und Realisierungsphase sowie im Betrieb und berücksichtigt anfallende Emissionen ganzheitlich.“ Zudem – so der Experte – sollte der Gebäudebestand künftig an die sich verändernden klimatischen Bedingungen angepasst werden, um den Energieverbrauch etwa für Kühlungen zu reduzieren bzw. gar nicht erst entstehen zu lassen. „Heutige Standards im Bauwesen sollten bereits darauf ausgerichtet sein, sich vor zukünftigen Klimaveränderungen wie z.B. Hitzebelastungen zu schützen.“ Die Empfehlungen des Klimarats in Kurzform: Sofortige offensive Sanierungsförderung, verpflichtende Installation von Fotovoltaik, Energieautarkie von Gebäuden herstellen, bestmögliche klimafreundliche Bau- und Sanierungsstandards entwickeln und rechtlich verankern, graue Emissionen verringern und Kreislaufwirtschaft fördern. „Dazu benötigen wir die Anstrengung aller Player im System. Beton ist kurzfristig nicht ersetzbar, daher sind Initiativen der Zementindustrie und ihrer Strategie zur Dekarbonisierung – siehe das Projekt C2PAT – von großer Bedeutung“, so Passer, der in der aktuellen Energiekrise auch eine Chance sieht, die Transformation beschleunigen. „Derzeit findet eine Diskussion in Breite und Tiefe statt, die von einigen Jahren nicht denkbar gewesen wäre. Ohne die eigenen Emissionen maß-geblich zu reduzieren, werden wir die Transformation nicht schaffen.“
Das Tondach-Ziegelwerk Gleinstätten ist mit knapp 140 Mitarbeitern der größte heimische Dachstandort von Wienerberger. Erklärtes Ziel: Ziegelproduktion ab 2030 ohne CO2-Fußabdruck
DAS GROSSE ZIEL: NULL % CO2– EMISSION
Einen Fokus auf Nachhaltigkeit im Hochbau setzt auch der Forschungsverband der österreichischen Baustoffindustrie (FBI), eine Interessensgemeinschaft von führenden Baustoffherstellern in Österreich, der unter anderem Ziegel-Weltmarktführer Wienerberger oder Baumit, Global Player bei Baustoffen, angehören. „Der CO2-Fußabdruck bei der Errichtung von Ziegelgebäuden hat sich in den letzten 30 Jahren bereits um mehr als 70 % reduziert“, erklärt Johann Marchner, CEO von Wienerberger Österreich und Vorstandsmitglied des FBI. „Dazu haben viele Innovationen und Investitionen in eine nachhaltige Produktion und ständige Verbesserungen der Rohstoffe beigetragen. 2024 wird es möglich sein, den ersten nahezu CO2-neutralen Ziegel herzustellen. Das ist ein Meilenstein. Das erklärte, große Ziel lautet 0% CO2– Emission. Daran arbeiten wir täglich.“ So investiere allein Wienerberger jährlich einen hohen einstelligen Millionenbetrag in die Modernisierung der Werke – allen voran in die kontinuierliche Reduktion des Gasverbrauchs sowie in Digitalisierung und Automatisierung.
„Ein Blick auf die Produktentwicklungen der vergangenen Jahre zeigt die Innovationskraft der Baustoffindustrie“, ergänzt Georg Bursik, CEO von Baumit und stv. Vorstandsvorsitzender des Forschungsverbandes der österreichischen Baustoffindustrie. „Ob verfüllte Wandziegel, atmungsaktive Fassadendämmungen, energieeffiziente Ofensysteme, hochmoderne, qualitative Fenster-und Türsysteme oder Rigips-Platten, die eine variable Raum- und Gebäudenutzung ermöglichen – das sind große Schritte in Richtung nachhaltiges Bauen und Wohnen. Allerdings verhindern die zunehmenden Herausforderungen in der Finanzierung von Gebäuden vielfach eine zeitnahe Markteinbringung“, so der Branchenexperte. „Nachhaltiges Bauen bedeutet für uns eine lange und flexible Nutzungs- und Lebensdauer von Gebäuden. Idealerweise kommt ein Gebäude ohne Heiz- und Kühlenergie aus, denn die beste Energie ist die, die nicht verbraucht wird.“ Im Neubau, aber insbesondere bei der Sanierung des Altbestandes bleibe das Dämmen der Gebäudehülle der Garant für eine energieschonende Bau- und Lebensweise.
„Nachhaltiges Bauen bedeutet für
uns eine lange und flexible Nutzungsdauer von Gebäuden“, Georg Bursik, CEO von Baumit und stv. Vorstandsvorsitzender des Forschungsverbandes der österreichischen Baustoffindustrie
Auch neue Technologien und Verfahren bei der Herstellung von Baustoffen bringen enorme Schubkraft für die Treibhausreduktion. „Wienerberger nimmt hier seit Jahren eine Vorreiterrolle ein, unter anderem durch die Nutzung einer Wärmepumpe, die Abluft von der Produktion nutzt“, so Marchner. „Der nächste Meilenstein in unserem Demo-Werk in Uttendorf ist die Errichtung eines Elektroofens – dem ersten weltweit.“ Ab 2023 werde das Werk umgebaut und im Sommer 2024 der erste Ziegel mit reiner Elektroenergie gebrannt. Auch die Kreislaufwirtschaft spielt bei den Mitgliedsunternehmen des FBI eine zentrale Rolle. So hat beispielsweise Marktführer Baumit unter dem Label „GO2morrow“ einen Baustoff entwickelt, dessen Rohstoffbasis zu 100 % aus recycelter Körnung besteht. Bei Wienerberger werden ab 2023 alle neuen Produkte zu 100% wiederverwendbar oder recyclebar sein. „Ein großes Augenmerk legen unsere Mitgliedsunternehmen neben der Produkt- und Innovationsentwicklung auf die laufende Optimierung von Prozessen und Anlagen in der Produktion, um nachhaltig Ressourcen zu sparen und Kosten zu senken“, so Bursik, der aber ebenso wie Marchner eine Änderung der politischen Rahmenbedingungen für ressourcenschonenderes Bauen einmahnt.
„Beton ist Teil der Lösung“, Anton Glasmaier, Vorstandsvorsitzender von Beton Dialog Österreich (BDÖ)
„Die Sanierung des Altbestandes bildet einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz. Daher braucht es, um eine Sanierungsquote von 3% zu erreichen, dringend neue Anreize und Finanzierungsmodelle“, so Bursik. Seine Forderung: steuerliche Anreize in Form von Sofortabsetzung von Sanierungsmaßnahmen und Verkürzung der Abschreibung bei Nachverdichtung. Ebenso sieht er beim Mietrecht einen Hebel für Klimaschutz und Energieeffizienz: „Bei Neuvermietung soll nicht mehr das Errichtungsjahr, sondern der ökologische Fußabdruck des Gebäudes dafür maßgeblich sein, welche Mietzinsregelung – Kategorie, Richtwert, angemessen oder frei – zur Anwendung kommt.“ Zudem habe die thermisch-energetische Sanierung von Gebäuden für ihn Vorrang vor dem Austausch der Energiequelle: „Wir müssen den Förderrahmen anpassen, damit beide Maßnahmen umgesetzt werden.“ Ins gleiche Horn stößt Marchner. „Wir benötigen eine staatliche Sanierungsquote, die auch den Namen verdient: Wir werden in den kommenden Jahren einen regelrechten Boom an renovierten Objekten erleben, weil der Neubau für viele Junge nicht mehr ohne fi-nanzielles Risiko leistbar sein wird“, so der Experte. „In vielen Fällen wird ein kompletter Rückbau nachhaltiger sein als eine unzureichende Sanierungslösung, um mittel- und langfristig eine nachhaltige Gebäudesubstanz herzustellen.“ Darüber hinaus appelliert Marchner: „Die Politik muss aufhören, einzelne Baustoffe besser zu stellen und punkto Nachhaltigkeit besser zu bewerten und mehr zu fördern. Die Ziegelindustrie fordert seit Jahren einen verpflichteten Herkunftsnachweis für alle Baustoffe – wir können lückenlos nachweisen, woher unsere Ziegel kommen. Wir verstehen uns als lokalen Nahversorger am Bau: Lokal produziert, kurze Lieferstrecken und nah am Kunden.“
LAFARGE – CO2 AUS DER ZEMENTPRODUKTION ALS ROHSTOFFQUELLE
Auch ein weiterer heimischer Baustoffriese – Lafarge Zementwerke – hat ambitionierte Pläne, um die CO2-Wende voranzutreiben. Das Unternehmen der LafargeHolcim Gruppe investiert im Rahmen des Projekts C2PAT (Carbon2ProductAustria) gemeinsam mit OMV, VERBUND und Borealis in die Errichtung einer Anlage zur CO2-Abscheidung und -Nutzung im großindustriellen Maßstab. Bereits im Jahr 2030 soll diese Anlage erlauben, klimaschädliches CO2 aus der Zementherstellung abzuscheiden als Rohstoff für die Fertigung von hochwertigen Kunststoffen, Olefinen und Kraftstoffen zum Einsatz kommen. Mit diesem Projekt würden die Emissionen in der Zementproduktion signifikant verringert und das Treibhausgas CO2 als wertvolle Ressource für die industrielle Weiterverwendung genutzt – mit dem Ziel heimische Produkte auf erneuerbare Basis zu schaffen. Konkret soll die Anlage die Abscheidung von nahezu 100% des jährlichen Ausstoßes im Zementwerk Mannersdorf (NÖ) von 700.000 Tonnen CO2 ermöglichen. Mithilfe von Wasserstoff wird das abgeschiedene CO2 von der OMV zu Kohlenwasserstoffen verarbeitet. Dabei kommt grüner Wasserstoff zum Einsatz, der durch den VERBUND in einem Elektrolyseprozess auf Basis von Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Diese Kohlenwasserstoffe werden im weiteren Produktionsprozess für die Herstellung von Kraftstoffen (OMV) sowie für die Erzeugung hochwertiger Kunststoffe (Borealis) genutzt.
Digitalisierung und Automatisierung sowie die kontinuierliche Reduktion des Gasverbrauchs sind Wegbereiter in eine nachhaltige Ziegelproduktion bei Wienerberger, dem größten Ziegelproduzenten der Welt mit rund 200 Werken in 30 Ländern
BETON UND DER NUTZEN DER BAUTEIL-AKTIVIERUNG
„Beton ist der weltweit am meisten eingesetzte Baustoff. Nicht zuletzt deswegen engagiert sich die Branche in besonderem Ausmaß für den Klimaschutz und für klimaneutrales Bauen“, betont auch Anton Glasmaier, Vorstandsvorsitzender von Beton Dialog Österreich BDÖ. „Beton ist Teil der Lösung“, erklärt Glasmaier und nennt als ein zentrales Argument das System Bauteilaktivierung. „Die thermische Bauteilaktivierung ist ein Begriff aus der Haus- und Klimatechnik und bezeichnet Systeme, die Gebäudemassen zur Raumheizung oder Kühlung verwenden. Beton ist aufgrund seiner thermischen Masse der perfekte Baustoff, der mittels Bauteilaktivierung als Energiespeicher genützt werden kann“, so Glasmaier und verweist auf gelungene Praxis-Beispiele, darunter ein Wohngebäude in der Mühlgrundgasse im 22. Bezirk in Wien. „Laufend kommen Bauträger und Architekten vorbei, um sich von den positiven Effekten der Nutzung der Speichermasse von Beton vor Ort und live zu überzeugen.“
„Wohnraum für Generationen schaffen und keine Wegwerfhäuser!“
Michael Stvarnik
Innungsmeister des steirischen Baugewerbes
Auch Michael Stvarnik, Innungsmeister des steirischen Baugewerbes, macht klar: „Der Bau ist nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung!“ So habe Nachhaltigkeit in der Baubranche lange Tradition hat. „Die Zementerzeugung ist zwar mit einem hohen Energieaufwand verbunden, aber das muss man auch in Relation zur Lebensdauer sehen“, so Stvarnik. Baustoffe seien mehrfach recycelbar, die eingesetzte Energie mache dabei mehrere Kreisläufe durch. Stvarnik: „Wir müssen in Lebenszyklen von Gebäuden denken. Das erfordert vor allem Exzellenz in der Ausführung.“ Aber auch in der Planung. „Gebäudenutzungen von morgen werden sich stark von denen unserer Zeit unterscheiden. Wir müssen multifunktional planen und verschiedene Nutzungen vorsehen“, so Stvarnik. Über die gebaute Zukunft werde heute entschieden, mit dem gesamten technischen und planerischen Know-how. Der Ansatz der Bauinnung: „Wir wollen Wohnraum für Generationen schaffen und keine Wegwerfhäuser!“
„Der ökologische Fußabdruck von Betonstahl ist bei uns einzigartig“, so Markus Ritter, CEO Grazer Stahl- und Walzwerk Marienhütte
BETONSTAHL ALS GELEBTE KREISLAUF-WIRTSCHAFT
Auch das Grazer Stahl- und Walzwerk Marienhütte, Österreichs einziger Betonstahlhersteller, investierte in den vergangenen Jahren massiv in seine Öko-Bilanz. „Der ökologische Fußabdruck von Betonstahl aus der Marienhütte ist einzigartig: Drei Viertel des Stromes, der zum Einschmelzen des Schrottes benötigt wird, werden in das Fernwärmenetz der Stadt Graz eingespeist. Mit der eingespeisten Wärme werden 50.000 Grazer Haushalte mit CO2-freier Wärme versorgt“, erklärt CEO Markus Ritter. „Die Herstellung von Betonstahl aus der Marienhütte verursacht nur zwei Drittel der CO2-Emissionen, die bei der Herstellung in Italien entstehen. Dazu kommt, dass Betonstahl made in Austria wesentlich geringere Transportemissionen verursacht als importierter Betonstahl.“ Darüber hinaus sei Betonstahl gelebte Kreislaufwirtschaft. „Aus Betonstahl entsteht Eisenschrott und aus Eisenschrott entsteht wiederum Betonstahl – dieser Kreislauf lässt sich beliebig oft wiederholen“, so Ritter. Zudem sei Betonstahl unverzichtbarer Baustoff für jene Produkte und Anlagen, die wir für die Klimawende benötigen: Fundamente für Windräder, Brücken, Tunnels, U-Bahnen sowie moderne Mobilität. „All das kann man nicht mit Holz oder anderen Baustoffen bauen.“
Fotos: Lunghammer, TU Graz, Christa Strobl, Andi Bruckner, Stefan Seelig, Mias Photoart, Oliver Wolf, beigestellt