Spirit of Styria

Lösungen DER NATUR

Der Landschaftsarchitekt Bernhard König will aus der Stadt einen attraktiven Naturraum machen. Wie das geht, wird sein Büro Green4Cities demnächst in den Innenhöfen der Grazer Burg demonstrieren.

Wir haben die Natur bisher immer als Feind betrachtet“, sagt Landschaftsarchitekt Bernhard König. „Und wir haben geglaubt, dass wir Menschen alles besser können.“ Flüsse wurden verbaut, offene Flächen versiegelt und Grünraum zurückgedrängt. „Jetzt zwingt uns der Klimawandel zum Umdenken“, betont er und nennt ein Beispiel: „Alles in der Stadt ist darauf ausgerichtet, Regenwasser so schnell wie möglich abzuleiten. Dabei wissen wir seit Jahrzehnten, dass Wasser das zentrale Element für die Anpassung an den Klimawandel ist.“ Denn wo es kein Wasser gibt, da könne nichts wachsen, könne keine natürliche Verschattung entstehen, wo kein Wasser verdunstet, entstehe auch keine Kühlung. So bekomme man das Mikroklima in der Stadt nicht in den Griff.

Nature Based Solutions sorgen für Kühle auf urbanen Hitzeinseln.

BERNHARD KÖNIG | LANDSCHAFTSARCHITEKT UND
GESCHÄFTSFÜHRER VON GREEN4CITIES

Mit seinem Büro Green4Cities arbeitet König an Lösungen, wie man in Städten attraktive Naturräume schaffen kann. Er bezeichnet sie als Nature Based Solutions, also als Lösungen, die nicht gegen die Natur, sondern mit ihr arbeiten. Städtische Hitzeinseln, kleinräumige Überflutungen nach Starkregen, der Klimawandel kann das Leben in stark verbauten Gebieten vor allem im Sommer sehr unangenehm machen. König ist davon überzeugt, dass die Natur auch für diese Probleme Lösungen parat hat. „Pflanzen im urbanen Raum sind nie wärmer als die Luft, die sie umgibt“, erklärt König. „Das heißt, sie heizen sich nicht auf, anders als mineralische Oberflächen, die sich stark aufheizen und bis in die Nacht Wärme zurückstrahlen.“ Wie groß dieser Effekt ist, weiß jeder, der an einem heißen Sommertag von der Herrengasse in die Kaiserfeldgasse mit ihren Alleebäumen eingebogen ist. Es ist wie ein Eintauchen in eine andere Klimazone. König erklärt diesen Effekt so: „Die gefühlte Temperatur hängt nicht so sehr von der Temperatur der Luft ab, sondern von der Rückstrahlung der Gebäude und der Luftzirkulation.“ Steigen die Temperaturen in der Stadt im Sommer über Wochen hinweg über 30 Grad an, dann werden versiegelte Plätze zu Hitzeinseln, die auch in der Nacht nicht mehr richtig abkühlen. Das gilt auch für die Innenhöfe der Grazer Burg. Das Büro Green4Cities unter Leitung von Bernhard König und Lisa Maria Enzenhofer hat gemeinsam mit den Architekten Valentin Spiegel-Scheinost und Tobias Brown vom Büro Expedit den international ausgeschriebenen Wettbewerb für die Errichtung eines Besucherzentrums und für die Neugestaltung der Höfe gewonnen. Ende 2024 soll mit den Umbauten begonnen werden. Mit der Fertigstellung der 30 Millionen Euro teuren Umgestaltung ist im Laufe des Jahres 2028 zu rechnen. „Wir bekommen eine grüne Burg“, hatte der Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Lang bei der Präsentation des siegreichen Konzepts erklärt.

Fassadenbegrünung:
Hotel Gilbert in Wien

Besonders stark wird König in den zweiten Burghof eingreifen, der durch den Bau der Neuen Burg in den 1950er Jahren entstanden ist. „Wir werden hier eine waldähnliche Landschaft mit einer maximalen Begrünung schaffen“, erklärt König. „Dabei spielt uns die Topographie – der Registraturtrakt liegt höher als der vordere Teil der Burg – in die Hände. Wir können die Infrastruktur und die Fahrradgaragen ebenerdig und dennoch halb unter die Erde bringen und darauf einen Wald errichten.“

Die beiden anderen Höfe, die auch für Veranstaltungen genutzt werden, sollen mit Wasserflächen und Verschattungen aufgewertet werden. Eine logistische Herausforderung werden die Begrünungsmaßnahmen auf jeden Fall, vor allem, wenn es um die Erdbewegungen und den Transport der Bäume geht. König will auf der Burg nämlich Bäume mit einer Höhe von 15 Metern pflanzen, damit von Beginn an der Eindruck eines Waldes entsteht. Und die müssen erst einmal dorthin gebracht werden.

REGELN UND VORSCHRIFTEN
Bei weniger prestigeträchtigen Aufträgen im urbanen Raum kämpft König vor allem mit Richtlinien und Bauvorschriften, die auf Begrünungen oder Wasserrückhaltung einfach nicht ausgelegt sind. „Natur und natürliche Prozesse sind bisher höchstens als Risikofaktor Teil unserer Regelwerke. 40 Prozent unseres Projektvolumens liegen auf Eis, weil wir auf die Anpassung von Bauordnungen oder Sonderprüfungen von baulichen Lösungen warten müssen“, betont König. Bestehende Normen machen klimabauliche Maßnahmen schwer, manchmal sogar unmöglich. „In den letzten 20 Jahren war es, wenn es um PV-Anlagen oder Begrünungen ging, immer ein Durchwursteln“, erklärt der Landschaftsarchitekt. „Viele Anlagen mussten wieder abgebaut werden, weil die Baupolizei einen Rückbau angeordnet hat.“

Begrünungen im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Linz: Klimanlage Natur.

Für die Stadt Wien – sie ist laut König Vorreiter in Sachen Grüne Stadt – hat Green4Cities daher einen Moderationsprozess durchgeführt, der unter anderem klären sollte, warum es in der Stadt nicht mehr Dachbegrünungen und PV-Gründächer gibt, obwohl die Stadt diese Maßnahmen forciert. Königs Schlussfolgerung aus dem Beratungsprozess: „Es ist ein Irrglaube, dass sinnvolle und nachhaltige grüne Infrastrukturen einfach zu bestehenden städtischen Systemen und Regelwerken hinzugefügt werden können.“ Die bestehenden Richtlinien – seien es Bauhöhen, Grenzen oder Normen – werden und wurden sehr genau formuliert, sie werden seit jeher aus Gründen der Wirtschaftlichkeit bestmöglich ausgenutzt. Da gebe es keinen Spielraum. „Es gibt zwar findige Planer, die in diesem engen Korsett noch vermeintlich legitime Einzellösungen entwickeln, aber so werden wir keine spürbare Klimawandelanpassung auf den Weg bringen“, konstatiert der Landschaftsarchitekt. König glaubt, dass es ohne Neuausrichtung der rechtlichen Rahmenwerke entsprechend der Erfordernisse des Klimaschutzes nicht gehen werde. „Sonst bleibt es ein Durchwursteln.“

GREEN4CITIES GMBH

Green4Cities entwickelt und gestaltet nachhaltige Lebensräume

2014 als Forschungs- und Entwicklungs unternehmen gegründet. Seit 2017 auch als Landschaftsarchitekturbüro tätig. Büros in Graz und Wien
14 Landschaftsarchitekten, Stadtplaner, Ingenieure und Meteorologen
Leitung Landschaftsarchitektur: Bernhard König und Lisa Maria Enzenhofer
Leitung Forschung und Entwicklung: Doris Schnepf und Andreas Berger 
Forschung: GREENPASS, ein Bewertungs- und Planungstool für klimaresiliente 
Städte (2018) 

www.green4cities.com

Hindernisse für klimagerechtes Bauen sind vielfältiger, als man erwarten würde. Zum Beispiel bei der Gestaltung von Gehsteigen: Würde man Geh-steige bepflastern, würden Regenwasser leichter versickern. Dem stehen aber Richtlinien hinsichtlich Wartung, Reinigung oder Barrierefreiheit entgegen: „Ein barrierefreier Gehsteig soll nur eine Querneigung von maximal zwei Prozent haben, der Pflasterhersteller verlangt aber drei Prozent, um die Gewährleistung zu übernehmen. Das führt schnell dazu, dass man halt dann doch lieber asphaltiert.“

Baufluchtlinien, die den Abstand zwischen Gebäude und Straße regeln, verhindern so manche Fassadenbegrünung. Vorschriften, wie Sickerflächen bepflanzt werden dürfen, sind in jedem Bundesland andere. König plädiert mit Nachdruck dafür, die se Regelwerke dem Klimawandel anzupassen. „Wir müssen das aber politisch und gesellschaftlich auch wollen. Das wird an manchen Ecken wehtun. Aber Veränderung hat es immer gegeben und wir müssen wieder lernen, damit umzugehen.“ Die Stadt Graz will mit ihrem Entwurf für ein neues Stadtentwicklungskonzept (STEK) jedenfalls vorschreiben, dass Dachflächen ab einer Größe von 60 Quadratmetern begrünt werden müssen.

Projekte:
IKEA Wien Westbahnhof Österreich-Pavillon auf der Expo 2020 in Dubai gemeinsam mit Querkraft Architekten Klima-Kultur-Landschaft Kannawurf für die IBA Thüringen Klimaanpassungen im Bestand: 
Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Linz, Hotel Gilbert am Museumsquartier in Wien, Volksschule Neuhart Graz mit dreiplus Architekten, Stadtbootshaus mit Architektin Nina Kuess 
In Planung: 
Feuerwache Graz Ost gemeinsam mit dem Büro SuedOst 
Revitalisierung der Grazer Burg gemeinsam mit Expedit, Studio für Architektur

Laut Bernhard Inninger, Leiter des Grazer Stadtplanungsamts und Mitautor des STEK-Entwurfs, führen diese Maß-nahmen zu einem besseren Wasserrückhalt nach Starkregen, zu Kühlung durch Verdunstung und zu einer Entlastung der Kanalisation. „Es gibt bereits viele Standardprodukte, die leicht zu installieren sind. Die Kosten sind überschaubar“, sagt Inninger. Dem stimmt auch Landschaftsarchitekt König zu. „Dachbegrünungen sind mit einem relativ geringen Aufwand herzustellen. Gerade in Graz, wo es im Sommer regelmäßig Starkregenereignisse gibt, sind solche Maßnahmen unheimlich wichtig. Sonst werden wir der Lage nicht mehr Herr.“ Extensive Begrünungen zum Beispiel mit Sukkulenten würden keine zusätzliche Bewässerung brauchen. Angelegt könnten sie auch vom Dachdecker werden. „Diese verhindern ein Aufheizen der Fläche und das ist ein wesentlicher Vorteil.“

Fotos: OLIVER WOLF, STUDIO EXPEDIT, KURT HÖRBST, WOLF DIETER GRABNER

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