Spirit of Styria

Die Kunst DER PRÄSENTATION

Nationale und internationale Kunst einem breiten Publikum zum Genuss zu machen, ist eine Kunst für sich. Das wissen Karl Zimmermann, Mitbegründer der Grazer Galerie Zimmermann-Kratochwill, die zu einer der führenden heimischen Adressen für zeitgenössische Kunst und Wiener Aktionismus gilt, sowie der Grazer Künstler Wolfgang Becksteiner, der seine Arbeiten kürzlich in der Ausstellung „concrete, black and more“ in den Räumlichkeiten der Galerie Zimmermann-Kratochwill präsentierte. Im gemeinsamen Interview erfuhr SPIRIT of Styria, dass es für eine gelungene Zusammenarbeit zwischen Galerie und Künstler „Raum“ braucht, durch die Digitalisierung in der Kunstvermittlung einzunehmend jüngeres Publikum angesprochen wird und respektvolle Konkurrenz in der Galerieszene auch wirtschaftlich belebend sein kann.

Die Galerie Zimmermann-Kratochwill spezialisiert sich auf zeitgenössische Kunst und Wiener Aktionismus. Wie kam es zu dieser Ausrichtung?
Karl Zimmermann: Diese ergab sich bereits 2010, dem Gründungsjahr der Galerie, aus der Dreierkonstellation durch meine Schwester Birgit Zimmermann, Rudolf Kratochwill und mich. Rudolf war Mitbegründer der Nitsch Foundation, dadurch auch der Zugang zum Aktionismus, speziell zu Hermann Nitsch. Meine Schwester und ich haben den Fokus auf zeitgenössische Konzeptkunst gelegt. Außerdem konzentrieren wir uns darauf, zeitgenössische Kunst wie jene Wolfgang Becksteiners zu fördern und national wie international zu positionieren.

GALERIE ZIMMERMANN-KRATOCHWILL
Die Grazer Galerie wurde 2010 von Birgit Zimmermann, Karl Zimmermann und Rudolf Kratochwill gegründet. 
Die Spezialisierung liegt auf Gegenwartskunst nationaler und internationaler Künstler mit Fokus auf gesellschaftspolitische Positionen im lokalen und globalen Kontext. 
Die Künstler werden in der Realisierung ihrer Ideen gefördert und unterstützt. Die Galerie vernetzt Künstler, Interessierte und Sammler durch regelmäßige Ausstellungen sowie einer begleitenden Dokumentation durch Publikationen und macht Kunst einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.

Herr Becksteiner, bis 28. Jänner lief ihre Ausstellung „concrete, black and more“ in der Galerie Zimmermann-Kratochwill. Wie ist die gemeinsame Zusammenarbeit entstanden?
Wolfgang Becksteiner: Zu einem Kontakt kam es Anfang letzten Jahres. Eine befreundete Sammlerin und Kuratorin, die meine Arbeiten schon kannte, stellte den Kontakt zu Karl Zimmermann her, der sich kurzerhand meine Arbeiten in meinem Atelier in Mariatrost ansah. Und so begeistert war, dass es zur Idee kam, gemeinschaftlich etwas machen wollen.
Zimmermann: Es gibt es viele Überschneidungen mit den Arbeiten von Wolfgang und den Themen, die uns als Galerie stark interessieren. Das sind vor allem Themen, die die Jetztzeit bzw. unsere Generation betreffen, angefangen bei politischer Kunst, die in unserem Programm sehr stark verankert ist, über ökonomische Fragestellungen bis hin zu sozialen Punkten. Und natürlich ist es für uns als Grazer Galerie immer spannend, steirische Positionen zu zeigen, was weniger mit der Herkunft als mit unserer Verwurzelung in der Steiermark zu tun hat. Die Qualität von Wolfgangs Skulpturen ist außerdem so groß, dass die Ausstellung auch gut in unsere Räumlichkeiten passt.

Wolfgang Becksteiner (r.) und Karl Zimmermann zwischen Becksteiners Betonobjekten

Wie greifen Sie die Themen Politik, Ökonomie und Soziales“ als Künstler auf?Becksteiner: Am Beispiel des im Jahr 2021 entstandenen Werks „Distanzierte Nähe“ wollte ich die Auswirkungen der Corona-Zeit auf gesellschaftlicher und politischer Ebene spürbar machen. Das Kulturdenkmal steht im Grazer Burggarten in direkter Blickachse zur Burg, dem Sitz der Steiermärkischen Landesregierung, wo die Politik in den letzten Jahren ja auch wichtige Entscheidungen in Bezug auf die Covid-19-Pandemie traf. Als vergegenständlichte Erinnerung soll die Skulptur zur Reflexion über die Pandemie in der Steiermark einladen. Zwei Betonwände, je 220 cm hoch und 340 cm lang und im Abstand von einem Meter aufgestellt, ermöglichen dem Besucher das Durchschreiten.
Die aufgerauten, schwarz lackierten Wandinnenseiten verweisen auf die raue, harte Zeit der Krise, was auch körperlich spürbar wird: Durch die Enge, Dunkelheit und veränderte Akustik im Inneren des Objekts, sozusagen in der verbotenen Zone des Abstands, entsteht ein unbehagliches Gefühl. Man nimmt sich darin anders wahr. Man durchschreitet eine Krise, gleichzeitig aber gewähren die beiden geöffneten Seiten einen hoffnungsvollen Ausblick und Ausweg nach vorne, nach oben und nach hinten. Sie sollen an die gewohnte soziale Freiheit und baldige Möglichkeit für Nähe erinnern und als Symbol der Bewältigung verstanden werden. Das Soziale zeigt sich z.B. aber auch in meiner Installation „Anlehnungsbedürftige Objekte“, die einen Teil der Ausstellung „concrete, black and more“ bildet. Da diese Objekte, die meist aus Beton, Metall und schwarzer Spezialfarbe bestehen, an der Wand lehnen, wird gezeigt, dass man sich als Individuum auch manchmal bei jemanden anlehnen darf/muss/soll.

Mich fasziniert es, dass etwas Flüssiges eine feste Form annehmen kann, das Beton und Stahl trotz ihrer Schwere auch etwas Leichtes verkörpern.“

WOLFGANG BECKSTEINER
KÜNSTLER

Wie kam es zur Auswahl dieser Materialien, mit denen sie arbeiten?
Becksteiner: Ich habe ursprünglich Architektur studiert, wobei ich einerseits schon früh mit Beton gearbeitet habe und mich andererseits faszinierte, wie man mit Raum umgehen kann. Meine Werke entstehen so, dass ich zuerst von der Zeichnung ausgehe und dann in den dreidimensionalen Raum übergehe. So, als würde ich mit Tusche einen Strich auf Papier machen, zeichne ich einen Strich in den Raum, ebenso ausgefranst, vergrößert und übersetzt in meine bevorzugten Materialien: Metall, Beton und schwarze, matte Farbe. Mich fasziniert es, dass etwas Flüssiges eine feste Form annehmen kann, dass Beton und Stahl trotz ihrer Schwere auch etwas Leichtes verkörpern, sich der Blick ändert, je nachdem, von wo aus ich das Objekt betrachte. Diese Räumlichkeit, dieses räumliche Empfinden, war auch im Ausstellungskonzept und der gemeinsamen Zusammenarbeit mit Karl wichtig.

WOLFGANG BECKSTEINER
Geboren 1972 in Graz, lebt und arbeitet in Graz

Tätigkeitsbereich:
Objektkunst, Informationstransformation, Foto- und Videoarbeiten Abgeschlossenes Studium der Architektur bei Prof. Giselbert Hoke

Salzburger Sommerakademie, Hermann Nitsch / Förderstipendium der Stadt Graz
2006 Kunstförderungspreis der Stadt Graz

Wie kann man sich die Zusammenarbeit zwischen Galerie und Künstlern vorstellen? Wie geben Sie als Galerie den Künstlern wortwörtlich „Raum“ zur Entfaltung?
Zimmermann: Man muss sich mit den Räumlichkeiten auseinandersetzen und darauf achten, dass die Kunst des Künstlers richtig inszeniert wird und wirken kann. In enger Absprache mit den Künstlern wird jede Ausstellung oft über Wochen konzipiert. Unseren persönlichen Bezug zum Künstler spürt man auch als Besucher. Als Galerie sehen wir es als unsere Aufgabe, Kunst aber auch die Künstler selbst und ihre Ideen hinter den Kunstwerken vorzustellen, Zugänge zur Kunst zu schaffen und ein breites Publikum für Kunst zu begeistern. Und das ganzheitlich.

Der Künstler Wolfgang Becksteiner (l.) mit dem Galeristen Karl Zimmermann

Wie erreichen Sie Ihr Publikum? Welchen Stellenwert nehmen physische Galerien ein, nach der Pandemie, in der durch die digitale Transformation Repräsentationsformen wie Virtual Reality vorangetrieben worden sind?Zimmermann: In der Krise war vieles anders, aber jede Krise muss man auch als Chance sehen, etwas Gutes daraus mitzunehmen und tätig zu werden. Wir haben unsere Dokumentation und das Angebot, digital Ausstellungen mitzuverfolgen, erweitert. Dennoch wirken meiner Meinung nach Einrichtungen wie Galerien oder Museen erst so richtig, wenn man sich vor Ort befindet. Das ist wie in der Musik: Eine Schallplatte anzuhören, ist toll. In einem Konzert zu sein, und das live zu erleben, das haut einen um.
Becksteiner: Ich gehöre noch einer Generation an, die lieber im Analogen unterwegs ist als digital. Nur, durch das Internet kann ich als Künstler natürlich wesentlich mehr Menschen erreichen und habe den Vorteil, beispielsweise nicht in Berlin leben zu müssen, um in Berlin auszustellen. Man hat heutzutage
die Möglichkeit, Kuratoren von überall auf der Welt anzusprechen und ist dadurch flexibel. Ich muss das dann aber auch bedienen, um gesehen zu werden, z.B. auf Instagram. Und nicht jeder Künstler ist gut darin, sich zu vermarkten. Da übernehmen Galerien eine wichtige Aufgabe in der Positionierung.

Es gibt eine kleine, aber ausgewählte Galerieszene in Graz. Wie würden Sie das Miteinander mit anderen Grazer Galerien beschreiben? Eher freundschaftlich-kollegial oder herrscht Konkurrenzdruck?
Zimmermann: Es gibt ein gutes Angebot in Graz und einen spannenden Mix. Was das Miteinander betrifft, bin ich ein Freund der Bewegung. Wie in jedem anderen Feld kann auch in der Galerieszene Konkurrenz belebend sein. Der Austausch mit anderen Kollegen und Einrichtungen ist uns wichtig, auch, dass wir uns gegenseitig schätzen, aber dass man ebenso Kritik übt – beides hilft und bringt einen weiter.

Sie sprachen davon, dass ein Fokus auf junge Kunst gerichtet ist. Der Kunstmarkt wird nicht selten als elitär angesehen, vor allem von jungen Menschen. Wie bauen Sie Hemmschwellen ab?
Zimmermann: Das ist ein wichtiger Punkt. Gerade der Kunsteinstieg ist ein großes Thema vor allem bei der Jugend, die oft wenig Bezug zur Kunst hat. Dabei hat jeder mal klein angefangen und man versäumt so viel. Wir versuchen in kleinem Rahmen das Vertrauen aufzubauen und als Galerie unsere Rolle als Berater ernst zu nehmen, was uns großen Spaß macht. In unseren Veranstaltungen erhalten Besucher außerdem einen direkten Zugang zu den Künstlern und hören aus erster Hand die persönlichen Beweggründe, warum ein Künstler Kunst macht. Wir wollen die Geschichte hinter den Kunstwerken erzählen.
Becksteiner: Das macht ihr sehr gut. Für mich, in meiner Position als Künstler, verwandelt erst die Geschichte das Objekt an der Wand vom Deko-Objekt zur Kunst.
Zimmermann: Genau. Man muss bedenken, kauft man ein Kunstwerk, kauft man nicht nur eine Skulptur, sondern einen Auszug aus den tiefsten, innersten Gedanken des Künstlers.

Die Galerie verfügt über einen Innenhof als Präsentationsfläche

Einzelausstellungen (AUSWAHL)
2023, „concrete, black and more“ – Galerie Zimmermann/  Kratochwill 
2021, „Das Maß aller Dinge“ - Grazer Kunstverein – Graz 

Gruppenausstellungen (AUSWAHL)
2022, Lost in Space Raum, Ding und Figur – Entwicklungen innerhalb der Skulptur seit 1945
22. Benefizauktion zugunsten SOS Mitmensch – Palais Dorotheum – Wien

Kunst im öffentlichen Raum
2021 Denkmal „Distanzierte Nähe“ Burggarten – Graz

Was sind Ihre Gedanken für die Zukunft? Welche Schritte sind geplant?Zimmermann: Langsam laufen wieder die Kunstmessen an, auf denen wir vertreten sind, wo wir uns mit anderen Galerien und mit Künstlern austauschen. Wir passen unsere Ausrichtung an und möchten neue Märkte adressieren und Neues ausprobieren. Unsere Besucher können sich jedenfalls auf ein abwechslungsreiches Programm freuen.
www.zimmermann-kratochwill.com

Fotos: Oliver Wolf

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