Spirit of Styria

Die Kunst gesellschaftlichen WANDELS

Wir treffen David Ram, als einstiger CEO und Mitbegründer von Tyromotion
einer der erfolgreichsten Start-up-Gründer Österreichs und heute international wahrgenommener Künstler sowie Grazer Gemeinderat, im Kunstverein Roter Keil in Graz. Im Interview erzählt er von der herausfordernden Metamorphose vom Unternehmer zum Künstler, dem gesellschaftlichen Mehrwert von Kreativität und wie er als Künstler und Politiker dazu beitragen will, mehr Buntheit in unsere Welt zu bringen.

Es ist ein schöner Morgen im Februar, Sonnenlicht fällt durch die staubigen, milchigen Fenster der Kunsthalle Roter Keil in der Grazer Vinzenzgasse. In den Ateliers scheint die Zeit stehengeblieben – halbfertige Malereien, überdimensionale Skulpturen geben ihr Innen-leben aus Drahtgitter und Styropor preis. Es riecht nach Farbe, Metallstaub und Holz. Ein Ort, an dem die Kreativität von selbst kommen muss, denkt man, als uns David Ram nach dem Fotoshooting durch die Räumlichkeiten führt und danach Kaffee zubereitet.

Sie sind Unternehmer, Politiker und seit wenigen Jahren Künstler. Wie kamen Sie zur Kunst?
DAVID RAM: Ich würde sagen, im Herzen war ich immer ein Kreativer. Mein Unternehmertum startete mit dem kreativen Impuls, neuartige Geräte für die Rehabilitationstechnik zu entwickeln. Das war auf den ersten Blick zwar nicht Kunst, aber ich glaube es ist mit einem künstlerischen Schaffensprozess vergleichbar. Man nähert sich einer Problemstellung und versucht, kreativ über neue Ideen zu einem neuen Ansatz zu kommen.

„Ich glaube daran, dass
wir als Menschen mit unseren Ideen viel Mehrwert schaffen können. Ich will dazu beitragen, indem ich in unsere Welt mehr Buntheit reinkriege.“

DAVID RAM
KÜNSTLER

Inwieweit fließt Ihre technische Erfahrung als Unternehmer in Ihre Kunst ein? Bezogen auf Ihre Werkserie „Kinetik“, welche die organischen Skulpturen „Light Pods“ und „Lotus Pods“, umfasst, sind Ihre Exponate mit Leuchttechnik und interaktiven Elementen ausgestattet, die eine Art Mensch-Skulptur- Schnittstelle bilden.
RAM: Nachdem ich aus dem 3D-Design komme, war es für mich naheliegend, bei meinen Skulpturen die Möglichkeiten des 3D-Drucks auszuloten. So entstanden letztes Jahr die Lotus Pods, die niederschwellig hauptsächlich bei Lichtfestivals vor vielen Besuchern gezeigt werden. Meine Kunst soll nicht mit etwas Elitärem assoziiert werden, sondern Themen von verschiedenen Blickwinkeln aus beleuchten.

Als Grazer Gemeinderat der Grünen liegen Ihnen die Themen Wirtschaft, Kreativwirtschaft, Energie, Menschen mit Behinderung und Sport am Herzen. In Ihrer politischen Botschaft möchten Sie mit positiver Energie ökologischen und sozialen Herausforderungen begegnen und einen Teil zu einer hoffnungsvollen Zukunft für alle beitragen. Geht diese Botschaft auch mit Ihrer Kunst einher?
RAM: Ich glaube generell daran, dass wir als Menschen mit unseren Ideen sehr viel Mehrwert schaffen können. Und wenn ich da etwas dazu beitragen kann, um in unsere Welt mehr Buntheit reinzukriegen, die Offenheit für Neues anzustoßen, dann ist das sicher etwas, das ich persönlich anstrebe.

Können Sie ein künstlerisches Beispiel nennen?
RAM: In meiner letzten Ausstellung „Metamorphosis catastrophalis“ zeigte ich abstrakte Werke einer Zeit globaler Krisen, aber auch aus meiner persönlichen Zeit der Transformation. Die Werke sind inspiriert von einem Auseinanderfallen der persönlichen Werte und Ziele, blankem Chaos und einer Neuordnung von Gefühlen und Gedanken. Der Titel, die katastrophale Metamorphose, bezeichnet in der Biologie die Umwandlung der Raupe zum Schmetterling, in der das bestehende Wesen praktisch komplett aufgelöst wird, damit das neuartige Wesen entstehen kann. Ich habe damals einen ähnlichen, persönlichen Umwandlungsprozess erlebt.

Malerei, Skulptur und Installation – David Rams Werk ist breitgefächert

Als Sie von Ihrer Funktion als CEO bei Tyromotion zurücktraten und als Künstler durchstarteten?
RAM: Ja. Ich hatte das Gefühl, in meinem Job die Möglichkeit verloren zu haben, kreativ zu sein. Als wir noch ein Start-up waren, konnte man sehr viel Kreativität reinbringen. Später, mit einer gewissen Unternehmensgröße, war mein Job stark von Personalmanagement, Prozessoptimierung und Strategie geprägt. Dann habe ich irgendwann gesagt: Okay, jetzt bin ich 40, das ist nicht das, was ich für den Rest meines Lebens tun will.

Wie haben Sie diese Metamorphose in der Anfangszeit erlebt?
RAM: Wenn man eine Wesensänderung in diesem Ausmaß durchmacht, ändern sich viele Werte, die eigentlich das Leben bis zu diesem Zeitpunkt stabilisierten. Plötzlich kommt man in eine Situation, in der man eigentlich nicht mehr weiß, was jetzt richtig oder falsch ist. Warum tue ich, was ich tue?

Welche Werte waren das?
RAM: Als Geschäftsführer war ich finanziell abgesichert. Plötzlich fährt man notgedrungen alles zurück, entdeckt den Minimalismus und erkennt, dass weniger mehr sein kann. Es war dann eine bewusste Entscheidung, den Fokus nicht auf das Materielle zu richten, sondern maximal viel Zeit zu haben, sich kreativ auszubreiten.

Nach Ihrem Ausstieg kamen Sie zur Politik. Eine logische Konsequenz Ihres Umdenkprozesses?
RAM: Das Interesse für mein politisches Wirken wurde durch meine generelle, in dieser Zeit „geschärfte“ Lebensphilosophie entfacht, nachhaltiger zu agieren. Als Unternehmer standen für mich Konkurrenzkampf, Wachstum und eine damit einhergehende Serienproduktion von Produkten im Vordergrund, die große Mengen an Ressourcen verbraucht. Heute will und kann ich nicht weiterhin ein Teil einer Maschinerie sein, die die Welt immer schneller gegen die Wand fährt. Im Gegenteil: Ich möchte im Rahmen meines politischen Engagements die Fragen stellen: Wie kann eine nachhaltige Welt ausschauen und was muss dafür getan werden? Was bedeutet das für den gesellschaftlichen Wandel?

Auch im Kontext der Kunst spricht man von „Kunstproduktion“, von Werken, die verkauft werden. Wie vereinen Sie Ihr unternehmerisches Denken mit dem Anspruch, Kunst als Vehikel für einen gesellschaftlichen Wandel zu nutzen?
RAM: (Überlegt) Ich will jetzt nicht sagen, dass mein unternehmerisches Denken komplett ausgeblendet ist. Aber: Es ist es viel kleiner geworden. Das muss es auch, wenn man wirklich kreativ sein will. Andernfalls kommt man sofort wieder in ein Radl hinein, wo man sich die Frage stellt: Produziere ich jetzt Kunst nur deshalb, damit ich Geld verdiene? Spätestens dann richtet man sich aus nach dem, was die Kunden wollen – und produziert damit Produkte, aber keine Kunst. Mir geht es in erster Linie um Botschaften.

Die Lotus Pods laden zur Interaktion ein

Malerei, Skulptur, Installation – Ihr Werk ist breit gefächert, wie die gesellschaftlichen Themen, derer Sie sich annehmen. Welche Botschaften werden über Ihre Kunst kommuniziert und rezipiert?
RAM: Das ist ein spannender Punkt, denn die Rezeption meiner Werke fällt ganz unterschiedlich aus. Jeder Mensch bringt aufgrund seiner eigenen, biografi-schen Prädisposition seine eigenen Erfahrungen und Gefühle ein und erlebt ein Kunstwerk dadurch individuell. Vielleicht stellen sich Kunstrezipienten ganz andere Fragen, als ich das tue? Aber das ist auch gut so. Der Zuschauer ist immer ein Teil der Kunst.

Gibt es eine Dimension der Kunst, in der Sie sich besonders zuhause fühlen?
RAM: Jede Kunstform besitzt ihre eigene Sprache, in der sie kommuniziert. Die Malerei sehe ich als expressionistische Form, um über Farbe Gefühle zu verarbeiten, die im Moment des Malens entstehen. Meine kinetischen Skulpturen mit ihren interaktiven Elementen entstehen erst nach längerer Konzeptions- und Planungszeit. Hier will ich die Zuschauer bewusst in die Kunst miteinbinden, sie in eine Welt der Magie entführen. Nämlich durch bewegte Elemente, dem Karussell mit dessen Zentrifugalkraft als körperliche Erfahrung und mittels Lichteffekte sie in ein Kindsein zurückversetzen. Die verschiedenen Ausdrucksformen und Werk- bzw. Themenserien haben für mich aber auch eine andere Funktion: Sie erlauben, meine Kunst oder meine Ideen für mich in gewisser Weise zu ordnen oder in eine Richtung zu bringen.

Ihre Werke wurden mehrfach in Ausstellungen gezeigt. Was ist für die Zukunft geplant?
RAM: Die Lotus Spots entwickeln sich momentan sehr spannend, da seitens des Nobelpreismuseums in Stockholm eine Anfrage hereinkam, sieben Lotus Spots in einem großen Lichtfestival auszustellen, das zeitgleich mit den Nobelpreisverleihungen im Herbst stattfinden wird. Das wird eine Herausforderung, alles zeitgerecht bis dorthin umzusetzen.

Bevorzugen Sie Galerien oder den öffentlichen Raum als Bühne?
RAM: Wenn ich es mir persönlich aussuchen kann, dann würde ich gerne im öffentlichen Raum ausstellen. In Galerien geht lediglich ein kleiner Teil der Bevölkerung, wohingegen man im öffentlichen Raum mehr Menschen erreicht. Und wie ich vorhin gesagt habe: Kunst kann für alle Menschen – und einen gesellschaftlichen Wandel, in dem wir uns gerade befinden – einen großen Mehrwert bringen, wenn sie auch gesehen und reflektiert wird.

David Ram
Geboren 1979 in Kitzbühel Lebt und arbeitet in Graz Diplomstudium Maschinenbau an der TU Graz, Stanford University, Executive Programm
2006 – 2020: Gründer und Geschäftsführer Tyromotion (Rehabilitationstechnik)
seit 2020: Beiratsmitglied Tyromotion
seit 2021: Gemeinderat Stadt Graz (DieGrünen)
seit 2021: Freischaffender Künstler und Designer
seit 2023: Mitglied im Künstlerkollektiv Roter Keil

Einzel- und Gruppenaustellungen (Auswahl):
Metamorphosis catastrophalis (2023)
Krisen & Brüche (2023)
Friedhof der Utopien (2023)

https://davidram.art

Fotos: Herwig Gans, Eva-Maria Fink Photography, Oliver Wolf

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